VVN-BdA fordert kritische Kommentierung des Glockenspiels

26. August 2021

Der Bundesverband der VVN-BdA hat die Entscheidung des Brandenburger
Landesdenkmalamts zur Kenntnis genommen, das nachgebaute Glockenspiel
der ehemaligen Potsdamer Garnisonkirche in die Denkmalliste aufzunehmen.
Das Argument, dieses Glockenspiel sei ein „eigenständiges Denkmal der
jüngeren Zeitgeschichte“, können wir nur bedingt nachvollziehen.

Behauptet wird, damit besitze die Potsdamer Stadtgesellschaft die
Chance, anhand originaler Substanz sich ihrer eigenen jüngsten
Geschichte zu vergewissern und diese weiter zu erforschen.

Der Anspruch klingt honorig, aber er ist geschichtsvergessen und
politisch problematisch.

Es handelt es sich hier nicht um eine „originale Substanz“. Die
Garnisonkirche selber existiert weder in ihrer Bausubstanz, noch in
irgendwelchen Überresten, die denkmalsfähig wären. Das Glockenspiel
als früherer Teil der Garnisonskirche ist ebenfalls eine Nachbildung.

Schon seine Rekonstruktion in den 1980er Jahren in der damaligen BRD war
ein extrem rechtes Ideologieprojekt, das genau darauf abzielte, den
ursprünglichen Symbolgehalt der Garnisonkirche aufzugreifen, um einen
Symbolort für die politische Rechte zu schaffen.

Die VVN-BdA und mit ihr Gruppen und Initiativen, die sich für eine
angemessene Beschäftigung mit der deutschen Zeitgeschichte engagieren,
fordern eine kritische Kontextualisierung des Glockenspiels. Nur dadurch
kann einerseits die durch die Obere Landesdenkmalbehörde als Grund der
Unterschutzstellung genannte öffentliche Kontroverse und problematische
Vorgeschichte des Glockenspiels sichtbar gemacht werden und
gleichermaßen der menschenfeindliche Symbolgehalt des Glockenspiels
gebrochen werden.

Wir erwarten von der Landeshauptstadt Potsdam, dass sie in einem
transparenten und demokratischen Prozess Ideen für eine kritische
Einbindung des Glockenspiels in den Stadtraum entwickelt. An diesem
authentischen Ort muss Potsdam Farbe bekennen, eine geeignete
künstlerische Intervention oder Kommentierung zulassen und einen Lern-,
Erinnerungs- und Gedenkort schaffen.

Als bundesweiter Interessenverband der Opfer des NS-Regimes und ihrer
Nachkommen und Unterstützer*innen möchten wir zugleich unsere
Beteiligung an diesem Prozess einfordern.