Kein Neonazitreffen am 20. April in Sofia und anderswo!

geschrieben von Florian Gutsche

16. April 2019

 

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) protestiert gegen ein bislang geheimes Treffen europäischer Neonazis am 20. April in Sofia und fordert einen intensiveren Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus.

Der 20. April genießt als Adolf Hitlers Geburtstag einen großen Stellenwert unter bekennenden Neonazis. Verschiedene neo-faschistische Gruppen haben immer wieder versucht den 20 April im Sinne ihrer menschenverachtenden Ideologie zu nutzen. Üblicherweise gibt es an diesem Tag –  nicht nur in Deutschland – rassistische Attacken, Geburtstagsfeiern für Adolf Hitler oder Fackelmärsche rechter Organisationen. Nun haben befreundete bulgarische Antifaschisten uns darauf aufmerksam gemacht, dass am 20. April ein Treffen europäischer Neonazis in Sofia stattfinden soll – unter ihnen die Partei „Die Rechte“.

Florian Gutsche, Bundessprecher der VVN-BdA, wies zudem auf die besondere historische Bedeutung des Ortes hin: „Dass solche Treffen europäischer Neonazis in Bulgarien stattfinden, ist besonders bitter. Schließlich war es die bulgarische Gesellschaft, die von den deutschen Besatzern organisierte Deportation bulgarischer Juden aufbegehrte und so ungefähr 48.000 Menschen das Leben rettete. Das nun schon zum zweiten Mal in diesem Jahr Neonazis aus ganz Europa in Sofia zusammenkommen können, ist somit doppelt empörend.“

 Wie schon zuletzt beim Lukov-Marsch werden bulgarische, ungarische, französische, polnische, tschechische und deutsche Neonazis im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt zusammentreffen. Das gewählte Datum steht für die ideologische Überzeugung aller Beteiligten. Rassismus und faschistische Vernichtungswut finden darin ihren Ausdruck. Zu vermuten ist, dass das Treffen in Sofia nicht nur symbolischen Charakter für die neofaschistischen Parteien hat. Es dient auch dem Ausbau und der Vertiefung bereits bestehender Netzwerke und Kontakte. Sämtliche Organisationen teilen die ideologische Grundlage der Mörder von Christchurch (Neuseeland), Andreas Breivik oder dem NSU. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand legitimieren sie deren menschenverachtende Taten und preisen den faschistischen Vernichtungskrieg.

Wir protestieren gegen dieses und andere Treffen europäischer Neonazis, weil sie zu einer Normalisierung faschistischer Positionen in den europäischen Gesellschaften beitragen. Im Sinne des Schwurs von Buchenwald steht die VVN-BdA für eine neue, solidarische Welt des Friedens und der Freiheit an der Seite der bulgarischen Antifaschistinnen und Antifaschisten und fordern ein Verbot faschistischer Events in Sofia und anderswo.

UN-Atomwaffenverbot unterstützen!

geschrieben von Bundesausschuss

11. April 2019

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Zur Kündigung des INF-Abkommens erklärt die VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten:

Die Logik der Konfrontation endlich durchbrechen!

Es ist an der Zeit, mit einer starken Friedensbewegung gegen nationalistische Politik und Ideologien und westliche Vorherrschaftsstrategien in Politik und Wirtschaft entlang der Konfrontationslinie in Osteuropa auf Verständigung und Abrüstung zu setzen – auch weil wir aus der Vergangenheit wissen, dass es möglich ist.  Wir setzen auf eine friedliche Zukunft, auf Kooperation statt Aufrüstung und Konfrontation in Europa und weltweit.

UN-Atomwaffenverbot unterstützen!

Am 1. Februar 2019 haben die USA den 1987 zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow abgeschlossenen INF-Vertrag über die Ächtung und Vernichtung von Mittelstreckenraketen aufgekündigt.

Vorangegangen waren diesem Vertrag Proteste von Millionen Menschen gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Europa. Der Protest war übergreifend über parteipolitische Positionen und soziale Stellung hinweg. Sogar eine Gruppe von Generälen für den Frieden hatte sich gegen die atomare Aufrüstung gestellt.

Wir wissen heute, dass diese historische Abrüstungsinitiative unabdingbar war, weil die vermeintliche Sicherheit durch Abschreckung auf sehr wackligen Beinen stand. Vor kurzen ist Oberst Stanislaw Petrow, der sowjetische Offizier, der mitten im Kalten Krieg der Technik nicht vertraute und so einen Atomkrieg verhindert, gestorben. Umgekehrt konnten auch menschliche Fehler einen solchen Krieg mit mörderischen Folgen auslösen. Und schließlich wissen wir heute, dass trotz vermeintlichen Gleichgewichts des Schreckens beide Seiten der militärischen Blöcke zugleich auch offensive Pläne im Schreibtisch hatten.

Vor einer vergleichbaren Situation stehen wir heute erneut. Beide Vertragsparteien werfen sich gegenseitig die Verletzung des INF-Vertrages vor. Der historische Vertrag wurde zunächst durch die USA und in der Folge auch durch Russland gekündigt. Beide Seiten versuchen damit, militärische strategische Vorteile zur Geltung zu bringen. Die USA modernisieren ihre militärischen Kapazitäten und setzen ihre westeuropäischen NATO-Verbündeten mit Aufrüstungsforderungen unter Druck, um mit möglichen Stationierungen von Atomraketen an Russlands Grenzen politischen Druck auf Russland auszuüben, wie dies bspw. von Polen und den baltischen Staaten gewünscht wird. Deutschland hält an der atomaren Teilhabe über die in Büchel stationierten US-Atomraketen fest und lotet gleichzeitig eine gemeinsame französisch-deutsche atomare Partnerschaft aus. Russland wiederum sieht seine Interessen bereits seit Längerem an der Nahtstelle zur NATO bedroht und reagiert mit der Entwicklung und Stationierung neuer Generationen auch atomarer Waffen – wie bereits im Kalten Krieg. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen.

Eben weil wir die Geschichte der atomaren Aufrüstung und die irreführenden Ausreden und Lügen der Block-Ideologien nur zu gut kennen, sollten wir den Friedenswillen der Menschen in Europa wieder wecken und mobilisieren, damit Europa endlich ein Kontinent des Friedens wird. Die Folgen eines erneuten atomaren Wettrüstens könnten für uns alle verheerend werden.

122 Mitglieds-Staaten der Vereinten Nationen haben im Juli 2017 ein generelles Atomwaffenverbot beschlossen. Keine Atommacht und kein NATO-Staat hat das Abkommen bisher unterschrieben. Das muss sich ändern!

Proteste gegen den Budapester „Tag der Ehre“

geschrieben von Ulrich Schneider

8. Februar 2019

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Anlässlich des NS-verherrlichenden „Tag der Ehre“ in Budapest führt die Berliner VVN-BdA eine Protestkundgebung durch:

 

Antifaschistische Protestkundgebung vor der Ungarischen Botschaft in Berlin

Samstag | 09. Februar 2019 | 11.00 Uhr 
Unter den Linden 76, 10117 Berlin, Deutschland

Tag der Ehre in Budapest?

Keine NS-Verherrlichung in Europa!

Facebook-Veranstaltung

 

 

 

Gleichzeitig wandte sich der Generalsekretär der FIR Dr. Ulrich Schneider mit einem Schreiben an den ungarischen Botschafter:

Verehrten Herr Botschafter Dr. Gyorkös,
Berlin, 07.02.2019 wie uns bekannt wurde, organisieren an diesem Wochenende offen faschistische Gruppen aus dem Umfeld des „Blood & Honour“-Netzwerkes unter dem Titel „Tag der Ehre“ auch in diesem Jahr in Budapest ein Musikevent mit Nazi-Bands aus verschiedenen europäischen Ländern und eine wehrsportliche Übung zur Erinnerung an die – wie die Neonazis es nennen – „Helden von Budapest“, die gegen der Befreiung der Stadt im Jahr 1945 gekämpft hatten. An diesem Treffen nehmen nicht nur ungarische Neonazis teil, sondern es werden Neonazis aus Deutschland, Skandinavien und anderen europäischen Ländern – wie in den vergangenen Jahren – erwartet. Wer sich 79 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, der durch die gemeinsame Leistung aller Kräfte der AntiHitler-Koalition mit der Zerschlagung des Faschismus beendet werden konnte, mit den Truppen der deutschen Wehrmacht, den SS-Verbänden und den ungarischen Kollaborateuren identifiziert, zeigt deutlich, dass ihm an einer Revision des Geschichtsbildes und an einer Rehabilitierung der faschistischen Verbrechen gelegen ist. Das können wir, das kann kein aufrechter Demokrat hinnehmen.

Mit Empörung mussten wir daher zur Kenntnis nehmen, dass in diesem Jahr weder die städtischen Gremien, noch die ungarische Regierung irgendwelche Anstrengungen unternommen haben, dieses faschistische Treffen zu unterbinden. Obwohl „Blood & Honour“ in Ungarn als verbotene Organisation gilt, wird deren Treiben nicht behindert. Dieses widerspricht eklatant dem fraktionsübergreifenden Beschluss des europäischen Parlaments vom November 2018 über die zunehmende Normalität von Faschismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa.

Wir möchten Sie, verehrter Herr Botschafter, auffordern, unsere Empörung und Enttäuschung über diese Haltung der öffentlichen Gremien an Ihre Regierung weiterzuleiten. Außerdem empfinden wir es als skandalös, dass im Vorfeld dieses Nazitreffens antifaschistischen Kräften, die dagegen protestieren wollten, von den Sicherheitsorganen signalisiert wurde, dass man ihren Protest nicht zulassen bzw. gegen gewalttätige Angriffe nicht schützen könne. Lassen Sie nicht zu, dass Ungarn zu einem Tummelplatz europäischer Neonazis werden kann.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir hochachtungsvoll

Dr. Ulrich Schneider

 

Zur weiteren Information: Flugschrift „NS-Verherrlichung stoppen! Berlin, Riga, Sofia, Budapest, Kärnten“: W_Flyer_VVN-BdA_Osteuropa

 

 

Ruhestand für Maaßen – Verfassungsschutz auflösen!

geschrieben von Cornelia Kerth

19. September 2018

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Man könnte es einen Treppenwitz der Geschichte nennen, wenn es nicht so verhängnisvoll wäre:

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der

  • die von der Kanzlerin versprochene lückenlose Aufklärung des NSU-Komplexes mit allen Mitteln hintertrieben hat,
  • der öffentlich die Unwahrheit gesagt hat, indem er leugnete, dass V-Männer im direkten Umfeld des Berliner Attentäters Anis Amri eingesetzt waren,
  • der eine zunehmend völkisch-nationalistische Partei berät, wie er sie vor der Beobachtung durch seine Behörde und damit vor dem Stigma „extremistisch“ bewahren kann und
  • der in der auch als Resultat der Hass-Propaganda dieser Partei entstandenen Verfolgung, Bedrohung und Verletzung von Menschen keine Hetzjagd erkennen kann und mit der Mutmaßung entsprechende Filmdokumente seien gefälscht, Wasser auf die Mühlen der Gewalttäter gießt

und deshalb in dieser Funktion untragbar geworden ist, wird mit Aufstieg zum Staatssekretär belohnt.

Das zeigt, wie sehr der zuständige Innenminister Seehofer selbst zur Stärkung der Rechten in diesem Land beträgt und wie wenig ihm von der Kanzlerin und den Koalitionspartnern entgegen gesetzt wird.

Dieser Vorgang bestärkt uns in der Auffassung, dass der Inlandsgeheimdienst nicht nur von NS-belastetem Personal aufgebaut wurde, sondern dass dieses Personal durch entsprechende Rekrutierungs- und Ausbildungspraxis dafür gesorgt hat, dass die extreme Rechte bis heute nicht als die Gefahr für die Demokratie gesehen wird, die sie tatsächlich darstellt. Der NSU-Komplex und der Unwille zur Aufklärung und Veränderung sind nur das jüngste und offensichtlichste Beispiel für die tiefe Verstrickung des Dienstes in die rechte Szene. Überdies macht dieses Beispiel in dramatischer Weise deutlich, wie effektiv der Geheimdienst sich der demokratischen Kontrolle entzieht.

Während in den 1970er Jahren ca. 3,5 Millionen Menschen vom VS auf „Linksextremismus“ durchleuchtet wurden, wozu schon die Teilnahme an einer Versammlung oder Demonstration zählen konnte, muss  bis heute nahezu jede und jeder, die sich antifaschistisch, für eine offene und solidarische Gesellschaft, gegen die Macht der Konzerne, für die tatsächliche Bekämpfung der Fluchtursachen, gegen Kriege und Waffenexporte oder für Seenotrettung einsetzen, damit rechnen, vom Inlandsgeheimdienst zum Linksextremisten und zur Staatsfeindin abgestempelt zu werden.

Dass unter diesen Bedingungen das Bundesamt für Verfassungsschutz sein Personal nahezu verdoppeln will, ist das völlig falsche Signal. Es ließe befürchten, dass künftig jedem und jeder, die gegen die Hass-Propaganda AfD aufstehen, eigenes Personal zugeordnet werden kann, denn wie für seinen Ex-Chef, gibt es für den Dienst dazu keinen Grund.

Wir fordern:

  • Auflösung des Bundesamtes und der Landesämter für Verfassungsschutz
  • Bereitstellung dadurch freiwerdender Mittel für die zivilgesellschaftliche Recherche- und Dokumentationsarbeit

Spät entschädigt, nachträglich enteignet

geschrieben von Cornelia Kerth

7. August 2018

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Ludwig Baumann, Antifaschist und Friedensaktivist, war Wehrmachtsdeserteur. Nach einem Todesurteil saß er 19-jährig monatelang in der Todeszelle, bevor er begnadigt und mit dem „Bewährungsbataillon 500“ an die Ostfront geschickt wurde. Erst 2002 wurden die Unrechtsurteile gegen Wehrmachtsdeserteure – mindestens 15.000 von ihnen waren hingerichtet worden – aufgehoben und die letzten Überlenden rehabilitiert. Erst danach hatten sie einen Anpruch auf eine Entschädigungsrente. Damit stehen sie nicht allein. Auch anderen Opfergruppen wurde über Jahrzehnte die Anerkennung vorenthalten, die Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) ist.

Nun erfahren wir, dass die wenigen noch lebenden Opfer des Nazi-Terrors vom Ex-Finanzminister Schäuble einer besonderen Spar-Maßnahme unterzogen wurden. Im Dienste der „schwarzen Null“ wurde denen, die in der Bundesrepublik Deutschland Jahrzehnte um ihre Würde kämpfen mussten, nämlich, dass ihre Verfolgung „nationalsozialistisches Unrecht“ war, wird ihnen im Fall von Pflegebedürftigkeit die BEG-Rente auf ein „Heimtaschengeld“ zusammengestrichen. Das ist perfide und schlicht unanständig.

Wir fordern den jetzigen Finanzminister Scholz auf, diese unwürdige Behandlung der NS-Verfolgten sofort zu beenden.

Rede von Esther Bejarano zum „Tag X“ nach dem NSU-Urteil

geschrieben von Esther Bejarano

7. Juli 2018

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Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

liebe Freundinnen und Freunde,

am Mittwoch wurden die Urteile im NSU-Prozess gesprochen. Die Ergebnisse sind bekannt.

Nur 4 weitere Nazis saßen mit Beate Zschäpe auf der Anklagebank. Sie wurden nur als „Helfer“ zu kurzen Strafen verurteilt, nicht als Mitglieder des Terrornetzwerks, das es gab und vermutlich noch immer gibt. Dem wollte das Gericht nicht nachgehen.

Es fehlten auf der Anklagebank all‘ jene, nach denen gar nicht erst gesucht wurde, die es aber gegeben haben muss: wer hat die Opfer ausgesucht und ihre Tagesabläufe ausgespäht, Fluchtwege vorbereitet?

Es fehlten die V-Leute aus dem Umfeld der Mördertruppe, militante Nazis, die der Verfassungsschutz aus Steuergeldern bezahlt. Es fehlten auch die V-Mann-Führer, die den Schutz ihrer „Quellen“ vor Aufklärung und Strafanspruch stellen, die Akten schredderten, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt.

Was ist die Wahrheit? Sicher nicht, dass der VS-Mitarbeiter Temme in Kassel nur zufällig in dem Internet-Café war, als Halit Yozgat dort ermordet wurde und sicher nicht, dass er davon nichts bemerkt hat. Auch dem ist das Gericht nicht nachgegangen.

So viele Fragen sind offen geblieben. Rassistische Morde, rassistische Ermittlungen, in denen die Opfer und ihre Familien kriminalisiert wurden, rassistische Medienberichte über angebliche „Döner-Morde“ und im Fall des Mordes an Michele Kiesewetter wurde eine Roma-Familie beschuldigt, nur weil sie zufällig in der Nähe des Tatorts war.

Meine Gedanken sind in diesen Tagen bei den Angehörigen der Opfer. Ich verstehe ihren Zorn und ihre Verzweiflung. Nach Jahren, in denen sie – die Leidtragenden –  verdächtigt und beleidigt  worden waren, hatte die Bundeskanzlerin ihnen 2011 die „vollständige Aufklärung“ des NSU-Komplexes versprochen. Davon kann keine Rede sein.

Meine Familie, sowie Millionen von Menschen, sind einer kranken und hasserfüllten Ideologie zum Opfer gefallen. Wir haben das gleiche Leid erleben müssen, wir mussten erfahren, dass geliebte Menschen AUS UNSEREM UND IHREM Leben gerissen wurden und unsere Welt ein Ort von Dunkelheit und Trauer wurde.

Es ist dieselbe Gesinnung, derselbe Hass und dieselbe Niedertracht, die uns unsere geliebten Mütter, Väter, Kinder, Schwestern und Brüder entrissen und uns ins Unglück gestürzt hat. Es ist der Rassismus, der so viele Menschen getötet hat und der auch heute noch tötet. Die gleiche Kälte und Ohnmacht, die wir spüren mussten und müssen, die gleiche Verzweiflung, allein und machtlos zu sein.

Ja, machtlos zu sein, denn es ist auch die Ignoranz und Akzeptanz der Politik, der Behörden, der Medien und leider auch der Gesellschaft, die uns, den Opfern, den Familien und unseren Freundinnen und Freunden das Gefühl gibt, machtlos und allein zu sein.

Ich musste zusehen, wie rassistische Richter, Ärzte, Beamte, Massenmörderinnen und Massenmörder unbehelligt weiterleben konnten, ohne für ihre grausamen Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Sie besetzten ihre gewohnten Positionen und Ämter und konnten unbehelligt ihren Nazismus und ihren Hass aufrechterhalten. Das war für uns unerträglich und hat dafür gesorgt, dass die Ideologie weiter leben konnte.

Der Nazismus und Rassismus wurde in diesem Land auch nach 1945 weder politisch noch gesellschaftlich so konsequent bekämpft, wie er hätte bekämpft werden müssen und können. Er konnte sich auch weiterhin in staatlichen Strukturen festhalten, vor allem im Verfassungsschutz und der Justiz, und ja sogar noch mehr, er konnte sich wieder ausbreiten.

Um es klar auszusprechen, ohne das Wegschauen und das Decken nach 1945 hätte es das Oktoberfestattentat, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen und Mölln und den NSU so nicht geben können. Es hätten aus den Erfahrungen und Ereignissen des Nationalsozialismus die richtigen Konsequenzen gegen den Hass gezogen werden müssen.

Es gab jedoch eine Toleranz gegen Täterinnen und Täter, und Nazis wurden und werden in diesem Land direkt und indirekt, durch politische Kampagnen und das Schweigen und Wegschauen ermutigt, weiter Hass und Leid zu verbreiten.

Und es gibt bis heute einen großen Unwillen, sich mit dem Nazi-Terror öffentlich zu beschäftigen. Ich denke hier an das Hamburger Stadthaus, in dem alle Menschheitsverbrechen der Nazis für Hamburg und Teile Norddeutschlands organisiert wurden: die Deportationen von Jüdinnen und Juden und Sinti und Roma in die Vernichtungslager, die Aufstellung der Polizeibataillone für den Vernichtungskrieg im Osten, die mörderische Behandlung der Zwangsarbeiterinnen und die grausame Verfolgung des Widerstands gegen das Nazi-Regime.

Dass dort, wo tausende gefoltert wurden, jetzt ein luxuriöses Einkaufszentrum entsteht, in dem die blutige Geschichte des Ortes in eine Ecke einer Buchhandlung verbannt wird, ist für uns alle wie ein Schlag ins Gesicht.

Das ist der rote Faden von damals zu heute. Es ist auch hier die gleiche Ignoranz und Akzeptanz – ja eine traurige und leidvolle Tradition, die wir zu verschiedenen Zeiten im gleichen Land erleben mussten!

Mit unseren Demonstrationen, die überall in der Bundesrepublik am Mittwoch stattgefunden haben und heute stattfinden, wollen wir auch deutlich machen, dass die Angehörigen der Ermordeten, dass die überlebenden Opfer der Bombenanschläge nicht allein sind. Ihnen wollen wir heute sagen:

Schauen wir uns um: so viele Menschen, die mit Euch und uns gedenken und Euch stärken und damit den Widerstand gegen den Rassismus und Nazismus aufrechterhalten.

Denn dies ist auch eine Tradition und meiner Meinung nach die wichtigste Tradition, die es auch schon im Nationalsozialismus gegeben hat: – der antirassistische und antifaschistische Widerstand!

Ich verstehe Euren Schmerz, Ihr den meinen und die Menschen hier und viele auf den Straßen unseren gemeinsamen Schmerz. Wir leben, leiden und vor allem kämpfen wir gemeinsam.

Ja, wir sind nicht nur Opfer, nein wir sind Kämpferinnen und Kämpfer für ein gerechtes Gedenken, gegen das Vergessen und gegen Hass und Rassismus!

Ich sage immer, dass ich heute in Schulen gehe, mit Schülerinnen und Schülern rede, aufkläre, Konzerte gebe, schreibe, lese und diskutiere – das ist meine späte Rache an den Nazis! Lasst uns gemeinsam kämpfen und ab heute bin ich ein Teil Eurer Rache und Ihr ein Teil meiner Rache – für alle Opfer des NSU und für alle Oper des faschistischen Terrors.

Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wir können das nie vergessen.

„Ich hatte erkannt, dass es ein verbrecherischer, völkermörderischer Krieg war.“

geschrieben von Markus Tervooren

6. Juli 2018

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Verweigert Krieg, Gewehr
Verweigert Waffentragen
Ihr müßt schon etwas wagen
Verweigert`s Militär.

 Boris Vian

Es hat uns die traurige Nachricht erreicht, dass heute am frühen Morgen Ludwig Baumann im 97. Lebensjahr verstorben ist.

Als Wehrmachtsdeserteur hatte er das getan, was jeder deutsche Soldat hätte tun können, um den Vernichtungskrieg der Nazis zu beenden.

Am 3. Juni 1942 desertierte  er bei Bordeaux in Frankreich. Am Tag nach der Desertion wurde er von deutschen Grenzposten gestellt. Am 30. Juni 1942 wurde Baumann wegen „Fahnenflucht im Felde“ zum Tode verurteilt. Davon, dass die Todesstrafe in eine 12-jährige Zuchthausstrafe umgewandelt wurde, erfuhr er erst nach Monaten, die er in Todesangst in der Todeszelle eines Wehrmachtsgefängnisses verbracht hatte. Jeden Morgen rechnete er mit seiner Hinrichtung. Baumann wurde danach im KZ Esterwegen im Emsland inhaftiert und kam später in das Wehrmachtgefängnis Torgau.

Wir kennen Ludwig Baumann als unermüdlichen Kämpfer für die Rehabilitierung der Deserteure und anderer von der NS-Gerichtsbarkeit Verfolgten. Er kämpfte mit uns für die Entschädigung aller NS-Opfer. Bis zur Aufhebung der Wehrpflicht in Deutschland versuchte er an jedem Einberufungstermin, mit Einberufenen auf dem Weg in die Kaserne ins Gespräch zu kommen. Seine Botschaft lautete: „Leistet Widerstand, wenn ihr Befehle bekommt, denen ihr im zivilen Leben nicht folgen würde. Die Annahme des Bundesverdienstkreuzes hat Baumann unter anderem deshalb abgelehnt, „weil ich keinen Orden haben will, den auch ehemalige Nazis tragen“.

Wir trauern, aber wir freuen uns auch Ludwig Baumann kennengelernt und  bei zahlreichen Gelegenheiten getroffen zu haben. Mir war er ein ein Vorbild. Adieu, du Kriegsveräter.

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Im Anhang findet ihr den Nachruf  der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V. deren Vorsitzender und Begründer er war. http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Stellungnahmen/LBNachruf20180705.pdf

Diese Hompage wurde  zu seinen 90. Geburtstag erstellt: http://ludwigbaumann.de/index.html

Hier findet ihr viele schöne Fotos, die Lothar Eberhardt aufgenommen hat: https://www.facebook.com/LotharEberhardt/posts/2009176779299802

Die Kriegsgefahr bannen – Abrüstung statt Aufrüstung

geschrieben von Bundesausschuss der VVN-BdA

22. April 2018

 Wir erleben aktuell eine dramatische Zuspitzung der internationalen Konflikte im Nahen Osten, wo die militärischen Auseinandersetzungen uns an den Rand eines Weltkrieges bringen.

Dabei sind es die unterschiedlichen beteiligten Kriegsparteien, die den Konflikt in Syrien zu einer Art Stellvertreterkrieg werden lassen. Mit dem Einmarsch der Türkei in die kurdischen Gebiete Syriens hat das NATO-Mitgliedsland einen Angriffskrieg gegen ein Nachbarland begonnen und offiziell Ansprüche auf Teile des syrischen Staatsgebiets erhoben. Die geduldete Zerstörung des einzigen basisdemokratischen Projektes in der Region spricht dabei Bände über das angebliche Verständnis von Freiheit und Demokratie der Kriegsparteien.

Weitere Beteiligte der militärischen Auseinandersetzungen sind Saudi-Arabien, die USA, der Iran und Russland, das mit einem Mandat des syrischen Präsidenten Assad im Lande ist. Die jüngsten Angriffe auf Syrien mit Marschflugkörpern durch Großbritannien, Frankreich und die USA, die durch keinerlei internationales Mandat gedeckt waren, haben zu einer gefährlichen Eskalation geeführt. So stehen sich in Syrien die NATO und Russland zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges direkt militärisch gegenüber, wodurch die Gefahr einer Ausweitung des Konfliktes groß ist.

 

Wir sind der Überzeugung: Eine Lösung des Konfliktes kann nicht auf militärischer Ebene erreicht werden. Für eine Verhandlungslösung muss den Regeln des Völkerrechts wieder Geltung verschafft werden. Dazu bedarf es der Stärkung der Autorität der Vereinten Nationen und der Unterstützung ihrer Friedensbemühungen.

 

Auch Politiker_innen der Parteien, die sich seit 1990 in der BRD an der Regierung abgewechselt haben, sehen die Entwicklung mit Sorge. Dies bekräftigen sie in einem öffentlichen Appell „Dialog statt Eskalation“ und beschreiben die Rolle, die Deutschland in diesem Konflikt einnehmen sollte:

„Viele Westeuropäer sind heute alarmiert und fürchten Krieg. Viele betrachten Russland als Gefahr. Umgekehrt sieht die Mehrheit der Russen ihr Land zu Unrecht vom Westen an den Pranger gestellt.

Sie verstehen nicht, warum dieser Kurs besonders aus Deutschland unterstützt wird, dem Land, das einmal der Hauptmotor der Entspannungspolitik war … Das Versprechen vom Ende des Kalten Krieges aus der Charta von Paris (1990) wurde nie eingelöst. Stattdessen wird mit der Beschwörung der russischen Bedrohung eine neue Aufrüstungsoffensive in Gang gesetzt. … Die Erinnerung an zwei Weltkriege mit Millionen von Toten verblasst. Die rhetorische Eskalation und die Produktion von Feindbildern in Politik und Medien bleibt nicht ohne Folgen.“

Dem setzen die Autoren entgegen: „Die Idee einer gesamteuropäischen Partnerschaft ist zwar nicht neu, aber wartet auf ihre Verwirklichung. Das ist das richtige und große außenpolitische Thema … Wer das nicht sehen will, ist blind für die Gefahr eines dritten und letzten Weltkriegs.“

Diese Warnung ehemaliger Politiker findet unsere volle Zustimmung.

 

Für die VVN-BdA bedeutet das:

Wir rufen alle politisch Verantwortlichen auf, auf den Weg des Dialogs und der internationalen Verhandlungen zurückzukommen.

Wir erwarten von der deutschen Regierung, sich aus historischer Verantwortung eigenständig für eine neue Entspannungspolitik einzusetzen.

Das bedeutet aber nicht nur, dass keine Mandate für Auslandseinätze der Bundeswehr mehr genehmigt werden, sondern dass die Verstärkung der Konflikte durch direkte oder indirekte deutsche Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete endlich wirksam gestoppt wird.

Und das bedeutet, dass die Forderung der Friedensbewegung unter der Losung „abrüsten statt aufrüsten“ auf die politische Agenda gesetzt wird. Wir können nur glaubwürdig für Frieden in der Welt eintreten, wenn unser Land selbst die Spirale der Hochrüstung durchbricht.

Ostermärsche 2018: Abrüstung statt Aufrüstung!

geschrieben von Cornelia Kerth

22. März 2018

Für „Deutschlands Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit in der Welt“ bleibt die „Bundeswehr – wie im Weißbuch 2016 dargelegt – ein unverzichtbarer Bestandteil“, lesen wir im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. In diesem Weißbuch ist eine bisher in der Öffentlichkeit kaum diskutierte qualitativ neue Aufrüstung der Bundeswehr zur global agierenden Interventionsarmee  festgelegt. Die dafür notwendigen Rüstungsaufträge sind längst erteilt.

Zu Deutschlands Verantwortung wird auch die „Ertüchtigung von Partnern in fragilen Regionen“ gezählt. Diese Partner sind zunehmend afrikanische Regierungen der Herkunfts- und Transitstaaten von Menschen auf der Flucht. Dazu gehört der als Kriegsverbrecher international zur Haft ausgeschriebene Präsident des Sudan ebenso wie die libyschen Militärs und ihre Küstenwache, die in Libyen einen brutalen Sklavenhandel betreiben.

Zu den Partnern gehört auch der NATO-Staat Türkei, der mit deutschen Waffen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die kurdischen Autonomieregionen im Norden Syriens führt. Solange zehntausende Menschen, die derzeit aus der Region Afrin fliehen, nicht nach Europa kommen, ist von der Bundesregierung kein Wort über diese gigantische Verletzung des Völkerrechts und der Menschenrechte zu hören.

Deutschland beteiligt sich durch seine Wirtschafts-, Außen- und Rüstungspolitik daran, in vielen Regionen der Welt die Verhältnisse zu schaffen, die Menschen auf die Flucht treiben. Statt Fluchtursachen zu bekämpfen werden Fluchtwege versperrt und Flüchtende bekämpft. Folgerichtig soll FRONTEX zu einer „echten Grenzschutzpolizei“ werden.

Dem setzen wir unsere Forderung nach umfassender Abrüstung als Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben weltweit entgegen.

  • Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen
  • Beitritt Deutschlands zum Atomwaffen-Verbotsvertrag
  • Verbot von Kampfdrohnen und Killerrobotern
  • Verbot von Rüstungsexporten
  • Umwandlung von Rüstungsproduktion in zivile Produktion
  • Grenzen auf für Menschen auf der Flucht

 

Beteiligt Euch an den Ostermärschen 2018

https://www.friedenskooperative.de/termine/ostermarsch

Ostermarschflyer der VVN-BdA 2018: W_VVN-BdA_Flyer_Ostermarsch_2018

 

Keine Ehrung der lettischen Waffen-SS!

geschrieben von Thomas Willms

7. März 2018

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Aufruf zu internationalen Protestkundgebungen 

Am 16. März wird es in der lettischen Hauptstadt Riga – wie jedes Jahr seit 1991 – zu einem Gottesdienst, einem Ehrenmarsch und einer fahnengesäumten Kundgebung am Freiheitsdenkmal zu Ehren der lettischen Einheiten der Waffen-SS kommen.

Lettland gehört mit Estland, Litauen, der Ukraine und Bulgarien zu den osteuropäischen Staaten in denen Einheiten der Waffen-SS und andere mit den Nazis kollaborierende antisemitische Todesschwadronen als nationale Idole gefeiert werden. Dies geschieht mit staatlicher Duldung und teilweise offener Unterstützung durch Behörden.

Der Rigaer „Ehrenmarsch“ ist eine unerhörte Provokation für die Angehörigen der Opfer der lettischen Polizei und SS-Verbände und für die jüdische, russischsprachige und andere Minderheiten im Land. Er steht nicht nur im Gegensatz zu den Grundwerten der Europäischen Union, deren sonstige Vorzüge der lettische Staat andererseits gerne entgegennimmt, sondern ist auch eine Provokation gegenüber der Russischen Föderation und damit eine Gefahr für den Frieden in Europa.

In Lettland werden antifaschistische Demonstrant*innen erheblichen Repressalien (Telefonüberwachung, Reisebeschränkungen, Behördenschikanen, Polizeiwillkür, staatliche Einflussnahme auf Hotels und Veranstaltungsunternehmen) ausgesetzt. Dies gilt auch für Unterstützer*innen, die aus Deutschland und anderen Ländern anreisen.

Umso wichtiger ist es, auch 2018 Solidarität mit den lettischen Antifaschist*innen  zu zeigen. Die VVN-BdA und die Mitgliedsverbände der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) rufen dazu auf, nach Riga zu reisen und am 16. März an der antifaschistischen Kundgebung teilzunehmen.

Gleichzeitig rufen sie dazu auf am 16. März

  • in Rom, Brüssel, Budapest und Athen

vor lettischen Botschaften und Konsulaten in Europa gegen die Verherrlichung von NS-Kollaborateuren und Massenmördern zu protestieren und Freiheit für Lettlands Antifaschist*innen zu fordern.

Die VVN-BdA ruft auf zu Mahnwachen vor der lettischen Botschaft und den Honorarkonsulaten in

  • Berlin, 16. März, 14 Uhr – 16 Uhr, Reinerzstr. 40/41  (Botschaft der Republik Lettland)

  • Bremen, 15. März, 12.30 Uhr, Allerkai 4  (Lettisches Honorarkonsulat)

  • Düsseldorf, 16. März, 12 Uhr, Vogelsanger Weg, Haltestelle Tram 701 Düsseldorf Haeseler Str. (Lettisches Honorarkonsulat)

  •  Hamburg, 16. März, 15 Uhr, Ecke Jungfernstieg/Neuer Wall (Nähe lettisches Honorarkonsulat)

  • Frankfurt (Main), 16. März, 17 Uhr, An der Hauptwache

  • Künzelsau; 16. März, 15 Uhr bis 16 Uhr, Oberamteistrasse 20 (Honorarkonsulat Lettland)

Wir fordern:

  • Schluss mit der Ehrung von NS-Kollaborateuren und Mördern!

  • Anerkennen der baltischen Beteiligung am nazistischen Völkermord!

  • Freiheit für „Lettland ohne Nazismus“!

 

 

 

 

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