Pegida: AfD, Neonazis und der deutsche Stammtisch gemeinsam auf der Straße

geschrieben von Cornelia Kerth

7. Januar 2015

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Antirassistische Demo in Mannheim. 13.12.14

Seit Wochen steigt die Teilnehmerzahl an den „islamfeindlichen“ Aufmärschen in Dresden. Ein Ende scheint nicht in Sicht. Unterstützer und Teilnehmenden kommen zum Teil von weither angereist.

 

Die vorgeblich unpolitischen Organisatoren der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands“ haben bei der Wahl ihres Namens Traditionsbewusstsein an den Tag gelegt: Als „patriotisch“ bezeichnen sich seit den 1950er Jahren Rechtskonservative und Nazis, die ein anderes Deutschland als die demokratische Bundesrepublik anstreben. Der (politische) Begriff des „Abendlands“ erlebte mit Oswald Spenglers „Untergang des Abendlands“ seine ideologische Ausformung, als er 1918 den drohenden Untergang der westlichen Welt ankündigte. Bis zum Ende der Sowjetunion war er der Inbegriff der antikommunistischen Propaganda im Westen.

 

Seit 9/11 wird das „Abendland“ nun gegen den Islam verteidigt. Allerdings ist „Islam“ für PEGIDA zugleich Oberbegriff für alles, was die vermeintlich „zu kurz Gekommenen“ quält: kulturelle Vielfalt, Weltoffenheit, die Aufnahme von Flüchtlingen, der Euro und die EU. Damit reiht sich PEGIDA in die rassistischen Mobilisierungen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen ein, die 2014 an vielen Orten Nazis und Nachbarn zusammengebracht haben. Und natürlich richten sich die Demonstranten hier wie dort mit ihrem Schlachtruf „Wir sind das Volk“ an die, die für eine angebliche „Überfremdung“ verantwortlich gemacht werden: Politik und Medien.

 

Wenn man sieht, wer zu den wöchentlichen Demonstrationen aufruft, zeigt sich, woher der Protest kommt. Führende Vertreter der AfD sind an den Protesten beteiligt. Die Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Frauke Petry, hat inzwischen PEGIDA-Vertreter zum Gespräch eingeladen. Auch andere rechtspopulistische, neurechte und rassistische Gruppen springen auf diesen Zug. Die neurechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ mobilisiert zu den Aufmärschen. Das „Institut für Staatspolitik“ (Zeitschrift „Sezession“) wirbt ebenso intensiv für die Aktionen wie die neurechte Internetzeitung „Blaue Narzisse“. Zu den Unterstützern der rassistischen Mobilisierung gehören das Magazin Compact und die extrem rassistische Internetseite PI-News („Politically incorrect“). Die „Identitären“, eine aus Frankreich stammende rassistische Jugendbewegung, haben von Anfang an zu den Demonstrationen aufgerufen. Und NPD-Anhänger und Funktionäre waren stets unter den PEGIDA – Marschierern. NPD, Pro NRW und andere versuchen, PEGIDA auch in anderen Städten zu imitieren, vorerst jedoch nur mit geringem Erfolg.

 

Extrem rechte Einstellungen sind in der Mitte der Gesellschaft weit verbreitet. Im vergangenen Herbst haben rund 15 Prozent der Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen solche Rechten gewählt. Mit PEGIDA und ähnlichen Initiativen tragen sie nun ihre Menschenverachtung auf die Straßen. Extrem rechte und menschenfeindliche Einstellungen sind das Ergebnis einer Politik der beschleunigten Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, der um sich greifenden prekären Beschäftigungsverhältnisse und absehbaren Altersarmut. Staatlich institutionalisierter Rassismus und die inhumane Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene geben bei der Suche nach „Schuldigen“ die Richtung vor.

 

Jedoch zeigt sich bereits gesellschaftlicher Widerstand gegen die rechte Mobilisierung. Große Demonstrationen fanden in Bonn, Kassel, Köln, München und anderen Städten gegen PEGIDA und ihre Ableger statt. Auch in Dresden gehen tausende Antifaschistinnen und Antifaschisten auf die Straße.

Gemeinsam mit ihnen fordern wir:

  • –  Die Bundesregierung muss ihre Verantwortung wahrnehmen: Artikel 1 GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ muss für alle Menschen in Deutschland erfahrbar sein, für Flüchtlinge, Arbeitende, Erwerbslose und Rentner. Artikel 1 GG fordert den Schutz von Minderheiten vor jeder Form von menschenfeindlicher Propaganda.

  • –  Wir dürfen den PEGIDAs und anderen Rassisten und Populisten nicht die Straße überlassen. Wir müssen sichtbar an der Seite derer stehen, die sie ausgrenzen wollen.

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Kriegsvorbereitung einstellen, Frieden in Europa sichern!

geschrieben von Bundessprecherkreis der VVN-BdA

8. Dezember 2014

Mehr denn je seit dem Ende des Kalten Krieges haben wir Anlass zur Sorge um den Frieden in Europa.

Mit dem 2-plus-4-Vertrag, der die Vereinigung der beiden deutschen Staaten erst möglich gemacht hat, sollte die Block-Konfrontation enden. Wesentliche Bedingung von Seiten der damaligen Sowjetunion war die Zusage, dass der Osten Deutschlands atomwaffenfrei bleiben sollte und die NATO keine Erweiterung bis an die Grenzen der Sowjetunion anstrebe. Im „Gemeinsamen Europäischen Haus“ sollten alle Staaten in Sicherheit zusammen leben.

Seitdem haben sich NATO und EU Schritt für Schritt an die heutigen Grenzen Russlands heran erweitert. Mit der Einbeziehung der Ukraine in EU und NATO-Strategie wurde eine neue explosive Situation geschaffen. Die EU ist in diesem Konflikt kein Vermittler, sondern (Mit-)Verursacher. Die Bundesregierung muss in dieser Situation ihre historischen Verantwortung für den Frieden in Europa wahrnehmen.

Wir fordern deshalb von der Bundesregierung, sich an die Zusagen an Michail Gorbatschow zu erinnern und die russischen Sicherheitsinteressen ernst zu nehmen. Das bedeutet

– Keine weitere Ausweitung der NATO nach Osten!

– Keine provozierenden Manöver an den russischen Grenzen!

– Schluss mit antirussischer Propaganda und Drohgebärden!

– Einspruch gegen die Eskalationsstrategie, die besonders von Polen und den baltischen Staaten gefordert und von NATO-Generalsekretär Stoltenberg aufgegriffen wird!

Kein Schulterschluss mit der ukrainischen Regierung, die sich politisch und militärisch auf die reaktionärsten Kräfte des Landes unter Einschluss faschistischer Parlamentarier und Milizen stützt!

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die gefährliche Situation in der Ukraine genutzt werden soll, um mit der Neuaufstellung der „Speerspitze“ genannten multinationalen Eingreiftruppe unter deutscher Führung der von Bundespräsident Gauck mehrfach geforderten „Übernahme von mehr Verantwortung“ näher zu kommen. Wir sagen NEIN zur weiteren Militarisierung der deutschen Politik!

– Schluss mit den Auslandseinsätzen!

– Abrüstung statt Interventionsarmee!

– Kein Werben für‘ s Töten und Sterben!

Dort, wo künftige Kriege vorbereitet werden, werden wir gemeinsam mit unseren Freunden aus der Friedensbewegung Widerstand leisten.

Keine Zusammenarbeit mit den „Mahnwachen“

geschrieben von Bundesausschuss der VVN-BdA

4. Dezember 2014

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Eine Zusammenarbeit mit den „Mahnwachen“ kommt für die VVN-BdA nicht infrage.
Deshalb unterzeichnen wir keine Aufrufe für den „Friedenswinter“, die von Mahnwachen oder deren Vertreter_innen unterschrieben werden.

Alle Gliederungen werden aufgefordert, vor der Teilnahme an Veranstaltungen des „Friedenswinters“ zu prüfen, wer die örtlichen Aktivitäten organisiert, bewirbt und prägt.
Begründung:
Im März 2014 fanden die ersten „Mahnwachen für den Frieden“ statt. Thema war vor allem die Situation in der Ukraine, von der die Teilnehmenden befürchteten, sie könnte zum „3. Weltkrieg“ führen. Schnell kam es zur Gründung eines Dachverbands „Friedensbewegung 2014“, in dem die lokalen Initiativen zusammengeschlossen sind. Was „spontan“ und „unorganisiert“ wirkt, wurde allerdings von Personen initiiert, die entweder selbst rechts verortet sind, wie der Querfront-Stratege Jürgen Elsässer, der AfD-Anhänger mit Sympathien für Nazis Lars Mährholz und der Antisemit Ken Jebsen oder von solchen, die keine Notwendigkeit sehen, sich nach rechts abzugrenzen.

Querfront-Strategie zeichnet sich in der Praxis aus durch Konzentration auf ein Ziel, das angeblich „ideologiefrei“ durch breite Mobilisierung „nicht links, nicht rechts, sondern vorwärts“ (J. Elsässer) verfolgt wird. Dem entspricht z. B. der Verhaltenscode, dass keine Erkennungszeichen von Organisationen bei „Montagsmahnwachen“ gezeigt werden dürfen. Inhaltlich wird dies durch die platte Art von „Kapitalismus“- und „Imperialismus“-Kritik deutlich, die immer dort auftaucht, wo Rechte versuchen, linke Themen zu besetzen. Statt Analyse komplexer Zusammenhänge geht es da um simple antiamerikanische Ressentiments und undifferenzierte Pro-Russland-Haltung, die Ablehnung des „Zinssystems“, das angeblich den Kern des Kapitalismus ausmacht und – seit Beginn des jüngsten Gaza-Krieges – um einseitige Israel-Schelte. Dazu kommen eine allgemeine „Eliten“-Kritik mit Schwerpunkt auf Banken, Politiker und Medien, die – direkt oder indirekt – als Teile einer Verschwörung dargestellt werden.

Dass bei den „Montagsmahnwachen“ jede Menge Menschen unterwegs sind, die einen erheblichen Teil ihres Lebens online verbringen und davon überzeugt sind, dass „die Wahrheit“ im Netz verbreitet wird, passt dazu.

Nun wird uns immer wieder vorgehalten, dass Mahnwachen und Ihre Vertreter_innen – auch die oben genannten – sich inzwischen eindeutig antifaschistisch positioniert hätten. Dazu wird auch gern ein im Oktober in Zeitz gefasster Beschluss zitiert, den Lars Mährholz in einem Schreiben an die Mahnwachen zur Kenntnis gebracht hat. Bereits der 2. Teil des Schreibens macht deutlich, dass es sich dabei um ein rein taktisches Lippenbekenntnis handelt: die rechten Inhalte werden nicht zurückgewiesen, sondern lediglich als der Diskussion nicht zuträglich und verzichtbar qualifiziert.

Fazit: In Zeiten, in denen Rechte offensiv versuchen linke Themen zu besetzen, sind wir gut beraten, genau hinzusehen, mit wem wir uns in eine Reihe stellen, genau hinzuhören was gesagt wird und uns von jedem Querfront-Versuch zu distanzieren.

 

Politisch motivierte Anklage gegen den Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA in Dresden zusammengebrochen

17. Oktober 2014

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Antifaschismus ist nicht kriminell,sondern notwendig!

Am Donnerstag, den 16. Oktober 2014, fand in Dresden der Prozess gegen Markus Tervooren, Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) statt.

Als angeblicher „Rädelsführer“ der erfolgreichen Blockade-Aktionen gegen den Neonaziaufmarsch am 19. Februar 2011 musste er sich vor dem Dresdener Amtsgericht verantworten. Mit Megafon und VVN-BdA Fahne sollte er sich des mehrfachen schweren Landfriedensbruchs schuldig gemacht haben.

Zu seinem Prozess begleiteten ihn zahlreiche Freund*innen und Sympathisant*innen entschiedenen antifaschistischen Engagements. Auch aus Berlin war ein Bus in die sächsische Landeshauptstadt gefahren.

Schon nach zwei Stunden wurde das Verfahren ohne Schuldeingeständnis nach §153a StGB und 500 Euro Geldstrafe eingestellt. Die konstruierte Anklage, die vor allem vom Verfolgungswillen der sächsischen Strafverfolgungsbehörden gegen Antifaschist*innen zeugte, erwies sich als haltlos und selbst Staatsanwältin und Richter zeigten wenig Lust die skandalöse Anklage weiter zu verfolgen.

Wir hoffen dies als ein positives Signal werten zu können, dass endlich Schluss ist mit der Verfolgung und Kriminalisierung von Antifaschist*innen, den Versuchen Zivilcourage gegen Neonazis zu delegitimieren und engagierten Menschen das Leben, schwer, mitunter sehr schwer zu machen. Für alle Angeklagten in den zahlreichen Blockade- Prozessen sind die haltlosen Vorwürfe eine große Belastung. Pfarrer Lothar König, Tim Herudek aus Berlin und viele andere Freund*innen wüssten sicherlich besseres zu tun, als sich über viele Jahre mit politisch motivierten Prozessen rumschlagen zu müssen.

Unser Berliner Geschäftsführer Markus Tervooren erklärte dazu:
 „Die sächsischen Verhältnisse, die es erlaubten, dass jahrelang das Umfeld des NSU ungehindert durch Dresden marschieren konnte, wurden auch am 16. Oktober ein wenig in ihre Schranken gewiesen. Ich bin froh und erleichtert, dass der abstruse und skandalöse Prozess gegen mich eingestellt worden ist. Und ich war überwältigt von der großen Solidarität die mir von so vielen Freund*innen erwiesen wurde. Danke!

Danke an alle die mich in der Erklärung „Wir stehen hinter den Blockaden“ unterstützt haben! Danke an Lothar, danke an das Bündnis Dresden Nazifrei, danke an die Leute, die mich hier in Berlin und in Sachsen unterstützt haben. Danke an meine Anwält*innen! Dieser Schuss aus Sachsen ging nach hinten los! Jetzt wünsche ich mir dringend die Freisprüche für Tim und Lothar! Antifaschismus- alles eine Frage der Einstellung!“

Die Fahne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten wird weiterhin als „Tatwaffe“ zum Einsatz kommen – überall wo Neonazis aufmarschieren.

Erinnern für die Zukunft – Gedenkveranstaltung für Ludwig Einicke

15. Oktober 2014

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Eine GeDENKveranstaltung zum 110. Geburtstag von Ludwig Einicke (1904 – 1975)

In der Reihe Erinnerungen an ehem. deutsche Häftlinge des KZ Mauthausen unter dem Motto „Wer keine Erinnerung hat, hat keine Zukunft“ lädt

das Deutsche Mauthausen Komitee Ost e.V. mit Unterstützung der Thüringer Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Bundestags- und Thüringer Landtagsfraktion der Partei DIE LINKE, der VVN-BdA, des Nordhäuser Vereins „Bürger gegen Rechtsextremismus“ und weiterer Organisationen und Einzelpersonen besonders Jugendliche, LehrerInnen und MultiplikatorInnen antifaschistischer Arbeit zu einer GeDENKveranstaltung (Kolloquium) zum Thema „Erinnern für unsere Zukunft. Lokale Geschichte im Fokus aktueller Auseinandersetzungen mit Rechtsextremismus/ Neofaschismus“ ein.

Als Gastlektoren wurden gewonnen: Martina Renner, Bundestagsabgeordnete DIE LINKE: Aktuelle Fragen der Auseinandersetzunmg mit Rassismus, Rechtsterrorismus und Neofaschismus. Prof. Dr. Manfred Weißbecker, Historiker: Fragen eines Historikers zum Missbrauch der Geschichte durch Rassisten, Antisemiten und  Neofaschisten. Prof. em. Dr. Peter Gstettner, Erziehungswissenschaftler   Termin: 18. Oktober 2014, ab 14:30 Uhr (Ende gegen 19:00 Uhr), Ort: Ratssaal des neuen „Bürgerhaus“ in Nordhausen (hinter dem Rathaus) Am 19. Oktober 2014 kann zwischen 9:30 – 12:00 Uhr an einer Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Mittelbau – Dora bei Nordhausen teilgenommen werden. http://dmko.de/erinnern-fuer-die-zukunft/

„Die Veranstalter behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, oder durch rassistische, nationalistische oder antisemitische Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren  oder sie
davon auszuschließen.“

Wir stehen hinter den Blockaden!

13. Oktober 2014

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Am Donnerstag, den 16. Oktober um 10 Uhr, beginnt der Prozess gegen Markus Tervooren vor dem Amtsgericht Dresden. Der Beschuldigte gehörte am 19. Februar 2011 zu den Tausenden Demonstrantinnen und Demonstranten, die mit Sprechchören, Musik, Gesängen und mit Blockaden, als einem legitimen Mittel des zivilen Ungehorsams, den braunen Umzug stoppten. Wir waren hoch erfreut, dass so viele Menschen gegen den europaweit größten Naziaufmarsch auf die Straße gegangen sind. Sie alle haben dafür gesorgt, dass diese Naziaufmärsche in Dresden seit 2012 nicht mehr stattfinden. Dafür danken wir Markus Tervooren, dem Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA, und allen anderen, die sich seit Jahren an den Protesten beteiligt haben. Umso unverständlicher ist es, dass sich ein Antifaschist nach mehr als dreieinhalb Jahren für seinen Protest verantworten soll. Zu seinen „Tatwerkzeugen“ gehörten, so heißt es in der Anklage, ein Megafon und eine Fahne. Dabei handelt es sich um die Fahne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), der ältesten und größten antifaschistischen Organisation in Deutschland, 1948 gegründet von Überlebenden der Konzentrationslager und Zuchthäuser. Von diesem Prozess geht ein fatales Signal aus. Während Neonazis und Rassisten in Sachsen unbehelligt leben – wie noch vor drei Jahren das NSU-Mördertrio – werden Antifaschisten kriminalisiert. Die Neonazi-Szene kann sich drei Jahre nach Aufdeckung des NSU durch die sächsische Justiz nur bestätigt fühlen. Wir, Verfolgte des Naziregimes und Überlebende des Holocausts, Emigranten, Kämpfer in den Reihen der Antihitlerkoalition, Wehrmachtsdeserteure, Vertreter der zweiten Generation der Opfer des Faschismus, sind empört, dass solch ein Gerichtsverfahren überhaupt stattfinden kann. Wir fordern die sofortige Einstellung des Prozesses gegen Markus Tervooren und gegen den Pfarrer Lothar König aus Jena. • Elisabeth Abendroth • Ralf Bachmann, rassisch verfolgt • Ludwig Baumann, Wehrmachtsdeserteur, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Opfer der Militärjustiz • Dr. Hans Coppi • Vera Dehle-Thälmann • Lore Diehr, illegal tätig in Berlin-Pankow • Regina Elsner, 1. Landessprecherin VVN-BdA-Sachsen • Dr. Peter Fischer • Prof. Dr. Vera Friedländer, rassisch verfolgt, Zwangsarbeiterin bei Salamander • Jutta Peter Giersich, Landessprecher VVN-BdA –Sachsen • Ernst Grube, Überlebender des KZ Theresienstadt • Prof. Dr. Kurt Goßweiler, Wehrmachtsdeserteur • Kurt Gutmann, im Kindertransport nach England gerettet, Freiwilliger der britischen Armee • Volkmar Harnisch, als 18-Jähriger wg. Hochverrat und Wehrkraftzersetzung zu Gefängnis verurteilt • Andrej Hermlin • Hildegard Hentschke, Widerstandskämpferin, Frauengefängnis Bötzow • Roland Hering, VVN-BdA Radebeul • Marianne Kaufholdt, rassisch verfolgt • Elisabeth Jäger, Überlebende des KZ Ravensbrück • Dr. Peter Kirchner, rassisch verfolgt • Maria König, Überlebende von Auschwitz. • Werner Knapp, Soldat in der tschechoslowakischen Auslandsarmee in Frankreich • Dr. Inge Lammel, im Kindertransport nach England gerettet • André Lang, Mitglied Landesvorstand VVN-BdA Sachsen • André Lohmar Prof. Dr. Moritz Mebel, überlebte im Exil in der Sowjetunion, Offizier der Roten Armee • Peter Neuhof, rassisch verfolgt und Zwangsarbeiter • Miriam Pandor, überlebte im Exil in den Vereinigten Staaten • Edith Pfeiffer • Brigitte Rothert-Tucholsky, ihre Mutter wurde durch die Bombenangriffe auf Dresden in letzter Stunde vor der Deportation gerettet • Sabine Reichwein • Dr. Bärbel Schindler-Saefkow • Horst Selbiger, rassisch verfolgt, Ehrenvorsitz der „Child Survivors Deutschland – Überlebende Kinder der Shoah“ • Frido Seydewitz, Ehrenvorsitzender VVN-BdA Sachsen • Justin Sonder, Überlebender von Auschwitz • Steffi Wittenberg, überlebte im Exil in Uruguay • Kurt Gossweiler, Wehrmachtsdeserteur • Marianne Wilke, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA Schleswig-Holstein, rassisch verfolgt • Günther Wilke, VVN-BdA Wedel

Dresden immer noch. Antifaschistischer Protest ist nicht kriminell, sondern notwendig

13. Oktober 2014

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16.10.2014 – Prozess am Amtsgericht Dresden gegen den  Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA

Roßbachstraße 6, Saal A1.37, 10:00 Uhr

9.00 Uhr Solidaritätskundgebung vor dem Gerichtsgebäude!

Am 16.10.2014 wird vor dem Schöffengericht die Anklage gegen den Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA, Markus Tervooren, verhandelt. Ihm wird in Zusammenhang mit den erfolgreichen Antinaziblockaden 2011 in mehreren Fällen besonders schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung und die Störung einer Versammlung vorgeworfen. “Tatwaffen” sollen ein Megaphon und eine Fahne der Verfolgten des Naziregimes, die hochgehalten wurde, sein. Dem maxresdefault-1024x576Angeklagten droht eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren. Er erklärt dazu: “Den abertausenden antifaschistischen Demonstrant_innen, die in Dresden über Jahre hinweg den Neonazi-Aufmarsch blockiert haben, zu unterstellen, sie hätten den „Landfrieden“ gebrochen, ist mehr wie absurd. Sie waren es, die dem unerträglichen sächsischen Landfrieden mit den Neonazis ein Ende gesetzt haben und damit der sächsischen Demokratie auf die Sprünge geholfen haben. Zuvor hatten Neonazis über viele Jahre die Dresdener Innenstadt regelmäßig in einen NS-Erlebnispark unter Polizeischutz verwandelt. Den hartnäckigen und jahrelangen Bemühungen tausender Antifaschist_innen hat gerade die Stadt Dresden und ihr angeschlagener Ruf viel zu verdanken. Die Anklage suggeriert, dass es bei den vielfältigen Protestaktionen Anführer gegeben haben müsse; ich soll mit einer Fahne Signale gegeben haben. Dies zeugt von einem grundfalschen Verständnis der antifaschistischen Proteste und diffamiert die Zivilcourage tausender Blockierer_innen, die diese getragen haben. Neonazis wollen und brauchen Führer, Demokrat_innen und Antifaschist_innen nicht! Die Anklagen gegen Tim H., Lothar König und mich sind Konstrukte, die einem autoritärem Weltbild entsprechen und uns stellvertretend für alle in Dresden aktiven Antifaschistinnen kriminalisieren, zivilgesellschaftlichen Protest einschüchtern und delegitimieren sollen. Willkürlich hat die Anklage Videomaterial des Tages als “Beweise” zusammengestellt, um es dann abenteuerlich zu interpretieren. Doch schon die der Verteidigung vorliegenden Akten lassen jede Grundlage für die behaupteten Tatvorwürfe vermissen. Nach Dresden zu fahren, um gegen die Neonazis Gesicht zu zeigen und den damals größten Naziaufmarsch Europas zum Stehen zu bringen, war allen Mitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ein wichtiges Anliegen. Unsere Fahne nimmt die Kleidung der Insassen der Konzentrationslager auf, sie ist die Fahne der Opfer des Faschismus, die Fahne des Schwurs von Buchenwalds. Sie ist am 19. Februar 2011 in Dresden von Vielen an vielen Orten getragen worden, um eines ganz deutlich zu sagen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Internationales Jugendtreffen Auschwitz 2015 /Train of 1000

6. Oktober 2014

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Im Mai 2015 organisieren die Auschwitz Stiftung, das Institut der Veteranen und die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) eine Fahrt von 1000 Jugendlichen aus ganz Europa von Brüssel nach Auschwitz.Train of 1000 Der Zug startet in Brüssel und wird in Deutschland einen Haltepunkt haben, an dem weitere Jugendliche zusteigen können. Insgesamt werden etwa tausend Jugendliche aus ganz Europa in Auschwitz zusammenkommen, um – in der Gesellschaft der letzten Überlebenden der Lager – der Befreiung vom deutschen Faschismus und des Siegs der Demokratie zu gedenken. Die Reise hat neben dem Gedenken auch noch weitere Ziele:

 Pädagogisch: 1000 Jugendliche bekommen die Möglichkeit, das Museum von Auschwitz (Stammlager und Birkenau) zu besuchen und etwas über den Völkermord der Nazis zu erfahren.

 Erinnerung: Die Jugendlichen besuchen das Gelände des ehemaligen Lagers zusammen mit Überlebenden und Augenzeugen.

 Begegnung: Die Jugendlichen haben die Möglichkeit mit Gleichaltrigen aus allen europäischen Ländern zusammenzukommen. Vorläufiges Programm: 05.05.15 – Abreise aus Brüssel um 15h00 06/05/15 – Ankunft im Krakau gegen 18h00. – Quartier in den Hotels und Jugendherbergen. – Abends: frei 07/05/15 – 7h30: Abfahrt nach Oświęcim – 9h00: Besuch des Museums – 13h00: Mittagspause – 14h30: Fortsetzung des Besuchs bis 17h00 – Abends: Veranstaltung/ Festivität 08/05/15 – 7h30: Abfahrt nach Birkenau (wir steigen an der ‘Rampe‘ aus und gehen das letzte Stück zu Fuß). – 12h00: Internationale Gedenkzeremonie aller Beteiligten – 13h30: Mittagspause – 16h00: Klezmer – Konzert – Abends: sozialer Abend – Jugend trifft Jugend 09/05/15 – Besuch in Krakau – 14h00: Abreise 10/05/15 – 19h00: Ankunft in Brüssel Kosten der Teilnahme Aufgrund zahlreicher Fördermittel, die insbesondere in Belgien für das Projekt gesammelt werden konnten, beträgt der Eigenbeitrag für jeden Jugendlichen maximal 250 €. Darin enthalten sind die Reisekosten mit dem Sonderzug (von jedem Zusteigebahnhof), die Übernachtung in einem Jugendhotel sowie Vollpension in Polen. Ebenfalls sind alle Programmkosten (Begleiter, Bustransfer etc.) enthalten. In Deutschland bemühen wir uns um weitere Sponsoren, damit der Eigenbeitrag gesenkt werden kann.

The Train of 1000 is jointly organized by the Belgian Institute for Veterans and War Victims, the Auschwitz Foundation – Remenbrance of Auschwitz and the FIR.

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The Train of 1000 is realised with the support of amongst others the European Commission Print           W_Flyer_VVN_Jugendtreffen_0914

Naziaufmärsche in Bad Nenndorf: Solidarität mit dem Widerstand

2. Oktober 2014

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Foto: Mecki Hartung

Jahr für Jahr versammeln sich Nazis unter dem Schutz der Polizei und eines pervertierten Demonstrationsrechts um ihre geschichtsrevisionistischen und faschistischen Parolen zu verbreiten. Sie veranstalten dort einen „Trauermarsch“ für die dort von den britischen Besatzungsbehörden inhaftierten und vernommenen Nazischergen. Diese skandalösen Veranstaltungen treffen auf eine wachsende Widerstandsbewegung der örtlichen Bevölkerung („Bad Nenndorf ist bunt“) und immer auch auf entschlossene Formen der Blockade und des zivilen Ungehorsams. Die Polizei folgt dann der bewährten Taktik: Gewaltsames Abräumen der gewaltlosen Blockade und willkürliche Strafanzeigen gegen eine Minderheit, die dann gegen gerichtliche Strafbefehle eingestellt werden. 2013 erhielten so von 600 festgehaltenen Blockierern schließlich 40 einen Strafbefehl. Sven S. Wollte den nicht akzeptieren, weil er nicht einzusehen vermag, dass Widerstand gegen Naziaufmärsche ein kriminelles Vergehen ist. Er ist nun für diese Überzeugung für 2 Monate ins Gefängnis gegangen. Der Bundesauschuss der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes /Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten • teilt diese Überzeugung und wünscht Sven weiterhin viel Kraft und Durchaltevermögen auf dem von ihm gewählten Weg! • Er verurteilt die Haltung der Landesregierung in Niedersachsen, die einerseits zu „verstärktem zivilgesellschaftlichem Engagement gegen Rechts“ aufruft, wo dieses aber praktisch wird, durch ihren Polizei- und Justizapparat mit Einschüchterung, Schikane und Drohung reagiert. Dabei zielt das willkürliche Herausgreifen Einzelner auf die bewusste Spaltung der Widerstandsbewegung.

Wo bleibt der Aufschrei?

geschrieben von Cornelia Kerth

18. September 2014

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Hinter uns steht eine viel größere Bühne, auf der die Bundeskanzlerin heute Nachmittag zum Thema „Nie wieder Judenhass in Deutschland“ sprechen wird. Der Grund dafür sind antisemitische Äußerungen, die man in den vergangenen Wochen auf deutschen Straßen hören und lesen konnte und Anschläge auf jüdische Einrichtungen. Dass es deshalb einen Aufschrei gibt, ist richtig und wichtig.

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Cornelia Kerth

Allerdings frage ich mich, wo dieser Aufschrei blieb, als im vergangenen Jahr in ganz Deutschland, in jedem Winkel, die Plakate hingen, von denen Petra Rosenberg vorhin gesprochen hat. (Sie sprach über NPD-Plakate mit dem Slogan „Gas geben“.) Wo blieb die Intervention der Politik, als sämtliche Anzeigen wegen Volksverhetzung, die von den verschiedenen Vertretungen der Sinti und Roma flächendeckend erstattet worden sind, von deutschen Gerichten zurückgewiesen wurden, weil z. B. der Text „Mehr Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ auch ein „Meinungsbeitrag“ zur Verteilung knapper öffentlicher Mittel sein könnte? Da gab es keinen Aufschrei und kein Wort von der Kanzlerin. Das ist ein Skandal! Als das Mahnmal vor nun fast 2 Jahren eingeweiht wurde, dankte die Bundeskanzlerin Romani Rose für seinen 20 Jahre währenden Kampf um dieses Mahnmal. Das war schon eine besondere Qualität, die langjährige Verweigerung und den hinhaltenden Widerstand mehrerer Bundesregierungen schön zu reden. In den ersten Jahren wurde darüber diskutiert, dass es keine verlässliche Zahl für die Opfer dieses Völkermords gäbe. Gewissermaßen wurden so die Überlebenden und Nachkommen dafür verantwortlich gemacht, dass der Holocaust an den Sinti und Roma bis heute nur mangelhaft erforscht wurde. Die letzten 5 Jahre wurde eine Debatte darum geführt, ob nicht doch der Begriff „Zigeuner“ auf den Tafeln des Mahnmals verwendet werden sollte. Ich bin häufig bei Veranstaltungen und Gesprächsrunden mit Sinti und Roma anwesend und es bleibt nie aus, dass irgendein Bekloppter die Frage stellen muss, warum man denn nicht mehr „Zigeuner“ sagen darf. Wenn dann die Antwort lautet, dass Menschen, die dieses Wort nur als Schimpfwort kennen, es nicht mehr hören wollen, kann es passieren, dass jemand seine Sorge äußert, dass das Verschwinden dieses Wortes zur „Verarmung der deutschen Sprache“ führe, er selbst habe so viele romantische Kindheitserinnerungen, die damit verbunden seien. In diesem Sinne stellt das Mahnmal auf keinen Fall einen Endpunkt dar, sondern muss als Bezugspunkt für die weitere Auseinandersetzung mit dem allgegenwärtigen Antiziganismus begriffen werden. An dem Tag, an dem das Denkmal eingeweiht wurde, hatte dort eine Gruppe junger Sinti und Roma Jutetaschen umgehängt, auf denen geschrieben stand: „67 Jahre zu spät“. Das waren 67 Jahre, in denen die Überlebenden von Deportation und Völkermord erleben mussten, dass sie in der postfaschistischen Gesellschaft kein Mitleid zu erwarten hatten, keine Reue, keine Scham. Niemand hat sie je um Verzeihung gebeten. An den Verhältnissen, die die Deportation möglich gemacht hatten, hatte sich nichts geändert: – Die 1899 in München gegründete „Zigeunerzentrale“, die 1939 nach Berlin verlegt und dort dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) eingegliedert worden war, wurde 1946 nach der Zerschlagung der faschistischen Institution wieder als „Zigeunerstelle“ nach München zurück verlagert. Bis 1970 wurden dort alle Sinti und Roma kriminaltechnisch erfasst. – Bereits 1948 wurde in Baden-Württemberg wieder ein „Leitffaden zur Bekämpfung des Zigeuner-Unwesens“ erlassen. – Noch 1956 urteilte der Bundesgerichtshof, die Verfolgung der Sinti und Roma sei nicht rassistisch begründet gewesen, sondern als „kriminalpräventive Maßnahme“ zu betrachten. Erst 1982 – nach einem Hungerstreik junger Sinti und Roma in Dachau – erkannte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt an, dass es einen Völkermord an den Sinti und Roma gegeben hatte. Da waren viele der Überlebenden schon gestorben. Wer heute in Entschädigungsakten von Sinti und Roma recherchiert und nicht völlig verroht ist, dem treten Tränen der Trauer und der Scham in die Augen. Was Gutachter, Ämter und Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland den Überlebenden entgegenhielten, macht fassungslos. Das geht weit über die Leugnung, Verdrängung und Rechtfertigung hinaus, die die Verfolgten des Naziregimes ja auch aus allen anderen Zusammenhängen kennen und ist der personellen Kontinuität der dort Tätigen geschuldet: Wie der Leiter der „Rassehygienischen Forschungsstelle“, Robert Ritter, wurden viele ehemalige Mitarbeiter_innen des RSHA ebenso wie diejenigen der Münchner „Zigeunerstelle“ als „Experten“ für die „Wiedergutmachungs“-Anträge von Sinti und Roma tätig. Der über Jahrhunderte entwickelte und tradierte Antiziganismus, der den Sinti und Roma an allen Ecken entgegenschlägt, ist heute nicht weniger grausam als in den 1920er oder 1950er Jahren. Statt ihm entgegenzutreten, statt Menschen, deren unvorstellbarem Leid hier ein Denkmal gesetzt wurde, Schutz zu gewähren, statt die Verantwortung wahrzunehmen, von der Frau Merkel bei seiner Einweihung sprach, schüren deutsche Politiker das Ressentiment des Stammtischs und – auch das muss gesagt werden: der Salons – in Worten und Taten. An dem Tag, an dem das Mahnmal eingeweiht wurde und die Bundeskanzlerin von Verantwortung sprach, sprach der Innenminister Friedrich in die Mikrophone der Bundespressekonferenz, dass Deutschland vor der Zuwanderung von „Armutsflüchtlingen“ in seine Sozialsysteme geschützt werden müsse. Er wolle dafür Sorge tragen, dass die EU die Freizügigkeit für Menschen aus Bulgarien und Rumänien wieder aufhebe. Man muss nicht „Roma“ sagen, damit alle wissen, dass Roma gemeint sind, vor denen der deutsche Sozialstaat geschützt werden müsse. In den Tagen, als hier das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas eingeweiht wurde, wurden hunderte ihrer Nachkommen aus Deutschland abgeschoben. Deutsche Politiker hatten von Anfang an die Zerstörung der Bundesrepublik Jugoslawien und die Anerkennung ihrer ethnisch konstruierten Nachfolgestaaten gefördert. Mit einem unglaublich zynischen „Nie wieder Auschwitz“ haben deutsche Bomben und deutsche „Schutztruppen“ dazu beigetragen sie zu stabilisieren. Die ersten Opfer der neuen Staaten waren die Roma, die überall vertrieben wurden. Kriegsflüchtlinge, die nach Deutschland kamen, mussten z. T. länger als 20 Jahre mit einer „Duldung“ leben, die je nach politischer Situation für Tage, Wochen oder Monate, maximal für ein halbes Jahr verlängert wurde. Ihr Aufenthalt war auf einen Ort beschränkt, sie hatten nur eingeschränkt Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung und nahezu keinen Zugang zu Arbeit und Ausbildung. Und als Auswärtiges Amt und Innenministerium der Meinung waren, nun sei in den ex-jugoslawischen Staaten „Normalität“ eingekehrt, sollten sie in ihre „Heimatländer“ zurückkehren, die es gar nicht gab. Ihre Heimat war die Bundesrepublik Jugoslawien gewesen. Die Situation, die die aus Deutschland Abgeschobenen in Serbien, Kroatien, Montenegro erwartet, ist bekannt und vielfach dokumentiert. Als an dem Tag, an dem das Mahnmal eingeweiht wurde und die Kanzlerin von Verantwortung sprach, eine Gruppe junger Roma mit Schildern und Rufen an die Abgeschobenen erinnerte, wurden sie vom Zeremonienmeister zurechtgewiesen: das sei an diesem Tag kein Thema! Die Aufnahme Serbiens, Bosniens und Mazedoniens in die Liste „sicherer Herkunftsländer“ erlaubt nun ihre Abschiebung ohne Prüfung ihres Falls – trotz bekannter Diskriminierung, Ausgrenzung und ständiger Bedrohung. Das ist ein unerhörter Skandal! Verantwortung wahrzunehmen, hieße im Fall der Flüchtlinge, sie so aufzunehmen, wie man in den 1990er Jahren jüdische Nachkommen der Holocaust-Opfer aus der zerfallenen Sowjetunion aufgenommen hat. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, dass endlich Schluss gemacht wird mit der Diskriminierung und Stigmatisierung der Sinti und Roma in Deutschland; Wir unterstützen Initiativen zur Anerkennung ihrer Kultur, ihrer Sprache und ihrer Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe an dieser Gesellschaft, die eben auch ihre Gesellschaft ist. Und wir unterstützen die Initiativen, die darauf zielen, dass Volksverhetzung auch Volksverhetzung genannt wird, dass sie unterbunden und die Partei, von der sie ausgeht, endlich verboten wird!

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