Bedrohung von Flüchtlingen in Wolgast

geschrieben von Cornelia Kerth

30. September 2012

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In den letzten beiden Wochen erreichten uns empörende Nachrichten über den Umgang mit Flüchtlingen im Landkreis Vorpommern-Greifswald: Die Sendung „Panorama“ berichtete über Unterbringung von Flüchtlingen in Wolgast-Nord, wo BewohnerInnen ihre neuen Nachbarn beschimpfen, beleidigen und bedrohen. In Greifswald hatten Student/innen dort untergebrachte Flüchtlinge beratend und begleitend unterstützt. Dieses ehrenamtliche Engagement wurde ihnen nun von der zuständigen Landrätin untersagt.

Offener Brief an den

Bürgermeister der Stadt Wolgast Herrn Stefan Weigler Burgstraße 6 17438 Wolgast

26.09.2012

Offener Brief die Bedrohung von Flüchtlingen in Wolgast Nord betreffend

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, wir alle konnten am 20. September einen Beitrag in „Panorama“ sehen, der uns das Blut in den Adern gefrieren ließ: 20 Jahre nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen wird in Wolgast Nord vor laufenden Kameras mit einem Angriff auf den Wohnblock gedroht, in dem bereits die ersten Familien von insgesamt 200 Flüchtlingen eingezogen sind. Über die Grünfläche im Innenhof erschallt aus Verstärkern Nazi-Musik mit Mordaufrufen.

Sie meinen, den Zuschauern zeigen zu müssen, dass die für die Flüchtlinge vorgesehenen Räume – eher an Zellen als an Wohnraum erinnernd – „mehr als spartanisch“ eingerichtet sind. Das beschämt uns, weil es unterstellt, es sei öffentlicher Auftrag, Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, auf keinen Fall freundlich zu empfangen. Zugleich schwenkt es auf das rassistische Ressentiment ein, das Anwohner/innen artikulieren – öffentlich, und sicher nicht weniger ohne Mikrophon. Auch das erinnert an die Situation vor (und nach) dem Pogrom in Lichtenhagen.

Angesprochen auf die unmittelbaren Drohungen und die daraus ersichtliche Gefahr für die Bewohner/innen des Blocks antwortet der Vertreter des Landkreises, dass den Flüchtlingen nichts zugemutet werde, was er nicht auch „deutschen Bürgern zumute“, die Bedrohung bewege sich „im Rahmen des Normalen“. Mit Verlaub: das scheint uns angesichts der realen Situation zynisch!

Auf der Website der Stadt können wir mittlerweile nachlesen, dass die Bürger/innen von Wolgast durch den Panorama-Beitrag „verunglimpft“ würden. Die Rede war aber nicht von „weiten Teilen der Bevölkerung“, sondern von den Nachbarn, denen die Flüchtlinge ausgesetzt sind. Sehr geehrter Herr Bürgermeister, wir erwarten, dass Sie dieser Situation ein Ende machen und dafür Sorge tragen, dass den Flüchtlingen eine sichere und menschenwürdige Unterkunft angeboten wird.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

Cornelia Kerth Vorsitzende

Landkreis Vorpommern-Greifswald Frau Dr. Barbara Syrbe Demminer Straße 71 -74 17389 Anklam

26.09.2012

Landkreis Vorpommern-Greifswald Frau Dr. Barbara Syrbe Demminer Straße 71 -74 17389 Anklam

Offener Brief Ihr Verbot der Beratung von Asylbewerbern durch Jura-StudentInnen betreffend

Sehr geehrte Frau Landrätin,

ist es wirklich wahr, dass Sie StudentInnen verbieten, weiterhin eine Beratungssprechstunde für Flüchtlinge anzubieten, weil diese dort über ihre Rechte informiert werden? Wir wollten es zunächst nicht glauben! Seit wann braucht man eine Erlaubnis um Menschen in Not zu helfen?

Seit fast 20 Jahren ist die VVN-BdA Trägerin der Hamburger Anlaufstelle für Flüchtlinge „Café Exil“, in der Flüchtlinge ehrenamtlich und solidarisch beraten, begleitet und unterstützt werden. Seit auch in Hamburg neu ankommende Asylsuchende in die schrecklichen Lager in Horst und am Hamburger Flughafen gesperrt werden – allein das grobe Missverhältnis zwischen verfügbaren Mitteln und Kosten des Transportes macht es schwer, das Lager zu verlassen – haben wir einen Beratungsbus angeschafft, um auch den Menschen dort die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie brauchen, um eine minimale Chance gegen die restriktive Asyl-Gesetzgebung und das mit seiner Umsetzung beauftragte Personal zu haben.

Wir haben niemanden um Erlaubnis gefragt! Alle, die sich an dieser Arbeit beteiligen, tun dies, weil es sich dabei um ein Gebot von Menschlichkeit und Solidarität handelt.

„Es ist das Recht eines jeden Menschen, Rechte zu haben und über sie auf geklärt zu werden,“ schrieb die Menschenrechtsbeauftragte der Nordkirche, Fanny Dethloff, als Kommentar zu einem Artikel über Ihr Verbot und verwies auf die in vielen Ländern üblichen „Refugee Law Clinics“ und die entsprechende Seite des UNHCR. Dem schließen wir uns an.

Sehr geehrte Frau Landrätin,

wir erwarten, dass Sie die minimale Hilfe, die „die Zivilgesellschaft“ Flüchtlingen anbietet, nicht weiter verbieten, sondern dass die jungen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, von Ihnen Unterstützung erwarten können.

Mit freundlichen Grüßen

Cornelia Kerth (Vorsitzende)

„Nur wer sich aufgibt, ist verloren“ – Ein Lied für einen unvergessenen Antifaschisten

4. September 2012

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Anläßlich des 100. Geburtstages ihres 2003 verstorbenen Ehrenvorsitzenden erinnerte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes am Wochenende an das Lebenswerk Alfred Haussers und bekräftigte ihr Bekenntnis zu seinem Vermächtnis: „Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg.“

Im Beisein von 150 Besucherinnen und Besuchern würdigte der DGB Landesvorsitzende, Nikolaus Landgraf, den Mut Alfred Haussers im Widerstand gegen den aufkommenden Faschismus und seinen aufrechten Gang während seiner Haft- und Leidenszeit. Eines seiner herausragenden Verdienste sei es, die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, auch der tiefsten Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung, wach gehalten zu haben: „Kaum einer hat so konsequent wie er sein Leben in den Dienst der Arbeiterbewegung und des Antifaschismus gestellt. Dafür gebührt ihm auch heute noch Dank und Respekt.“

Dr. Ulrich Schneider, Historiker und Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) zeichnete die Biographie Alfred Haussers nach. Dabei hob er neben den Verdiensten im Widerstand auch seinen unermüdlichen Einsatz für die Weitergabe der Erfahrungen aus Widerstand und Verfolgung an die junge Generation hervor. Er würdigte seine Arbeit für Wiedergutmachung und seinen schließlich erfolgreichen Einsatz für die Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ebenso, wie sein Eintreten gegen alte und neue Nazis sowie sein Engagement in der Friedensbewegung.

Cornelia Kehrt, Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, erinnerte an Alfred Haussers Bedeutung für Gründung und Entwicklung „seiner“ Organisation, die heute noch ebenso notwendig sei, wie er es selbst für die unmittelbare Nachkriegszeit eingeschätzt habe: „Mit der Gründung unserer Vereinigung verbanden wir die Hoffnung, dass jene im gemeinsamen Widerstand und erst recht in der Verfolgung gewachsenen Werte wie Toleranz und Solidarität durch uns in eine neue wirklich demokratische Gesellschaft eingebracht werden.“

Dieter Keller, erinnerte an Alfreds Haussers Wurzeln in der Arbeiterbewegung und als Mitglied der Kommunistischen Partei. Seine Überzeugung, dass eine bessere, gerechtere und solidarische Gesellschaft machbar sei, habe ihm die Kraft und den Optimismus verliehen, Widerstand zu leisten, seine Leidenszeit zu überstehen und trotz schlimmer privater Schicksalsschläge und politischer Rückschläge, lebenslang für seine antifaschistische Überzeugung einzustehen.

Alle Rednerinnen und Redner wiesen daraufhin, dass das Vermächtnis Alfred Hausser nicht im Blick auf die Vergangenheit bestehe, sondern darin, sich in der Gegenwart und für die Zukunft in seinem Sinne zu engagieren. Gerade in einer Zeit, in der zunehmende neofaschistische Aktivitäten bis hin zu den Terrormorden des sogenannten „NSU“ festzustellen seien, gelte es sich gemeinsam gegen solche Entwicklungen zu stemmen. Cornelia Kehrt wies auf den Skandal hin, dass die Organisation Alfred Haussers, die VVN-BdA, auch unter der neuen grün-roten baden-württembergischen Landesregierung im Verfassungsschutzbericht als „extremistisch beeinflußt“ verdächtigt und verächtlich gemacht werde.

Niko Landgraf forderte erneut das längst überfällige Verbot der NPD ein. Einig waren sich RednerInnen und Anwesende auch darin, dass es weiterhin gelte, sich Naziaufmärschen, wie dem bevorstehenden Aufmarsch in Göppingen am 6. Oktober gemeinsam entgegen zu stellen.

Silke Ortwein und Bernhard Löffler von der Musikgruppe „Die Marbacher“ hatten die Veranstaltung mit Liedern aus dem antifaschistischen Widerstand von ihrer neuen CD umrahmt und ein eigens für die Veranstaltung geschaffenes „Alfred-Hausser-Lied“ beigetragen. Zum Schluss sangen sie gemeinsam mit allen Gästen das Lied von den „Moorsoldaten“.

Überfall auf den Präsidenten der FIR

geschrieben von Exekutivausschuss der FIR

31. August 2012

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In der vergangenen Woche wurde Vilmos Hanti, der Präsident der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten und Präsident des ungarischen antifaschistischen Verbandes MEASZ, von einer Gruppe neofaschistischer Gewalttäter überfallen.

Im Anschluss an eine antifaschistische Demonstration und Kundgebung in Budapest, die gegen Antisemitismus und Neofaschismus gerichtet war, griff eine Gruppe von Jugendlichen Vilmos Hanti an und schlug ihn so, dass er in ein Krankenhaus gebracht werden musste.

Bereits während der antifaschistischen Kundgebung hatte diese Gruppe unter den Augen der Polizei mit Sprechchören versucht, die Redner zu stören und die Teilnehmenden einzuschüchtern. Als sich nach der Kundgebung die Polizei zurückzog, sahen die neofaschistischen Provokateure die Gelegenheit gekommen, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Schlägen die „Feinde des Magyarentums“, wie sie sie nennen, anzugreifen.

Damit ist eine neue Qualität faschistischer Gewalt in Ungarn erreicht. Die ersten Opfer gewalttätiger Übergriffe der extremen Rechten JOBBIK waren Angehörige der Roma-Minderheit. Nun werden Demokraten attackiert. Schon vor einigen Monaten hatten extrem rechte Medien eine Verleumdungskampagne gegen Vilmos Hanti gestartet, ohne dass irgendein Gericht dieser Hetze Einhalt geboten hätte. Nun wurde diese Hetze zur realen Gewalt.

Zeigen wir unsere Solidarität mit dem Präsidenten der FIR Vilmos Hanti. Schreibt Briefe an die ungarischen Botschaften, in denen ihr dagegen protestiert, dass in Ungarn die extreme Rechte in Wort und Tat gegen Minderheiten, gegen Demokraten und Antifaschisten wüten kann. Kein Land der Europäischen Gemeinschaft darf es zulassen, dass extrem rechter Terror gegen Minderheiten oder als „Feinde“ deklarierte Menschen ausgeübt wird.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Exekutivausschuss der FIR

20 Jahre nach dem Pogrom – Tausende gegen Rassismus und Neofaschismus

26. August 2012

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Die Veranstaltungen zum Gedenken an den 20. Jahrestag das rassistischen Pogroms in Rostock-Lichtenhagen waren ein großer Erfolg, der Mut macht, weiter gegen Rassismus in Deutschland zu kämpfen.

Bereits am Vormittag des 25. August fanden sich auf dem Rostocker Neuen Markt 2.000 TeilnehmerInnen zur Kundgebung „Das Problem heißt Rassismus“ ein. Vertreter antirassistischer Initiativen wiesen darauf hin, dass das Pogrom bis heute auch für eine unglaubliche Ignoranz politischer Verantwortungsträger gegenüber den Betroffenen steht. Ein in MV lebender Flüchtling berichtete wie sehr ihn die bestehende Asylgesetzgebung daran hindert, ein normales Leben zu führen, was wiederum bereits vorhandene Vorurteile verstärkt.

Unter großem Beifall konnten Cornelia Kerth und Heinrich Fink, Bundesvorsitzende der VVN-BdA, am Rathaus mit Billigung des Oberbürgermeisters eine Gedenktafel anbringen. Damit wurde den ursprünglichen Initiatoren der Tafel, den „Söhnen und Töchtern der deportierten Juden Frankreichs“ historische Gerechtigkeit getan, die beim Versuch des Anbringens im Oktober 1992 verhaftet worden waren. Ein Grußwort ihrer Sprecherin Beate Klarsfeld wurde verlesen. Darin griff sie die aggressive und angesichts der Untätigkeit gegenüber dem rassistischen Mob umso empörendere Behandlung Seitens der Polizei scharf an.

Von Lütten-Klein aus setzte sich am Nachmittag ein starker und bunter Demonstrationszug mit etwa 6.500 TeilnehmerInnen in Bewegung. Auf zahlreichen Transparenten wurden Rassismus und Nationalismus kritisiert und „Grenzenlose Solidarität“ gefordert. Mit vielen Redebeiträgen auf Zwischenkundgebungen erreichte die Demo das Sonnenblumenhaus. So erinnerte Mouctar Bah von der „Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh“ an den Feuertod des in Polizeigewahrsam in Dessau umgekommenen Flüchtlings.

Zur Demonstration hatten mehr als 100 Antifa-Gruppen, Flüchtlingsräte, migrantische Gruppen, GewerkschafterInnen, Jugendgruppen, Bands, linke Gruppen, dänische Antifaschisten und einzelne Parteivertreter aufgerufen. Am historischen Ort wurde u.a. das Stück „Asylmonologe“ aufgeführt, das sich in beeindruckender Authentizität mit der Lebenssituation von Asylbewerbern beschäftigt.

Es folgte abschließend ein Konzert unter dem Motto „Beweg dich für Bewegungsfreiheit“ mit 1.000 Zuhörenden und Tanzenden.

Am Sonntag, dem 26. August, trafen sich Flüchtlingsräte, Vertreter von Flüchtlingsinitiativen und Mitglieder der VVN-BdA zu einem World-Café und tauschten sich intensiv darüber aus, wie Solidarität praktisch werden kann.

Dass Bundespräsident Gauck am Sonntag auf einer offiziellen Veranstaltung nicht nur ausgerechnet eine „deutsche Eiche“ als Erinnerungsbaum an das rassistische Pogrom pflanzte und Kritiker im Publikum, die ihm „Heuchelei“ vorwarfen, mit Neonazis in einen Topf warf, verwundert nicht. Gauck hatte sich 1992 mit keinem Wort gegen das Pogrom geäußert.

Die VVN-BdA bedankt sich herzlich bei allen BündnispartnerInnen aus Rostock, Mecklenburg-Vorpommern und dem Bundesgebiet und natürlich bei allen ihren Mitgliedern, die den teilweise sehr weiten Weg auf sich genommen haben.

Das gebrannte Kind von Rostock-Lichtenhagen

21. August 2012

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Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e.V.) erklärt:Als Anmelderin und MitorganisatorInnen der bundesweiten Demonstration am 25. August 2012 im Gedenken an das Pogrom in Rostock -Lichtenhagen vor 20 Jahren sind wir entsetzt über die Geschichtsvergessenheit des mecklenburgischen Innenministers Caffier.

Er befürchtet „linksextremistische Ausschreitungen“ am kommenden Wochenende und gibt sich wehrhaft. „Es wird nicht passieren, dass wir zu wenige Einsatzkräfte haben. Da bin ich ein gebranntes Kind“ oder etwa zu heiß gebadet?

Ausgerechnet im Vorfeld der Gedenkdemonstration unter dem Motto „20 Jahre nach den Pogromen – Grenzenlose Solidarität“ stellt Caffier, in dessen Bundesland die geistigen Brandstifter der NPD sogar im Parlament sitzen, die Tatsachen auf den Kopf. Nicht gegenüber der antifaschistischen Solidaritätsdemonstration am 29. August 1992 hat die Polizei versagt, sondern gegenüber den Pogromisten und Mordbrennern von Lichtenhagen eine Woche zuvor. Die wenigen mutigen AntifaschistInnen, die am 23. August 1992 versuchten, sich dem rassistischen Mob in den Weg zu stellen, wurden verhaftet. Der Mob tobte unter den Augen der Polizei weiter. Am Montag dem 24. August 1992 konnte der Mob Vollzug melden: Lichtenhagen war „ausländerfrei“.

Diejenigen, die ihre Solidarität mit den gewaltsam vertriebenen Flüchtlingen und ehemaligen vietnamesischen VertragsarbeiterInnen demonstrieren wollten, traf nur einige Tage später die geballte Staatsgewalt. Stundenlang wurden Busse mit AntifaschistInnen aufgehalten und durchsucht, Polizeihubschrauber hielten Autokonvois an, abertausende Polizisten waren im Einsatz.

Sind das die Bilder die Caffier wiederholen will? Neonazis, Rassisten und diejenigen, die sich schon damals als die eigentlichen Opfer sahen, diejenigen Bürger deren Sorge mehr dem Ansehen von Lichtenhagen, Rostock und Deutschlands galten, als den gehetzten und gequälten Immigranten von Lichtenhagen, werden sich ins Fäustchen lachen.

Die VVN-BdA wurde 1947 von Menschen gegründet, die Rassismus, Verfolgung und Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren hatten, aber auch Unterstützung und Solidarität. Für viele von uns hat das Pogrom von Lichtenhagen schlimmste Erinnerungen wachgerufen.

Am 25. August 2012 werden wir dem Pogrom von 1992 gedenken. Am Rostocker Rathaus wird um 11 Uhr eine Gedenktafel angebracht werden, die an die Ereignisse von 1992 erinnert. Bereits im Oktober 1992 hatte eine Gruppe französischer Juden und Roma dies vergeblich versucht.

Ab 14 Uhr startet eine antifaschistische Gedenkdemonstration am S-Bahnhof Lütten-Klein, die zum Sonnenblumenhaus führt. Zur Demonstration haben mehr als 100 Organisationen und Gruppen aufgerufen.

Grenzenlose Solidarität statt Rassismus!

20 Jahre nach dem Pogrom

14. August 2012

Ein großes antirassistisches Programm steht am Wochenende 25./26. August in Rostock bevor.

Es beginnt am Samstag um 11 Uhr auf dem Neuen Markt mit der Kundgebung „Das Problem heißt Rassismus“. Es werden Vertreter antirassistischer Initiativen sprechen. Eine große Rolle wird auch die berühmte Tafel spielen, die wenige Wochen nach dem Pogrom von der französischen Gruppe „Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs“ um Frau Beate Klarsfeld am Rostocker Rathaus aufgehängt wurde. Die Reaktion der Behörden bestand in der sofortigen Entfernung der Inschrift, der vorübergehenden Festnahme von 43 und längerfristigen Inhaftierung von 3 Beteiligten. Der Text der Tafel lautet:

„In Rostock und anderen deutsche Städten gingen Menschen im August 1992 mit rassistischen Gewalttaten und Brandstiftungen gegen unschuldige Familien, Kinder, Frauen und Männer vor. Wir erinnern an die Millionen Kinder, Frauen und Männer, die, weil als Juden, Sinti und Roma geboren, dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer fielen. In einer einzigen Nacht unvergeßlichen Grauens wurden am 2.8.1944 die 3000 noch lebenden Menschen im Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau durch Gas ermordet. Diese Erfahrungen und historischen Verpflichtungen für das deutsche Volk müssen wachgehalten werden, um zu verhindern, daß sich Gewalt und Menschenverachtung je wiederholen.“

Um 14.00 Uhr beginnt am S-Bahnhof Lütten-Klein die Demonstration „Grenzenlose Solidarität“. Mit Zwischenkundgebungen führt sie zum Sonnenblumenhaus. Wir erinnern daran, dass vor 20 Jahren eine Allianz aus staatlicher Ausländerfeindlichkeit, Medienhetze und Alltagsrassismus zuließ, dass Neonazis und Rassisten Flüchtlinge und Vertragsarbeiter tagelang angriffen.

Die Demonstration geht über in ein antirassistisches Konzert unter dem Motto „Beweg dich für Bewegungsfreiheit“ mit zahlreichen Bands, u.a. „Feine Sahne Fischfilet“.

Am Sonntag um 10.30 Uhr trifft man sich im „Peter-Weiss-Haus, Bad Doberaner Str. 21, zum World-Café mit dem Titel „Lichtenhagen, NSU und alle schauen zu…“ Nach kurzen Inputs werden wir schnell in eine gemeinsame solidarische Diskussion einsteigen. Ziel ist auch eine Vernetzung unserer antirassistischen Aktivitäten und der Austausch über die ganz verschiedenen Lebensrealitäten, die unser Engagement prägen und bestimmen. Wir wollen untersuchen, wie antirassistische Solidarität überhaupt gehen kann – und wo wir an unsere Grenzen stoßen. Es wird für Essen und Getränke gesorgt. Die Veranstaltung wird bis etwa 15 Uhr dauern.

Kommt alle, erzählt es euren Freunden und bringt Fahnen und Transparente mit!

Weitere Infos unter www.lichtenhagen.blogsport.de und www.lichtenhagen.net

Aufkleber zur Tafel von 1992 (1053 KB)

100 Jahre Alfred Hausser

geschrieben von Cornelia Kerth

12. August 2012

Am 27.08.1912 wurde Alfred Hausser geboren, er würde also in diesem Jahr 100 Jahre alt: Kommunist, Gewerkschafter und Antifaschist.

Von Jugend auf gehörte Alfred zu jenen, die schon vor 1933 die Gefahr erkannten, die von den Faschisten ausging und sich ihnen frühzeitig entgegenstellten.

Von seiner Verhaftung im Dezember 1934 bis zur Befreiung war er – meist in strenger Einzelhaft – eingekerkert, musste – bis 1943 in seiner Zelle – Zwangsarbeit für die Firma Bosch leisten.

Alfred gehörte zu den Gründern der VVN, widmete ihr zunächst als Hauptamtlicher, danach im Ehrenamt sein Leben. In Baden-Württemberg, in der Bundesrepublik Deutschland und im Rahmen der FIR wirkte er auf vielen politischen Feldern, besonders im Bereich der Sozialkommission. Unvergleichlich ist sein Engagement für die Entschädigung für die letzten Überlebenen der Zwangsarbeit.

Alfred übernahm im Januar 1990 die Verantwortung für die Erneuerung der VVN-BdA und stand zugleich für die Bewahrung unserer Tradition. Bis zum „Vereinigungskongress“ 2002 blieb er als Bundessprecher in der Verantwortung, dort wurde er zusammen mit Kurt Julius Goldstein zum Ehrenpräsidenten gewählt. Wir verdanken ihm unendlich viel.

Wir wollen an Alfred und sein Wirken erinnern und laden Euch ein, am 2. September in Stuttgart dabei zu sein.

Den Namenlosen eine Stimme geben

10. Juli 2012

Mit dem Verlesen der Namen von Opfern der „Deutschen Operation“ am 25. Juli 2012, 11 Uhr, auf dem Rosa-Luxemburg-Platz erinnern die Mitglieder des „Arbeitskreises zum Gedenken an die in der Sowjetunion verfolgten deutschen Antifaschisten“ an die bisher Namenlosen und geben ihnen eine Stimme.

75 Jahre ist es her, dass der sowjetische Geheimdienst (NKWD) auf Anordnung Stalins die sogenannte „Deutsche Operation“ einleitete. Damit begann zugleich der „Große Terror“, die Welle der Massenverhaftungen, Deportationen und Exekutionen von Juli 1937 bis November 1938. Die Opfer waren überwiegend einfache Bürger.

Von den 350.000 Menschen unterschiedlicher Nationalität, die 1937/38 während des Massenterrors erschossen wurden, sind bisher 800 Deutsche namentlich identifiziert. Weitere Hunderte kamen in Gulags oder wurden nach Nazideutschland ausgewiesen. Deutsche in der Sowjetunion als erste Zielgruppe – das waren Arbeitssuchende, angeworbene Spezialisten unterschiedlicher Berufe und Komintern-Mitarbeiter, die seit Anfang der 1930er Jahre ins Land gekommen waren. Ab 1933 kamen die vom Naziterror Verfolgten hinzu. Viele suchten mit Frauen und Kindern eine zeitweilige Heimat oder gründeten in der Sowjetunion Familien.

Nach 1989 begann die gezielte Suche nach den vergessenen Opfern, die bis heute andauert. Die biografischen Angaben zu den bisher ermittelten 8.000 Deutschen, die zwischen den 1930er und 1950er Jahren in der Sowjetunion willkürlich verfolgt, entrechtet, in Straflagern deportiert und ermordet wurden, sind noch unvollständig.

20120711_1_gedenken25juli2012web.pdf (193 KB)

Neonazis: nicht legal und nicht legitim!

geschrieben von Cornelia Kerth

3. Juni 2012

Die Mordserie der neofaschistischen Terrorgruppe, die sich “Nationalsozialistischer Untergrund“ nennt, belegt auf dramatische Weise: Neofaschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Trotz der ungeheuerlichen Dimension und Brutalität dieser Mordtaten sind sie kein Einzelfall. Wir erinnern an das Oktoberfest-Attentat, an die Brandanschläge, Pogrome und Mordtaten in den 90er Jahren u.a. in Solingen, Mölln, Lichtenhagen und Hoyerswerda. Eine Liste von Todesopfern rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 nennt die erschreckende Zahl von 183 Toten, zu der jetzt noch die Opfer des Terrornetzwerks addiert werden müssen.

Nachdem der deutsche Faschismus 55 Millionen Tote und eine Welt in Flammen zu verantworten hat, ist das Grundgesetz von 1949 ist in wesentlichen Bestimmungen als Gegenentwurf zum faschistischen Staats- und Gesellschaftsmodell entstanden. Dies wird vor allem im Artikel 139 deutlich, der beinhaltet, dass faschistische Organisationen – in welchem Gewand auch immer – aufzulösen sind.

Die Praxis sieht bekanntermaßen anders aus: Auch heute dürfen Nazis mit Menschen verachtenden und Menschen drohenden Parolen durch unsere Straßen marschieren. Mit ihnen darf ein „Abschiebär“ durch die Wohngebiete der Menschen laufen, die er in einem widerlichen Video auf youtube mit Pistolen bedroht. Und mit der NPD existiert eine legale Partei, die diese Menschenverachtung in die Parlamente trägt. Wie die Spinne im Netz sitzt sie im Zentrum eines Geflechts verschiedener neofaschistischer Strukturen.

Wesentliche Äußerungen der NPD widersprechen bereits dem ersten Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Programmatische Aussagen der NPD und ihrer Funktionäre machen dies ebenso deutlich wie 16.133 neofaschistische Straftaten und 768 Gewalttaten, die allein 2010 von Mitgliedern und Sympathisanten der NPD begangen wurden.

Wir sind entschieden der Meinung, dass die NPD verboten werden muss, – weil sie in der Tradition der NSDAP steht, – weil ihr Menschen- und Gesellschaftsbild mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, – weil sie faschistische Ideologie mit Gewalt verbindet und – weil ihre Legalität ihr den Anschein von Legitimität verleiht.

Die verbrecherischen Taten der deutschen Faschisten folgten ideologischen Vorgaben: – einer umfassenden Theorie der Ungleichheit, aus der sich für sie zwingend Ungleichwertigkeit ableitet und – dem Sozialdarwinismus, der in Verbindung mit dem völkischen Nationalismus alle Menschheitsverbrechen des deutschen Faschismus als Notwendigkeiten im „Kampf ums Dasein“ legitimiert.

In einer Argumentationshilfe für Kandidaten und Funktionsträger der NPD hört sich das so an:„Völker sind nun einmal Lebens- und Naturtatsachen. … Der „Mensch“ ist genauso eine Fiktion, ein Gedankengebilde und eine Illusion wie die „Menschheit“.“ Und: „Das Grundgesetz … ist ein Diktat der Westalliierten …, die Grundrechtsbestimmungen triefen vor Menschenrechtstümelei … .“

Die NPD ist heute das strategische und organisatorische Zentrum sowohl der Alt- als auch der Stiefelfaschisten. Auch die bisher bekannten Beteiligten der Terrorgruppe bewegten sich offensichtlich in diesem Umfeld und dort fanden Helferinnen und Helfer.

Die NPD schafft es, in einem „Kampf um die Straße“ nicht nur regelmäßig hunderte und bis 2011 alljährlich im Februar in Dresden tausende Anhänger für ihre Aufmärsche zu mobilisieren, sie schafft es auch, dass diese Aufmärsche gegen tausende empörte Antifaschistinnen und Antifaschisten staatlich geschützt werden – solange sie nicht verboten ist.

Wir haben es allerdings gemeinsam geschafft, dass sie in diesem Jahr nicht mehr nach Dresden gekommen sind! Gegen massive staatliche Repression haben Tausende Antifaschisten in den letzten Jahren verhindert, dass Nazi-Banden durch die Stadt marschieren konnten. Nun blieben sie weg. So soll es überall sein, auch in Hamburg müssen wir diesen und alle künftigen Aufmärsche stoppen – solange sie nicht verboten sind!

Die NPD schafft es, ihre menschen- und demokratiefeindliche Propaganda in einem „Kampf um die Köpfe“ massenhaft zu verbreiten, finanziert z. B. durch Wahlkampfkostenerstattung – solange sie nicht verboten ist.

Sie schafft es, Parlamente für ihre Hasstiraden zu nutzen und über parlamentarische Aufwandsentschädigungen und Kostenpauschalen für die Abschaffung des parlamentarischen Systems zu wirken – solange sie nicht verboten ist.

Und: solange sie nicht verboten ist, genügt allein schon diese Legalität, um ihr einen Anschein von Legitimität zu verleihen.

Wir wissen, dass nur eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Inhalten faschistischer Ideologie die erschreckend hohe Rate von Zustimmung zu faschistischen oder „rechtsextremistischen“ Positionen in der „Mitte der Gesellschaft“ reduzieren kann. Wir sind dabei.

Wir meinen aber auch, dass ein Damm gegen die organisierende Kraft gebaut werden muss, die diese Ideologie in praktische Politik im Parlament und Gewalt auf der Straße umsetzt und vielfältige braune Netzwerke ermöglicht und fördert, damit sie nicht weiter um sich greift.

Nach dem nun öffentlich gewordenen skandalösen – bis zur Strafvereitelung reichenden – Umgang des „Verfassungsschutzes“ mit der Nazi-Szene, nachdem mittlerweile jeder Journalist, der nur ein wenig recherchiert, darauf gestoßen ist, dass das „V-Leute“-System Geld, Informationen und offensichtlich auch logistische Unterstützung für die Nazi-Strukturen bereitstellt und ebenso offensichtlich keinerlei relevante Erkenntnisgewinne über diese Strukturen liefert, ist es höchste Zeit es zu beenden und den Weg für ein erfolgreiches Verbotsverfahren frei zu machen.

Solange aber Behörden und Gerichte Neofaschisten erlauben, ihren Hass und ihre Hasspropaganda dorthin zu tragen, wo Menschen leben, die von ihnen ausgegrenzt, angegriffen und – wie in annähernd 200 Fällen in den letzten 25 Jahren – ermordet werden, müssen wir es in unsere Hände nehmen, diese Aufmärsche zu stoppen. Solange sind Blockaden unser Recht. Denn: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Antifaschistische Demonstration durch Rostock-Lichtenhagen

24. Mai 2012

Antifaschistische Demonstration durch Rostock-LichtenhagenSamstag, 25.August 2012 14.00 S-Bahn Lütten KleinGrenzenlose Solidarität!

Vor 20 Jahren flackerten Bilder aus Deutschland um die Welt, die man für Vergangenheit hielt: Brennende Häuser, fliehende Menschen, ein gewalttätiger Mob, angeleitet von neofaschistischen Strippenziehern, Beifall klatschendes Publikum, verantwortungslose Verantwortliche. Eine Allianz aus staatlicher Ausländerfeindlichkeit, Medienhetze und Alltagsrassismus ließ zu, dass vietnamesische Vertragsarbeiter und Flüchtlinge, unter ihnen viele Roma, um ihr Leben fürchten mussten. Das brennende Sonnenblumenhaus wurde zu einem erschreckenden Symbol des wiedervereinigten Deutschland.

Nur Wochen nach dem Pogrom wurde in einem breiten Konsens im Bundestag das Grundrecht auf Asyl abgeschafft. Weder die NPD noch ihr Ableger „Hamburger Liste Ausländerstop“ wurden verboten, obwohl sie unmittelbar vor Beginn der Pogrome ihre Hetze nach Rostock getragen hatten. Neofaschistische Organisationen und Gruppen werden bis heute nicht entschieden bekämpft. Gleichzeitig werden antifaschistische Initiativen behindert und als „extremistisch“ diffamiert.

Heute hat das auf Menschen angewendete Nützlichkeitsdenken den politischen Diskurs weiter vergiftet. Ausgrenzung und Stigmatisierung von Migranten und Flüchtlingen sind weiterhin tief in der Mitte der Gesellschaft verankert. Die „Festung Europa“ und das Abschiebelagerlager Horst in Mecklenburg-Vorpommern stehen dafür.

Dagegen setzen wir damals wie heute Solidarität mit den Opfern institutionellen und alltäglichen Rassismus. Wir demonstrieren für das Menschenrecht auf Asyl, für Teilhabe aller Menschen am Wohlstand, für die sozialen und demokratischen Rechte Aller hier und überall.

Wir fordern: • Schluss mit Abschiebungen, Residenzpflicht und Arbeitsverbot! • Stoppt die Verfolgung von Roma in Osteuropa und überall! • Keine Toleranz für faschistische Ideologie und Gewalt! • Dresden, Rostock, Dortmund, alle Städte nazifrei! • Schluss mit der Kriminalisierung von Antifaschist_innen und Antirassist_innen!

Gegen Rassismus -für grenzenlose Solidarität!

www.lichtenhagen.blogsport.de

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