„Unsere Zeit“: Das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen

geschrieben von Gerd Deumlich

20. September 2021

Bericht von Gerd Deumlich über den Bundeskongress 2011 in der Zeitung „Unsere Zeit“

Unter diesem Motto fand am letzten Wochenende in der Humboldt-Universität zu Berlin der 4. Bundeskongress der VVN-BdA seit der Vereinigung der Verbände antifaschistischer Widerstandskämpfer zu einer gesamtdeutschen Organisation statt. Dieses Motto ist mehr als ein besinnlicher Gedanke – es ist ein kämpferischer Anspruch. Denn die Aufgabe muss nahezu ganz von den Nachfolgern derer gelöst werden, die noch aktiv am Widerstand gegen den Faschismus teilnahmen – und sie stoßen auf verhärtete Anstrengungen, den Antifaschismus zu delegitimieren.

„In unserer Organisation hat sich in den letzten Jahren ein Generationswechsel vollzogen“, besagt der Leitantrag des Kongresses. Zu den Nachgeborenen, die jetzt das Vermächtnis des Widerstandes zu erfüllen haben, konnten noch ein Moorsoldat und ein Auschwitzüberlebender sprechen, die Totenehrung würdigte auch schon Namen aus der Nachfolgegeneration, wie Jupp Angenfort. Dass der VVN neue Kräfte zugewachsen sind, besagt die Zahl, dass von den 142 Delegierten 48 zum ersten mal delegiert waren, viele sind in den letzten zehn Jahren beigetreten; durch die Gewinnung junger Menschen ist der Mitgliederrückgang aufgehalten worden. Die VVN-BdA hatte Ende letzten Jahres 6 786 Mitglieder. Junge Menschen zu gewinnen bleibt die Hauptsorge für die Sicherung antifaschistischen Wirkens.

Dieses zeichnete sich, wie der Kongress resümieren konnte, durch wichtige Erfolge aus: Durch die NO-NPD-Kampagne wurde die Forderung nach dem NPD Verbot ein gewichtiges Politikum – die Ausstellung über den Neofaschismus erzielt beträchtliche Resonanz – die VVN trug dazu bei, dass der NPD der Einzug in Landtage misslang – in mehreren Orten, wie Dresden u. a., wurde den Aufmärschen der Neonazis wirksam begegnet, wurde das Recht verteidigt, die Nazis zu blockieren.

Das Wirken der VVN-BdA fand die Anerkennung in Grußschreiben an den Kongress, so von einigen Gewerkschaften. Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, betonte die Bedeutung eines grundlegenden Bündnisses gegen die Neonazis und hob hervor, dass die VVN die erste Organisation war, die sich dafür einsetzte, die Verbrechen der Faschisten gegen die Sinti und Roma in eine Reihe mit dem Holocaust zu stellen. Die Vorsitzende der DKP, Bettina Jürgensen, selbst aktives Mitglied der VVN-BdA, fand starken Beifall für ihr Plädoyer, dass sich die antifaschistische Bewegung, wenn sie Erfolg haben wolle, nicht spalten lassen dürfe.

Die Verhandlungen des Kongresses widerspiegelten lebhaft, dass die VVN-BdA selbst eine breite Bündnisorganisation ist, in der Menschen mit verschiedenen Zugängen zum Antifaschismus und unterschiedlichen Meinungen zu aktuellen Problemen zusammenwirken. So ergab die Diskussion des Kongresses eindeutig, dass die VVN-BdA an konsequent antifaschistischen Positionen zu erkennen ist: durch die Fortsetzung des Kampfes für das NPD-Verbot, durch die Ablehnung jeglicher rassistischer und religiöser Ausgrenzung, der Abschiebung von Migranten, durch die Unterstützung der Positionen der Friedensbewegung gegen Kriegseinsätze und die sogenannte Bundeswehrreform, durch die Auseinandersetzung mit der „Extremismusklausel“, mit der staatlicherseits antifaschistische Aktivität eingeschränkt werden soll, durch das Zusammenwirken in der FIR gegen neofaschistische Tendenzen in anderen europäischen Ländern, um nur einige Beispiele zu nennen.

Unbedingt erwähnenswert ist der Vortrag des Historikers Kurt Pätzold, der anschaulich die geschichtliche Entwicklung der Faschismus-Analysen aufzeigte und dafür plädierte, dass unterschiedliche Auffassungen über die Definition des Faschismus nicht hindern sollten, die geschichtlichen Erfahrungen in dem heutigen Kampf zu beachten.

Es zeichnete den Kongress aus, dass er „heiße Eisen“ nicht ausließ. Schon am Vorabend war Prof. Moshe Zuckermann eingeladen, über „Zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus“ vorzutragen und zu diskutieren. In dem lebhaften Für und Wider blieb er bei dem Rat, dass es für Antifaschisten keinen vernünftigen Grund gibt, in die Falle zu laufen, dass Kritik an staatlichen Aktionen Israels per se Antisemitismus sei. Diese Position war dann auch in der Antragsdebatte des Kongresses maßgeblich dafür, dass der unbestimmte Begriff „Israel-bezogener Antisemitismus“ als kategoriales Kriterium nicht akzeptiert wurde, was eine weitere Diskussion des umstrittenen Problems nicht ausschließt.

Bleibt anzumerken, dass als Vorsitzende der VVN-BdA Prof. Heinrich Fink, Berlin, und Kornelia Kehrt, Hamburg, wiedergewählt, zwei Schatzmeister und sieben Bundessprecher durch Wahl bestimmt wurden.

Gerd Deumlich
Mit freundlicher Genehmigung von „Unsere Zeit“
Artikel: Das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen

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„Der Bremer Antifaschist“: Bundeskongress deutlich verjüngt

20. September 2021

Ein Bericht in „Der Bremer Antifaschist“ 05/2011, Zeitung der VVN-BdA Bremen

Am Vorabend des 4. Bundeskongresses seit Vereinigung der antifaschistischen Verbände 2002 fanden zwei wichtige Veranstaltungen statt.

Die FIR, der Dachverband der Widerstandsorganisationen Europas und Israels, legte zusammen mit dem belgischen Institut der Veteranen der Presse eine Karte der Lager und Haftstätten des deutschen Faschismus in Mitteleuropa vor. Dr. Ulrich Schneider verwies darauf, dass eine allererste Karte von deutschen Antifaschisten zu den Olympischen Spielen 1936 herausgegeben und in Zügen nach Deutschland ausgelegt wurde. Nach der Befreiung vom Faschismus erstellte der internationale Suchdienst des Roten Kreuzes 1949 auf Grundlage von Zeugnissen Überlebender einen Katalog der Lager und Haftstätten. Die aktuelle Karte beruht auf einer Datenbank und gibt 20.000 Orte wieder, darunter 4.000 Ghettos, 8.000 Stalags und Oflags der Kriegsgefangenen. Für 12,00 EUR ist sie bei der VVN-BdA käuflich zu erwerben.

Prof. Dr. Moshe Zuckermann kam eigens aus Tel Aviv, um am Vorabend des VVN-Bundeskongresses im gut gefüllten Senatssaal der Humboldt-Universität in Berlin zum Thema „Zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus“ zu referieren. Prof. Zuckermann deutete darauf hin, dass die aktuellen Entwicklungen in den arabischen Ländern, selbst die Demokratiebewegung in Ägypten, von der israelischen Gesellschaft, auch den Studenten, weitgehend ignoriert und als Unruhen gesehen würden. Premierminister Netanjahu befinde sich im Würgegriff seines Außenministers, die Arbeitspartei sei am Boden, der Zionismus faktisch in einer Sackgasse. Solange die Existenz eines Staates Palästina nicht akzeptiert werde, solange nicht die wesentliche Flüchtlingsfrage wenigstens symbolisch verhandelt werde, sei der Friedensprozess tot. Kritik an der Besatzungspolitik und Diskriminierung sei legitim, ein Boykott sei keine Lösung.

Der Bundeskongress am 02./03. April begann mit einem Orgelspiel aus dem 30jährigen Krieg. Prof. Dr. Heinrich Fink gedachte unserer 1.100 verstorbenen Mitglieder, darunter stellvertretend Fritz Bringmann, Jupp Angenfort, Hermann Gautier, Alma Müller, Maria Wachter, Kurt Hälker, Erwin Geschonnek. Begrüßung durch die Berliner VVN und die VVN-BdA Berlin. Romani Rose vom Zentralrat der Sinti und Roma erinnerte an die mehr als 137 Toten, die Faschisten seit 1990 auf dem Gewissen haben. Zu ihren Zielgruppen gehören auch Sinti und Roma. Ausweisung und Abschiebung von Roma heute bereiten dafür den Boden. Zum gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus riefen auch Kathrin Senger-Schäfer vom Parteivorstand der Linken und Bettina Jürgensen vom Parteivorstand der DKP auf.

Prof. Dr. Heinrich Fink würdigte die Erfahrungen seit der Vereinigung der antifaschistischen Verbände vor neun Jahren. Erfahrungen aus langen Jahren seien in die Arbeit der Vorstandsgremien Bundesausschuss und Bundessprecherkreis eingeflossen. Jedes 10. Mitglied ist in den letzten drei Jahren beigetreten, sicherlich auch ein Ergebnis der beiden NPD-Verbotskampagnen. Prof. Fink würdigte den Erfolg der Neofaschismus- Ausstellung, die erfolgreichen Blockade- Aktionen in Dresden mit 20.000 Teilnehmern, die Arbeit der Lagergemeinschaften und der Geschäftsstelle. Das wurde in den folgenden Beiträgen mit Streiflichtern auf die Landtagswahlen ergänzt und unterstrichen. Prof. Dr. Kurt Pätzold wies auf die drohende Entsorgung des Begriffs Antifaschismus hin. Geprägt von Mattheotti, Armendola, Gramsci, Zetkin und Ossietzky hatte der Begriff Faschismus eine weitergehende Bedeutung als seine deutsche Erscheinungsform Nationalsozialismus. Dr. Ulrich Schneider wies auf die Rechtsentwicklung in den ostmitteleuropäischen Ländern hin, Hans Coppi auf die Gefahr der Ausladung und Fernhaltung der Erben des Antifaschistischen Widerstands von der Gedenkstättenarbeit.

Dr. Axel Holz thematisierte staatliche Versuche, die Grauzone von Wegweisern und Tippgebern wie Sarrazin, Westerwelle oder Koch aus offiziellen Ausstellungen herauszuhalten, Cornelia Kerth die Wirkung dieser Grauzone in der Öffentlichkeit, auf Meinungsumfragen und Studien. Ulrich Sander griff die verstärkte Einflussnahme der Bundeswehr auf Bildung und Arbeitwelt auf, Dr. Peter Strutynski Sarkozys Friedensbombardements in Libyen.

142 Delegierte im Alter von 28 bis 85 Jahren beteiligten sich am Sonntag an der Bearbeitung und Verabschiedung der Anträge. Der Leitantrag „das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen“ wurde bei drei Enthaltungen angenommen. Einstimmig verabschiedet wurden die Anträge „Kein Werben fürs Sterben“ und „Schutz für Grabstätten der Sinti und Roma“, „Rettet das Leben von Mumia Abu Jamal“, mit großer Mehrheit die Anträge „die Hinterbliebenen der Opfer fordern ihr Recht“, „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“, „Antifaschistische Positionen statt Nazis in die Parlamente“. Anders als beim ausgesprochen konstruktiven Kongresssamstag kam es zum Schluss zu einer polemischen Debatte zum Thema Israelkritik und Antisemitismus. Zwei Drittel der Delegierten sprachen sich dafür aus, dass für unsere Mitgliedschaft das Verhältnis zu Israel „in erster Linie davon bestimmt (ist), dass dort eine große Zahl von Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen leben … Wer diese grundsätzliche Konsequenz nach der Shoa infrage stellt, kann für uns kein Bündnispartner sein.“ Ebenso wenig aber auch die, die „israelische Oppositionelle, die mit Sorge analysieren, welche katastrophalen Folgen die permanente Kriegssituation für die gesellschaftliche Entwicklung hat, zum Schweigen zu bringen.“

Mit großer Mehrheit wurden Prof. Dr. Heinrich Fink und Cornelia Kerth als Bundesvorsitzende wiedergewählt, Regina Elsner und Richard Heseler als Schatzmeister, Dr. Regina Girod, Ulrich Sander, Dr. Axel Holz, Dr. Ulrich Schneider, Jürgen Gechter, Paul Bauer und Heinz Siefritz in den Bundessprecherkreis. Der Bundesausschuss hat nun die Aufgabe, die verbliebenen Anträge zur Antifa-Gestaltung, Bildungsarbeit und Diskussionsforen zu befinden. (Raimund Gaebelein)

„Der Bremer Antifaschist“, 05/2011

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„Unser Blatt“: Dem Vermächtnis der Gründer verpflichtet

20. September 2021

Ein Artikel von Hans Coppi, erschienen in „Unser Blatt“ 47, Informationsblatt der Berliner VVN-BdA

Interessant und lebendig ging es auf unserem Bundeskongress Anfang April zu. Über 7.000 Mitglieder gehören der ältesten und zugleich größten antifaschistischen Organisation in der Bundesrepublik an.

Da sind die (leider immer weniger werdenden) Gründungsmitglieder, die Widerstand, Verfolgung und Exil überlebten und den antifaschistischen Neubeginn nach 1945 mitgestalteten. Zur Eröffnung sprachen der 98-jährige Erwin Schulz, Häftling im Zuchthaus Luckau und in den Moorlagern Papenburg und Esterwegen, sowie Adam König, Überlebender der Konzentrationslager Sachsenhausen und Auschwitz und Vertreter im Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Der Kongress bewies eindrücklich, dass die nächsten Generationen – Angehörige von Verfolgten des Naziregimes oder aus einem anderen familiären Hintergrund kommend – dem Vermächtnis der Gründergeneration verpflichtet, ihre Arbeit mit viel Engagement fortsetzt.

In der Auseinandersetzung mit Neofaschismus, Rechtspopulismus, Rassismus, Antisemitismus, mit der Militarisierung der Gesellschaft und im Einsatz für Frieden und Abrüstung zeigt sich die Aktualität des Schwures der befreiten Häftlinge von Buchenwald, für eine Welt des Friedens und der Freiheit einzutreten. So wie es in Dresden gelungen ist, den Aufmarsch der Neonazis zu verhindern, werden wir in breiten Bündnissen dafür sorgen [besser: alles dafür tun], dass neofaschistische und rechtspopulistische Parteien nicht wieder in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und in Berliner Bezirksparlamente kommen.

Menschenrechte, Zivilcourage und Widerstand im 21. Jahrhundert gründen sich auf das Wissen um die Ursachen, die zu Faschismus und Krieg führten, auf Kenntnisse von Widerstand und Verfolgung und auf das Wachhalten der Erinnerung an die Widerstandskämpfer und die Opfer des Naziregimes. Eine zentrale Aufgabe für unseren Verband bleibt, die vielfältige antifaschistische Erinnerungskultur zu bewahren, zu beleben und sie gleichzeitig zu erweitern. Darin verkörpern sich Kompetenz und Einzigartigkeit unserer Organisation.

Leider blieb auf dem Bundeskongress nicht genügend Zeit für die Diskussion vieler anstehender Fragen. Dafür benötigen wir, darauf orientiert der Antrag des Berliner Verbandes, bundesweite Diskussionsforen zu schaffen, so zum Gedenken ohne „Zeitzeugen“, zum Einfluss auf große und regionale Gedenkstätten, zu neuen Wegen antifaschistischer Gedenkkultur, zum Verhältnis der Organisation der Verfolgten des Naziregimes zu Israel, zur Verhinderung von Naziaufmärschen und anderen Fragen mehr.

Die vielfältigen Aufgaben in der Berliner VVN-BdA erfordern weiterhin aktive Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Seit 2008 konnten wir 142 neue Mitglieder begrüßen. Unser besonderer Dank gilt der bewährten aktiven und solidarischen Unterstützung vieler Mitglieder und Freunde, ohne die wir die umfangreiche Arbeit seit dem letzten Bundeskongress nicht hätten leisten können.

Hans Coppi, „Unser Blatt“ 47,
Informationsblatt der Berliner VVN-BdA

Leitantrag: „Das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen“

20. September 2021

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Der beim Bundeskongress 2011 beschlossene Leitantrag der VVN-BdA

Das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen
Neofaschisten bekämpfen
Demokratie stärken
Frieden durchsetzen

Mehr als 60 Jahre nach der Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes durch Überlebende des faschistischen Terrors ist unsere Organisation, die VVN-BdA, ein lebendiger, generationsübergreifender antifaschistischer Verband. Unser Wirken bleibt dem Schwur von Buchenwald verpflichtet: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Als Bündnisorganisation, deren Mitglieder selbst unterschiedliche politische und weltanschauliche Zugänge zum Antifaschismus einbringen, sehen wir  die Schaffung und den Erhalt  breiter antifaschistischer Bündnisse als unsere wichtigste Aufgabe an. Auch wenn bald keine Angehörigen der Gründergeneration mehr in unseren Reihen stehen  werden, bleibt die Weitergabe ihrer Erfahrungen, das Wachhalten der Erinnerung daran, dass antifaschistischer Widerstand möglich und notwendig war, unser spezifischer Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes. Wir werden die moralische und menschliche Autorität unser Gründerinnen und Gründer nicht ersetzen können. Doch wir können und wollen dazu beitragen, dass nachfolgenden Generationendie Wiederholung ihrer leidvollen Erfahrungen erspart bleibt.

Engagiert gegen Geschichtsrevisionismus

Aus dieser Herkunft ergibt sich das besondere Gewicht, das Fragen der Geschichtspolitik für unsere Arbeit besitzen. Gerade in diesem Politikfeld hat es in den letzten Jahren deutliche Veränderungen gegeben. Europaweit verzeichnen wir massive Angriffe auf den geschichtspolitischen Konsens der noch in den 90er Jahren im Europaparlament vorherrschte. Angestrebt wird heute ein neues europäisches Geschichtsbild auf der Grundlage der Totalitarismustheorie. Nicht die Erinnerung an den faschistischen Terror und den antifaschistischen Widerstand sollen das politische Selbstverständnis des neuen Europa prägen, sondern eine unheilvolle, die historischen Verbrechen des Faschismus relativierende Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus.

Dieses Konzept bestimmt auch die Geschichtspolitik der bundesdeutschen Regierungen. Nachdem die 90er Jahre vor allem von Bemühungen um die Abwicklung und Delegitimierung des Antifaschismus der DDR geprägt waren, womit zugleich Antifaschismus generell diskriminiert werden sollte, dominieren heute verschiedene Formen von Umdeutung, Verschweigen und Verfälschen der Geschichte. Dabei geht es sowohl um die Bewertung und Einordnung des deutschen Faschismus, seiner Träger und Gegner als auch um die Darstellung seiner historischen Ursachen und Folgen. Spezielle Bereiche wie die Gedenkstättenpolitik sind davon ebenso betroffen, wie die Alltagskultur, in der in großem Stil versucht wird, Täter zu Opfern umzustilisieren.

Wir anerkennen dankbar das jahrzehntelange Wirken unserer älteren Kameradinnen und Kameraden und wollen ihre Erfahrungen für das heutige politische Wirken nutzen. Alte und neue junge Mitglieder bemühen sich, zu den älteren Kameradinnen und Kameraden Kontakte zu pflegen, ihnen zu helfen, die Lasten des Alters erträglich zu machen und sie nach Möglichkeit am Leben unserer Organisation teilnehmen zu lassen.

Mit dem Ableben der letzten Häftlinge wird eine neue Situation in der Auseinandersetzung um die Gedenkpolitik in den KZ-Gedenkstätten entstehen. Die VVN-BdA, in der die meisten  Lagergemeinschaften und Lagerarbeitsgemeinschaften organisiert sind, ist legitime Vertreterin der Interessen und des politischen Erbes der ehemaligen Häftlinge. Der Anspruch unserer Mitgliedsverbände auf Mitsprache in den offiziellen Beiräten und Gremien der Gedenkstätten trifft dort jedoch auf deutlichen Widerstand. Ihn dennoch durchzusetzen wird eine unserer wichtigsten Aufgaben der kommenden Periode sein.

Für die Weitergabe historischer Erfahrungen durch Angehörige nachfolgender Generationen müssen wir heute neue Formen der Vermittlung finden. Den Erfahrungsaustausch dazu zu organisieren und gemeinsam neue Ideen und Konzepte zu entwickeln, wird ein weiterer Schwerpunkt unserer künftigen Geschichtsarbeit sein.

Weiter fortsetzen werden wir die systematische Aufklärung über jene Aspekte der Geschichte, die in der offiziellen Geschichtspolitik  verfälscht oder verschwiegen werden, zum Beispiel über die Profiteure von Faschismus und Krieg und jene Interessen, die faschistische Ideologie und Politik erst salonfähig machen.  

Verbunden mit den Antifaschistinnen und Antifaschisten Europas

In den letzten Jahren hat die Vernetzung antifaschistischer Kräfte in Europa deutlich zugenommen. Die VVN-BdA leistet dazu einen beachtlichen Beitrag. Mitglieder und Gremien unserer Vereinigung unterhalten vielfältige Kontakte zu befreundeten Organisationen und Initiativen in anderen Ländern, tauschen Informationen und Erfahrungen aus und arbeiten an gemeinsamen politischen Projekten.

Besonders wichtig ist unser Engagement in der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), deren Arbeit sich heute verstärkt  jüngeren Generationen zuwendet. Angesichts der zunehmenden Kooperation von Neonazistrukturen über Ländergrenzen hinweg und der insgesamt wachsenden Rechtsentwicklung in Europa, die sich z. B. in erschreckenden Ergebnissen für rechtspopulistische Parteien bei nationalen Parlamentswahlen, oder  im Wirken der Europäischen Volkspartei im Europaparlament zeigt, muss die internationale Zusammenarbeit von Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen weiter verstärkt werden.

In diesem Jahr werden vor allem zwei historische Daten unsere Arbeit auf diesem Gebiet prägen: Die Erinnerung an den faschistischen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 und das 75. Jubiläum der Gründung der internationalen Brigaden in Spanien, das im Oktober begangen wird. Neben den von der VVN-BdA geplanten zentralen Veranstaltungen und der Beteiligung an internationalen Treffen rufen wir alle Gliederungen unseres Verbandes auf, diese Daten zum Anlass für Aktionen und Begegnungen im ganzen Land zu nehmen. Im Rahmen der FIR arbeiten wir darüber hinaus an dem Projekt einer internationalen Ausstellung zum antifaschistischen Widerstand in Europa mit, die im November in Brüssel eröffnet wird. und unterstützen die für Mai 2012 geplante große internationale Jugendbegegnung in Auschwitz.

Die Entschädigung der Opfer des Faschismus bleibt weiter unser Auftrag- sowohl die der „vergessenen Opfer“ aus den Reihen der ehemaligen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, als auch der Nachkommen der Opfer von Massakern in besetzten Ländern.

Konsequent gegen Neonazis

Neben der Geschichtsarbeit ist der Kampf gegen neofaschistische Kräfte und ihr politisches Hinterland das zweite große Aktionsfeld der VVN-BdA. Mit unseren beiden nonpd-Kampagnen ist es uns gelungen, bundesweit Menschen für die Forderung nach einem NPD-Verbot zu mobilisieren. Die Kampagnen haben die Handlungsfähigkeit unserer Strukturen gestärkt und motivierend auf viele Nazigegner außerhalb unserer Reihen gewirkt. Solange die NPD eine legale Partei bleibt, werden wir uns auch weiter für ihr Verbot stark machen.

Die auf dem letzten Bundeskongress beschlossene Neufassung unserer Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ wurde 2010 fertig gestellt und tourt seitdem durch Deutschland. Sie hat bereits viele Diskussionen ausgelöst, nicht zuletzt, weil sie auch die Schnittmengen zwischen neofaschistischem Gedankengut und solchen Auffassungen thematisiert, die bis in die Mitte der Gesellschaft mehrheitsfähig sind. Wir halten es für dringend notwendig, einen gesellschaftlichen Diskurs über diese Fragen anzustoßen.

Auch die Ermutigung, die Neonazis immer wieder durch die Rechtssprechung deutscher Gerichte erfahren, muss öffentlich kritisiert werden. Wir wenden uns gegen die immer wieder erhobenen Behauptung, die Demokratie gebiete es, den Nazis die Straßen frei zu machen. An den  Erfolgen der Blockadebewegung gegen Naziaufmärsche waren Mitglieder der VVN-BdA in allen Bundesländern beteiligt. Wir bleiben dabei: Das Blockieren von Naziaufmärschen ist unser Recht!

In den anstehenden Wahlkämpfen der nächsten beiden Jahre ist mit einem massiven Auftreten von Neofaschisten zu rechnen. Die in der Bundesorganisation vorhandenen Erfahrungen, Strategien und Mittel gegen solche Wahlkampfauftritte werden wir in einer zentralen Arbeitsgruppe zusammenführen und in Form konkreter Unterstützungsmaßnahmen für antifaschistische Aktionen vor Ort nutzbar machen. Diese praktische Umsetzung unserer Losung „Keine Nazis in die Parlamente!“, mit der wir vor allem den Einzug (bzw. einen Wiedereinzug) der NPD in Landtage verhindern wollen, wird in der nächsten Zeit der Hauptschwerpunkt unserer Arbeit auf diesem Gebiet sein.

Im Bündnis für Frieden, Demokratie und Menschenrechte

Seit ihrer Gründung ist die VVN unverzichtbarer Teil der Friedensbewegung. Wir wenden uns gegen die Beteiligung Deutschlands an Kriegen und gegen die zunehmende Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens. An traditionellen Friedensaktionen wie den Ostermärschen nehmen wir ebenso teil, wie an neuen Formen antimilitaristischer Proteste. Der Antikriegstag am 1. September bleibt in vielen Orten der Tag, an dem unsere Mitglieder im Bündnis mit anderen Gruppen Veranstaltungen und Aktionen gegen Krieg und Militarismus organisieren.

Wir fordern: die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr und unterstützen den Apell „Den Krieg in Afghanistan beeden – zivil helfen“; wir fordern: Bundeswehr raus aus Schulen, ARGEN/Jobcenter und Hochschulen, AUfkündigung der zivil-militärischen Zusammenarbeit, Einstellung der militärischen Forschung, radikale Senkung der Rüstungsausgaben und Stopp der Rüstungsexporte. Es gibt nur eine sinnvolle Bundeswehrreform: Abrüstung.

Mit der Militarisierung der Außenpolitik ist ein Abbau der Demokratie im Innern verbunden, der unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung in den letzten Jahren vehement vorangetrieben wurde. Dem stellen wir uns entgegen. Wir verteidigen das Grundgesetz, das als Gegenentwurf zu dem besiegten Faschismus geschaffen wurde und beteiligen uns an den Aktionen der Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen ebenso wie an denen neuer Bündnisse und Gruppen, die sich  gegen den Abbau von Grundrechten formieren.

Mit großer Sorge beobachten wir den nach wie vor vorhandenen Antisemitismus und die Zunahme von Rassismus und Islamophobie in Deutschland. Diese Entwicklungen sind nicht spontan entstanden. Sie werden geschürt, um den von der Krise und dem rasanten Sozialabbau der letzten Jahre Betroffenen in klassischer Weise einen Sündenbock zu präsentieren. Zugleich werden Menschen, die durch die rigorose Umverteilung von unten nach oben in Armut gestürzt wurden, Zielscheiben sozialdarwinistischer Diffamierungskampagnen. All dies bereitet den Nährboden für die stärkere Verbreitung extrem menschenverachtender faschistischer Auffassungen. Der Rassismus ist heute zum Haupteinfallstor neofaschistischer Ideologie geworden. Dem müssen wir in unserer künftigen Arbeit mehr Gewicht zumessen. Neben dem Ausbau unserer bisherigen Zusammenarbeit mit antirassistischen Netzwerken, Flüchtlings- und Migrantenorganisationen stehen wir vor der Aufgabe, eigene Konzepte zur Auseinandersetzung mit Rassismus und Islamophobie zu entwickeln.

Beteiligt am politischen Diskurs

In unserer Organisation hat sich in den letzten Jahren ein Generationswechsel vollzogen, dem wir mit unserer Arbeit Rechnung tragen müssen. Mit dem Tod der Zeitzeugen, die den Faschismus noch aus eigenem Erleben kannten, verändert sich der Blick auf die Geschichte und die bestehende Gesellschaft, denn jede Generation stellt ihre eigenen Fragen an die Vergangenheit. Als generationsübergreifende Organisation haben wir die Chance, Erkenntnisse, Erfahrungen und Werte im Dialog der Generationen weiter zu geben und damit zugleich in die Gesellschaft hinein zu wirken. Diese Chance müssen wir stärker nutzen. Nach der erfolgreichen Aktion „Alle Gliederungen ans Netz!“ geht es jetzt darum, unsere eigenen Internetangebote weiter auszubauen und sie auch für inhaltliche Diskussionen zu nutzen. Voraussetzung dafür ist die Schaffung einer Internetredaktion.

Unsere Zeitschrift antifa  ist ein wichtiges Mittel der Kommunikation – sowohl nach außen, als auch nach innen. Ihre Auflage muss gesteigert werden. Nachdem die Zeitung jetzt auch im Osten zur Mitgliederzeitung geworden ist, geht es vorrangig um die Gewinnung neuer Abonnenten, die auf diesem Weg Positionen und Arbeitsweise der VVN-BdA kennen lernen können. Eine bundesweite Werbeaktion für die antifa sollte spätestens für 2012 geplant werden. Der bereits eingeleitete Prozess zur Optimierung  des Länderteils muss zielstrebig weiter geführt werden. 

VVN-BdA

Beschluss 2: Kein Werben fürs Morden und Sterben!

20. September 2021

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Die VVN-BdA beschließt auf dem Bundeskongress 2011 die Forderung: Bundeswehr raus aus Schulen und gesellschaftlichen Einrichtungen

Die VVN-BdA fordert die für Schulen und Bildung zuständigen Minister der Länder auf, die Vereinbarungsverträge mit der Bundeswehr zu annullieren und keine weitere Einflussnahme von Bundeswehrangehörigen an den Schulen mehr zuzulassen sowie jegliches Lehr- und Unterrichtsmaterial der Bundeswehr an den Schulen  zu unterbinden.

Da die Bundeswehr das Ziel verfolgt, die Akzeptanz für Militäreinsätze weltweit zu erhöhen und junge Menschen für das Kriegshandwerk zu gewinnen, unterstützt die VVN-BdA  Aktionen und Initiativen, die sich gegen die Einflussnahme der Bundeswehr auf Schulen, Universitäten, Arbeitsagenturen und andere gesellschaftliche Institutionen richten.


Beschluss 3: Bleiberecht für Sinti und Roma in Hamburg und in Deutschland

20. September 2021

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Die Bundesrepublik steht in historischer Schuld gegenüber den Sinti und Roma in Europa. Dieser gerecht zu werden, entspräche im akuten Fall die vorbehaltlose Sicherstellung einer Aufenthalts- und Lebensperspektive in Deutschland.

Während des Faschismus unterlagen Sinti und Roma in Deutschland und in den besetzten Staaten einer beispiellosen Verfolgung. Es begann mit Zwangssterilisation und der Internierung in Sammellagern und gipfelte in Deportation und Massenmord. Schätzungsweise 500.000 Roma und Sinti wurden durch Deutsche und mit ihnen verbündete Kollaborateure ermordet. In den Ländern des Balkans wurden sie zu Tausenden als Geiseln in Racheaktionen für tatsächliche oder unterstellte Aktivitäten der Partisanen erschossen.

Deutschland hat sich nach der Zerschlagung des Faschismus bereit erklärt, für die Schäden und die Leiden,  die es verursacht hat, einzustehen und Beistand für jene zu leisten, die weiterhin von ethnisch begründeter Verfolgung betroffen sind. So wurde es Anfang der 1990er Jahre Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion gestattet, als Kontingentflüchtlinge dauerhaft in die Bundesrepublik einzureisen. Dasselbe müsste im aktuellen Fall auch für die Roma aus den Balkanländern Anwendung finden.

Dies umso mehr als die Bundesrepublik Deutschland den Zerfall der Bundesrepublik Jugoslawien durch frühzeitige Anerkennung zunächst Sloweniens, später Kroatiens als  unabhängige Staaten und vor allem durch die Unterstützung zur Abspaltung des Kosovo mit Waffengewalt unterstützt hat. In allen neuen Teilstaaten kam es bekannter Maßen zu ethnisch bedingten Vertreibungen. Während alle anderen ehemals jugoslawischen Staatsbürger – mit Ausnahme der vielen „multiethnischen“ Familien – in einem anderen Staat auf freundliche Aufnahme hoffen konnten, gilt dies nicht für die Roma. Sie sind nirgendwo willkommen, werden überall diskriminiert, teilweise verfolgt.

Nicht nur im Kosovo, sondern auch in den anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen Republik Jugoslawien wie u.a. Serbien und Mazedonien werden Roma in erheblichem Maße diskriminiert. Roma leben ausgegrenzt und finden in seltenen Fällen Arbeit. Die Sozialleistungen sind so gering, dass viele von Ihnen Hunger leiden müssen. Kinder von Roma werden in Schulen oftmals wie Aussätzige behandelt. Viele der jetzt von Abschiebung bedrohten Menschen sind ernsthaft krank und werden dort, wo sie herkommen auch nach der Abschiebung keinen Zugang zur notwendigen Behandlung haben.

Statt Ausgrenzung und Abschiebung verdienen Sinti und Roma einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland, mit dem Ziel, sich als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft etablieren und für sich und ihre Kinder eine Lebensperspektive entwickeln zu können.

Wir fordern die Innenminister des Bundes und der Länder auf:

Gewähren Sie den Roma-Flüchtlingen jetzt einen sicheren Status!

Setzen Sie sich für ein Bleiberecht auf Bundesebene und in anderen europäischen Ländern ein!

Beschluss 4: Schutz für Grabstätten der Sinti und Roma

20. September 2021

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Angesichts der zunehmenden gegen Sinti & Roma gerichteten und teils völkerrechtswidrigen Handlungen in Europa ist es ein Anliegen der VVN-BdA, die Zusammenarbeit mit den Gremien der Sinti und Roma auszubauen. Wir unterstützen den Appell des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland vom 17.12. 2010 an die Bundesregierung, die Länder und Kommunen, Grabstätten von ermordeten oder verfolgten Sinti & Roma nicht zu entfernen, sondern dauerhaft zu erhalten und zu schützen.

Beschluss 5: Die Hinterbliebenen der NS-Opfer fordern ihr Recht

20. September 2021

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Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 4. November 2009 erklärt:

„Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat“, sind das Grundgesetz und die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland „geradezu als Gegenentwurf“ zum nationalsozialistischern Regime zu verstehen. „Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte.“ (Aus den Leitsätzen zum Beschluss des Ersten Senats vom 04.11.2009 – 1 BvR 2150/08).

Die Gegnerschaft zur Naziherrschaft ist demnach Verfassungsgebot und Staatsdoktrin. Dem sieht sich auch die VVN-BdA verpflichtet.


Unsere Organisation ist eine Organisation der Opfer und Hinterbliebenen sowie der nachgewachsenen Generationen von Antifaschistinnen und Antifaschisten. Diesen Opfern wurde in der genannten Gerichtsentscheidung das Recht auf besonderen Schutz – ihrer Würde und ihrer Unversehrtheit – zugesprochen: Eine „Verletzung der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ wird in besonderem Maße verurteilt. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wurde nach 1945 von Überlebenden des Holocaust, von NS-Opfern und Teilnehmern am Antinazi-Widerstandskampf gegründet.

Ihre heutigen Mitglieder erklären: Wir, die wir Krieg und Faschismus noch durchlitten haben, aber auch die zweite und dritte Generation und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, fühlen uns dem Auftrag der Gründer der VVN-BdA und des Grundgesetzes verpflichtet.

Seit jüngster Zeit gibt es eine Reihe von Dokumentationen, die belegen, was die VVN seit den 60er Jahren nachgewiesen hat: In der Bundesrepublik konnten Eliten der Nazizeit aus Wirtschaft, Militär und dem Staats- und Terrorapparat des Naziregimes, darunter Justiz, Gesundheitswesen, Polizei und Geheimdienste wieder tätig werden, Einfluss nehmen und dabei weiterhin gegen Antifaschisten vorgehen.

Gerichte verfolgten Teilnehmer des Arbeiterwiderstandes, vornehmlich des kommunistischen Widerstandes, um sie – auch unter Hinweis auf Vorstrafen aus politischen Prozessen von 1933 bis 1945 – wegen ihrer politischen Tätigkeit erneut einzusperren und ihnen die Rechte auf Entschädigung abzusprechen. Ärzte aus der NS-Zeit wurden als Gutachter eingesetzt, um die Entschädigungsrechte der oft schwer geschädigten politisch, rassisch und religiös Verfolgten in Zweifel zu ziehen. Ehemalige Gestapobeamte fanden in der Polizei der BRD wieder Verwendung, und man setzte sie auch ein, um die demokratischen Rechte der Verfolgten erneut anzutasten. Organisationsverbote führten zur Bestrafung der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, während Naziorganisationen wie die NPD sich ungehindert entfalten konnten. Berufsverbote wurden gegen die Kinder von Antifaschisten ausgesprochen. Das Versammlungsrecht von Antifaschisten wurde eingeschränkt.

Die VVN-BdA setzt sich dafür ein, dass eine Wiedergutmachung für die so Benachteiligten erfolgen muss. Vor allem geht es um die Rehabilitierung der Opfer. Ende der sechziger Jahre gab es zwar ein Strafrechtsänderungsgesetz, das zahlreichen Verfolgungen ein Ende setzte, eine Rehabilitierung der Betroffenen erfolgte jedoch nicht. Auch die Kinder und Enkel der Betroffenen hatten – infolge der Leiden ihrer Verwandten – mitzuleiden:

  • denn die Familien der Opfer litten oft materielle Not,
  • die Kinder und Enkel, also die  aus der 2. und 3. Generation, waren betroffen von psychischen Schäden und Traumatisierungen,
  • sie waren im Bildungswesen, in Schule und Gesellschaft Diskriminierungen bis hin zu Berufsverboten ausgesetzt.
  • Sie galten als Kinder von „Vorbestraften“.

Die jetzt bekannt gewordenen personellen Kontinuitäten aus der Zeit vor und nach 1945 müssen zu Konsequenzen führen. Doch die Gelegenheiten, die sich dazu bieten, werden nicht genutzt. Der Umgang des Deutschen Bundestages mit dem Antrag „Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime“ (Drucksache 17/2201), eingebracht von der Fraktion DIE LINKE am 16. 6. 2010, ist ein Skandal, ja ein Schlag ins Gesicht der NS-Opfer.  Ohne mündliche Aussprache, nur mit schriftlichen Wortbeiträgen, die seitens der CDU, CSU und FDP, aber auch der SPD den Geist der Restauration und des Kalten Krieges atmeten, wurde der Antrag am 11. November 2010 zu später Stunde beerdigt. Die CDU/CSU-Reaktion ist unfassbar und, ähnlich wie bei den vielen Debatten zum Kriegsverrat, sprachlich und argumentativ stark in der Nähe von rechtsextremen Organisationen.

Auch in der Erinnerungsarbeit der Gedenkstätten für Opfer des NS-Unrechts werden die Vertreter der 2. und 3. Generation oftmals abgewiesen. Man erklärt ihnen ungeschminkt: Euer Anspruch auf Mitsprache in der Gedenkarbeit ist verwirkt. Genugtuung darüber, dass Zeitzeugen sich nicht mehr einmischen können, ist unverkennbar. Doch, wir mischen uns ein.

Die in der VVN-BdA vereinigten Angehörigen der 2. und 3. Generation danken dem Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte dafür, dass er sich ihrer Sorgen und Nöte angenommen hat. Sie danken den Vertretern der LINKEN und der GRÜNEN, die sich in der schriftlichen Debatte des Bundestages vom 11. 11. 10 vorbildlich verhalten haben. Diese Bemühungen sollten fortgesetzt werden.

Der Bundesausschuss der VVN-BdA soll in diesem Sinne bald ein Treffen von Angehörigen der zweiten und dritten Generation organisieren.

Beschluss 6: Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

20. September 2021

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Der Bundeskongress schlägt allen Landesverbänden der VVN/BdA vor, sich mit dem Komplex „Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ zu befassen und dabei die  Erfahrungen des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen mit seinem Projekt „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ zu nutzen.

Beschluss 7: Antifaschistische Positionen statt Nazis in die Parlamente

20. September 2021

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Die erfolgreiche Kampagne nonpd – NPD-Verbot-Jetzt! wird unter anderen Bedingungen fortgesetzt: Mit dezentralen Schwerpunkt-Aktionen in Wahlkämpfen, unterstützt durch die Bundesorganisation, wird versucht, Neofaschisten und Rassisten bei Ihrem Wahlkampf zu stören und ihren Einzug in Parlamente aller Ebenen zu verhindern, unabhängig in welcher Tarnung sie antreten. Mit der zentralen Forderung nach einem Verbot der NPD bleibt jeder Wahlkampf verbunden, wird jedoch konkret gegen die jeweiligen Gruppierungen geführt.

Die Aktion wird finanziert – ähnlich der vorhergehenden – durch gezielte Spendenkampagnen, durch den Verkauf der angebotenen wahlkampfunterstützenden Mittel zum Einkaufspreis und durch die Bundesorganisation.

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