Anforderungen an antifaschistische Geschichtspolitik aus heutiger Perspektive – erste Überlegungen

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider, Bundessprecher

7. Juni 2016

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Rückblick und Ist-Stand:

Ich möchte mit einer positiven Aussage beginnen. Wir können festhalten, dass auch bei den heutigen Generationen das Interesse an historischen Themen – bezogen auf die NS-Zeit und den antifaschistischen Widerstand – ungebrochen ist. Dies spiegelt sich in den Medien (Fernsehen bis zu Internet-Präsentationen, z.T. auch auf dem Buchmarkt) deutlich wider.

Unser „Alleinstellungsmerkmal“ als antifaschistischer Verband war in den vergangenen Jahrzehnten dadurch geprägt, dass in unseren Reihen die Zeitzeugen des antifaschistischen Kampfes, die diese Zeit politisch bewusst erlebt und aufgearbeitet hatten, organisiert waren. Ihre Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit gegenüber den nachgeborenen Generationen war das wichtigste Pfund unserer geschichtspolitischen Arbeit.

Bundeskongress der VVN-BdA 2016 in Bochum

Dr. Ulrich Schneider

Ohne zu ausführlich zu werden, möchte ich einzelne Beispiele benennen:

Die sicherlich wichtigste Ebene der Geschichtsvermittlung war die persönliche Begegnung und das Gespräch mit den Zeitzeugen. Dabei war es überhaupt nicht von Bedeutung, dass diese alle historischen Daten korrekt wiedergeben konnten, es waren ihre persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen, der gezeigte Mut und die Überzeugungstreue unter den extremen Bedingungen der faschistischen Verfolgung oder im politischen Exil, die auf nachgeborene Generationen den großen Eindruck hinterließen und oftmals eine Motivation zum eigenen Engagement wurde. Und sie vermittelten die Werte der Solidarität und einer Zuversicht, dass Widerstand gegen als ungerecht erkannte Zustände selbst unter den extremsten Bedingungen faschistischer Verfolgung möglich ist – das es dafür aber auch eines kollektiven Handelns bzw. einer Organisation bedurfte, wie Peter Gingold es in seinen Erinnerungen formulierte.

Diese unsere Zeitzeugen bewährten sich auch in den Zeiten des „Kalten Krieges“ und der politischen Restauration in der BRD. Gegen das gesellschaftliche Vergessen und Verdrängen begannen sie teilweise schon Ende der 40er Jahre, ihre Erinnerungen zu verschriftlichen und – zusammen mit Dokumenten – zu publizieren, lange bevor sich die akademischen Kreise mit dem Thema beschäftigten. Da sie selten Verlage dafür fanden, entstand so eine umfangreiche „graue Literatur“. Dabei wurden  – insbesondere regionale und biographische – Veröffentlichungen vorgelegt, die bis heute „Standardwerke“ geblieben sind.

Die Zeitzeugen arbeiteten – gemeinsam mit jungen Leuten – an Konzepten der „Verortung“ von Geschichte durch antifaschistische Stadtrundgänge, Rundfahrten auf den Spuren der Verfolgung und des Widerstandes oder anderen Formen der Sichtbarmachung von historischen Ereignissen. Ausgehend von solchen „Verortungen“ begannen die Bemühungen, die teilweise mit massiven politischen Auseinandersetzungen verbunden waren, durch Gedenktafeln Orte von historischer Bedeutung sichtbar zu machen. Solche Gedenktafeln sind bis heute Ansatzpunkte zur selbstständigen Beschäftigung mit Geschichte für heutige Generationen.

Die Zeitzeugen hatten eine weitere – und für unsere Geschichtsarbeit entscheidende – Kompetenz: Sie waren eine moralische Autorität in der Auseinandersetzung mit allen Formen von Geschichtsrevisionismus und Verfälschung der Geschichte des antifaschistischen Widerstandes. Viele von uns werden sich an die verschiedenen Vorstöße des Geschichtsrevisionismus erinnern, den Historikerstreit Mitte der 80er Jahre, der sich zwar vor allem im akademischen Milieu und in der Publizistik abspielte, bei dem aber die Stimmen der Widerstandskämpfer gegen die Geschichtsrevision ein nicht unbedeutendes Gewicht hatten.

Am besten wird diese Bedeutung aber am Streit um die Gedenkstätte Buchenwald deutlich, als Prof. Niethammer und Leonie Wannemacher ihre unsägliche Schrift über die „roten Kapos“ unter dem Titel „Geheimakte Buchenwald“ publizierten. Hier waren es antifaschistisch orientierte Wissenschaftler, aber insbesondere überlebende Häftlinge des KZ Buchenwald, die diesen geschichtspolitischen Generalangriff auf den antifaschistischen Gehalt dieses Gedenkortes mit Erfolg zurückweisen konnten. Sie konnten sogar erreichen, dass die letzte Ausstellung in der Zeit ihres Bestehens den Forderungen der Überlebenden angepasst wurde. Und manche veränderte Positionen der Gedenkstätten-Leitung zu inhaltlichen Fragen der Lagergeschichte ergaben sich erst durch das intensive Wirken der Überlebenden.

Dass solche geschichtspolitischen Terraingewinne nicht auf Dauer sicher sind, zeigt sich an der in diesem Jahr neu gestalteten Dauerausstellung in Buchenwald. Da die Zahl der aktiven Zeitzeugen deutlich gesunken ist, wird es jetzt sicherlich schwerer, mit dem moralischen Gewicht der ehemaligen Häftlinge aus unserer Sicht notwendige Änderungen zu erreichen.

 

Wenn wir uns die aktuelle geschichtspolitische Landschaft in unserem Land anschauen, dann können wir eigentlich zufrieden hervorheben, dass wir in der geschichtspolitischen Arbeit schon lange keine „Einzelkämpfer“ mehr sind, dass es recht viele – zumeist regionale – Initiativen, Geschichtswerkstätten und andere gesellschaftliche Gruppen gibt, die sich der Erinnerung an die Verfolgten des Faschismus widmen, auch und gerade der lange verdrängten Opfergruppen und Persönlichkeiten aus der Region. Ich möchte hier nur die breite „Stolperstein“-Bewegung“ erwähnen. Auch dort haben wir als VVN-BdA schon lange kein „Alleinstellungsmerkmal“ mehr.

Wo wir aber weiterhin „einzigartig“ sind, sind zwei Themen, die auch zukünftig unsere Geschichtsarbeit prägen sollten:

  1. Wir beschäftigen uns auch weiterhin mit den Tätern (und Profiteuren) der faschistischen Verbrechen. Das Projekt unserer NRW-Kameraden „Verbrechen der Wirtschaft“ ist dabei ein gelungenes Beispiel für diese politische Perspektive und hat, wie die entsprechende Internet-Seite zeigt, ganz eindrucksvolle Ergebnisse hervorgebracht, die in der politischen Auseinandersetzung vor Ort eingebracht werden..
  2. Wir vermitteln die Geschichte aus der Perspektive der Frauen und Männer aus dem antifaschistischen Widerstand. Es geht in unserer geschichtspolitischen Arbeit – bei aller wissenschaftlichen Korrektheit – nicht um „akademische“ Debatten, sondern darum, erstens die Leistung der Widerstandskämpferinnen und –kämpfer zu würdigen und zweitens deutlich zu machen, dass mit diesem Blickwinkel auch eine andere Bewertungen von historischen Daten verbunden ist.

Wenn wir darum kämpfen, dass der 8.Mai 1945 als Tag der Befreiung politisch anerkannt wird, dann bezieht sich diese Bewertung auch auf die Masse der faschistischen Mitläufer, es ist aber in erster Linie das Erleben der Widerstandskämpfer, der KZ-Häftlinge und anderer Verfolgter des Naziregimes, die dieses Datum als „Morgenrot der Menschheitsgeschichte“, wie Peter Gingold es formulierte, empfanden.

 

 

Neue Anforderungen und Möglichkeiten

Das Ausscheiden der Zeitzeugen-Generation aus der aktiven Geschichtsarbeit verändert natürlich die Zugangsmöglichkeiten zu heutigen Generationen. Zwar haben sie weiterhin ein großes Interesse an diesen Themen, aber wir müssen die Formen unserer Geschichtsarbeit diesen Veränderungen anpassen. Ich möchte dies an sieben Punkten entwickeln. Dieser Katalog kann und sollte in der Debatte unseres Bundeskongresses durchaus um weitere Punkte ergänzt werden.

 

  1. „Zeugen der Zeitzeugen“ anstelle der Zeitzeugen selber

Da die meisten Zeitzeugen selber nicht mehr in der Lage sind, die ehemaligen Form aktiver Geschichtsvermittlung zu gestalten, müssen zunehmend diejenigen die Arbeit übernehmen, die von den Zeitzeugen die Informationen bekommen haben und von diesen „gelernt“ haben.

Mein persönliches Beispiel: Führungen durch die Gedenkstätte Buchenwald.

–          Ich verweise immer darauf, dass ich meine Kenntnisse über die Buchenwald-Geschichte nicht nur aus Broschüren und Büchern entnommen habe, sondern diese Informationen  – und das in den wichtigsten Punkten – von Überlebenden des Lagers stammen. Wichtig ist mir bei den Führungen, dass ich damit – wie diese Zeitzeugen – die Perspektive der Häftlinge einnehme und nicht eine „abstrakt“ neutrale oder gar distanzierte Perspektive auf die Lagerwirklichkeit werfe.

Dies betrifft genauso die Berichte aus dem antifaschistischen Widerstand, bei denen auch nicht allein die gedruckten Archivalien (in der Regel die Verfolgerdokumente, Gestapo-Berichte, Gerichtsakten oder zeitgenössische Zeitungsberichte) die „Quelle der Wahrheit“ bilden, sondern die Überlieferungen der Frauen und Männer aus dem Widerstand selber.

Zu diesen Zeugen der Zeitzeugen gehören natürlich auch das Wirken der „Kinder des Widerstandes“, die mit ihrer äußerst verdienstvollen und engagierten Arbeit bemüht sind, dieses Fehlen der Zeitzeugen-Generation aufzufangen. Schon jetzt ist sichtbar, dass sie neue Zugänge zu jungen Generationen erschließen können und – insbesondere in ihrer Arbeit in Schulen und Jugendgruppen – eindrucksvolle Beiträge zur Geschichtsvermittlung aus der Perspektive des Widerstandes leisten. Sie werden darüber morgen auf dem Markt der Möglichkeiten ausführlich berichten.

 

  1. Videos und Interviews als „Ersatz“ für reale Begegnung

Eine zweite Ebene der Kompensation dieses Fehlens ist die Arbeit mit Videomitschnitten von Veranstaltungen oder Interviews mit den jeweiligen Zeitzeugen. Diese „bewegten Bilder“ und der O-Ton des Zeitzeugen sind sicherlich beeindruckend, wenn es darum geht, einen Eindruck von dem Menschen, um den es geht, zu bekommen. Solche Materialien haben jedoch zwei grundlegende Probleme, die allein durch das vorhandene Interview nicht aufgefangen werden können:

Jedes Interview und jede Veranstaltungsaufzeichnung bildet einen zeitlich begrenzten Ausschnitt einer Begegnung mit diesem Menschen ab. Dazu gehört auch, dass diese Aufzeichnungen unter ganz spezifischen Bedingungen entstanden sind und – selbst bei längeren Interviews – sich auf einzelne Fragestellungen fokussieren. Zudem sind die thematischen Zugänge und Fragestellungen, über die in den Interviews besprochen wird, durchaus zeitbezogen. Da sich die Zugänge zu historisch-politischen Fragen immer wieder verändern, wird es schwer, diese Materialien 1:1 in der Vermittlungsarbeit einzusetzen.

Wichtig ist es, solche Interviews in eine Präsentation – mit vermittelnden Erläuterungen – einzubinden, damit die Fragestellungen auch für heutige Generationen nachvollziehbar bleiben. Wir müssen uns selber auf die möglichen Fragen vorbereiten, um darauf historische bzw. politische Antworten gegeben zu können.

Kurt Bachmann hat Ende der 70er Jahre begonnen, Fragen von Jugendlichen in seinen Veranstaltungen aufzuschreiben, und auf die am häufigsten gestellten Fragen „Musterantworten“ aufgeschrieben. Vielleicht kann das für uns auch eine Anregung sein.

 

  1. Verortung von Geschichte möglich (Spurensuche und Stolpersteine)

Eine wichtige Möglichkeit, Zugänge zum Geschichtsverständnis von jungen Menschen heute zu gewinnen, liegt im Konzept der „Verortung von Geschichte“. Dabei geht es darum, sichtbar bzw. nachvollziehbar zu machen, dass geschichtliche Ereignisse nicht weit weg von ihnen stattgefunden haben (Berlin, Auschwitz oder irgendwo auf der Welt), sondern die Folgen von politischen Entwicklungen in der eigenen Lebenswirklichkeit nachzeichenbare Spuren hinterlassen hat. Anknüpfungspunkte können dazu sein: Gedenktafeln an entsprechenden Gebäuden bzw. an Stellen, an denen das Ereignis stattgefunden hat, Stolpersteine für Verfolgte und Ermordete, geführte Rundgänge, auf denen historische Ereignisse visualisierbar und verortbar werden.

Da die personalen Kapazitäten unserer Organisation begrenzt sind, haben sich als interessante Konzepte sogenannte „Video-Walks“ erwiesen, die es per Internet oder als Smartphone Projekt ermöglichen, sich selbst auf die Suche nach den historischen Zeugnissen und Ereignissen zu machen. Bei solchen Konzepten sind Auszüge von Interviews ehemaliger Zeitzeugen eine überzeugende Möglichkeit, deren Aussagen, deren „lebendiges Beispiel“ für die Geschichtsvermittlung zu nutzen.

 

  1. Neue Möglichkeiten der Zugänge zu historischen Themen (Themen durch Aktualität erweitern)

Was unsere Zeitzeugen früher im politischen Gespräch umsetzen konnten, als nämlich junge Menschen sie nicht nur nach historischen Ereignissen und Erfahrungen befragten, sondern auch danach, was sie denn zu den heutigen Problemen, mit denen sich die Nachgeborenen beschäftigten (Frieden, gesellschaftliche und soziale Kämpfe, Neofaschismus und Rechtsentwicklung etc.), für eine  Meinung hatten, müssen wir heute als Einstieg in unsere Form der Geschichtsvermittlung nutzen.

Dabei sollte es nicht allein um das Auftreten von militanten Neonazis, Brandstiftungen und andere Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte oder den Aufschwung der AfD oder der Pegida – Aufmärsche in Dresden und einigen anderen Städten gehen. Hier engagieren sich junge Leute in oft ganz direkter Form. Auch die Fragen Krieg und Frieden, Eintreten für eine solidarische Gesellschaft und gegen Hegemonie von multinationalen Konzernen im wirtschaftlichen Bereich sind Anknüpfungspunkte zum Engagement junger Menschen.

Uns muss es gelingen, – ohne falsche oder verfälschende Analogien – diesen politischen Widerstand mit dem antifaschistischen Vermächtnis der damaligen Generationen zu verbinden, indem beispielsweise deutlich gemacht wird, dass die Losung „Nie wieder Krieg“ nicht nur das Vermächtnis der Jahre 1945/46 war, sondern schon mit der Losung „Wer Hitler wählt, wählt Krieg!“ seine prognostische Bedeutung hatte.

Junge Menschen engagieren sich heute in vielfältiger Form für Flüchtlinge und gegen alltäglichen Rassismus. Sie kämpfen dabei auch gegen Fluchtursachen und eine Politik, die zwar eine „Willkommenskultur“ propagiert, gleichzeitig aber eine Abschottung der Festung Europa praktiziert. An diesem Punkt kann es uns sehr gut gelingen, diese Themen mit der Erinnerung an diejenigen Menschen zu verbinden, die seit 1933 auch aus Deutschland fliehen mussten und sich im Exil politisch gegen den deutschen Faschismus engagierten (z.B. Peter Gingold). Für sie bedeutete die Flucht das Aufgaben aller Existenzsicherheit, sie überlebten durch die Solidarität in den Aufnahmeländern und sie kämpften zumeist gemeinsam mit den jeweiligen nationalen Widerstandsbewegungen gegen den gemeinsamen Feind, den deutschen Faschismus. Diese Erfahrungen der Solidarität und des gemeinsamen Handelns zu vermitteln, kann jungen Menschen auch eine historische Bestätigung ihres heutigen Engagements liefern.

Und wenn es um soziale Auseinandersetzungen geht, dann müssen wir die historischen Erfahrungen einbringen, dass die „Ethnisierung des Sozialen“ durch Ausgrenzung und Marginalisierung ein rassistisches Konzept ist, dass zu dem größten Menschheitsverbrechen, nämlich dem industriellen Massenmord geführt hat.

Und wo ebenfalls unsere Geschichtsperspektive Antworten für heute geben kann, ist die Frage der politischen Bündnisbreite des antifaschistischen Handelns. Unsere Zeitzeugen haben uns immer ermahnt, die Lehre des Scheiterns der antifaschistischen Kräfte 1933 nicht zu vergessen: „Schafft die Einheit!“, wie Wilhelm Leuschner es ausdrückte. Es gehört zu den zentralen Herausforderungen für unsere heutige politische und geschichtspolitische Arbeit, diese antifaschistische Bündnispolitik auch historisch abzuleiten.

 

  1. Neue Medien und Intermedialität der Geschichtsvermittlung (Präsenz im Internet und interaktive Angebote)

Eine große Aufmerksamkeit müssen wir auf die Nutzung aller Formen der neuen Medien legen, um mögliche Zugänge zu heutigen Generationen zu finden. Ich weiß, dass viele von uns natürlich mit Computer und Internet vertraut sind. Durch die gute Unterstützung auf Bundesebene haben auch die meisten aktiven Kreisvereinigungen und Basisorganisationen einen eigenen – und durchaus ansprechenden – Internet-Auftritt. Die Bundesorganisation ist selbst bei Facebook präsent. Das alles reicht aber noch lange nicht aus, um unsere Inhalte im „Nirvana“ des Internets auch an die jungen Menschen heranzubringen.

Wir müssen die Erfahrungen aus unseren beiden inhaltlichen Angeboten zum Jahr 1933 und zum Jahr 1945 sehr genau auswerten. Dabei geht es nicht nur darum, welche Inhalte konnten wir bereitstellen, sondern auch um Zugriffszahlen auf die Seiten, Rückantworten und andere Kriterien, an denen wir die Wirksamkeit der Seite ablesen können.

Wir müssen uns selbstkritisch fragen, ob wir es hinreichend geschafft haben, in einer weitgehend medialisierten Welt so deutliche Signale gesetzt zu haben, dass wir und unsere geschichtspolitischen Angebote im größerem Umfang überhaupt von der intendierten Zielgruppe wahrgenommen wurden.

Wir sollten überlegen, ob wir in der Lage sind (natürlich mit externer Unterstützung) weitere interaktive Angebote zu geschichtspolitischen Fragestellungen zu generieren und wie wir diese so mit unseren anderen Arbeitsformen verknüpfen können, dass diese Angebote tatsächlich wahrgenommen werden. Dazu gehört auch die Anpassung unserer Seiten und Inhalte an die Wiedergabe auf mobilen Endgeräten (Smartphone u.a.), damit wir mit diesen – heute genutzten – Informationsmedien problemlos erreicht werden können. Wir können positiv vermerken, dass wir schon gute Schritte in der Cross-media-Kommunikation gegangen sind. Aber hier ist noch viel Platz für weitere Entwicklungen, wenn wir nicht in der Flut elektronischer Angebote untergehen wollen.

Das betrifft natürlich nicht nur unsere Geschichtsarbeit, aber auch in diesem Zusammenhang sind diese Medien unverzichtbar.

 

  1. Klassische Formen nicht vernachlässigen (Aufsätze, Broschüren und Publikationen)

Nach diesem notwendigen Hinweis auf die elektronischen Medien möchte ich dennoch eine Lanze brechen dafür, dass wir die „klassischen“ Formen unserer Geschichtsvermittlung nicht vernachlässigen, nämlich die kurzen lokalen Flyer zur historischen Erinnerungsarbeit, die Kleinbroschüren oder die lokalen und regionalen Publikationen.

Mit solchen Formen der Veröffentlichung kann es uns gelingen, an einzelnen Punkten geschichtspolitische Setzungen vorzunehmen, in gesellschaftliche Debatten einzugreifen oder in Zeiten gesteigerter Aufmerksamkeit für ein Thema unsere Perspektiven einzubringen. Ein Beispiel aus der Kasseler Kreisvereinigung wäre die Broschüre zum 8.Mai vergangenen Jahres, die wir gemeinsam mit dem Kasseler Friedensforum und dem DGB herausgegeben haben, in der die Zerstörung der Stadt, der antifaschistische Neuanfang und ihre politischen Akteure sowie die Perspektive „Bedeutung des 8.Mai für heute“ thematisiert wurde. Mehrere hundert Exemplare konnten wir am Ostermarsch, beim 1. Mai und der öffentlichen Veranstaltung zum 8.Mai 2015 verkaufen. Ich bin mir sicher, dass wir damit einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte geleistet haben, der auch in den nächsten Jahren noch wirksam sein wird, da recht viele junge Leute diese Broschüre erworben haben.

Mein Plädoyer in diesem Zusammenhang ist, dass es wichtiger ist, solche politische Einbindung unserer Geschichtsarbeit zu nutzen, als auf den „großen Wurf“, der Gesamtdarstellung des antifaschistischen Widerstands in der Region, in dem Ort zu warten. So verdienstvoll solche Gesamtdarstellungen auch sind, sie richten sich vor allem an ein spezialisiertes Fachpublikum. Wir sollten dagegen die Einbindung unserer Geschichtsarbeit in die politischen Kämpfe der Gegenwart in den Fokus nehmen.

 

  1. Neue Mitstreiter an die geschichtspolitische Arbeit heranführen

Zu den großen Aufgaben unserer eigenen organisationspolitischen Arbeit gehört es, immer wieder neue Mitstreiter aus den Reihen unserer Organisation an die Geschichtsarbeit heranzuführen. In den vergangenen Jahrzehnten war – und ist es in vielen Kreisvereinigungen bis heute – die Geschichtsarbeit eine Spezialisten-Arbeit derjenigen, die sich als Historiker, Geschichtslehrkräfte oder aus persönlichem Interesse schon viele Jahre mit den geschichtlichen Themen beschäftigt haben. Damit haben sich diese Kameradinnen und Kameraden ein beeindruckendes Wissen über die regionale und überregionale Geschichte von Widerstand und Verfolgung angeeignet, was sie auch in das Leben der Organisation einbringen. Aber – und das muss auch in aller Deutlichkeit gesagt werden – nicht nur unsere Zeitzeugen scheiden aus, auch bei der zweiten Generation mussten wir bereits manch schmerzhaften Verlust erleben. Schon aus diesem Grund müssen wir sicherstellen, dass das gesammelte Wissen weitergegeben wird.

Zweitens ist die Einbindung von Mitstreitern der jungen Generationen ein wichtiges Instrument, die Fragestellungen und Perspektiven heutiger Jugendlicher in der Aufarbeitung und Vermittlung unserer geschichtspolitischen Themenstellungen zu berücksichtigen.

Damit verbessern wir unsere Möglichkeiten, dass unsere Geschichtsarbeit aus der Perspektive der antifaschistischen Kämpferinnen und Kämpfer, der Verfolgten und Überlebenden für heutige und zukünftige Generationen wirksam werden kann.

Und das muss unser gemeinsames Ziel bleiben.