„Zum Herzensthema zurückkehren“

3. Januar 2022

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Maxi Schneider wird Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik in der Bundesvereinigung der VVN-BdA. Im antifa-Interview beschreibt die Historikerin ihre Vorstellungen und Ziele für die neue Tätigkeit.

Ab Januar wirst du Mitarbeiterin der Bundesgeschäftsstelle der VVN-BdA e.V. im Themengebiet Geschichts- und Erinnerungspolitik. Worum geht es bei der Stelle?
Maxi: Mit der Stelle soll die Hauptarbeit des Verbandes gestärkt und die Vernetzung der Ehrenamtlichen unterstützt werden. Ich soll mit dafür sorgen, dass die VVN-BdA in Debatten um die Geschichte des Faschismus und dessen heutige Bearbeitung bzw. Umdeutung weiterhin eine starke Stimme hat. Dazu gehört, dass die geschichtspolitisch Aktiven voneinander wissen, sich abstimmen und die vorhandene Expertise produktiv nutzbar machen. Ich werde auch mit der Archiv-AG zusammenarbeiten, mir Entwicklungen im Bereich der Gedenkstätten und Ausstellungen anschauen und Bewegungen auf Gesetzesebene für den Verband aufbereiten, damit wir da schnell intervenieren können.

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Wir erinnern an Heinz Siefritz

30. November 2021

Heinz zu Gast beim Bundeskongress des österreichischen KZ-Verband

Am 15. November ist unser Kamerad und langjähriger Kassierer der Bundesvereinigung, Heinz Siefritz, im Alter von 75 Jahren gestorben.

Heinz war sein Leben lang gesellschaftlich engagiert: In seiner Jugend war er in der Anti-AKW-Bewegung aktiv, später setzte er sich zunächst im Betrieb und dann als Gewerkschaftssekretär für die Interessen seiner Kolleginnen und Kollegen ein.

Als Antifaschist, der noch persönlich Überlebende aus Widerstand und Verfolgung kennengelernt hat, übernahm er nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben Verantwortung in der VVN-BdA.

In den 1990er Jahren wurde Heinz Bundeskassierer und kümmerte sich auch nach der Vereinigung mit IVVdN und BdA gemeinsam mit Regina Elsner weiter um unsere Finanzen.

Ab 2004 war er als Kassierer der FIR auch international tätig, stets unterstützt von seiner Frau Inge, mit der er im schönen Haus am Bodensee gern die Kamerad:innen als Gäste empfing und umsorgte.

Heinz fehlt, er wird nicht vergessen.

Beschluss 8: Gegen jeden Antisemitismus

2. November 2021

Die VVN-BdA wendet sich gegen jede Art und Form des Antisemitismus.

Nicht jede Kritik an israelischer Regierungspolitik und Akteuren der israelischen Gesellschaft ist von vornherein des Antisemitismus zu bezichtigen.

Die VVN-BdA unterstützt alle Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben zwischen Israel und seinen Nachbarn und alle Bemühungen um eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinenser/innen, die den legitimen Interessen beider Seiten entspricht.

Für die VVN-BdA ist das Verhältnis zu Israel in erster Linie davon bestimmt, dass dort eine große Zahl von Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen leben. Israel ist der Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden aus aller Welt.

Wer diese grundsätzliche Konsequenz nach der Shoah infrage stellt, kann für uns kein Bündnispartner sein. Das gilt insbesondere für extrem reaktionäre, frauen- und demokratiefeindliche Organisationen, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennen.

Auch die israelische Gesellschaft ist gespalten: Rassismus, Nationalismus, religiöser Fundamentalismus und weitere reaktionäre Strömungen sind genauso vorhanden wie Friedensbewegung, Bürgerrechtsbewegung und die verschiedenen sozialistischen Strömungen.

Wir haben also Freunde und Bündnispartner in Israel, die an der gleichen „Welt des Friedens und der Freiheit“ arbeiten wie wir. Viele dieser KameradInnen stehen in Opposition zur israelischen Regierungspolitik oder stehen ihr zumindest kritisch gegenüber. Ein wichtiger Aspekt ihrer Überlegungen ist die Überzeugung, dass Israel nur in Frieden mit seinen Nachbarn überleben kann.

Die parlamentarische Demokratie in Israel erlaubt auch radikale Kritik. Reaktionäre Regierungspolitik erfordert auch in Israel radikale Kritik. Wer versucht, israelische Oppositionelle, die mit Sorge analysieren, welche katastrophalen Folgen die permanente Kriegssituation für die gesellschaftliche Entwicklung hat, zum Schweigen zu bringen,  kann für uns auch kein Bündnispartner sein. Die Vorstellung, deutsche Linke müssten die Grenzen zulässiger linker Kritik an israelischer Politik bestimmen, ist absurd.

ABGESAGT: AfD sagt Bundesparteitag in Wiesbaden ab, 11. und 12. Dezember 2021

18. Oktober 2021

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Der AfD-Bundesvorstand hat letzte Woche angekündigt, dass der für 11./12. Dezember in Wiesbaden geplante Bundesparteitag abgesagt wurde bzw. auf 2022 verschoben werden soll.

Momentan beraten wir mit unseren Bündnispartner*innen in Wiesbaden und Umgebung, ob an dem geplanten Protestwochenende in Wiesbaden dennoch Aktionen stattfinden, etwa um deutlich zu machen, dass wir auch 2022 wiederkommen werden. Doch Corona-bedingt raten wir, bereits jetzt überregionale Anreisen zu stornieren.

Viele Grüße, bleibt gesund und habt ein entspanntes Wochenende





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„Neofaschismus in Deutschland“

22. September 2021

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Die neue Ausstellung der VVN-BdA – jetzt bestellen in unserem Online-Shop: https://shop.vvn-bda.de/index.php/ausstellungskataloge.html

Fotos vom Bundeskongress 2021

21. September 2021

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Der Buko 2021 fand aufgrund der Corona-Pandemie als Hybridveranstaltung in Präsenz in Frankfurt und online über eine Videokonferenz statt. Hier ein paar Eindrücke davon:

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Interview mit der Bundesvorsitzenden: „Blockieren ist unser Recht“

20. September 2021

Interview aus der „jungen welt“ mit Cornelia Kerth, Bundesvorsitzenden der VVN-BdA

Vereinigung der Verfolgten des Nazisregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) will nach Bundeskongress in Berlin stärkeres Gewicht auf antirassistische Arbeit legen. Gespräch mit Cornelia Kerth.

Cornelia Kerth ist Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA)

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hat am letzten Wochenende ihren Bundeskongress in Berlin abgehalten. Welche Themen haben die Tagung dominiert?

Wir sind eine Organisation im Umbruch. Nur noch wenige Überlebende können als Zeitzeugen über Verfolgung und Widerstand gegen das Naziregime sprechen. Wir müssen nun als »Zeugen der Zeugen« ihr politisches Erbe weiter tragen und es in die gesellschaftliche Auseinandersetzung um Erinnerung und Erinnerungspolitik einbringen. Das betrifft die künftige Rolle und Gestaltung der Gedenkstätten, aber auch, welche Inhalte und Aussagen zum Beispiel in den Schulen vermittelt werden.

Unser zweiter Schwerpunkt ist quasi naturgemäß der Kampf gegen Neofaschismus, seine Tolerierung und politische Entwicklungen und Diskurse, an die er anknüpfen kann. Wir werden weiter dafür einstehen, dass Neonazis aus den Köpfen und Parlamenten und von den Straßen verschwinden!

Sie haben auf dem Kongress ein Impulsreferat zum Thema Rassismus und Islamfeindlichkeit gehalten und eine Kampagne der VVN-BdA gegen Islamophobie angekündigt. Gibt es diesbezüglich bereits konkrete Planungen?

Unsere Kräfte sind begrenzt, und so haben wir uns in den letzten Jahren stark auf unsere »no npd«-Kampagnen konzentriert. Das war auch richtig. Wir müssen nun aber dieser »ideologischen Brücke« zwischen faschistischer Ideologie und – wie die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom letzten Herbst belegt – der gesellschaftlichen Mitte mehr Kraft widmen. Und es geht immer auch um ganz praktische Solidarität mit den von rassistischer Ausgrenzung, Stigmatisierung, Abschiebung betroffenen Menschen. Wir wollen in erster Linie wieder aktiver in antirassistischen Bündnissen mitarbeiten.

Sowohl Sie als auch Heinrich Fink wurden mit breiter Mehrheit der Delegiertenstimmen als Bundesvorsitzende der VVN-BdA wiedergewählt. Was werden Ihre persönlichen Arbeitsschwerpunkte in den kommenden Monaten sein?

Zunächst müssen wir dafür sorgen, dass die Umsetzung unserer Beschlüsse organisatorisch eingeleitet wird. Das gehört in einer nahezu ausschließlich ehrenamtlichen Organisation zu unseren wichtigsten Aufgaben. Mein persönlicher Schwerpunkt wird sicher unser Beitrag zur Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie sein.

Vor welchen politischen Herausforderungen steht Ihr Verband in Zeiten zunehmender Militarisierung und dem Abbau von Grund- und Freiheitsrechten?

Diese Herausforderungen sind immens. Zum Glück gibt es eine gut vernetzte Friedensbewegung, zu der wir gehören und in die wir uns nach Kräften einbringen. Dem »Werben fürs Morden und Sterben«, wie es in einem unserer Beschlüsse formuliert ist, das bis in die Schulen hineinschwappt, müssen wir immer wieder die historische Wahrheit über die Verbrechen der Wehrmacht und die unsäglichen Kontinuitätslinien entgegenhalten. Diese ist aktuell zum Beispiel in der deutschen Klage gegen Entschädigungsverpflichtungen gegenüber den Opfern von Distomo und anderen in Den Haag sichtbar.

Wir sind froh, dass es sehr verdienstvolle Organisationen gibt, die sich besonders der Bewahrung der Grund- und Freiheitsrechte widmen. Mit einigen von ihnen sind wir traditionell verbunden. Gemeinsame Themen gibt es leider mehr als genug, ein besonderes Anliegen ist uns, mit der Kriminalisierung von Antifaschisten, die sich Nazis wirksam in den Weg stellen, Schluss zu machen. Solange ihre Aufmärsche nicht verboten sind, gilt: Blockieren ist unser Recht!

Interview: Markus Bernhardt
Mit freundlicher Genehmigung von „junge Welt“
Artikel: »Blockieren ist unser Recht«

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„Unsere Zeit“: Das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen

geschrieben von Gerd Deumlich

20. September 2021

Bericht von Gerd Deumlich über den Bundeskongress 2011 in der Zeitung „Unsere Zeit“

Unter diesem Motto fand am letzten Wochenende in der Humboldt-Universität zu Berlin der 4. Bundeskongress der VVN-BdA seit der Vereinigung der Verbände antifaschistischer Widerstandskämpfer zu einer gesamtdeutschen Organisation statt. Dieses Motto ist mehr als ein besinnlicher Gedanke – es ist ein kämpferischer Anspruch. Denn die Aufgabe muss nahezu ganz von den Nachfolgern derer gelöst werden, die noch aktiv am Widerstand gegen den Faschismus teilnahmen – und sie stoßen auf verhärtete Anstrengungen, den Antifaschismus zu delegitimieren.

„In unserer Organisation hat sich in den letzten Jahren ein Generationswechsel vollzogen“, besagt der Leitantrag des Kongresses. Zu den Nachgeborenen, die jetzt das Vermächtnis des Widerstandes zu erfüllen haben, konnten noch ein Moorsoldat und ein Auschwitzüberlebender sprechen, die Totenehrung würdigte auch schon Namen aus der Nachfolgegeneration, wie Jupp Angenfort. Dass der VVN neue Kräfte zugewachsen sind, besagt die Zahl, dass von den 142 Delegierten 48 zum ersten mal delegiert waren, viele sind in den letzten zehn Jahren beigetreten; durch die Gewinnung junger Menschen ist der Mitgliederrückgang aufgehalten worden. Die VVN-BdA hatte Ende letzten Jahres 6 786 Mitglieder. Junge Menschen zu gewinnen bleibt die Hauptsorge für die Sicherung antifaschistischen Wirkens.

Dieses zeichnete sich, wie der Kongress resümieren konnte, durch wichtige Erfolge aus: Durch die NO-NPD-Kampagne wurde die Forderung nach dem NPD Verbot ein gewichtiges Politikum – die Ausstellung über den Neofaschismus erzielt beträchtliche Resonanz – die VVN trug dazu bei, dass der NPD der Einzug in Landtage misslang – in mehreren Orten, wie Dresden u. a., wurde den Aufmärschen der Neonazis wirksam begegnet, wurde das Recht verteidigt, die Nazis zu blockieren.

Das Wirken der VVN-BdA fand die Anerkennung in Grußschreiben an den Kongress, so von einigen Gewerkschaften. Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, betonte die Bedeutung eines grundlegenden Bündnisses gegen die Neonazis und hob hervor, dass die VVN die erste Organisation war, die sich dafür einsetzte, die Verbrechen der Faschisten gegen die Sinti und Roma in eine Reihe mit dem Holocaust zu stellen. Die Vorsitzende der DKP, Bettina Jürgensen, selbst aktives Mitglied der VVN-BdA, fand starken Beifall für ihr Plädoyer, dass sich die antifaschistische Bewegung, wenn sie Erfolg haben wolle, nicht spalten lassen dürfe.

Die Verhandlungen des Kongresses widerspiegelten lebhaft, dass die VVN-BdA selbst eine breite Bündnisorganisation ist, in der Menschen mit verschiedenen Zugängen zum Antifaschismus und unterschiedlichen Meinungen zu aktuellen Problemen zusammenwirken. So ergab die Diskussion des Kongresses eindeutig, dass die VVN-BdA an konsequent antifaschistischen Positionen zu erkennen ist: durch die Fortsetzung des Kampfes für das NPD-Verbot, durch die Ablehnung jeglicher rassistischer und religiöser Ausgrenzung, der Abschiebung von Migranten, durch die Unterstützung der Positionen der Friedensbewegung gegen Kriegseinsätze und die sogenannte Bundeswehrreform, durch die Auseinandersetzung mit der „Extremismusklausel“, mit der staatlicherseits antifaschistische Aktivität eingeschränkt werden soll, durch das Zusammenwirken in der FIR gegen neofaschistische Tendenzen in anderen europäischen Ländern, um nur einige Beispiele zu nennen.

Unbedingt erwähnenswert ist der Vortrag des Historikers Kurt Pätzold, der anschaulich die geschichtliche Entwicklung der Faschismus-Analysen aufzeigte und dafür plädierte, dass unterschiedliche Auffassungen über die Definition des Faschismus nicht hindern sollten, die geschichtlichen Erfahrungen in dem heutigen Kampf zu beachten.

Es zeichnete den Kongress aus, dass er „heiße Eisen“ nicht ausließ. Schon am Vorabend war Prof. Moshe Zuckermann eingeladen, über „Zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus“ vorzutragen und zu diskutieren. In dem lebhaften Für und Wider blieb er bei dem Rat, dass es für Antifaschisten keinen vernünftigen Grund gibt, in die Falle zu laufen, dass Kritik an staatlichen Aktionen Israels per se Antisemitismus sei. Diese Position war dann auch in der Antragsdebatte des Kongresses maßgeblich dafür, dass der unbestimmte Begriff „Israel-bezogener Antisemitismus“ als kategoriales Kriterium nicht akzeptiert wurde, was eine weitere Diskussion des umstrittenen Problems nicht ausschließt.

Bleibt anzumerken, dass als Vorsitzende der VVN-BdA Prof. Heinrich Fink, Berlin, und Kornelia Kehrt, Hamburg, wiedergewählt, zwei Schatzmeister und sieben Bundessprecher durch Wahl bestimmt wurden.

Gerd Deumlich
Mit freundlicher Genehmigung von „Unsere Zeit“
Artikel: Das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen

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„Der Bremer Antifaschist“: Bundeskongress deutlich verjüngt

20. September 2021

Ein Bericht in „Der Bremer Antifaschist“ 05/2011, Zeitung der VVN-BdA Bremen

Am Vorabend des 4. Bundeskongresses seit Vereinigung der antifaschistischen Verbände 2002 fanden zwei wichtige Veranstaltungen statt.

Die FIR, der Dachverband der Widerstandsorganisationen Europas und Israels, legte zusammen mit dem belgischen Institut der Veteranen der Presse eine Karte der Lager und Haftstätten des deutschen Faschismus in Mitteleuropa vor. Dr. Ulrich Schneider verwies darauf, dass eine allererste Karte von deutschen Antifaschisten zu den Olympischen Spielen 1936 herausgegeben und in Zügen nach Deutschland ausgelegt wurde. Nach der Befreiung vom Faschismus erstellte der internationale Suchdienst des Roten Kreuzes 1949 auf Grundlage von Zeugnissen Überlebender einen Katalog der Lager und Haftstätten. Die aktuelle Karte beruht auf einer Datenbank und gibt 20.000 Orte wieder, darunter 4.000 Ghettos, 8.000 Stalags und Oflags der Kriegsgefangenen. Für 12,00 EUR ist sie bei der VVN-BdA käuflich zu erwerben.

Prof. Dr. Moshe Zuckermann kam eigens aus Tel Aviv, um am Vorabend des VVN-Bundeskongresses im gut gefüllten Senatssaal der Humboldt-Universität in Berlin zum Thema „Zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus“ zu referieren. Prof. Zuckermann deutete darauf hin, dass die aktuellen Entwicklungen in den arabischen Ländern, selbst die Demokratiebewegung in Ägypten, von der israelischen Gesellschaft, auch den Studenten, weitgehend ignoriert und als Unruhen gesehen würden. Premierminister Netanjahu befinde sich im Würgegriff seines Außenministers, die Arbeitspartei sei am Boden, der Zionismus faktisch in einer Sackgasse. Solange die Existenz eines Staates Palästina nicht akzeptiert werde, solange nicht die wesentliche Flüchtlingsfrage wenigstens symbolisch verhandelt werde, sei der Friedensprozess tot. Kritik an der Besatzungspolitik und Diskriminierung sei legitim, ein Boykott sei keine Lösung.

Der Bundeskongress am 02./03. April begann mit einem Orgelspiel aus dem 30jährigen Krieg. Prof. Dr. Heinrich Fink gedachte unserer 1.100 verstorbenen Mitglieder, darunter stellvertretend Fritz Bringmann, Jupp Angenfort, Hermann Gautier, Alma Müller, Maria Wachter, Kurt Hälker, Erwin Geschonnek. Begrüßung durch die Berliner VVN und die VVN-BdA Berlin. Romani Rose vom Zentralrat der Sinti und Roma erinnerte an die mehr als 137 Toten, die Faschisten seit 1990 auf dem Gewissen haben. Zu ihren Zielgruppen gehören auch Sinti und Roma. Ausweisung und Abschiebung von Roma heute bereiten dafür den Boden. Zum gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus riefen auch Kathrin Senger-Schäfer vom Parteivorstand der Linken und Bettina Jürgensen vom Parteivorstand der DKP auf.

Prof. Dr. Heinrich Fink würdigte die Erfahrungen seit der Vereinigung der antifaschistischen Verbände vor neun Jahren. Erfahrungen aus langen Jahren seien in die Arbeit der Vorstandsgremien Bundesausschuss und Bundessprecherkreis eingeflossen. Jedes 10. Mitglied ist in den letzten drei Jahren beigetreten, sicherlich auch ein Ergebnis der beiden NPD-Verbotskampagnen. Prof. Fink würdigte den Erfolg der Neofaschismus- Ausstellung, die erfolgreichen Blockade- Aktionen in Dresden mit 20.000 Teilnehmern, die Arbeit der Lagergemeinschaften und der Geschäftsstelle. Das wurde in den folgenden Beiträgen mit Streiflichtern auf die Landtagswahlen ergänzt und unterstrichen. Prof. Dr. Kurt Pätzold wies auf die drohende Entsorgung des Begriffs Antifaschismus hin. Geprägt von Mattheotti, Armendola, Gramsci, Zetkin und Ossietzky hatte der Begriff Faschismus eine weitergehende Bedeutung als seine deutsche Erscheinungsform Nationalsozialismus. Dr. Ulrich Schneider wies auf die Rechtsentwicklung in den ostmitteleuropäischen Ländern hin, Hans Coppi auf die Gefahr der Ausladung und Fernhaltung der Erben des Antifaschistischen Widerstands von der Gedenkstättenarbeit.

Dr. Axel Holz thematisierte staatliche Versuche, die Grauzone von Wegweisern und Tippgebern wie Sarrazin, Westerwelle oder Koch aus offiziellen Ausstellungen herauszuhalten, Cornelia Kerth die Wirkung dieser Grauzone in der Öffentlichkeit, auf Meinungsumfragen und Studien. Ulrich Sander griff die verstärkte Einflussnahme der Bundeswehr auf Bildung und Arbeitwelt auf, Dr. Peter Strutynski Sarkozys Friedensbombardements in Libyen.

142 Delegierte im Alter von 28 bis 85 Jahren beteiligten sich am Sonntag an der Bearbeitung und Verabschiedung der Anträge. Der Leitantrag „das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen“ wurde bei drei Enthaltungen angenommen. Einstimmig verabschiedet wurden die Anträge „Kein Werben fürs Sterben“ und „Schutz für Grabstätten der Sinti und Roma“, „Rettet das Leben von Mumia Abu Jamal“, mit großer Mehrheit die Anträge „die Hinterbliebenen der Opfer fordern ihr Recht“, „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“, „Antifaschistische Positionen statt Nazis in die Parlamente“. Anders als beim ausgesprochen konstruktiven Kongresssamstag kam es zum Schluss zu einer polemischen Debatte zum Thema Israelkritik und Antisemitismus. Zwei Drittel der Delegierten sprachen sich dafür aus, dass für unsere Mitgliedschaft das Verhältnis zu Israel „in erster Linie davon bestimmt (ist), dass dort eine große Zahl von Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen leben … Wer diese grundsätzliche Konsequenz nach der Shoa infrage stellt, kann für uns kein Bündnispartner sein.“ Ebenso wenig aber auch die, die „israelische Oppositionelle, die mit Sorge analysieren, welche katastrophalen Folgen die permanente Kriegssituation für die gesellschaftliche Entwicklung hat, zum Schweigen zu bringen.“

Mit großer Mehrheit wurden Prof. Dr. Heinrich Fink und Cornelia Kerth als Bundesvorsitzende wiedergewählt, Regina Elsner und Richard Heseler als Schatzmeister, Dr. Regina Girod, Ulrich Sander, Dr. Axel Holz, Dr. Ulrich Schneider, Jürgen Gechter, Paul Bauer und Heinz Siefritz in den Bundessprecherkreis. Der Bundesausschuss hat nun die Aufgabe, die verbliebenen Anträge zur Antifa-Gestaltung, Bildungsarbeit und Diskussionsforen zu befinden. (Raimund Gaebelein)

„Der Bremer Antifaschist“, 05/2011

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„Unser Blatt“: Dem Vermächtnis der Gründer verpflichtet

20. September 2021

Ein Artikel von Hans Coppi, erschienen in „Unser Blatt“ 47, Informationsblatt der Berliner VVN-BdA

Interessant und lebendig ging es auf unserem Bundeskongress Anfang April zu. Über 7.000 Mitglieder gehören der ältesten und zugleich größten antifaschistischen Organisation in der Bundesrepublik an.

Da sind die (leider immer weniger werdenden) Gründungsmitglieder, die Widerstand, Verfolgung und Exil überlebten und den antifaschistischen Neubeginn nach 1945 mitgestalteten. Zur Eröffnung sprachen der 98-jährige Erwin Schulz, Häftling im Zuchthaus Luckau und in den Moorlagern Papenburg und Esterwegen, sowie Adam König, Überlebender der Konzentrationslager Sachsenhausen und Auschwitz und Vertreter im Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Der Kongress bewies eindrücklich, dass die nächsten Generationen – Angehörige von Verfolgten des Naziregimes oder aus einem anderen familiären Hintergrund kommend – dem Vermächtnis der Gründergeneration verpflichtet, ihre Arbeit mit viel Engagement fortsetzt.

In der Auseinandersetzung mit Neofaschismus, Rechtspopulismus, Rassismus, Antisemitismus, mit der Militarisierung der Gesellschaft und im Einsatz für Frieden und Abrüstung zeigt sich die Aktualität des Schwures der befreiten Häftlinge von Buchenwald, für eine Welt des Friedens und der Freiheit einzutreten. So wie es in Dresden gelungen ist, den Aufmarsch der Neonazis zu verhindern, werden wir in breiten Bündnissen dafür sorgen [besser: alles dafür tun], dass neofaschistische und rechtspopulistische Parteien nicht wieder in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und in Berliner Bezirksparlamente kommen.

Menschenrechte, Zivilcourage und Widerstand im 21. Jahrhundert gründen sich auf das Wissen um die Ursachen, die zu Faschismus und Krieg führten, auf Kenntnisse von Widerstand und Verfolgung und auf das Wachhalten der Erinnerung an die Widerstandskämpfer und die Opfer des Naziregimes. Eine zentrale Aufgabe für unseren Verband bleibt, die vielfältige antifaschistische Erinnerungskultur zu bewahren, zu beleben und sie gleichzeitig zu erweitern. Darin verkörpern sich Kompetenz und Einzigartigkeit unserer Organisation.

Leider blieb auf dem Bundeskongress nicht genügend Zeit für die Diskussion vieler anstehender Fragen. Dafür benötigen wir, darauf orientiert der Antrag des Berliner Verbandes, bundesweite Diskussionsforen zu schaffen, so zum Gedenken ohne „Zeitzeugen“, zum Einfluss auf große und regionale Gedenkstätten, zu neuen Wegen antifaschistischer Gedenkkultur, zum Verhältnis der Organisation der Verfolgten des Naziregimes zu Israel, zur Verhinderung von Naziaufmärschen und anderen Fragen mehr.

Die vielfältigen Aufgaben in der Berliner VVN-BdA erfordern weiterhin aktive Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Seit 2008 konnten wir 142 neue Mitglieder begrüßen. Unser besonderer Dank gilt der bewährten aktiven und solidarischen Unterstützung vieler Mitglieder und Freunde, ohne die wir die umfangreiche Arbeit seit dem letzten Bundeskongress nicht hätten leisten können.

Hans Coppi, „Unser Blatt“ 47,
Informationsblatt der Berliner VVN-BdA

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