Streiter gegen Ignoranz und Vergessen
27. Juli 2009
Einer der wenigen noch lebenden ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Osthofen bei Worms, Philipp Wahl, starb am 23. Juli 2009 im Alter von 96 Jahren.
Seine Generation von Widerstandskämpfer/inne/n hat Beeindruckendes und Vorbildliches geleistet: nicht nur im Kampf gegen die Hitlerfaschisten und alte wie neue Nazi, sondern auch für die Aufarbeitung der Verbrechen des Naziregimes in Zeiten ihrer systematischen Verharmlosung oder Verdrängung.
Aus leidvoller Erfahrung und aus redlicher Überzeugung stritt er allerdings nicht nur gegen Ignoranz und Vergessen, sondern auch für ein breites Bündnis und gemeinsame Aktionen aller Antifaschist/inn/en.
Philipp Wahl wuchs in einer sozialistisch geprägten Familie auf und wechselte 1931 in Duisburg von der sozialdemokratischen zur kommunistischen Jugendorganisation. Er erlebte damals im eigenen Verwandten- und Freundeskreis die ideologische wie politische Spaltung der Arbeiterbewegung, die auf beiden Seiten, Kommunisten wie Sozialdemokraten, zu überzogenen und teils niederträchtigen gegenseitigen Angriffen führte.
Mit der Machtübertragung an die Nazis übernahm der 20-jährige Matrose der Rheinschifffahrt illegale Kurierdienste für die KPD zwischen Rotterdam und Basel.
Im März 1933 wurde Philipp Wahl in Worms verhaftet und später ins Konzentrationslager Osthofen verschleppt. Vorher hatte ihn die Gestapo mit einer Brutalität verhört, die ihm eine Schädelfraktur und mehrere Wochen Krankenhausaufenthalt eingebracht hatte.
In Osthofen hielten ihn die Nazis ohne Prozess etwa neun Monate fest. Die für Philipp Wahl positive Erfahrung unter den ansonsten barbarischen Verhältnissen: Im Konzentrationslager näherten sich Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten langsam (wieder) an, überwanden manche Gegensätze, entwickelten und zeigten Solidarität untereinander.
Nach der Zerschlagung des Faschismus trat Philipp Wahl in Worms in der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden (heute BAU), in der KPD und später der DKP für ein Zusammenwirken der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung ein. In der Lagergemeinschaft Osthofen und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist/inn/en (VVN-BdA), deren rheinland-pfälzischer Vorsitzender er in den 90er Jahren war, engagierte er sich mit großem Einsatz und notwendiger Hartnäckigkeit für den Erhalt und den Ausbau des ehemaligen KZ Osthofen zur Gedenkstätte.
Vielen jungen Menschen hat er dort und im Schulunterricht seine Erlebnisse während der KZ-Haft und im Widerstand gegen den Faschismus nahe gebracht und verständlich gemacht. Seine unaufdringliche, nicht belehrende Art der Kommunikation kam bei ihnen an und überzeugte.
Ehren wir Philipp Wahl und gedenken seiner durch mutiges und konsequentes Handeln im beruflichen und gesellschaftlichen Alltag, gegen Nazis und für demokratische wie soziale Rechte.