Gauland trauert Lebensraum im Osten nach!

geschrieben von Florian Gutsche

6. Mai 2020

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Die VVN-BdA freut sich, dass die Petition „8. Mai zum Feiertag machen! Was 75 Jahre nach Befreiung vom Faschismus getan werden muss!“ in einem knappen Monat 85.000 Unterstützer*innen gewonnen hat und Politiker*innen aus allen demokratischen Parteien die Forderung unterstützen. Nun erwarten wir die schnellstmögliche Umsetzung unserer Forderung, damit ab 2021 der 8. Mai ein bundesweiter Feiertag ist, der Impulse für eine Zukunft setzt, in der die Würde des Menschen im Mittelpunkt gesellschaftlichen Handelns steht.

Wenn Alexander Gauland die zivilisatorische Bedeutung des 8. Mai verleugnet und über verlorenen Lebensraum im Osten räsoniert, zeigt er, wofür die AfD steht: für das Deutschland vor 1945. Damit schließt er an die Jahrzehnte nach 1945 an, als alte Nazis in Politik, Justiz, Schule und Wirtschaft, bei der Gründung von Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr zahlreich und einflussreich vertreten waren.“ erklärt Florian Gutsche, Bundessprecher der VVN-BdA

Gegenüber der erstarkenden Rechten, die sich „das Land und die Geschichte zurückholen“ will, wäre es  ein starkes demokratisches, antifaschistisches Signal, den 8. Mai endlich zu einem bundesweiten Feiertag zu machen.

Deshalb wird die VVN-BdA zusammen mit change.org die ersten 85.000 Unterschriften an Vertreter*innen von SPD, Grünen und LINKEN übergeben.

Datum: 7.5.2020 um 16:15 Uhr
Ort: Platz der Republik (Wiese vor dem Reichstag)

anwesend sein werden:
Hans Coppi (Sohn von Widerstandskämpfern, Überlebender und Ehrenvorsitzender der Berliner VVN-BdA)
Florian Gutsche (Bundessprecher VVN-BdA)
Markus Tervooren (Geschäftsführer Berliner VVN-BdA)

Annika Heintze (change.org)

Petra Pau (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages)
Cansel Kiziltepe (MdB)
Canan Bayram (MdB)

Offener Brief an die Bayerische Staatsregierung

geschrieben von Cornelia Kerth, Axel Holz

5. Mai 2020

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Offener Brief an

Frau Ilse Aigner, Präsidentin des Bayerischen Landtags

Dr. Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident

Peter Küspert, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

Karl Freller, Direktor Stiftung Bayerische Gedenkstätten,

Betreff: „Nie wieder“ – Worte des Gedenkens anlässlich 75 Jahre Befreiung der bayerischen Konzentrationslagers

Wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), haben Ihre Worte des Bedauerns über die Absage der geplanten Feierlichkeiten anlässlich der Befreiung der Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen. Wir versichern Ihnen, auch unsere Herzen sind schwer.

Ihr Text geht unter der Losung „Nie wieder“ von der gemeinsamen Grundüberzeugung aller antifaschistischen und demokratischen Kräfte der Gesellschaft aus, dass es nicht ausreicht, allein der Opfer und Verfolgten zu gedenken. Die Erinnerung muss verbunden sein mit einem aktiven Einsatz gegen alle Bedrohungen der Demokratie und Freiheitsrechte, wie sie in der NS-Herrschaft in schlimmster Form praktiziert wurden.
Seit ihrer Gründung 1947 setzt sich die VVN gegen die noch immer weit verbreiteten Denkmuster der Nazi-Ideologie: Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Sexismus, Homophobie und andere Formen von Diskriminierung ein. Viele Jahrzehnte sind Überlebende der Konzentrationslager, Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung aus unserer Organisation an Schulen gegangen, haben mit Jugendlichen geredet und in der Öffentlichkeit immer wieder dafür gestritten, dass die Erinnerung an die Verbrechen der deutschen Faschisten nicht verblassen. Unsere Mitglieder, unter ihnen Ernst Grube, sind dafür mit hohen gesellschaftlichen Auszeichnungen geehrt worden.
Seit ihrer Gründung ist unsere Vereinigung für die Entschädigung der Opfer, die Bestrafung der Täter, das Verbot aller Nazi-Organisationen und die Ächtung ihrer Ideologie eingetreten. Leider sind alle diese Ziele noch immer nicht erfüllte Aufgaben, die für Antifaschist*innen jeder Herkunft selbstverständlich sein sollten.

Statt jedoch das Engagement unserer Organisation und ihrer Mitglieder aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung angemessen zu würdigen, wird unsere bayerische Landesvereinigung nach wie vor vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet und in dessen jährlichen Berichten als „linksextremistisch beeinflusst“ aufgeführt. Wichtige antifaschistische Arbeit gegen Hetze, Diskriminierung und Geschichtsrevisionismus wird damit diskreditiert. Auf Grundlage dieser Berichte wurde der VVN-BdA in Bayern und nun auch der Bundesvereinigung die Anerkennung als „gemeinnützig“ versagt. Bewerber*innen für den Staatsdienst wird die Mitgliedschaft in unserer Vereinigung zum Nachteil ausgelegt, Einbürgerungen werden in Frage gestellt.

Deshalb fordern wir: Schluss mit der Beobachtung der VVN-BdA durch den Verfassungsschutz, Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben! Setzen Sie ein Zeichen und führen Sie den 8. Mai als arbeitsfreien Feiertag in Bayern ein, damit dieser Tag künftig nicht nur der historischen Erinnerung, sondern auch der aktiven Verteidigung der Demokratie gewidmet ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Holz

Cornelia Kerth

Petition „8. Mai zum Feiertag machen!“ erreicht über 50.000 Unterschriften – Kampagne geht in die nächste Phase

geschrieben von Florian Gutsche

20. April 2020

Die Petition „8. Mai zum Feiertag machen! Was 75 Jahre nach Befreiung vom Faschismus getan werden muss!“ (www.change.org/8mai) initiiert durch die VVN-BdA und Esther Bejarano hat in weniger als 2 Wochen über 50.000 Unterschriften gesammelt. Dieser Forderung haben sich weitere Überlebende angeschlossen. Zu ihnen gehört auch Peggy .Parnass. Sie hofft mit Blick auf die Forderung den 8. Mai zu einem Feiertag zu machen:

„Dann akzeptiert vielleicht auch der letzte Deutsche, dass der 8. Mai 1945 nicht der Tag einer Niederlage ist, sondern der Tag eines großen Gewinns.“

Dieser Gewinn soll dieser Tage überall in Deutschland deutlich werden. Auf Grund der augenblicklichen Regelungen bezüglich der Corona Pandemie ruft die VVN-BdA zu einem dezentralen Gedenken auf. Ab dem 21. April bis zum 8. Mai soll an Orten, die an die Opfer des Faschismus und Widerstandskämpfer*innen erinnern, Schilder und Plakate den Befreiern danken. Auch an Orten, die an Etappen der Befreiung erinnern, und auch im allgemeinen Stadtbild (z.B. an Straßenschildern) wollen wir rote Nelken oder bunte Blumensträuße niederlegen. Diese Aktionen werden mit allen Menschen über die sozialen Medien geteilt werden.

Wir wollen damit zeigen wie vielen Menschen der 8. Mai als bundesweiter Feiertag wichtig ist und fordern die Bundesregierung und alle Landesregierungen auf die dafür erforderlichen Schritte einzuleiten.

Die zentrale Rolle des 8. Mai als Feiertag wird momentan in Berlin deutlich. Die auf Grund der Corona Pandemie besonders geforderten Arbeiter*innen aus Supermärkten, Krankenhäusern, Müllabfuhr und anderen grundlegenden Berufen werden in Berlin durch die geltenden Kontaktbeschränkungen dieses Jahr eines richtigen Feiertages beraubt. Allein, um ihnen die Anerkennung zukommen zu lassen die sie verdienen muss der 8. Mai ab dem nächsten Jahr ein Feiertag sein – und nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland!

Wir fordern mehr Zeit für Antifaschismus – Den 8. Mai endlich zum Feiertag machen!

Verschiebung Bundeskongress

geschrieben von Axel Holz, Cornelia Kerth

15. April 2020

Schweren Herzens müssen wir aufgrund der Corona-Pandemie unseren für den 23. und 24. Mai in Frankfurt/Main geplanten Bundeskongress und die geplante antifaschistische Revue auf 2021 verschieben.

Es ist derzeit nicht abzusehen, wie lange die Regelungen zu den Kontaktbeschränkungen noch gelten. Man muss aber davon ausgehen, dass es ein „Stufenprogramm“ geben wird, sowohl was die Größenordnung von Veranstaltungen betrifft als auch hinsichtlich der Personengruppen
entsprechend ihrer statistischen Gefährdungsprognose. Da wir mit bis zu 300 Delegierten und Gästen unseres Kongresses rechnen und allen auch die Gelegenheit zur Teilnahme geben wollen, wird es sich um eine große Veranstaltung auf engem Raum handeln.

Ein erheblicher Teil unserer Delegierten gehört aufgrund von Alter und/oder gesundheitlichen Belastungen zu den definierten Risikogruppen, für die Beschränkungen noch über einen längeren Zeitraum zu erwarten sind. Auf jeden Fall ist es auch in unserem eigenen Interesse, diese
Kameradinnen und Kameraden keinem Risiko auszusetzen.

Eine Veranstaltung dieser Größenordnung hat einigen Vorlauf. Dies betrifft die satzungsgemäße Wahl der Delegierten und Zusendung der Unterlagen, die Einladung von Künstlern und Gästen und die technische Organisation. Deshalb ist es nicht möglich, die Veranstaltung bei eventueller Entspannung der Situation kurzfristig nachzuholen, was auf einen noch zu findenden Termin in 2021 hinausläuft.

 

Vor 75 Jahren: Ein symbolisches Ereignis – die Selbstbefreiung des KZ Buchenwalds

geschrieben von Ulrich Schneider

10. April 2020

Die FIR erinnert in diesen Tagen an die Selbstbefreiung des KZ Buchenwalds durch den Häftlingswiderstand am 11. April 1945. Dieses Ereignis ist symbolisch für den Erfolg des gemeinsamen antifaschistischen Handelns.

Bereits im Jahre 1943 beauftragte das illegale Internationale Lagerkomitee (ILK) der Häftlinge im KZ Buchenwald, in dem belgische, deutsche, französische, italienische, polnische, sowjetische und tschechische Antifaschisten zusammenarbeiteten, politisch zuverlässige Häftlinge zum Selbstschutz eine Militärorganisation aufzubauen. Unter Leitung des deutschen Kommunisten Otto Roth wurden insbesondere deutsche, französische und sowjetische Häftlinge hierfür ausgebildet.
Über Monate hinweg wurden Waffen und Munition aus den Beständen der SS organisiert und an sicheren Plätzen deponiert. Aus der Karabiner-Produktion in den Gustloff-Werken wurden Waffenteile ins Lager geschmuggelt und dort zusammengesetzt. Die sowjetischen Häftlinge erstellten Brandflaschen sowie Hieb- und Stichwaffen aus ganz einfachen Materialien. Anfang 1945 gelang es sogar, bei der Räumung eines Evakuierungstransportes ein Maschinengewehr in das Lager zu schmuggeln. Aufgabe der Militärorganisation war der Schutz der Häftlinge vor einer Vernichtung des Lagers beim Vormarsch der Alliierten.

Der militärische Vormarsch der Roten Armee im Osten und der amerikanischen Truppen durch Hessen in Richtung Westthüringen Anfang April 1945 ließ die militärischen Planungen konkret werden. Am 2. April lehnte das ILK einen bewaffneten Aufstand noch ab, forderte aber, die Evakuierung durch Todesmärsche zu verzögern. Als am 6. April 1945 46 Häftlinge, die die SS zur illegalen Lagerleitung zählte, ans Tor gerufen wurden, zeigte sich der Widerstand: Das Lager versteckte die Gesuchten vor dem Zugriff der SS.
Als in der Nähe des Lagers Einheiten amerikanischer Panzerkräfte eintrafen, erteilte das ILK am 11. April 1945 um 14.30 Uhr den Befehl zum Aufstand. Die bewaffneten Kampfgruppen der Häftlinge erstürmten das Haupttor, schalteten den Strom im Stacheldrahtzaun ab, besetzten die Bewachungstürme und eroberten Waffen. Um 15.15 Uhr verkündete der Lagerälteste Hans Eiden: „Kameraden, wir sind frei!“
Mit dieser Aktion retteten sie über 20.000 Häftlinge vor der geplanten Vernichtung in den letzten Stunden des Lagers, darunter über 900 Kinder und Jugendliche, die schon zuvor unter dem besonderen Schutz des Lagerwiderstandes standen. Die bewaffneten Häftlinge nahmen etwa 220 SS-Angehörige und andere Nazis gefangen. Am 13. April 1945 übernahm ein Befehlshaber der III. US-Armee das befreite Lager.

Im Ergebnis dieser Selbstbefreiung traten die Häftlinge am 19. April 1945 selbstbewusst zu ihrem Freiheitappell an und formulierten in ihren jeweiligen Sprachen den „Schwur von Buchenwald“. Darin schworen sie: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“
Dieser Schwur ist das politische Vermächtnis von Antifaschisten in aller Welt bis heute.

Demokratisch durch die Pandemie!

geschrieben von Cornelia Kerth, Axel Holz

8. April 2020

Die Corona-Pandemie stellt die Welt plötzlich vor tödliche Gefahren. Das Virus interessiert sich dabei nicht für Politik. Politisch sind allerdings die Reaktionen der Regierungen und Parteien.

Zahlreiche Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten wurden innerhalb kurzer Zeit weltweit eingeführt. Diese Maßnahmen sind objektiv notwendig, um ein Massensterben zu verhindern. Gleichzeitig wird erkennbar, dass in dieser Krise in vielen Ländern bereits zuvor erkennbare autoritäre und restriktive Entwicklungstendenzen verstärkt und beschleunigt werden.

Innerhalb der EU gilt dies insbesondere für die Regierung Ungarns, die die parlamentarische Arbeit auf unbestimmte Zeit hat aussetzen lässt.

Auch in Deutschland gibt es von Seiten der Bundes- und Landesregierungen problematische Äußerungen, Erwägungen, Gesetzesvorhaben und teilweise auch Maßnahmen.

Begleitet werden diese Tendenzen ebenfalls in vielen Ländern durch extrem rechte, xenophobe, rassistische und insbesondere antisemitische Verschwörungstheorien, die sich auf Ursprung, Verbreitung und Folgen der Corona-Pandemie beziehen.

Zu dieser Situation fordert die VVN-BdA folgendes:

  • Begriffe wie „Ausgangssperre“, „Ausnahmezustand“ und „Krieg“ haben in der Krisenbewältigung nichts zu suchen. Sie machen unnötig Angst und suggerieren militärische Lösungen für medizinische und gesellschaftliche Probleme.

  • Alle Verordnungen und Maßnahmen müssen konkret begründet, zeitlich befristet, auch durch unabhängige Experten bewertet und ausgewertet werden und auf das notwendige Maß beschränkt sein. Dies gilt jeweils auch für zeitliche Verlängerungen.

  • Verordnungen und Maßnahmen müssen Gegenstand parlamentarischer Kontrolle sein.

  • Gesetzgeberische Prozesse, insbesondere die sich auf Krisenbewältigung beziehen, sind auf die Zeit nach der Pandemie zu verschieben. Gute Gesetze brauchen Zeit zur Reflexion.

  • Notwendige Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum sind mit Augenmaß durchzusetzen. Spaziergänger sind keine Verbrecher.

  • Politische Aktivitäten im öffentlichen Raum, die die notwendigen Einschränkungen beachten, müssen selbstverständlich möglich sein.

  • Besonders gefährdet sind Obdachlose und Geflüchtete. Sie bedürfen einer besonders guten Fürsorge, nicht martialischer Abschottung. Es müssen Maßnahmen für eine angemessene Unterbringung ergriffen werden, z. B. in Hotels.

  • Die gefährlichen Lager an der EU-Außengrenze und in Griechenland müssen aufgelöst und die Geflüchteten evakuiert und dezentral untergebracht und versorgt werden.

  • Deutschland muss endlich die Kinder und Jugendlichen, zu deren Aufnahme sich „Solidarische Städte“ bereiterklärt haben, aufnehmen.

  • Das Militär kann Transport- und Hilfsdienste leisten, aber nicht Ordnungsmacht im Inneren sein. Die Trennung von Polizei und Militär ist unabdingbar. Bundeswehrsanitätskräfte sind der zivilen Leitung zu unterstellen.

  • Die EU muss den Missbrauch der Pandemie zur Festschreibung strukturell antidemokratischer Ziele in ihren Mitgliedsstaaten unterbinden.

  • Verschwörungstheoretische Erklärungsmuster, auch wenn sie vorgeben „für das Volk“ zu sprechen, sind zurückzuweisen. Die Krise nutzen wollende faschistische Gruppen sind aufzulösen.

  • Nach Abschluss der Pandemie bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Auswertung: Welche Maßnahmen haben sich im Nachhinein als richtig erwiesen, auf welche könnte in einem ähnlichen Fall verzichtet werden?

 

Unterschriftensammlung „Den 8. Mai zum Feiertag machen!“ gestartet

8. April 2020

Unterschriftensammlung „Den 8. Mai zum Feiertag machen!“ gestartet

Esther Bejarano und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) starteten heute eine Unterschriftensammlung und eine Social Media Kampagne mit dem Ziel den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus zum Feiertag zu machen.

75 Jahre nach dem wichtigsten Tag des 20. Jahrhunderts ist es an der Zeit und auch bitter notwendig endlich konsequent Lehren aus den Verbrechen des NS-Regimes zu ziehen. Ein gesetzlicher Feiertag würde dies symbolisieren und könnte Ausgangspunkt für entsprechendes politisches Handeln sein.

Die Petition ist erreichbar unter change.org/8Mai

 

Die Petition im Wortlaut:

 

Den 8. Mai zum Feiertag machen!

Was 75 Jahre nach Befreiung vom Faschismus getan werden muss!

 

Ich überlebte als Mitglied des „Mädchenorchesters“ das deutsche Vernichtungslager Auschwitz und konnte vor 75 Jahren auf dem Todesmarsch der Häftlinge des KZ-Ravensbrück der SS entkommen. Ich bin Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der BRD e.V und Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Dies schrieb ich in einem offenen Brief am 26. Januar 2020 „an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen“.

Die militärische Zerschlagung des Faschismus durch die Alliierten, Partisan*innen und Widerstandskämpfer*innen als Befreiung zu begreifen, bedeutet die richtigen Schlüsse zu ziehen und auch so zu handeln. Es ist nicht hinnehmbar, dass 75 Jahre danach extreme Rechte in allen deutschen Parlamenten sitzen und in immer rascherer Folge Mord auf Mord folgt.

Die Lehren des 8. Mai umzusetzen, bedeutet für uns:

  • AfD, NPD und ihre Verbündeten aufzuhalten,
  • das Treiben gewalttätiger und mordender Neonazis zu unterbinden, ihre Netzwerke in Polizei, Bundeswehr aufzudecken und aufzulösen,
  • einzugreifen, wenn Jüdinnen und Juden, Muslime, Roma und Sinti und andere, die nicht in das Weltbild von Nazis passen, beleidigt und angegriffen werden,
  • Geflüchtete in Deutschland aufzunehmen,
  • die Logik des Militärischen zu durchbrechen und Waffenexporte zu verhindern und
  • die Diffamierung und Behinderung demokratischer und antifaschistischer Gruppen und Organisationen durch Geheimdienste und Finanzämter zu beenden.

Sonntagsreden, die Betroffenheit zeigen, reichen nicht. Es muss gestritten werden für die neue Welt des Friedens und der Freiheit, die die befreiten Häftlinge im Schwur von Buchenwald als Auftrag hinterlassen haben. Ein offizieller bundesweiter Feiertag wäre dafür die regelmäßige Verpflichtung. – Nicht nur, aber eben auch an jedem 8. Mai.

Deshalb: Achter Mai – arbeitsfrei! Zeit für Antifaschismus!

Esther Bejarano und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)“

 

#TagderBefreiung #8Mai #achterMai #Feiertag #vvnbda

 

Der „Flügel“ heißt jetzt AfD

geschrieben von Thomas Willms

30. März 2020

Im Schatten der Corona-Krise gibt es nur noch wenig andere Nachrichtenthemen. Eines davon ist in den letzten Wochen „Repression gegen Rechts“. Beim Prozeß gegen die Gruppe „Revolution Chemnitz“ wurden Gefängnisstrafen verhängt. Die Reichsbürger-Gruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ wurde verboten. Und als drittes erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz den „Flügel“ in der AfD am 12.3. zu einem „rechtsextremen“ Beobachtungsfall. Die Behörde hat damit nach jahrelangem Zögern auch erkannt was wir schon lange wissen. Dieser Vorgang verschärfte den innerparteilichen Machtkampf. Höcke und Kalbitz versuchten einerseits die Vorwürfe zu entkräften, ereiferten sich andererseits gegen ihre innerparteilichen Kritiker, die man, so Höcke, aus der Partei „ausschwitzen“ müsse. Meuthen wiederum forderte bis Ende April die Selbstauflösung des Flügels, einem Ansinnen dem der Bundesvorstand mit einer Gegenstimme folgte. Am folgenden Tag erklärte Höcke tatsächlich die Auflösung des Flügels, ohne dass es dazu eine Versammlung gegeben hätte. Höcke fand letztlich eine Interpretation für den Vorgang, mit dem er sich wieder Handlungsmacht zuspricht. Der Flügel habe seine Aufgabe erfüllt die AfD daran zu hindern im Mainstream zu versacken. „Nun brauchen wir einen Impuls, der über den Flügel hinauswirkt…“ wird er in Sezession zitiert.

Was bedeutet das alles?

Abgesehen vom offenen Antisemiten Wolfgang Gedeon, der parallel zu diesen Vorgängen aus der Partei ausgeschlossen wurde, hat kein Flügelaktivist seine Positionen verloren. Höcke und Kalbitz sind nach wie vor Fraktionsvorsitzende und ihre beiden Landesverbände stehen noch genauso da wie zuvor. Außer der formalen „Auflösung“ gab es von Meuthens Seite auch keinerlei Forderung nach Ausschluss, Funktionsverbot oder Änderung der Politik der Flügel-Leute. Flügel und AfD sind nunmehr ununterscheidbar geworden. Alles was ab jetzt von Höckes Seite kommt, kann nicht mehr auf das Konto einer „Fraktion“ geschoben werden. Die AfD ist in ihrer Gänze zu einer extrem rechten Partei geworden.

 

FIR ist bestürzt über neofaschistische Gewalttat in Deutschland

geschrieben von Ulrich Schneider

20. Februar 2020

Wieder einmal müssen wir ein neofaschistisches Massenverbrechen beklagen. In Hanau (Hessen) ermordete am Mittwochabend ein 43jähriger Mann mindestens neun Menschen in zwei Shisha-Bars in der Innenstadt. Weitere Personen wurden verletzt. Laut Polizei deute alles auf ein ausländerfeindliches Motiv hin. Der Mann habe seine extrem rechte Gesinnung wenige Tage zuvor in einem Bekenner-Video auf „You Tube“ deutlich gemacht, wo er sich in einer „persönlichen Botschaft an alle Amerikaner“ gewandt habe. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Täters fand die Polizei – laut Presseberichten – ein Bekennerschreiben, das von extrem rechten Ansichten geprägt ist. So behauptete er unter anderem, dass bestimmte Völker vernichtet werden müssten, deren Ausweisung aus Deutschland nicht mehr zu schaffen sei.

Das ist nach dem Anschlag von Halle/S. auf eine Synagoge, die mit dem Mord an einer Passantin und einem Besucher einer Dönerbude endete, die zweite Gewalttat mit neofaschistischen Hintergrund in Deutschland innerhalb von wenigen Monaten. Offenbar verstärkt sich ein politisches Klima des Hasses und der Gewaltbereitschaft, was durch politische Kräfte nicht nur in den Medien, sondern auf den Straßen durch die Aufmärsche der neofaschistischen PEGIDA oder in den politischen Kampagnen der „Alternative für Deutschland“ (AfD) massiv gefördert wird.
Wir warnen davor, jetzt wieder von einem „Einzeltäter“ zu sprechen, weil der Täter möglicherweise nicht Mitglied oder Aktivist einer neofaschistischen Organisation war. Das verdrängt, dass es die neofaschistischen Organisationen und Netzwerke sind, die den Boden für solche Formen individueller Gewalt bereiten.

Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten ist bestürzt über diese erneute Bluttat. Sie drückt den Angehörigen und Freunden der Opfer ihr Mitgefühl aus. Sie fordert aber gleichzeitig von den verantwortlichen Politikern und den Akteuren der Zivilgesellschaft sowie allen antifaschistischen Verbänden auch in diesem Fall ein deutliches Zeichen zu setzen, dass rassistische Gewalt keinen Platz in dieser Gesellschaft haben darf.

Einmal mehr bestätigt sich die Warnung von Esther Bejarano, Mitglied unseres Ehrenpräsidiums, die vor dem Hintergrund der zunehmenden neofaschistischen Gewalt dem bundesdeutschen Finanzminister Scholz wegen der Angriffe auf die VVN-BdA entgegengehalten hat: „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus!“

Die Mordtat von Hanau zeigt, wir brauchen ein antifaschistisches politisches Klima in diesem Land, so dass Rassisten keinen Nährboden für ihre Gewaltvorstellungen finden. Nur so sind solche Massenverbrechen wirksam zu verhindern.

Eine mehr als trübe Quelle – Über Hintergründe der Attacken auf die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA

geschrieben von Hans-E. Schmitt-Lermann

9. Februar 2020

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Nachdem das Finanzamt Berlin der VVN-BdA-Bundesorganisation den Entzug der steuerlichen Gemeinnützigkeit angekündigt hatte, wurde ich gebeten, eine Inhaltsanalyse zu regionalen Entscheidungen abzugeben, die in der Bundesrepublik allein stehen und auf die sich das Amt in Berlin alleine beruft. Hier meine Stellungnahme zur einzigen Entscheidungsgrundlage des Finanzamtes Berlin: Der regelmäßigen Nennung des Landesverbandes Bayern der VVN-BdA im Bayerischen Landesverfassungsschutzbericht, deren Bestätigung durch die 22. Kammer des  Verwaltungsgerichts München 2014 (M 22K 11.2221) nach einer Klage des betroffenen Verbandes und die Nichtzulassung der Berufung durch den 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes 2018 (10 ZB 15.795).

Ich hatte von 1972 an in der damaligen Bundesrepublik über einen längeren Zeitraum durch ihre VVN-Mitgliedschaft belastete Betroffene von „Berufsverboten“ anwaltlich erfolgreich mit politisch-historischen Argumenten vertreten. Im aktuellen Verfahren des Landesverbands Bayern der VVN war ich nicht mandatiert. Die folgende Einschätzung beruht auf der Einsicht in Urteile und sonstigen Prozessmaterialien und Rücksprache mit den Prozessanwälten. Sie befasst sich nicht mit den (vorhandenen) Verstößen gegen geltendes Verwaltungsverfahrens- und – Prozessrecht, sondern mit den entscheidungsbegründenden politischen Ideologemen und deren rechtslastiger Ausprägung.

„Verfassungsfeindlicher Antifaschismus“?

Die der VVN-BdA unterstellte Kernthese, dass alle nicht-marxistischen, auch parlamentarischen Systeme als potentiell faschistisch zu bekämpfen seien, leitet das bayerische Verfassungsschutzamt (und das ist ein Alleinstellungsmerkmal: kein anderes Verfassungsschutzamt in Bund und Ländern diskriminiert derzeit so die VVN), keineswegs schöpfend aus eigenen Ermittlungen, Unterlagen und Äußerungen der VVN ab, sondern es nutzt ausschließlich die in der Natur der historischen Sache liegende Tatsache, dass Kommunisten mit einem 30-Prozent-Anteil dort im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung überrepräsentiert seien. Und dass diese, keineswegs aber die zahlreichen anderen VVN-Mitglieder, ob parteilos oder bei SPD, Grünen, Linken und diversen anderen Strukturen organisiert, – dort eine derartige Überzeugung einbrächten.

Bereits der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale vom Juli 1935 hat die Linie vertreten, es bedürfe zur Abwehr des Faschismus einer linken Einheitsfront, der Aktionseinheit aller sozialistischen und demokratischen Parteien und der Unterstützung der Bildung von Regierungen dieser Einheitsfront. Dies wurde in der Folge auch in die Tat umgesetzt.

Zum Beispiel schildern alle ernstzunehmenden Werke über den spanischen Bürgerkrieg (auch der anschauliche Film von Ken Loach), dass die vom bayerischen Verfassungsschutz der VVN unterschobene Gegenposition  zwar  bei syndikalistischen, anarchistischen, POUM-Kräften und Trotzkisten teilweise vertreten wurden,  dass sie damals aber erbittert von Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlichen Demokraten bekämpft wurden. Diese kämpften sowohl in der legalen republikanischen Armee wie in den Internationalen Brigaden gegen den faschistischen Franco-Putsch.

Gerade der vom bayerischen Verfassungsschutz herangezogene Hauptanklagepunkt, die Dimitroff-Rede auf dem VII. EKKI-Kongress von 1935, präzisiert die vom Redner so genannte „winzig schmale Machtbasis des Faschismus“, als den „chauvinistischen, aggressivsten Flügel des Finanzkapitals“. Andere mehrheitliche Kräfte innerhalb des Kapitalismus stünden jedoch interessenmäßig und objektiv gewinnbar auf einer anderen (somit nicht faschistischen) Seite. Das blieb nicht Episode. So haben 1987 die SPD- wie SED-Führungsgremien in Punkt IV ihrer gemeinsamen Grundsatzerklärung „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ auch dem kapitalistischen Gesellschaftssystem ausdrücklich die „prinzipielle Friedensfähigkeit“ zugemessen und damit eine systembedingt „notwendige Folge“ von Krieg und Faschismus in Abrede gestellt. Ausgerechnet der VVN eine gegenteilige Position anzudichten, war und ist ebenso unschlüssig wie lächerlich.

Der VVN-BdA eine Überzeugung oder auch nur Tendenz zu unterstellen, sie bekämpfe die parlamentarische Demokratie und hielte den Faschismus für eine notwendige Folge aller nicht-marxistischen Systeme, in Sonderheit des Kapitalismus, der nur durch eine soziale Revolution besiegt, verhindert und wirksam bekämpft werden könne, geht an der Geschichte des Antifaschismus, am Statut, den Dokumenten, dem Auftreten der VVN-BdA, vor allem aber auch an den Einstellungen ihrer Mitglieder vorbei. Die VVN-BdA hat sich stets für die parlamentarische Demokratie eingesetzt. Es gibt nicht den leisesten substanziellen oder historischen Ansatz dafür, dass der Antifaschismus der VVN nicht die parlamentarische Demokratie in ihrem Eigenwert und ihrem prinzipiellen Gegensatz zur faschistischen Herrschaftsform verfochten hätte.

Schwerpunkt der VVN-BdA ist derzeit die von zahlreichen Parteien (SPD, Grüne/Bündnis 90, Die Linke und diverse andere) und zivilgesellschaftlichen Verbänden mitgetragene oder unterstützte Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“. Dabei wird ihr manchmal von „links“ der Vorwurf gemacht, sich damit gegen die „armen Teufel“, missgeleitete Opfer des Monopolkapitals, anstatt erstrangig gegen dieses selbst als interessengeleiteten Urheber von Massenverarmung und Demagogie zu wenden.

Auch bekannte VVN-kritische wissenschaftliche Untersuchungen von „links“, etwa unter dem Sammeltitel „antifa heißt Luftangriff“, 2014, von Susann Witt-Stahl und Michael Sommer (Hrsg.) machen der VVN diesen Vorwurf. Darüber hinaus: Die VVN-BdA verlasse sich ganz auf staatliche Kräfte zur Bekämpfung der Nazis und vergesse die notwendige sozioökonomische Revolution.

Dass die VVN eine solche Position ablehnt, bedeutet jedoch nicht, dass sie die „geschichtsrevisionistische“ Prämisse das Bayerischen Verfassungsschutzamtes teilt, die Darstellung eines spezifischen Zusammenhangs bestimmter Formen und Entwicklungen des Kapitalismus mit dem Faschismus sei verfassungsfeindlich und negiere die parlamentarische Demokratie. Denn auch hier handelt es sich um eine extreme, wissenschaftlich bestenfalls randständige Position.

Gehören Faschismus und Kapitalismus zusammen?

Es gibt keine sozialdemokratische Faschismusanalyse oder-theorie, die den Faschismus nicht ausdrücklich aus dem Kapitalismus herleitet. Selbst solche auf die Novemberrevolution spezialisierten sozialdemokratischen Historiker wie namentlich Eberhard Kolb, Reinhard Rürup, Peter von Oertzen und zuvor Helga Grebing, die das damalige Bündnis der SPD-Führung mit rechten Machteliten nicht verurteilen wollen und damit auf Kritik stoßen, sehen ausdrücklich das „Mitverschulden“ der SPD am Sieg des Nationalsozialismus darin, dass sie die „Gestaltungsmöglichkeiten der Weimarer Verfassung“ nicht zur Änderung der „sozialökonomischen Grundlagen“ genutzt haben.Schon diese, die „politische Mitte“ für sich beanspruchende, Darstellung bewegt sich mithin hart am staatlichen Ächtungsverdikt, das Verfassungsschutz und Verwaltungsgerichte in München hier beanspruchen. Die Rückführung des Faschismus auf eine spezifische Konstellation des Kapitalismus durch die Faschismusspezialisten Wolfgang Abendroth und Reinhard Kühnl hat Prof. Hans Buchheim (CDU und Zentralkomitee deutscher Katholiken) vor der CSU-Hanns-Seidel-Stiftung als „zu pauschal, aber wissenschaftlich keinesfalls einfach ablehnungswürdig“ anerkannt. Schon dies schließt die hoheitliche Ächtung einer Wissenschaftsrichtung aus, da ansonsten die beiden als „Verfassungsfeinde“ wohl niemals zu Ordinarien hätten berufen werden dürfen.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zählt in seinem Bestseller „Das Kapital. Ein Plädoyer für den Menschen“ (2008) Faschismus und Krieg zu den kapitalismusimmanenten Hauptgefahren, „die unsere Gesellschaft zu ruinieren drohen…und gute aktuelle Gründe liefern, Karl Marx nicht ad acta zu legen“.  Der Präsident der Deutschen Bischofskonferenz – ein Linksextremist?

In „Spiegel“-online vom 26. Januar 2017 schreibt Jakob Augstein: „…Es ist ein Beweis für ein trauriges Gesetz: In seiner Krise gebiert der Kapitalismus den Faschismus.“ Dieses in einem Artikel mit dem Titel „Selbstgerechter Protest. Die Vertrumpung der Welt“. Keiner der Juristen-Leserbriefe widersprach. Alle „verfassungsfeindlich“?

Die „Theoriepäpste“ der fünfziger und sechziger Jahre, Max Horkheimer und Theodor Adorno, wurden wegen ihres zentralen Diktums – „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“ – nie der Verfassungsfeindlichkeit bezichtigt und hatten damit enormen Einflusses auf Studenten, Intellektuelle und Gewerkschafter. Albert Einstein und Thomas Mann (vom Bruder Heinrich Mann ganz zu schweigen) maßen dem Kapitalismus wieder und wieder entscheidenden Schuldanteil am Faschismus zu. Und wenn die Konservative Hannah Arendt, bis heute immer wieder bemüht, gängige „Totalitarismus“-Theorien zu legitimieren, den Faschismus als „Bündnis von Kapital und Mob“ definierte, tat sie dasselbe.

Der erste, umfangreichste und bedeutendste faschismustheoretische „Klassiker“, „Behemoth“ (1941, USA), des emigrierten Sozialdemokraten Franz L. Neumann mit seiner selbstverständlichen Herleitung des Faschismus aus dem Kapitalismus, gilt in der angelsächsischen Wissenschaft immer noch als weitgehend verbindlich. Ebenfalls das Standardwerk des gemäßigten US-Konservativen George W. Hallgarten „Hitler, Reichswehr und Industrie“. Selbst der einzige angesehene US-Wissenschaftler, der den Systemzusammenhang leugnet, Henry Ashby Turner, zählt umso fleißiger „Großkapitalisten“ auf, die den Faschismus hochgebracht haben – gewissermaßen als Phänomen „persönlicher Schuld“.

Es ist ja nicht nur so, dass sich kapitalkritische Faschismustheorien auch auf weitblickende, um

die Demokratie besorgte Kapitalvertreter höchsten Niveaus wie Paul Krugmann, Josef Stiglitz u.a. berufen können. Die Dreistigkeit der Unterstellung, die VVN  halte den Faschismus für  eine „notwendige“ unausweichliche Folge „jedes“ parlamentarisch-demokratischen Kapitalismus, liegt ja vielmehr darin, dass gerade deutschen „Diensten“ nahestehende oder dienstbare  Autoren und Politiker selbst mehr oder minder klappspiegelbildlich eben  einen solchen fragwürdigen Zusammenhang unterstreichen – nur  mit dem Unterschied, dass sie diesen positiv  bewerten.

Die Gegenseite

Ernst Nolte und seine geschichtsrevisionistische Schule und konservative „Edelfedern“ wie Johannes Gross  bekannten sich zu diesem „natürlichen“, „notwendigen“ und vor allem auch „legitimen“  Weg   zur Rettung „unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung“ und Franz Josef Strauss kommentierte die faschistischen Massaker seines chilenischen Freundes Pinochet dahin, dass „die freiheitliche Ordnung eben periodisch einem Stahlbad unterzogen werden“ müsse.

Schon bei den Berufsverboten wurde in der Sickerschicht subalterner Prozesse, in denen kleine Lehramtsanwärter, Postschaffner und Friedhofsgärtner um ihre Existenz ringen mussten, die Historikerdebatte ab 1986, Ernst Nolte und der Veldensteiner Kreis, vorweggenommen: Der Faschismus und seine Kriege als legitime Notwehr gegen eine Revolution, die ihrerseits keine Notwehr der Völker gegen kriegerisches und kolonialistisches Gemetzel war, sondern als terroristische Utopie frustrierter Bohemiens vom Himmel geschneit sei. Da war Antifaschismus wegen der maßgeblichen Beteiligung prokommunistischer Ideen und Opfergruppen „prinzipiell verfassungsfeindlich“ – denn der Faschismus war unbestreitbar die konsequenteste Gegenbewegung gegen die „marxistische Gefahr“.

In Abkehr von der früheren Strategie, den 20. Juli und den Klerikalismus zum eigentlichen und einzig legitimen Widerstand zu erklären, erkennen der bayerische Verfassungsschutz und das Verwaltungsgericht München den Hauptanteil der Marxisten am Widerstand heute durchaus an und argumentieren umgekehrt: Gerade weil es wegen des Hauptanteils der Marxisten an Widerstand und Verfolgung, „in der Natur der (historischen) Sache“ liege, dass diese in der VVN überrepräsentiert waren und sind, ergäbe sich eben auch quasi-naturwüchsig, dass dort die linken Extremisten überrepräsentiert sind, worauf allein es ankomme. Ihr – wenn man so will – historisches Verdienst müsse ihnen halt heute zum Nachteil gereichen.

In den bayerischen „Berufsverbot“-Verfahren der 70er-Jahre wurden Kinder von Naziopfern, die im Spanienkrieg gekämpft hatten, genötigt, den Franco-Putsch gegen die „bolschewistische“ – gemeint war die verfassungsmäßig gewählte linksbürgerliche – Regierung als Befreiungstat zu loben. Zu dem Großtransparent der NS-Reichsparteitage: „Macht Deutschland vom Marxismus frei!“ sollten sie bekennen: „Insoweit hatten die Nazis ja recht!“

In diesen Rahmen gehören auch eine Festschrift des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem Hauptartikel von Eckart Jesse: „Vergangenheitsbewältigung – eine Deligitimierungsstrategie der Linken“. Oder, im Verlag des Verfassungsschutzes: „Antifaschismus als innen- und außenpolitisches Kampfmittel“ von Horst Helmut Knütter und anderen rechtsradikalen Autoren.

Und auch die Habilitationsschrift der Verfassungsschutzdirektorin Bettina Blank mit ihrem geschmackvoll an Montagshelden gemahnenden Titel: „Deutschland – einig Antifa?“, die selbst

die FAZ als eine „Blickverzerrung mit Rechtsdrall“ verrissen hat. Unter dem angemaßten Verdikt dieser Schmähschrift müsste deren ebenso umfängliches literarisches Gegenstück, Peter Weiss‘ Meisterwerk „Die Ästhetik des Widerstandes“, wohl als „staatsfeindlich“ durchfallen. In einem „Kulturstaat“?

„Meinungsfreiheit“ für den Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz ist keine „bedauerlicherweise in NSU-Verbrechen verwickelte Sicherheitsbehörde“, sondern von Anbeginn an eine als Behörde getarnte Anti-Antifa-Organisation. Mit erheblichen Schnittmengen mit Rechtsradikalen. Bis heute hat sich da wenig geändert. Zu Professoren hochgehievte Verfassungsschutz- und „Hanns-Seidel-Stiftung“-Autoren geben offenherzig zu erkennen, dass ihr eklatantes wissenschaftliches Defizit durch repressive „Sicherheitspolitik“ ausbalanciert werden soll.

Hier liegt auch ein eklatanter verwaltungsrechtlicher Grundfehler der bisherigen Verfahren: Es geht nicht an, dass in der bayerischen Verwaltungsrechtsprechung die radikalen Positionen des Verfassungsschutzes „Meinungsfreiheit wie jede andere Meinung“ genießen und damit den strengen Maßstäben eines belastenden Verwaltungsaktes entzogen sind – und dann gleichzeitig abgesegnet werden als „Präjudiz“, d.h. letztgültiges und existenzvernichtendes Verdikt im angeblich „unüberprüfbaren Ermessensspielraum“ einer angeblichen Fachbehörde für Verfassungsfeindliches, als welche sie gesetzwidrig das Bundesverfassungsgericht abgelöst hat.

Wenn dort der Kapitalismus schlicht in Demokratie umgetauft und jeder Bedingungszusammen-hang von Kapitalismus und Faschismus zur staatsfeindlichen Lüge erklärt wird, so würden sich dem 90 Prozent aller potentiellen Sachverständigen aus Gesellschaftswissenschaft, Historie und Demokratietheorie widersetzen, wie Wolfgang Wippermann, Wolfgang Benz, Norbert Frei und zahllose andere, wie die Leute vom Leibniz-Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschung in Potsdam,wie es ja zuletzt pikanterweise auch die richterlichen Verfasser des KPD-Verbots, Martin Drath und Konrad Zweigert, in ihren eigens dazu hinterlassenen Gutachten getan haben.

Nein: Die immer noch etablierte wissenschaftliche Mehrheitsmeinung, die eben nicht als randständige Schutzbehauptung toleranzheischender Opfer gedemütigt und bestraft werden darf, muss endlich sichtbar gegen den schleichenden Siegeszug nach wie vor anrüchiger repressiver Minderheitsmeinungen in Front gebracht werden. Gerade in den vordringenden Verfahren, in denen die VVN als Organisation und der von ihr vertretene Antifaschismus direkt betroffen sind. Und auch, nachdem der Münchner „Pilotprozess“ ruhmlos zu Ende gegangen ist, mit dem ihr in Bayern – und dann der Gesamtorganisation – die steuerliche Gemeinnützigkeit entzogen werden sollte, da sie „extremistisch beeinflusst“ sei.

Dem bayerischen Verfassungsschutz folgend, urteilte das Verwaltungsgericht München 2014, dass ihr auch ohne entsprechende Verbandsdokumente allein durch die Überrepräsentation von Linken ein marxistisches Faschismus-Verständnis zuzurechnen sei, das Faschismus und Kapitalismus in einen Bedingungszusammenhang bringt, womit die Verfassungsordnung bereits in Frage gestellt sei. Denn im Schwur der befreiten Häftlinge von Buchenwald soll ja der „Faschismus mit seinen Wurzeln“ beseitigt werden. Mit „Wurzeln“ sei in verfassungsfeindlicher Weise der Kapitalismus gemeint. Dass Bundeskanzler Gerhard Schröder den vom CDU-Mitbegründer Eugen Kogon mit verfassten Schwur zu den „Basisschriften unserer Demokratie“ zählte, nutzte da nichts.

Juristische und politische Alternativen

In diesem Geiste aber seien alle Demonstrationen gegen SS-Traditionstreffen, Neofaschimsus, Pegida etc., zu denen die VVN mit-aufgerufen habe, extremistisch, selbst wenn es keine Demonstrationsdelikte gab. Denn die Losung „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ richte sich gegen die Meinungsfreiheit in der Verfassung. Die bedauerliche Teilnahme des Bundestagspräsidenten Thierse an Blockaden und Kanzler Schröders Ermutigung zum „Aufstand der Anständigen“ sei dieser gefährlichen Sogwirkung des VVN-Antifaschismus geschuldet.

Die in ihr tonangebenden linken Antifaschisten behaupteten – so heißt es – nämlich zweierlei „Grundwidersprüche“: zwischen Kapital und Arbeit, 2. zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Das allein genüge, um darin den Marxismus-Leninismus zu erkennen, den das KPD-Verbotsurteil angeblich verboten habe.

Seit der Globalisierung, Entstaatlichung, Finanzmarktkrise, Bankendominanz, Deregulierung, Privatisierung werden wir von hochrangigen Werken überschwemmt, die den Kapitalismus auch als System in Frage stellen. Und zwar gerade wegen der Aushebelung der Demokratie. Auch von prominenten Kapital-Insidern, wie dem langjährige Chefökonomen der Weltbank und Nobelpreisträger, Joseph Stiglitz.

Dann wären also weit über die Hälfte westlicher Sozialwissenschaftler „Marxisten-Leninisten“. Im Übrigen haben gerade die beiden Verfasser des KPD-Verbotsurteils, Bundesverfassungsrichter Prof. Martin Drath und Konrad Zweigert, gegutachtet, dass ihr Urteil keineswegs die marxistisch-leninistische Lehre und jede Art von Kommunismus aus dem Verfassungsbogen entfernen wollte.

Wenn also vom bayerischen Verfassungsschutz und vom Münchner Verwaltungsgericht „Kapitalismus“ schlicht in „Demokratie“ umgetauft wird, erhebt dagegen die mehrheitliche Sozialwissenschafts- und Demokratietheorie die Anerkennung der Spannung zwischen diesen beiden geradezu zur Voraussetzung demokratischer Gesinnung.

Inzwischen handelt es sich aber nicht mehr um einen „Anti-Antifa-Vorstoß“ aus der „Ordnungszelle Bayern“, sondern um eine bundesweit koordinierte Crash-Offensive gegen den Antifaschismus. Dem VVN-Bundesvorstand wurde jetzt vom Familienministerium eine Inanspruchnahme des Freiwilligendienstgesetzes mit der lapidaren Begründung versagt, „nach Auskunft der Sicherheitsbehörden erkennt die VVN die rechtsstaatliche Ordnung nicht an“. Punkt!

Der Verfassungsschutz und dessen Autoren wie Eckard Jesse, Bettina Blank, Rudolf van Hüllen und andere geraten außer Rand und Band. Inzwischen aber sind die betroffenen Organisationen selbst immer öfter Prozessparteien, nicht kleine existenzbedrohte Individuen. Diese an sich traurige Konstellation birgt aber auch Chancen für einen Paradigmenwechsel: Da steht nicht mehr eine die Mehrheit autoritativ vertretende Fachbehörde für staatspolitisches Selbstverständnis gegen kleine toleranzheischende Außenseiter. Sondern umgekehrt: Die immer noch mehrheitlich bestehende Wissenschaftsmeinung gegen anrüchige, nicht selten in rechtsextreme Zusammenhänge – NSU hier nur als ein Stichwort – verstrickte Spitzel.

Verfassungsschutzämter und folgsame Gerichte meiden bisher mit Grund die Auseinandersetzung mit dieser etablierten Wissenschaft wie der Teufel das Weihwasser. Für den Selbstschutz der Antifaschisten aber schiene mir das ein geeigneter strategischer Einstieg.

In einem VVN- oder sonstigen Antifa-Verfahren sollten Politologen und Historiker wie Norbert Frei, Wolfgang Benz, Wolfgang Wippermann, Ulrich Herbert, Hajo Funke, Susanne Meinl, Stefanie Schüler-Springorum, Michael Wildt – gleich ob sozialliberal oder konservativ- und  vor allen Dingen immer noch der verehrungswürdige Nestor Jürgen Habermas- als Sachverständige zur öffentlichen Verhandlung geladen werden. Und dann sei das Beweisthema nicht die „Richtigkeit“ kapitalismuskritischer Faschismustheorien, sondern ganz wertungsfrei der Rang und Stellenwert wissenschaftlicher Auffassungen, die den Faschismus eben auch maßgeblich von Triebkräften, realen Machtstrukturen, Erscheinungsformen und Konstellationen der kapitalistischen Wirtschaftsform In der deutschen wie in der internationalen „Scientific Community“…

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