Gerade nochmal gut gegangen
24. September 2023
Zur Wahl in Nordhausen
Mit der Wiederwahl von Kai Buchmann zum Oberbürgermeister von Nordhausen und der Niederlage des AfD-Kandidaten Prophet ist eine Katastrophe für die Demokratie verhindert worden, doch abgewendet ist das Problem deshalb nicht.
Dass es in Thüringen so weit kommen konnte, liegt unter anderem am Unwillen einiger demokratischer Parteien, sich von der AfD abzugrenzen. CDU und FDP hatten der extrem rechten Partei zuletzt mit dem gemeinsamen Beschluss zur Grunderwerbssteuer erneut parlamentarische Weihen verliehen und ihr so zu einem weiteren Triumph im thüringischen Landtag verholfen. Auch konnten sich weder die CDU noch die SPD zu einer frühzeitigen und eindeutigen Wahlempfehlung für Kai Buchmann, Prophets Kontrahenten, durchringen.
Diese Wahl betraf nicht nur Nordhausen, sie hatte bundesweite wie internationale Bedeutung. Die hohen Zustimmungswerte für Prophet sind für alle antifaschistisch denkenden Menschen ein Schlag ins Gesicht, vor allem für die noch lebenden Opfer des Nazi-Terrors. Jörg Prophet ist kein „Demokrat“, er stellt eine Gefahr für die offene Gesellschaft, für nicht-weiße, linke und alle andersdenkenden Nordhausener*innen und die Besucher*innen der Gedenkstätte Mittelbau-Dora dar.
Rechte Märchen – von Tätertrauma bis Schuldkult
Prophet versuchte immer wieder die Geschichte umzuschreiben und die Deutschen von ihrer historischen Schuld zu `befreien‘. So forderte er zum 8. Mai „nach 75 Jahren“ einen „Wandel vom Schuldkult“ zum Demokratiekult“. Der 8. Mai als Tag der Befreiung ist für ihn „zunächst der Tag der bedingungslosen Kapitulation“ und den deutschen Faschismus bezeichnet er als „sozialistische Diktatur“. Das ehemalige KZ Buchenwald verharmlost er als „Zuchthaus“, sein Ziel sei ein „moralischer Neuanfang“. Auf dem Blog der AfD Nordhausen schreibt er: „Da wird aus einem Regime und einer Wehrmacht ein Tätervolk in Sippenhaft. Da wird jeder zivile Ungehorsam und der deutsche Widerstand in allen gesellschaftlichen Bereichen eingestampft zum Tätertrauma.“
Auf demselben Blog schrieb Prophet 2020, bei der Befreiung des KZ Mittelbau-Dora hätten die amerikanischen Soldaten „Morallosigkeit“ gezeigt und seien nur daran interessiert gewesen, „Technologien des Tötens“ in Besitz zu nehmen, „um die eigene Stellung in der Welt zu sichern“.
Laut einem Bericht der ZEIT zeigt sein Profilbild auf WhatsApp ein Banner der Identitären Bewegung, beim Sommerfest von des Nazi-Blatts Compact war Prophet zugegen. Die Corona-Pandemie stellt er mit den Worten „Die COVID-19-Pandemie, oder was man dafür hält […]“ in Frage. Es ist eindeutig: Jörg Prophet ist ein Vertreter der extremen Rechten und trifft trotzdem – oder gerade deshalb – auf breiten Zuspruch.
Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt – die Staatsanwaltschaft ist am Zug
Wir haben es dem Direktor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, zu verdanken, dass die geschichtsrevisionistischen Thesen Prophets der breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. Er untersuchte Texte des AfD-Kandidaten und kam zu dem Schluss, dass Prophet Vertreter eines „rechtsextremen Geschichtsrevisionismus“ ist. Für Wagner erfüllen einige Aussagen Prophets den Tatbestand der Volksverhetzung und er fordert die Staatsanwaltschaft auf, tätig zu werden. Wir unterstützen diese Forderung und sagen:
Jemand, der den Genozid an Juden und Jüdinnen verharmlost und bewusst Schuldumkehr betreibt, darf auch in Zukunft kein Amt innehaben! Wir fordern die Staatsanwaltschaft auf, die Vorwürfe gegen Prophet zu untersuchen und die notwendigen Schritte einzuleiten.
„Schlimmster Tag seit 1945“
Ein deutscher Jude bezeichnete den ersten Wahltag in Nordhausen als den „schlimmsten Tag seit 1945“. Er fühle sich ins Jahr 1933 zurückversetzt und könne nicht mehr. Aus dem Schreiben zitierte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und verdeutlichte damit die tiefe Sorge unter den Opfern des Nazi-Regimes.
Unsere Vereinigung wurde von Überlebenden des Nazi-Terrors gegründet, denen wir auf immer verbunden und verpflichtet sind. Die derzeitigen politischen Entwicklungen waren für sie immer ein unerträgliches Schreckensszenario. Dieser Entwicklung muss unbedingt Einhalt geboten werden. Mit der Wahl in Nordhausen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan.
In den Worten unserer verstorbenen Ehrenpräsidentin Esther Bejarano: „Schweigt nicht, wenn ihr Unrecht seht, streitet für eine andere, bessere Gesellschaft ohne Diskriminierung, Verfolgung, Antisemitismus und Rassismus. Bleibt erschütterbar!“