Was ist „Mainstream-Antifaschismus“?

geschrieben von Cornelia Kerth und Heinrich Fink (Vorsitzende der VVN-BdA)

6. Mai 2010

Wiederholt wurden wir gefragt, wie sich die VVN-BdA zu den Angriffen Werner Pirkers auf die VVN-BdA und einen ihrer Bundessprecher, Ulrich Sander, verhielt, die Pirker am 17./18. April 2010 unter der Überschrift „Geschichtsrevisionismus“ in der Tageszeitung „Junge Welt“ veröffentlichen durfte.

Hiermit legen wir die Kurzfassung (Leserbrief) und die Langfassung eines Briefes an die Redaktion vor, die von den Vorsitzenden der VVN-BdA, Cornelia Kerth und Prof. Heinrich Fink, an die Redaktion gerichtet wurden.

Leserbrief der VVN-BdA für „Junge Welt“

Entschieden weisen wir den Angriff Werner Pirkers (jw 17./18.4.10 „Schwarzer Kanal“) auf die VVN-BdA und ihren Bundessprecher Ulrich Sander zurück.

Werner Pirker will nicht diskutieren, er will diskreditieren. Dabei diskreditiert er die Junge Welt, die seine unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen, abenteuerlichen Phrasen und haltlosen Beleidigungen abdruckt. Er führt ausgerechnet gegen die VVN-BdA Begriffe wie „Geschichtsrevisionismus“ und „Mainstream-Antifaschismus“ ins Feld. Dieser ausgemachte Blödsinn erklärt sich wohl nur aus Pirkers extrem einseitigen und schematischen Positionen zum Palästina-Konflikt und aus seinem Bestreben, die Lösung der Nahost-Frage durch die Schaffung der zwei Staaten torpedieren zu helfen und die Existenz Israels in Frage zu stellen.

Der ausführliche Brief an die Redaktion JW

Entschieden weisen wir den verleumderischen Angriff Werner Pirkers (jw 17./18.4.10 „Schwarzer Kanal“) auf die VVN-BdA und ihren Bundessprecher Ulrich Sander zurück.

Sander erinnert in „Unsere Zeit“ und www.nrw.vvn-bda.de aus aktuellem Anlass (ökumenischer Gottesdienst beim Treffen des Kameradenkreises Gebirgsjäger e.V. bei Mittenwald) an ein „Katholisches Feldgesangbuch“ von 1939. Das Feldgesangbuch erschien mit Genehmigung des Katholischen Feldbischofs der Wehrmacht vom 24. August 1939, also eine Woche bevor der Katholik Hitler und die katholischen, evangelischen oder konfessionslosen Wehrmachtsgeneräle den Überfall auf Polen befahlen. Sander fordert die offizielle Distanzierung der katholischen Kirche von diesem Feldgesangbuch, in dem der Kriegstod für Adolf Hitler und das Vaterland mit dem „Osterglaube“ himmlisch verklärt wird. („An der Front ist mein Platz, und wenn es mir noch so schwer fällt. Falle ich dort, was macht das! Morgen läuten die Glocken das Auferstehungsfest ein – welch eine Hoffnung! Sterben müssen wir alle einmal, und einen Tod, der ehrenvoller wäre als der auf dem Schlachtfeld in treuer Pflichterfüllung, gibt es nicht.“)

Sander fragt, ob es nennenswerte Bestrebungen unter den Religionsgemeinschaften gibt, der menschenverachtenden These vom paradiesischen Kriegstod abzuschwören. „Das sei doch fürs christliche Abendland selbstverständlich? Ist es nicht.“ Schreibt Sander und zitiert dann das katholische Feldgesangbuch.

Und so ist die Antwort Pirkers: Der aktuelle Anlass für den Text von Sander und seine Forderung kommen bei Pirker nicht vor. Statt dessen: „Doch auch, wenn sein Einwand, dass die Ablehnung „kriegerischer und terroristischer Aktionen“ für das christliche Abendland eigentlich selbstverständlich sein müsste, polemisch gemeint ist …“ Was? Sein Einwand ist kein Einwand, sondern Polemik? Ob polemisch oder unpolemisch – dieser Einwand findet sich bei Sander nicht. Sander kommt überhaupt nicht auf die Idee, das „christliche Abendland“ als eine homogene und moralische Instanz aufzufassen. Im Gegenteil, er fragt tatsächlich polemisch diejenigen, die vom „christlichen Abendland“ als hehrem Hort der Moral reden oder die von den Medien verhetzten Ahnungslosen.

Es kommt bei Pirker noch schlimmer, denn der Satz geht so weiter: „… folgt er (Sander. …) letztlich doch dem westlichen Wertediskurs, der die Überlegenheit der abendländischen Moral voraussetzt.“ Hier hantiert Pirker mit den Wortgruppen „westlicher Wertediskurs“ und „abendländische Moral“ nicht polemisch, sondern er übernimmt sie unkritisch. Er geht einfach davon aus, als gebe es nur einen „westlichen Wertediskurs“ und nur eine „abendländische Moral“, die ihre Überlegenheit voraussetze – und diesem reaktionären Geschwätz folge „letztlich“ Ulrich Sander. Nicht „letztlich“, sondern direkt wüst ist Pirkers Auslassung und Angriff auf die Persönlichkeit Ulrich Sander.

Sander wendet sich auch gegen ähnlichen politischen Missbrauch der Religion in der islamischen Welt. Bei Pirker wird daraus: Sanders wirkliche Absicht liegt … darin,… den „islamischen Terror“ als eine mit dem mörderischen Nihilismus des deutschen Faschismus und seiner katholischen Verklärung vergleichbare Erscheinung darzustellen… Dem VVN-Sprecher Sander erscheint die Bekämpfung des militanten Islam, auch „Islamofaschismus“ genannt, folgerichtig als antifaschistisches Anliegen. Im Grunde handelt es sich hier um einen Fall von Geschichtsrevisionismus.“

Bei Sander kommen „islamischer Terror“ und „Islamofaschismus“ überhaupt nicht vor. Und Sander stellt selbstverständlich nicht hier und nirgends etwas als vergleichbare Erscheinung mit dem deutschen Faschismus hin. Den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus ausgerechnet der Persönlichkeit Ulrich Sander und indirekt auch unserem Verband zu machen, ist eine Unverfrorenheit sondergleichen – uns, die wir dem Vermächtnis der Opfer des Faschismus, den Lehren des antifaschistischen Widerstandskampfes im Denken, Fühlen und Handeln, der Aufklärung besonders über den deutschen Faschismus verbunden sind und also stets gegen geschichtsrevisionistische Auffassungen kämpfen.

Pirker höhnt und schreibt, es sei ein besonderes „antifaschistisches“ Kunststück, von Kriegstreibern zu schreiben und nicht die Betreiber der amerikanischen und israelischen Gewaltpolitik zu meinen. Woher will Herr Pirker wissen, was Ulrich Sander nicht meint? Warum diese infame Unterstellung, er habe keine moralisch und politisch klare Haltung zur Politik der Herrschenden der USA und Israels? In der jw vom 17./18.4. sagt Pirker kein Wort zu seinem Motiv. Aber Werner Pirker faselt davon, dass der Staat Israel im „Klassenkampf“ verschwinden könne und wünscht sich ein Palästina mit zwei Völkern. Er griff bereits 2002 in einer Wiener Publikation Ulrich Sander deshalb an, weil der selbstverständlich nicht auf die abenteuerliche, ja tödliche Idee käme, den Staat Israel abzuschaffen, statt gegen die verhängnisvolle Politik der Herrschenden Israels gegenüber den Palästinensern gemeinsam mit allen progressiven Menschen zu wirken. Und nun Pirker in der jw: „… Ulrich Sander – ganz im Ungeist des Mainstream- Antifaschismus…“ Pirker endet bei der offenen Diffamierung des wirklichen Antifaschismus.

Werner Pirker will nicht diskutieren, er will diskreditieren. Dabei diskreditiert er sich selbst auf peinliche Weise: unbewiesene und unbeweisbare Behauptungen, statt sachliche Analyse; scheinlinke abenteuerliche Phrasen, statt realistischer Antifaschismus.

Cornelia Kerth und Heinrich Fink (Vorsitzende der VVN-BdA)

30.04.10

5000 Statements – 5 Gedanken und ein Dankeschön

geschrieben von Michael Landmann, Kampagnengruppe

13. April 2010

Die VVN-BdA hat ihr Kampagnenziel – 5000 Stellungnahmen für das NPD-Verbot zu sammeln – vorzeitig erreicht.

1. Der polnische Schriftsteller und Historiker Aleksander Swietochowski (1849-1938) schrieb: „Der kleine Mut kämpft gegen die böse Absicht, der große Mut gegen vollzogene Tatsachen, mit denen sich die Mehrheit abgefunden hat.“ 5000 Bürger unseres Landes haben couragiert ihre ablehnende Meinung zu einer wesentlich steuerfinanzierten und Verfassungsschutz-geschützen Partei, deren neofaschistischer Ideologie und deren gewaltbereiten Handlangern geäußert, zu einer Partei, die Nichts aus der Geschichte gelernt hat, zu einer Partei, die Andere schon wieder für normal und demokratisch legitimiert halten. – Diese 5000 Statements sind ein Erfolg, unser Erfolg.

2. Im Jahr 2007 hatten mehr als 175.000 Menschen mit ihrer Unterschrift unter unseren Brief die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aufgefordert, sich für ein Verbot der NPD einzusetzen. Jetzt liegen 5000 persönliche Erklärungen vor, die deutlich machen: Dieses Land hat wirklich vieles nötiger als eine Partei, die es – dem Potsdamer Abkommen folgend – gar nicht geben dürfte – vor allem gesellschaftliche Verhältnisse, die neofaschistischen, rassistischen, antisemitischen und ausländerfeindlichen Gedanken keinen Nährboden bietet. Jede dieser Erklärungen erforderte eigenes Nachdenken und den Mut, sich öffentlich zu seinen Auffassungen zu bekennen. Diese 5000 Statements sind auch deshalb ein Erfolg, unser Erfolg.

3. Die Botschaft der Überlebenden der faschistischen Barbarei „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“ ist noch immer nicht eingelöst. Krieg ist nach Europa zurückgekehrt, Neofaschismus und Rechtsextremismus bedrohen die Demokratie. Deshalb ist das 5000-fache NEIN zur NPD auch ein würdiger Beitrag zum 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Es erinnert an diese Botschaft und mahnt ihre Realisierung an. Dieses 5000-fache NEIN zur NPD ist auch ein 5000-facher EINSPRUCH gegen die Neuinterpretation von Geschichte, und das ist ein Erfolg, unser Erfolg.

4. 5000 Statements – das sind 5000 Denkanstöße für die etablierte Politik. Die sollte ihren immer wieder wohlgesetzten Worten endlich Taten folgen lassen, Verfahrenshindernisse beseitigen und ein Verbot der verfassungsfeindlichen NPD auf den Weg bringen. Legen wir den Innenministern in Bund und Ländern, den Fraktionen in den Parlamenten unsere guten und gewichtigen Argumente auf den Tisch. Zwingen wir sie, sich immer wieder mit dem Thema zu befassen. Auch das wäre ein Erfolg, unser Erfolg.

5. 5000 Meinungen machen auch Hoffnung: „Solange sich Menschen noch erregen können, ist nichts verloren“ (Klaus Frühauf, Autor). Und auch das ist ein Erfolg, unser Erfolg.

Danke. Dank an alle, die das aufklärende Gespräch mit ihren Mitmenschen gesucht haben, den Gedankenaustausch über die Gefahren neofaschistischer Entwicklungen in diesem Land und deren Träger. Dank an den Webmaster und die Moderatoren in den Landesorganisationen. Dank an alle, die der Kampagne mit ihren Ideen und Initiativen zum Erfolg verholfen haben, unserem Erfolg.

Wir trauern um Josef „Jupp“ Angenfort

16. März 2010

Wir haben einen guten, mutigen Menschen verloren. Von der katholischen Jugend zum Nationalkomitee Freies Deutschland, vom Lehrer an der Antifaschule zum FDJler, Gewerkschafter und Kommunisten, vom Landtag in Düsseldorf in den fünf Jahre währenden Adenauer-Knast und dann zum linken Aktivisten und unermüdlichen antifaschistischen Mahner.

So bleibt er uns in Erinnerung.

Wir wollen sein Vermächtnis erfüllen: „Nach der Selbstbefreiung im April 1945 erhoben die befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald auf dem Appellplatz die Hand zum Schwur: Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Aber der Nazismus wurde nicht mit seinen Wurzeln ausgerottet. Hitlers Schatten und die Macht eines neuen Militarismus verdunkeln unsere Gegenwart und Zukunft, wenn wir nicht auch diesen Satz des Schwurs von Buchenwald beherzigen: Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht.

Und wenn die Mörder nicht mehr leben, dann gilt es, die gesellschaftlichen Zustände anzuklagen, die Reaktion und Krieg immer wieder gebären. Das sind wir den Opfern des Faschismus schuldig. Das sind wir aber auch unseren Kindern und Enkelkindern schuldig, denen wir eine friedliche freundliche Welt bereiten wollen.“ (Jupp Angenfort zum 60. Gründungstag der VVN in Nordrhein-Westfalen)

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Cornelia Kerth und Prof. Heinrich Fink
für den Bundesausschuss der VVN-BdA

Jochen Vogler, Traute Sander, Ulrich Sander
für den Landesausschuss der VVN-BdA NRW

Jürgen Schuh
für die Kreisvereinigung Düsseldorf der VVN-BdA

Die Trauerfeier findet statt am Dienstag, dem 30. März 2010, 12.00 Uhr, Kapelle des Stoffeler Friedhofs, Düsseldorf-Oberbilk, Bittweg 60 (Nähe Uni-Kliniken).

Im Sinne des Verstorbenen wird gebeten, auf Blumen- und Kranzspenden zu verzichten und stattdessen, Spenden auf das Konto der VVN-BdA-NRW, Stichwort Jupp, zu überweisen. Konto Nr. 282 12- 435 bei der Postbank Essen BLZ 360 100 43

Einspruch!

8. März 2010

Das vergangene Jahr der „historischen Jahrestage“ hat es gezeigt: Aus dem Kalten Krieg stammende Thesen wie „rot = braun“ und „Sozialismus = Faschismus = Diktatur“ sind wieder salonfähig und bestimmen die staatliche Geschichts- und Gedenkpolitik.

Sie werden bewusst und mit politischem Kalkül propagiert, denn die Deutung der Geschichte zielt auf die Gegenwart.

Als antifaschistische Organisation, die Überlebende des NS-Regimes und AntifaschistInnen nachfolgender Generationen vereint, setzen wir diesem Versuch der Geschichtsrevision unsere Positionen und Erfahrungen entgegen.

Mit namhaften Wissenschaftlern und Antifaschisten wollen wir den „antitotalitäre“ Diskurs in Europa, das Verhältnis von Ursachen und Wirkungen des 2. Weltkrieges, die offenen Fragen der Entschädigung der Opfer der Wehrmacht und die Entwicklung der Gedenkpolitik diskutieren.

Wir wollen mit der Konferenz ein „Ereignis“ schaffen, das öffentliche Aufmerksamkeit über den üblichen Rahmen hinaus findet.

Die Bundeshauptstadt als Ort der politischen Entscheidung und der Termin zwischen den Feierlichkeiten zur Befreiung der Lager und dem 65. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg sollen dazu beitragen.

… am 24. April 2010:

mit Esther, Edna und Joram Bejarano und der Microphone Mafia

Dresden 2010 – Die Staatsanwaltschaft tritt nach

24. Februar 2010

Staatsanwaltschaft, Politologen und die sächsische Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG im DBB) spielen Neonazis in die Hände

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ist empört, dass die Staatsanwaltschaft Dresden weiterhin gegen die Blockierer ermittelt, die am 13. Februar 2010 den Aufmarsch von Tausenden Neonazis in Dresden verhindert haben. Schon im Vorfeld versuchte sie, durch Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme von Plakaten und Blockadeaufrufen engagierte Bürger zu kriminalisieren und davon abzuhalten, sich den Neonazis entgegenzustellen.

Um die Ermittlung der Dresdener Staatsanwaltschaft zu erleichtern sei gesagt, dass auch unsere Vereinigung sich aktiv an der Vorbereitung, Bewerbung und Durchführung der Blockaden beteiligt hat und dies auch erneut tun wird. In der VVN-BdA sind inzwischen hoch betagte Überlebende des Holocaust, von Verfolgung und Widerstand, deutsche Antifaschisten, die in den Armeen der Antihitlerkoalition gekämpft haben und jüngere Antifaschisten organisiert. Unsere Adresse ist im Telefonbuch und unser Blockadeaufruf auf unserer Internet-Seite zu finden.

Es war ein großer Erfolg für die Demokratie, dass durch friedliche Blockaden, also gemeinsamen zivilen Ungehorsam, erstmals verhindert wurde, dass Neonazis aus Deutschland und anderen Ländern durch Dresden marschieren konnten. Dies war sogar von Vertretern der Polizei am 13. Februar in Dresden zu hören.

Auch die ideologisch hoch aufgeladenen Stellungnahmen von „Extremismusexperten“ wie dem Chemnitzer Politologen Eckhard Jesse, der in Dresden „eine Niederlage für den Rechtsstaat“ herbeireden will, gehen an den Realitäten des 13. Februar 2010 in Dresden völlig vorbei. Hier wird gegenüber Jungen und Älteren, Frauen und Männern aus allen Schichten der Gesellschaft, darunter zahlreiche Landtags- und Bundestagsabgeordnete der SPD, der LINKEN und Grünen nachgetreten.

Das Datum der Bombardierung Dresdens ist als „Bombenholocaust“ seit Jahren durch die NPD und der gesamten Neonazi-Szene in geschichtsverdrehender und den Holocaust relativierender Weise instrumentalisiert worden, um ihre verbrecherische Ideologie ungehindert auf die Straße zu tragen. Für die erfreuliche Aufmarschschlappe in Dresden revanchierten sich die Neonazis in Berlin mit anonymen Morddrohungen gegen Bürger und Politiker, die sich gegen den Neonaziaufmarsch engagiert hatten. Dass sich also in Dresden zwei „Extreme“ verabredet hätten, um den Rechtstaat zu unterminieren, wie die oben Genannten in raschen Stellungnahmen zu suggerieren versuchten, ist gefährlicher Unsinn. In Dresden haben viele tausend Bürger und Bürgerinnen bewiesen, dass sie aus der verbrecherischen deutschen Geschichte gelernt haben. Sie wissen, dass es notwendig ist, sich den Feinden der Demokratie gemeinsam in den Weg zu stellen und Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsverfälschung eine entschlossene Absage zu erteilen.

Die kleine sächsische Deutsche Polizeigewerkschaft (DPoIG im Deutschen Beamtenbund) jedoch konstatiert im Gleichschritt mit der Staatsanwaltschaft bei den am 13.Februar an den Blockaden Beteiligten Rechtsbrüche und Ordnungswidrigkeiten und bangt um den Rechtsstaat. Statt einer Demonstranten- und Blockadenschelte sollte sich die DPolG, wie andere Gewerkschaften auch, z.B. die Gewerkschaft der Polizei im DGB, für ein Verbot der NPD, einer verfassungsfeindlichen Partei, einsetzen.

Wir fordern die Dresdener Staatsanwaltschaft auf, sofort alle Ermittlungen gegen Neonazigegner einzustellen. Sie läuft damit auch Gefahr, sich damit in eine Reihe mit den Einschüchterungsversuchen der Neonazis zu stellen.

No Pasaran! Sie werden nicht durchkommen!

geschrieben von Heinrich Fink

19. Januar 2010

„Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Anwesende,ich bin zutiefst empört über die Razzien der Polizei, die heute in Dresden und Berlin durchgeführt wurden. Den Betroffenen gehört meine volle Solidarität!

Es ist unerträglich, dass die deutsche Polizei ausgerechnet gegen diejenigen vorgeht, die zu Protesten gegen den größten Naziaufmarsch der Bundesrepublik am 13. Februar in Dresden aufrufen. Auch ich unterstütze die geplanten Proteste. Genauso wie viele alte Antifaschistinnen und Antifaschisten, die sich in Dresden – übrigens komme was wolle – an den Massenblockaden beteiligen werden.

Die Verantwortlichen für die Razzien samt ihrer Polizei sollten vor Scham im Boden versinken. Sie haben heute ein Bündnis von Nazigegnern kriminalisiert, dass von Autonomen Antifas über Gerwerkschaften bis hin zur SPD reicht. Lasst mich deutlich sagen: Die Nazis werden wissen, was sie an ihrer Polizei haben.

Sie sollten sich jedoch gewiss sein: Aller Repression und allen Kriminalisierungsversuchen seitens Justiz, Polizei und Politik zum Trotz, werden wir überall dort auf der Straße stehen und sitzen, wo Neofaschisten aufmarschieren wollen. Die Blockade von Naziaufmärschen ist nicht nur unser Recht, sondern unsere Pflicht!

Setzen wir unsere so dringend notwendige antifaschistische Arbeit in diesem Sinne fort!

No Pasaran! Sie werden nicht durchkommen!“

Dresden – Naziaufmarsch 13.2.2010 / Will die Polizei den Neonazis den Weg frei machen?

geschrieben von Bundesvereinigung VVN-BdA, Berliner VVN-BdA, Landesvereinigung Sachsen VVN-BdA

18. Januar 2010

Nazis blockieren ist unser Recht! Keine Kriminalisierung von zivilem Ungehorsam gegen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus!

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten protestiert gegen die Durchsuchung von linken Einrichtungen in Dresden und Berlin und die Beschlagnahme Tausender Mobilisierungsplakate, Flugblätter und mehreren Computern der Dresdener LINKEN und des Berliner Infoladens „Red Stuff“ durch die Polizei.

Nur wenige Wochen vor dem größten Neonazi-Aufmarsch in Europa, geht von den Sicherheitsbehörden ein falsches, fatales Signal der Verharmlosung, ja Unterstützung von neofaschistischen Umtrieben aus. Menschen, die sich dem braunen Mob in Dresden entschlossen entgegenstellen wollen, werden kriminalisiert. Sie sollen abgeschreckt und verunsichert werden.

Ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Jugendorganisationen, von Verfolgten des Naziregimes und unabhängigen AntifaschistInnen rufen zum Protest gegen den Aufzug von Neonazis aus ganz Europa am 13. Februar in Dresden auf.

Am 13. Februar in Dresden – Blockieren ist unser Recht! Die Nazis sind das Problem- für ein sofortiges Verbot der NPD! Keine Kriminalisierung des antifaschistischen Protestes

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

„Noch Fragen? Entnazifizierung jetzt! Unser Beitrag zum Klimaschutz!“

26. November 2009

Unter diesem Motto findet am 9. Januar 2010 das 15. Antifaschistische Jugendtreffen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) in Berlin statt.

Berlin-Kreuzberg, Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1, 10969 Berlin

Eintritt inkl. Konzert: 5 Euro

Mit zwei Veranstaltungsblöcken möchten wir am Nachmittag die Rechtsentwicklung in Europa beleuchten und gemeinsam erarbeiten, was Mensch aktiv im Betrieb, in der Schule, auf dem Dorf oder in der Stadt gegen Nazis tun kann, und herausfinden, was das Internet an Gefahren und Chancen nicht nur für AntifaschistInnen bietet.

Ein Schwerpunkt wird dabei die antifaschistische Mobilisierung gegen den alljährlichen Naziaufmarsch in Dresden am 13. Februar 2010 sein. Die VVN-BdA ruft dazu auf, sich an den antifaschistischen Protesten zu beteiligen.

Nach den Arbeitsgruppen und Workshops am Nachmittag werden wir in der abschließenden Podiumsdiskussion Gäste aus verschiedenen Europäischen Ländern und Israel begrüßen, die von der bedrohlichen Rechtsentwicklung in ihren Ländern berichten werden, und diskutieren, wie sich gemeinsame Gegenwehr entwickeln lässt.

Und gefeiert wird am Abend natürlich auch. Mit einem Konzert mit den Berliner Bands „Teds und Grog“ und den Rappern von „Schlagzeiln“, die ihr neues Album und auch noch einige Überraschungsgäste mitbringen.

Den ganzen Tag über werden zahlreiche Info-Stände der unterstützenden Organisationen und Gruppen wieder prima Möglichkeiten des Kennenlernens, der Information und zum Kontakte knüpfen bieten.

Eröffnung durch das Vorbereitungskollektiv

Infoblock zu den geplanten Gegenaktivitäten aus Anlass des Europäischen Naziaufmarsches am 13. Februar 2010 in Dresden. http://nopasaran.mobi/

Arbeitsgruppen / Workshops:

Training, Erfahrungen, Rechtliche Situation, Ängste und Aufklärung“

Massenblockaden in der Tradition des zivilen Ungehorsams sind eine Antwort auf die Polizeistrategie der Abschreckung und Einschüchterung durch restriktive Auflagen und Spezialeinheiten. In Hannover und Dresden gab es deshalb Versuche öffentliche Aktionstrainings zu behindern. Eine Rechtsanwältin wird die juristische Debatte um Blockaden erläutern. Eine Referentin wird von Erfahrungen mit Blockadeaktionen von Heiligendamm, Köln und Berlin berichten. Anschließend findet ein praktisches Blockade-Training statt. Veranstaltet von: AVANTI- Projekt undogmatische Linke (Berlin), www.avanti-projekt.de

Kreativ & erfolgreich gegen Nazis – Aktiv werden im Vorfeld“

Nazis sind meist nur zu stoppen, wenn sich massenhaft Menschen querstellen. Doch wie ist im Vorfeld das Bewusstsein für die Notwendigkeit zivilgesellschaftlichen Handelns gegen Neonazis zu wecken? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Aktion gegen Nazis gut läuft? Gibt es so etwas wie „Erfolgsfaktoren“, die sich verallgemeinern und allgemein anwenden lassen? In diesem Workshop sollen (lokale Handlungsstrategien) und Aktionsmöglichkeiten gegen Rechts vorgestellt, erarbeitet und diskutiert werden.

Referenten: Jan Duschek, ver.di und Ringo Bischoff, ver.di Bundesjugendsekretär, was-soll-politik.de, jugend.verdi.de

Neue Rechte Parteien in (Ost)europa. Unterschiede und Parallelen“ Neofaschistische Parteien und Organisationen haben europaweit seit 1990 immensen Zulauf, das haben unter anderem die Europawahlen 2009 gezeigt. Berichte von pogromartigen Übergriffen auf Roma und andere nationale Minderheiten z.B in Tschechien, Rumänien, Ungarn aber auch Italien sind an der Tagesordnung. In den ehemaligen Ostblockstaaten scheint dies auch eng mit Angst vor Verarmung und Vereinnahmung durch die Westeuropäischen Staaten verbunden zu sein. Stellen die neuen Pfeilkreuzler, Eisernen Garden, Schwarzhemden, aber auch die NPD die „Soziale Frage“ von rechts? Ist die „soziale Frage von rechts“ wirklich das verbindende Element oder gibt es da ganz andere Triebfedern?

Referent: Carsten Hübner, Journalist, Berlin, www.eurorex.info

Chancen & Risiken“

Der zweiteilige Vortrag vermittelt zunächst einen Überblick über die aktuelle Sicherheitsagenda der EU und Deutschlands. Schlagworte sind Vorratsdatenspeicherung, EU-weite Datenbank-Projekte, Grenzschutzagentur Frontex, Überwachungsgesetze und Überwachungstechniken. Im zweiten Teil schauen wir uns die Möglichkeiten des Internet und „Web 2.0“ für den politischen Protest an. Welche Gefahren im Hinblick auf den Datenschutz gibt es insbesondere für politisch Aktive, wie kann man sich selbst schützen und dennoch die Möglichkeiten nutzen? Und warum kann das Internet meist nur ein Teilinstrument sein, nicht aber die Basis eines Protests?

Referent: Ricardo Cristof Remmert-Fontes, Vorsitzender „Aktion Freiheit statt Angst e.V., Berlin, www.aktion-freiheitstattangst.org

Infos/Berichte aus den AGs und Workshops anschließend Podiumsdiskussion:

DiskussionsteilnehmerInnen: Carsten Hübner, Journalist, Berlin, VertreterInnen aus Österreich, Frankreich, Rumänien, Tschechien und Israel. Moderation: Gabriele Gün Tank, Integrationsbeauftragte Berlin/Tempelhof-Schöneberg

kult-anarcho-punk-folk aus Berlin www.teds-n-grog.de

mit Live-Band Rap zwischen Party, Pogo und Demo-Mob featuring „Love United“ Synthie-Rap/Berlin/Texas, www.schlagzeiln.de

2010 findet das 15. Antifaschistische Jugendtreffen der VVN-BdA statt, das wir mit unseren Bündnispartnern aus Gewerkschaften und anderen fortschrittlichen Jugendorganisationen (IG Metall Jugend, ver.di-Jugend, Die Falken, Freidenker-Jugend, SDAJ, solid, antifa bitterfeld / Buchenwald workcamp. MC Kuhle Wampe / Brigade Belfort…) seit Jahren gemeinsam durchführen.

Unsere Antifaschistischen Jugendtreffen sind zu einem wichtigen festen Bezugspunkt in der antifaschistischen Jugendarbeit geworden. Mit den antifaschistischen Jugendtreffen schaffen wir die Möglichkeit für Jugendliche, gemeinsam mit anderen antifaschistisch Engagierten zusammen zu kommen und Wissen zu erarbeiten, das auch im Alltag angewendet werden kann. Das Jugendtreffen vermittelt das Gefühl „nicht alleine zu sein / mal wieder Kraft zu tanken“, dass Antifaschismus weit mehr ist als eine Gegenbewegung und Rückhalt gibt, wenn es darum geht, für eine humane und gerechte Welt ohne Ausbeutung und Krieg, ohne Rassismus, für Toleranz und Frieden einzutreten!

Das Jugendtreffen finanziert sich wie auch in den vergangenen Jahren ausschließlich über Spenden der unterstützenden Organisationen und Einzelpersonen sowie dem Eintritt von 5 Euro / Person.

Wir freuen uns über Eure Teilnahme und Unterstützung beim 15. Antifaschistischen Jugendtreffen der VVN-BdA 2010 in Berlin.

Keine Neonaziaufmärsche in Dresden!

15. November 2009

Naziaufmärsche blockieren ist unser Recht! Stellen wir uns dem Neonaziaufmarsch am 13. Februar 2010 in Dresden gemeinsam entgegen!

Erneut planen Nazis aus ganz Deutschland und Europa im Februar 2010 zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens aufzumarschieren. Die Zahlen der Teilnehmer des „Trauermarsches“ der Neonazis im Jahr 2009 sprechen für sich: mit 7.000 Alt- und Neonazis auf der Straße ist Dresden der zentrale Aufmarschort der Neonazis in Deutschland geworden.

Neonaziaufmärsche sind kein Mittel der demokratischen Meinungsäußerung, sondern Aufrufe zu rassistischer Gewalt und Ausgrenzung. Sie sind eine Beleidigung aller überlebenden Opfer des Naziregimes und aller Opfer neonazistischer Gewalt.

Vergessen wir nicht die 140 Todesopfer durch Neonazigewalt seit 1990. Vergessen wir nicht den brutalen Neonazi-Überfall auf Gewerkschafter nach den antifaschistischen Protesten in Dresden im Jahr 2009. Wozu die Neonazis fähig sind, zeigen auch die geplanten Attentate des NPD-Mitglieds Thomas Baumann auf den Freiburger Kulturtreff und auf den Südbadener DGB-Vorsitzenden. Baumanns Bombenwerkstatt war erst nach anonymen Tipps von aktiven Antifaschisten von der Polizei ausgehoben worden.

Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich den Neonazis in Dresden entschlossen entgegen zu stellen. Beteiligen Sie sich an den Protestkundgebungen an der Aufmarschstrecke der Neonazis. Wir wünschen uns, dass viele Menschen unterschiedlicher sozialer und politischer Herkunft zu einer gemeinsamen Aktion zivilen Ungehorsams zusammenfinden.

Wir erklären:

Wenn Nazis marschieren, werden wir dagegen protestieren! Wenn es notwendig ist, auch mit einer Blockade!

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Gerhard Leo ist tot

11. November 2009

Von Gerhard Leo nahmen auf einer Trauerfeier am 8. Oktober seine Familie, Verwandte und Freunde Abschied. Er war am 14. September in Berlin im Alter von 86 Jahren verstorben.

In einer jüdischen Familie aufgewachsen, musste Gerhard Leo 1933 mit seinen Eltern und seiner Schwester aus Deutschland fliehen. Frankreich, das Exilland, wurde ihm zur Heimat. Als er 1943 mit gefälschten Papieren bei deutschen Dienststellen arbeitete, gab er wichtige Informationen an die französische Résistance weiter. Nachdem er 1944 verraten und verhaftet worden war, befreiten ihn Partisanen aus dem Zug, der ihn zum Kriegsgericht in Paris bringen sollte. Sie retteten ihm das Leben. Bis zur Befreiung kämpfte er in den Reihen der Résistance in der Corrèze, im Zentralmassiv.

1945 kehrte er in das Ruhrgebiet zurück, um dort bei einem antifaschistisch demokratischen Neubeginn mitzuwirken. Wegen der restaurativen Entwicklung in Westdeutschland übersiedelte er 1954 mit seiner Familie in die DDR. In Berlin war er für die Zeitung „Neues Deutschland“ tätig und deren langjähriger Korrespondent in Frankreich. Seit Ende der achtziger Jahre arbeitete er als Schriftsteller und Übersetzer. Seine Autobiographie „Frühzug nach Toulouse – Ein Deutscher in der französischen Résistance 1942-1944“ erschien 1988. In Anerkennung seiner Verdienste ernannte der Präsident der französischen Republik, Jaques Chirac, am 17. Februar 2004 Gerhard Leo zum Chevalier de la Légion d’honneur, zum Ritter der Ehrenlegion.

Gerhard war ein Zeitzeuge von besonderen Ausstrahlung. Für Franzosen war es ein Vergnügen, ihm zuzuhören, wie er in akzentfreien Französisch selbst in Nuancen die richtigen Worte und damit den Ton fand, der sie in seinen Bann zog. Die Köpfe und Herzen der Zuhörer erreichte er, weil er Geschichte nicht nur erzählen, sondern auch darüber reflektieren konnte, eigene Beweggründe, Konflikte und selbst Hemmungen schilderte. Sachkundig, manchmal verschmitzt lächelnd, nachdenklich und bescheiden erzählte er über die schwierige Emigration, über seinen Weg in den Widerstand, über deutsche und französische Mitstreiter, über die ihn das ganze Leben nicht loslassende Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Aufmerksam und offen für die Fragen der Zuhörer, aktuelle Debatten einbeziehend, blieb er bis ins hohe Alter lernfähig.

Die Diskussionen zu den Ursachen des Zusammenbruchs des Sozialismus und die Frage, ob und welche Perspektiven der Antifaschismus in den gesellschaftlichen Veränderungen hat, führten uns 1990 enger zusammen. Eine neue antifaschistische Bewegung sollte Verengungen und Erstarrungen aus DDR-Zeiten aufbrechen und sich über Parteigrenzen und Meinungsverschiedenheiten hinweg für breite Bündnisse gegen Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus im vereinten Deutschland öffnen. Gerhard arbeitete aktiv im Bund der Antifaschisten mit, ging auf Jüngere zu, bestärkte sie, auch bei Schwierigkeiten nicht aufzugeben. In seinem vielfältigen Engagement spiegelten sich Erfahrungen seines Lebens. Zehn Jahre arbeitete er in der Initiative gegen Abschiebehaft mit. „Papa Leo“, so nannten ihn die von Ausweisung bedrohten Flüchtlinge in der Abschiebehaft Köpenick, half ihnen mit Rat und Tat. Bei Anhörungen und Diskussionen vertrat er entschieden ihre Interessen und forderte, auch eingedenk seiner Erfahrungen als Emigrant, ihre menschenwürdige Behandlung und ihr Recht auf Asyl in Deutschland und in Europa.

Der gemeinsame Kampf deutscher Antifaschisten und französischer Patrioten gehörte für ihn zu den bewahrenden Traditionen deutsch-französischer Freundschaft. Zugleich wollte er an die in der deutschen Öffentlichkeit kaum bekannten Verbrechen von Wehrmacht, SS und Gestapo im besetzten Frankreich erinnern. Deshalb übersetzte er das Tagebuch von Denise Bardet, es war seine letzte Veröffentlichung. Die Deutsch-Lehrerin in Oradour-sur-Glane wurde am 10. Juni 1944 gemeinsam mit ihren Schülern von Angehörigen der SS-Division „Das Reich“ ermordet. Zum 60. Jahrestag des Massakers führte ihn eine letzte Reise mit deutschen Jugendlichen und seinem Mitstreiter Ernst Melis nach Tulle und Oradour-sur-Glane. Und er zeigte den Jungen die Corrèze, dort, wo er nach seiner Befreiung in den Reihen des Maquis gekämpft hatte. Es war eine für alle bewegende Reise.

Eine Teilnehmerin schrieb danach: „Ich verdanke Gerhard und Ernst die Erkenntnis, dass es zu jeder Zeit möglich ist, sich gegen Verbrechen und Unrecht zu wehren. Während dieser Reise haben sie mich gelehrt, dass es in unserer eigenen Verantwortung liegt, trotz aller Ängste und Zwänge, Menschlichkeit auch in einer unmenschlichen Zeit zu leben. Dass man gegen den Strom schwimmen kann. Dass Zivilcourage möglich ist. Dass man trotz Brutalitäten, Leid und Entbehrungen nicht verbittern muss. Und wenn Zeitzeugen wie diese beiden einmal nicht mehr berichten können, werden wir es unseren Kindern weitererzählen, damit diese Zeit der Unmenschlichkeit niemals vergessen wird. Und damit so etwas Schreckliches nie wieder geschehen kann.“

Sein Vermächtnis, die Erinnerung an den europäischen Widerstand gegen die Nazibarbarei wachzuhalten und in einem breiten Bündnis für eine Welt des Friedens und der Freiheit einzutreten, bleibt eine große Herausforderung.

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