Stellungnahme der VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel zur Klageabweisung im Verfahren Silvia Gingold gegen Landesamt für Verfassungsschutz Hessen

geschrieben von Kreisausschuss der VVN-BdA Kassel

11. Oktober 2017

 

Mit Enttäuschung und Empörung hat die VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel
das Urteil des Kasseler Verwaltungsgerichts im Verfahren Silvia Gingold
gegen das Landesamt für Verfassungsschutz (LVS) Hessen zur Kenntnis
nehmen müssen.

Ein Verwaltungsgericht hat die Aufgabe, den einzelnen Bürger gegen
unrechtmäßiges Verwaltungshandeln zu schützen. Dazu muss das Gericht
nicht nur prüfen, ob die jeweiligen Behörden alle Rechtsvorschriften
eingehalten haben, sondern auch, ob das Handeln und die Entscheidungen
der Verwaltung unzulässig in die Grundrechte des Einzelnen eingreifen.

Dieser Verantwortung hat sich das Kasseler Verwaltungsgericht im
Verfahren von Silvia Gingold erkennbar nicht gestellt. Statt die
Einlassungen der Klägerin angemessen zu prüfen und die von ihr
beanstandeten Eingriffe in ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf
freie Meinungsäußerung als Rechtsgut gegenüber dem LVS zu verteidigen,
folgt es – ohne erkennbare inhaltliche Auseinandersetzung – den
schriftlich vorgetragenen Behauptungen des Inlandsgeheimdienstes für
seine Bespitzelung und Denunziation der Klägerin. Zudem verweigert das
Gericht selbst jegliche Prüfung, ob das Verhalten und die Aussagen der
Klägerin für eine solche Bewertung irgendeinen Anlass geboten haben.

Allein die Tatsache, dass sie sich zusammen mit – vom hessischen LVS als
„Linksextremisten“ bezeichneten – Persönlichkeiten und Organisationen in
politischen Zusammenhängen befunden habe, reicht dem Gericht aus, um
diese Form der Bespitzelung zu legitimieren. Dass es sich bei diesen
Persönlichkeiten u.a. um den gegenwärtigen thüringischen
Ministerpräsident handelt, ficht weder das LVS, noch das
Verwaltungsgericht an. Mit diesem Urteil erteilt das VG Kassel dem VS
einen Freibrief für seine Sammelwut gegenüber allen Formen
demokratischen Engagements.

Unhinterfragt wird im Urteil die Behauptung des LVS nachgebetet, die
Politik der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) sei
linksextremistisch beeinflusst und gegen die „freiheitlich-demokratische
Grundordnung“ gerichtet. Haben etwa die Stadt und der Landkreis Kassel,
als sie während der documenta14 das Projekt „Bewahrung der Erinnerung“
gemeinsam mit der VVN-BdA umsetzten, den „Linksextremismus“ gefördert?

Das Verwaltungsgericht wurde seiner Verantwortung der Kontrolle dieser
Behörde nicht gerecht. Dabei wäre eine solche Kontrolle dringend
geboten. Machen doch die Vorgänge um den Mord an Halit Yozgat und die
Eingebundenheit des VS-Mitarbeiter Andreas Temme deutlich, wie eng
dieses Landesamt für Verfassungsschutz mit dem neofaschistischen
Mordterror des NSU-Netzwerkes verwoben ist.