Peinlicher Teilerfolg für Gebirgsjäger
22. Mai 2009
Wir dokumentieren hier einen Artikel der Jungen Welt vom 23.05.2009 über den Prozess gegen Ulrich Sander.Frank Brendle
Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe legt Wert auf die Feststellung, daß er „heute“ nicht mehr „zahlreiche“ Kriegsverbrecher in seinen Reihen hat. Das hat der Verein, der alljährlich eine revisionistische Veteranenfeier bei Mittenwald/Bayern durchführt, am Mittwoch dieser Woche vor dem Landgericht Nürnberg durchgesetzt. Anlaß dafür waren Äußerungen von Ulrich Sander, Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) Nordrhein-Westfalen.
Sander hatte im Internet darauf hingewiesen, „daß der Kameradenkreis nicht nur die Kriegsverbrechen der NS-Gebirgstruppe verharmlost und die Täter schützt“, sondern daß er „zahlreiche Kriegsverbrecher in seinen Reihen hatte, zum Teil bis heute.“ Der Kameradenkreis forderte von Sander eine Unterlassungserklärung. Der Antifaschist erklärte nun vor Gericht, künftig auf die letzten vier Worte zu verzichten („zum Teil bis heute“). Alle anderen Äußerungen wertete das Gericht als zulässige Meinungsäußerung.
Es war nicht der erste Versuch der „Kameraden“, Ulrich Sander zum Schweigen zu bringen. Bereits im Vorjahr war der Verein gegen seine Feststellung vorgegangen, die „(NS-)Gebirgstruppe“ veranstalte in Mittenwald das „größte Kriegsverbrechertreffen“. Im September 2008 hatte Sander zugesichert, diese Äußerungen nicht zu wiederholen, aber zugleich klargestellt, daß dem Kameradenkreis Kriegsverbrecher angehörten. Der erneute Vorstoß des Kameradenkreises hat diesem nun einen zweifelhaften Erfolg eingebracht: Wenn er „heute“ nicht mehr so viele Kriegsverbrecher als Mitglieder hat, geht das schließlich in erster Linie auf den Umstand zurück, daß die meisten verstorben sind. Und bestätigt hat das Gericht nun immerhin, daß man dem Traditionsverein die Verharmlosung von Kriegsverbrechen vorwerfen darf.
Die Prozeßlust des Kameradenkreises hat Sander indes konstruktiv genutzt und die Vereinszeitschrift Gebirgstruppe aus den vergangenen Jahrzehnten durchgearbeitet. Ergebnis ist eine 32seitige Dokumentation, in der Sander Dutzende von Vereinsmitgliedern nennt, die als Wehrmachtsoffiziere für Kriegsverbrechen verantwortlich waren. Beispielsweise Theodor Oberländer, der schon Teilnehmer am Hitler-Putsch 1923 war und vom Kameradenkreis das „Goldene Ehrenzeichen“ erhielt. Ebenfalls ausgezeichnet wurde Alois Eisl, unter dessen Kommando die Gebirgstruppe im Oktober 1943 blutige „Sühneaktionen“ in Griechenland durchgeführt hatte. Noch vor vier Jahren trat der Verein mit einer „Ehrenserenade“ vor der Wohnung des SS-Angehörigen und Chefs einer „Traditionsgemeinschaft“ Karl Staudacher an; auch SS-Brigadeführer Hermann Franz war Mitglied. „Ehrenpräsident“ war ab Mitte der 50er Jahre der in Nürnberg verurteilte General Hubert Lanz. Die Dokumentation läßt keinen Zweifel daran, daß Sanders Kritik am Kameradenkreis mehr als berechtigt ist.