Was ist „Mainstream-Antifaschismus“?
6. Mai 2010
Wiederholt wurden wir gefragt, wie sich die VVN-BdA zu den Angriffen Werner Pirkers auf die VVN-BdA und einen ihrer Bundessprecher, Ulrich Sander, verhielt, die Pirker am 17./18. April 2010 unter der Überschrift „Geschichtsrevisionismus“ in der Tageszeitung „Junge Welt“ veröffentlichen durfte.
Hiermit legen wir die Kurzfassung (Leserbrief) und die Langfassung eines Briefes an die Redaktion vor, die von den Vorsitzenden der VVN-BdA, Cornelia Kerth und Prof. Heinrich Fink, an die Redaktion gerichtet wurden.
Leserbrief der VVN-BdA für „Junge Welt“
Entschieden weisen wir den Angriff Werner Pirkers (jw 17./18.4.10 „Schwarzer Kanal“) auf die VVN-BdA und ihren Bundessprecher Ulrich Sander zurück.
Werner Pirker will nicht diskutieren, er will diskreditieren. Dabei diskreditiert er die Junge Welt, die seine unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen, abenteuerlichen Phrasen und haltlosen Beleidigungen abdruckt. Er führt ausgerechnet gegen die VVN-BdA Begriffe wie „Geschichtsrevisionismus“ und „Mainstream-Antifaschismus“ ins Feld. Dieser ausgemachte Blödsinn erklärt sich wohl nur aus Pirkers extrem einseitigen und schematischen Positionen zum Palästina-Konflikt und aus seinem Bestreben, die Lösung der Nahost-Frage durch die Schaffung der zwei Staaten torpedieren zu helfen und die Existenz Israels in Frage zu stellen.
Der ausführliche Brief an die Redaktion JW
Entschieden weisen wir den verleumderischen Angriff Werner Pirkers (jw 17./18.4.10 „Schwarzer Kanal“) auf die VVN-BdA und ihren Bundessprecher Ulrich Sander zurück.
Sander erinnert in „Unsere Zeit“ und www.nrw.vvn-bda.de aus aktuellem Anlass (ökumenischer Gottesdienst beim Treffen des Kameradenkreises Gebirgsjäger e.V. bei Mittenwald) an ein „Katholisches Feldgesangbuch“ von 1939. Das Feldgesangbuch erschien mit Genehmigung des Katholischen Feldbischofs der Wehrmacht vom 24. August 1939, also eine Woche bevor der Katholik Hitler und die katholischen, evangelischen oder konfessionslosen Wehrmachtsgeneräle den Überfall auf Polen befahlen. Sander fordert die offizielle Distanzierung der katholischen Kirche von diesem Feldgesangbuch, in dem der Kriegstod für Adolf Hitler und das Vaterland mit dem „Osterglaube“ himmlisch verklärt wird. („An der Front ist mein Platz, und wenn es mir noch so schwer fällt. Falle ich dort, was macht das! Morgen läuten die Glocken das Auferstehungsfest ein – welch eine Hoffnung! Sterben müssen wir alle einmal, und einen Tod, der ehrenvoller wäre als der auf dem Schlachtfeld in treuer Pflichterfüllung, gibt es nicht.“)
Sander fragt, ob es nennenswerte Bestrebungen unter den Religionsgemeinschaften gibt, der menschenverachtenden These vom paradiesischen Kriegstod abzuschwören. „Das sei doch fürs christliche Abendland selbstverständlich? Ist es nicht.“ Schreibt Sander und zitiert dann das katholische Feldgesangbuch.
Und so ist die Antwort Pirkers: Der aktuelle Anlass für den Text von Sander und seine Forderung kommen bei Pirker nicht vor. Statt dessen: „Doch auch, wenn sein Einwand, dass die Ablehnung „kriegerischer und terroristischer Aktionen“ für das christliche Abendland eigentlich selbstverständlich sein müsste, polemisch gemeint ist …“ Was? Sein Einwand ist kein Einwand, sondern Polemik? Ob polemisch oder unpolemisch – dieser Einwand findet sich bei Sander nicht. Sander kommt überhaupt nicht auf die Idee, das „christliche Abendland“ als eine homogene und moralische Instanz aufzufassen. Im Gegenteil, er fragt tatsächlich polemisch diejenigen, die vom „christlichen Abendland“ als hehrem Hort der Moral reden oder die von den Medien verhetzten Ahnungslosen.
Es kommt bei Pirker noch schlimmer, denn der Satz geht so weiter: „… folgt er (Sander. …) letztlich doch dem westlichen Wertediskurs, der die Überlegenheit der abendländischen Moral voraussetzt.“ Hier hantiert Pirker mit den Wortgruppen „westlicher Wertediskurs“ und „abendländische Moral“ nicht polemisch, sondern er übernimmt sie unkritisch. Er geht einfach davon aus, als gebe es nur einen „westlichen Wertediskurs“ und nur eine „abendländische Moral“, die ihre Überlegenheit voraussetze – und diesem reaktionären Geschwätz folge „letztlich“ Ulrich Sander. Nicht „letztlich“, sondern direkt wüst ist Pirkers Auslassung und Angriff auf die Persönlichkeit Ulrich Sander.
Sander wendet sich auch gegen ähnlichen politischen Missbrauch der Religion in der islamischen Welt. Bei Pirker wird daraus: Sanders wirkliche Absicht liegt … darin,… den „islamischen Terror“ als eine mit dem mörderischen Nihilismus des deutschen Faschismus und seiner katholischen Verklärung vergleichbare Erscheinung darzustellen… Dem VVN-Sprecher Sander erscheint die Bekämpfung des militanten Islam, auch „Islamofaschismus“ genannt, folgerichtig als antifaschistisches Anliegen. Im Grunde handelt es sich hier um einen Fall von Geschichtsrevisionismus.“
Bei Sander kommen „islamischer Terror“ und „Islamofaschismus“ überhaupt nicht vor. Und Sander stellt selbstverständlich nicht hier und nirgends etwas als vergleichbare Erscheinung mit dem deutschen Faschismus hin. Den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus ausgerechnet der Persönlichkeit Ulrich Sander und indirekt auch unserem Verband zu machen, ist eine Unverfrorenheit sondergleichen – uns, die wir dem Vermächtnis der Opfer des Faschismus, den Lehren des antifaschistischen Widerstandskampfes im Denken, Fühlen und Handeln, der Aufklärung besonders über den deutschen Faschismus verbunden sind und also stets gegen geschichtsrevisionistische Auffassungen kämpfen.
Pirker höhnt und schreibt, es sei ein besonderes „antifaschistisches“ Kunststück, von Kriegstreibern zu schreiben und nicht die Betreiber der amerikanischen und israelischen Gewaltpolitik zu meinen. Woher will Herr Pirker wissen, was Ulrich Sander nicht meint? Warum diese infame Unterstellung, er habe keine moralisch und politisch klare Haltung zur Politik der Herrschenden der USA und Israels? In der jw vom 17./18.4. sagt Pirker kein Wort zu seinem Motiv. Aber Werner Pirker faselt davon, dass der Staat Israel im „Klassenkampf“ verschwinden könne und wünscht sich ein Palästina mit zwei Völkern. Er griff bereits 2002 in einer Wiener Publikation Ulrich Sander deshalb an, weil der selbstverständlich nicht auf die abenteuerliche, ja tödliche Idee käme, den Staat Israel abzuschaffen, statt gegen die verhängnisvolle Politik der Herrschenden Israels gegenüber den Palästinensern gemeinsam mit allen progressiven Menschen zu wirken. Und nun Pirker in der jw: „… Ulrich Sander – ganz im Ungeist des Mainstream- Antifaschismus…“ Pirker endet bei der offenen Diffamierung des wirklichen Antifaschismus.
Werner Pirker will nicht diskutieren, er will diskreditieren. Dabei diskreditiert er sich selbst auf peinliche Weise: unbewiesene und unbeweisbare Behauptungen, statt sachliche Analyse; scheinlinke abenteuerliche Phrasen, statt realistischer Antifaschismus.
Cornelia Kerth und Heinrich Fink (Vorsitzende der VVN-BdA)
30.04.10