Dringende Fragen an die Volksvertreter

geschrieben von Ulrike Düwel, Ulrich Sander, Jochen Vogler, Landessprecher der VVN-BdA NRW

9. Juni 2010

Aus Anlass der konstituierenden Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen wendet sich die VVN-BdA an die Abgeordneten des Landtages.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Ihnen Glückwünsche aussprechen zu Ihrer Wahl. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Sie auch nach dem vergangenen Wahlkampf noch das Gespräch mit den Wählerinnen und Wählern suchten und Interesse an ihren Vorschlägen und Vorstellungen zeigten. Zu solchen Gesprächen sind wir bereit. Wir möchten dazu die folgenden Überlegungen vor-bringen.

Mit Befremden mussten wir in jüngster Zeit einen verwerflichen Umgang mit der Landesverfassung feststellen: Es führte zu diskriminierenden Vorhaltungen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger auf unsere Landesverfassung beriefen, die in wenigen Tagen ihren 60. Jahrestag hat. Wir möchten daher ganz betont auf einige Verfassungsaussagen verweisen, die wir für besonders aktuell halten. Grundsätzlich bitten wir dringend, die Lehren aus der Zeit von Faschismus und Krieg zu beherzigen, wie sie in unserer Landesverfassung – bezogen auf gesellschaftliche Ursachen des Faschismus – zum Aus-druck kommen:

„Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familien decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn, das gilt auch für Frauen und Jugendliche.“ (Artikel 24 der Landesverfassung NRW) Ergibt sich daraus nicht die Verpflichtung, dem Vorrang Privat vor Staat, Profit vor Mensch endgültig den Abschied zu geben? Zeigt sich nicht, dass die Schaffung eines ausreichenden Mindestlohnes ein unmittelbarer Verfassungsauftrag ist? Sollte das Recht auf Arbeit nicht endlich als Menschenrecht verstanden und verwirklicht werden?

„Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden. Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.” So heißt es in Artikel 27 der „Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950”. Die war per Volksentscheid von der Mehrheit der Abstimmenden angenommen worden. Sie gilt noch immer. Und es ist dar-aus abzuleiten, dass z.B. die Enteignung von Energieriesen zum Wohle der Allgemeinheit zwingend geboten ist. Auch dieser Artikel 27 stellt eine Schlussfolgerung aus den Entwicklungen von 1933 bis 1945 dar. Ferner der Artikel 26, der Mitbestimmungs-Artikel, der lautet: Es „wird das Recht der Arbeitnehmer auf gleichberechtigte Mitbestimmung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung anerkannt und gewährleistet.” Wie viel Politikverdrossenheit, das Gefühl des Ausgeliefertseins, das wir überall beobachten, könnte durch die Verwirklichung dieses Artikels behoben wer-den?

Besonders bemerkenswert ist auch der Artikel 32, der lautet: „Vereinigungen und Personen, die es unternehmen, die staatsbürgerlichen Freiheiten zu unterdrücken oder gegen Volk, Land oder Verfassung Gewalt anzuwenden, dürfen sich an Wahlen und Abstimmungen nicht beteiligen.” Könnte dieser Artikel nicht helfen bei der Abwehr neofaschistischer und rassistischer Kräfte? Und dies auch in Verbindung mit Artikel 7 der Landesverfassung, der die Erziehung „zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung“ verlangt. Die jetzt gewählten Abgeordneten Ute Schäfer (SPD), Anne Conrads (Die Linke) und Sylvia Löhrmann (Die Grünen) haben im Wahlkampf mit Hinweis auf diesen Artikel 7 die Kooperationsvereinbarung der bisherigen Landesregierung mit der Bundeswehr kritisiert, mit der militaristisch in die Schulen hineinregiert wird. Frau Schäfer bekräftigte zudem die Empfehlung der UNESCO vom 19. 11. 1974, in der es heißt: „Die Erziehung soll auf die Unzulässigkeit der Kriegsführung zum Zwecke der Eroberung, des Angriffs oder der Beherrschung sowie der Gewaltanwendung zum Zwecke der Unterdrückung hinweisen und jedermann dazu bringen, seine Verantwor-tung für die Erhaltung des Friedens zu erkennen und auf sich zu nehmen.“ Gleich den Schüler-, Jugend- und Friedensorganisationen im Lande fordern wir die Rücknahme des Kooperationsvertrages Schule-Bundeswehr durch den neuen Landtag. Wir fordern, die Bundeswehr soll nicht länger in Hochschulen und Argen/Jobcentern wirken dürfen, um die Jugend zur Kriegsführung anzuwerben.

Überhaupt sollte der Landtag sich nicht friedenspolitisch abstinent verhalten. Wann werden in NRW die Grünen-Fraktion und die SPD-Fraktion zur antimilitaristischen Vernunft zurückkehren, um die Truppen aus Afghanistan zurückholen zu helfen? Das Streitkräfteunterstützungskommando Köln und der Bundesverteidigungsministerium in Bonn organisieren die Einsätze Deutschlands auf den Kriegsschauplätzen der Welt und die Zivil-Militärische Zusammenarbeit zu Militäreinsätzen im In- und Ausland, auch in NRW. Es wurde eine ZMZ-Reservistentruppe für den Bundeswehreinsatz im Innern geschaffen. Dazu muss sich der neue Landtag verhalten.

Widerstand sollte er gegen die ausländerfeindliche Pro-NRW entwickeln. Die in NRW übliche Abschiebepraxis ist zu beenden. Besonders das Los der ständig von Abschiebung bedrohten Sinti und Roma ist zu verbessern; ihnen ist das Bleiberecht zu gewähren. Dem Wirken gegen den Antisemitismus ist – entsprechend den Lehren der Geschichte – das Vorgehen gegen den Antizyganismus zur Seite zu stellen.

Es vergeht kaum ein Tag und kein Wochenende, an dem nicht auch in unserem Land faschistische Banden auf den Straßen und Plätzen aufmarschieren. Die V-Leute-Praxis des Verfassungsschutzes im NRW-Innenministerium hat zur Stärkung des Neonazismus und zur faktischen Bestandsgarantie für die NPD geführt. Die Polizei sieht dem Treiben der Nazis wie gelähmt zu – und die Nazis entfalten sich weiter. Die Tolerierung faschistischer Umtriebe schreitet fort. Das ist die Bilanz der bisherigen fünfjährigen Politik im Lande NRW.

Vor fünf Jahren haben wir uns an die nun abgewählte Landesregierung gewandt und erklärt: Unsere Organisation konzentriert sich sechs Jahrzehnte nach der Befreiung von Krieg und Faschismus auf folgende nächste Ziele – und wir hoffen, wir können bei Ihnen dafür Unterstützung erlangen:

1. Durchsetzung des Prinzips „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren“. (Beschluss des höchsten Gerichts von Nordrhein-Westfalen, OVG NRW, Az 5 B B 585/01) Damit wird beigetragen zur Wiederherstellung des Verfassungsprinzips des Artikels 139 GG, das die 1945/46 geschaffenen Bestimmungen zur Zerschlagung von NS-Organisationen auch für das Heute verbindlich regelt. Höchste NRW-Richter haben sich mit ihren Urteilen gegen die Neonazis gewandt. Ihre Rechtssprechung sollte endlich in NRW volle Gültigkeit erhalten.

2. Verbot der sog. „freien“ und „nationalen“ Kameradschaften als illegale Nachfolgeorganisationen der in den 90er Jahren von den Innenministern verbotenen Neonaziorganisationen und kriminelle Vereinigungen. Diese Kamerad-schaften üben Gewalt, Mord und Terror gegen Ausländer und Antifaschisten aus, und am Ostermontag 2005 kam es in Dortmund erneut zu einer Mordtat eines Täters aus den Reihen der Kameradschaften. Dennoch unterblieb bisher ein Vorgehen – oder wenigstens ein Demo-Verbot – gegen diese Organisationen seitens der Behörden

3. Schluss mit der Verfolgung von Antifaschisten, denen „Störung“ von Naziaufmärschen vorgeworfen wird, während doch solche Proteste nach den Aufrufen zum „Aufstand der Anständigen“ dringend geboten waren.

4. Rückgabe des digitalisierten Archivs der VVN-BdA und ihres Landessprechers, das beschlagnahmt wurde, nachdem die VVN-BdA gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher Anzeige erstattet hatte. (Sie blieben unbehelligt, doch nicht unsere Organisation!) Diese Rückgabe des Archivs ist nach Einstellung des Verfahrens durch die Justizbehörden und nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Az. 2 BvR 1027/02 (Bundesverfassungsgericht verbietet willkürliche Datenbeschlagnahme) dringend geboten.

5. Durchsetzung wirkungsvoller kommunalpolitischer Positionen des Antifaschismus und der Friedenserziehung in den Städten und Gemeinden. Die VVN-BdA hat dazu ihre Vorschläge vorgelegt. Wir rufen alle Kommunalpolitiker/innen auf, diese Vorschläge in der Praxis anzuwenden. Wir unterstützen die Aktion „Stolpersteine“ zur Erinnerung an die Opfer des Faschismus.

6. Antifaschistische und antimilitaristische Geschichtsarbeit in den Schulen und unter der Jugend, ferner umfassende Unterstützung der Bewegung für „Schulen ohne Rassismus“. In einer Zeit, da wir auf die Zeitzeugengeneration leider fast ganz verzichten müssen, sind wir aufgerufen, als Angehörige und Hinterbliebene wie auch als antifaschistische Mitstreiter der älteren Generation ihren Auftrag zu übernehmen. Bis auf Punkt 4 (die gezogene Kopie unseres Archivs wurde laut NRW-Datenschutzbeauftragte vernichtet; andererseits bemühte sich die Landesregierung immer wieder an vorderster Stelle um den Ausbau des Überwachungsstaates) müssen wir sämtliche Punkte erneut bekräftigen, da die bisherige Landesregierung sie unbeachtet gelassen hat bzw. ihnen zuwider handelte. Insbesondere der Einsatz von V-Leuten zur faktischen Absicherung der NPD wird von uns verurteilt. Wir hoffen, der neue Landtag wird dafür sorgen, dass NRW seinen Beitrag zum Verbot der NPD leistet.

Wir erwarten vom neuen Landtag Initiativen, um die Städte und Gemeinden in die Lage zu versetzen, ihre sozialen und bildungspolitischen Aufgaben zu erfüllen. Denn anders lassen sich Resignation der Bürgerinnen und Bürger und der wachsende Einfluss der Rechten kaum verhindern. Als größte und sehr traditionsreiche Organisation der NS-Verfolgten und Opfer des Faschismus hat die VVN-BdA sich stets für die Entschädigung der Opfer des Faschismus und für die Bestrafung der Täter eingesetzt. Wir werden es weiter tun. Wir hoffen dabei auf die Unterstützung des neuen Landtages. Deshalb waren wir erfreut, von einer nun dem Landtag angehörenden Abgeordneten anlässlich der Beisetzung unseres Ehrenvorsitzenden Josef Angenfort (ehem. Landtagsmitglied) zu hören: „Und wir werden nicht Ruhe geben, bis es auch ganz offiziell aus dem NRW-Landtag heißt: ‚Jung, wir haben dir Unrecht getan.’“

In Anspielung auf eine seiner Aussagen in der WDR-Dokumentation „Als der Staat rot sah – Justizopfer des Kalten Krieges“ sagte dies Frau Bärbel Beuermann (DieLinke NRW) in der Trauerrede für Josef „Jupp“ Angenfort. Er war 1951 der jüngste Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag und wurde 1954 trotz seiner Immunität, die er als Landtagsabgeordneter besaß, verhaftet und wegen seines Friedensengagements angeklagt und zu einer Zuchthausstraße von fünf Jahren und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Dass der Landtag von NRW sich nie für sein Mitglied Josef Angenfort eingesetzt hat, dass er nicht protestierte, als tausende Bürgerinnen und Bürger des Landes in der Zeit des Kalten Krieges zu Haftstrafen verurteilt wurden, als zahlreiche von ihnen mit Berufsverboten belegt wurden – all das gereicht dem Landtag nicht zur Ehren.

Nicht einmal eine Untersuchung leitete er ein, als ein Friedensaktivist, der 21jährige Arbeiter Philipp Müller, am 11. Mai 1952 in Essen bei einer Friedensdemonstration vor der Polizei getötet wurde. Der Landtag sollte sich dafür bei den politischen Opfern des Kalten Krieges und ihren Hinterbliebenen entschuldigen. Er sollte ferner eine Untersuchung zu dem Vorwurf einleiten, er habe in den ersten Legislaturperioden eine größere Anzahl von Nazis in seinen Reihen gehabt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir hoffen sehr, mit unseren Vorschlägen und Anregungen beim Landtag auf Zustimmung zu stoßen und wünschen uns Antworten von Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen Ulrike Düwel, Landessprecherin – Ulrich Sander, Landessprecher – Jochen Vogler, Landessprecher

Für den Landesausschuss der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten von Nordrhein-Westfalen (gegründet – bei Anwesenheit des damaligen Ministerpräsidenten von NRW – im Jahre 1946 durch die Vertreterinnen und Vertreter von 50.000 NS-Opfern und Überlebenden des Widerstandes)

Das Verordnete Schweigen

geschrieben von Berliner VVN-BdA e.V. in Kooperation mit Helle Panke e.V. Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin und der Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte

2. Juni 2010

Die Tagung hat das Ziel, an die Schicksale deutscher Emigranten und ihrer Familien zu erinnern, die von den 1930er bis zu den 1950er Jahren in der Sowjetunion Opfer staatlicher Repressalien geworden sind.

Erst seit den 1990er Jahren werden nach und nach Anzahl und Ausmaß der verfolgten deutschen Antifaschisten bekannt. Seit 1936 sind nach vorsichtigen Schätzungen zwischen 2.000 und 6.000 Deutsche, überwiegend Kommunisten, verhaftet, verbannt und erschossen worden oder verbrachten Jahre im GULAG und verloren dort ihr Leben. Während des Krieges befand sich die Mehrheit der deutschen Emigrantinnen und Emigranten in Straflagern, in der Arbeitsarmee und in Verbannungsorten.

Die Exilführung der KPD unterstützte das Vorgehen des NKWD gegen deutsche Politemigranten und war nur selten bereit oder in der Lage, ihren Genossen zu helfen. Erst Mitte der 1950er Jahre, vereinzelt noch später, kehrten die letzten repressierten Politemigranten nach Deutschland zurück. Die meisten entschieden sich, in der DDR zu leben. Sie wurden als „Verfolgte des Naziregimes“ anerkannt und erhielten die damit verbundenen sozialen Vergünstigungen. Zugleich wurden sie verpflichtet, über die in der Sowjetunion erlittenen Verfolgungen nicht zu sprechen. Die an ihnen verübten Verbrechen blieben unbenannt und ungesühnt. Das verordnete Schweigen konnte sich in den Familien fortsetzen oder machte die mitbetroffenen Kinder und Enkel zu stummen Mitwissern.

Programm: Freitag, der 18. Juni Robert-Havemann-Saal

Fernsehfeature „Wir Kommunistenkinder“ von Inga Wolfram in Anwesenheit der Regisseurin und von Mitwirkenden

In dem Film folgen fünf Kommunistenkinder den Spuren ihrer Eltern, die nach 1933 in die Sowjetunion flohen. „Die Last der Davongekommenen und die Scham einte die Generation unserer Väter in ihrem Schweigen“, sagt Inga Wolfram: „Uns Kommunistenkinder eint die Erfahrung des Schweigens der Eltern, aber auch die Nähe oder Distanz zu dem, was in der DDR politisch lief.“

Anschließend Gespräch mit Inga Wolfram, Ruth Santos geb. Remmele, Claus Bredel, Eugen Ruge,

Moderation: Hans Coppi

Sonnabend, 19. Juni Robert-Havemann-Saal

10:00 Uhr Inge Münz-Koenen „Die verschiedenen Arten des Schweigens“

11.00-12.30 Aus der Sicht der Rückkehrer

Carola Tischler: Die Sprache der Akten: Wie die SED das bezeichnete, was sie nicht benennen wollte Meinhard Stark: Erinnern, Schweigen und Erzählen Nachfragen und Diskussion Moderation: Oswald Schneidratus

12:30 – 13:30 Mittagspause

13:30 – 15:00 Aus der Sicht der Kinder

Gespräch mit: Inge und Alex Giesel, Ulla Plener, Heidi Speer und Andrej Reder Moderation: Anja Schindler

15 bis 15.30 Kaffeepause

15.30 bis 17.00 Uhr „Eigentlich fehlt ein würdiges Gedenken an unsere Angehörigen“ mit Hanna Tomkins, , Ines Koenen, Valeri Ripperger, Thomas Flierl

Moderation: Gerd Kaiser

17:00 Kaffeepause

17:20 – 19:00 „Gefangen in der Hungersteppe“

Film von Achim Engelberg und Achim Heinzel mit Überlebenden der KarLag (2008) unter Mitarbeit von Wladislaw Hedeler und Meinhard Stark (Autoren des Buches Das Grab in der Steppe: Karlag. Das Karagandinsker „Besserungsarbeitslager“ 1930-1959) in Anwesenheit des Filmteams/der Autoren

Fragen, über die wir reden möchten:

– Zu welchem Zeitpunkt, auf welchen Wegen und Umwegen, mit welchen Hindernissen kehrten die Emigranten zurück nach Deutschland?

– Wie fanden die Rückkehrer ihr vom Faschismus befreites Land vor? Wie gestaltete sich das Verhältnis zu den Landsleuten?

– Wie erklärt sich das positive Verhältnis zur Sowjetunion bei nahezu allen Zurückgekehrten?

– Welche Unterschiede gab es zwischen den Rückkehrern und ihren in der Sowjetunion aufgewachsenen Kindern, für die Deutschland ein fremdes, gar feindseliges Land war („Wir wollten keine Deutschen sein“)?

– Wie wurde die Schweigeverpflichtung erlebt, wie in den Familien reflektiert oder verdrängt? Welche Rolle spielten Freunde, Mitemigranten, politische Organisiertheit?

Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal 10405 Berlin, Greifswalder Str. 4 (Tram 4, Haltestelle Am Friedrichshain)

Eintritt: Freitag: 1,50 €, Sonnabend: 5,00 € (mit Versorgung)

Um Anmeldung unter info@helle-panke.de oder unter berlin@vvn-bda.org wird gebeten

Der letzte Überlebende der Jugendwiderstandsgruppe um Helmuth Hübener verstarb in USA

9. Mai 2010

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) trauert um ihren KameradenKarl-Heinz Schnibbe geb. am 5. Januar 1924 in Hamburg – gestorben am 9. Mai 2010 in Salt Lake City / USA

Er gehörte der vierköpfigen jugendlichen Widerstandsgruppe von Lehrlingen um Helmuth Hübener an, die in Hamburg 1941 und 1942 Aufklärungsarbeit gegen Krieg und Faschismus leistete, was den Nazis als „Vorbereitung zum Hochverrat“ galt. Mit der Weitergabe von Meldungen des britischen Rundfunks und mit Flugblattaktionen klärte sie die Bevölkerung in den Arbeitervierteln im Osten Hamburgs auf. Sie geriet in die Fänge der Gestapo, nachdem sie zum Jahresbeginn 1942, in einer Zeit, da der Krieg der Nazis noch „siegreich“ war, in einem Flugblatt erklärt hatte:

„Im Jahr einundvierzig wird alles gebrochen. So hatte der Führer dereinst keck gesprochen. Jetzt trägt der Soldat für den Irrtum die leiden, während Hitler verspricht: „Dies Jahr wird entscheiden!“ Es wird sich entscheiden, wenn alles sich ‚rührt’! Und dann hat auch Hitler sich auskalkuliert.“

In einem Prozess vor dem Volksgerichtshof in Berlin wurde Helmuth Hübener als jüngster Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt. Karl Heinz Schnibbe wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt und kam auch nach der Befreiung am 8. Mai nicht frei, sondern geriet unschuldig in amerikanische und sowjetische Kriegsgefangenschaft, obwohl er nicht mehr am Krieg teilgenommen hat.

Er wanderte nach USA aus, kehrte aber immer wieder nach Hamburg zurück, um in Veranstaltungen als Zeitzeuge gegen Krieg und Faschismus zu wirken. Auch in seiner neuen Heimat arbeitete er aufklärend unter der Jugend. Er wirkte dort an Jugendtheaterstücken, Filmen und Büchern mit. Noch im Januar war er zur Eröffnung der Ausstellung über den Hamburger Widerstand ins Rathaus in Hamburg eingeladen worden, konnte aber nicht mehr reisen. Er schrieb seinen Freundinnen und Freunden u.a.:

„Ich bin trotz allem Schmerz und trotz allen Leiden über die vielen Jahre hinweg immer noch sehr, sehr stolz darauf und unendlich dankbar dafür, dass wir dumme Bengels damals irgendwie den Mut fanden, gegen dies denkbar bösartigste Regime der Weltgeschichte mit unserer Flugblattaktion gewaltlos vorzugehen. Und dass wir überhaupt hinter die ganzen Lügen von damals dank der Hellsicht unseres Freundes Helmuth Hübener haben schauen können!

Auch wenn ich gewusst hätte, was dadurch auf mich zukommen würde, kann ich jetzt bezeugen, dass ich es gern wieder täte, wenn ich die Gelegenheit hätte, denn eine friedvolle und faire Gesellschaft basiert ja auf der Bereitschaft jedes Mitglieds dieser Gesellschaft, für das Gute ein Opfer zu bringen, nicht immer auf seinen eigenen kurzfristigen Vorteil zu achten. Ich rufe also sozusagen über den Ozean und über die Jahrgänge meinen Freunden, besonders meinen jungen, energischen Freunden in Hamburg und sonst wo zu: Seid auf der Hut und seid für die gute Sache tätig, aber immer gewaltlos, immer menschlich und mit viel Liebe, nie den Teufel mit Beelzebub austreiben wollen!“

Noch am Vorabend des Tages, da Karl-Heinz Schnibbe uns verließ, haben wir an ihn gedacht und in zwei Veranstaltungen in Hamburg die Botschaft der jungen Menschen aus Hammerbrook verbreitet, die sich auf keine Gnade der späten Geburt beriefen, sondern mutig ihren Weg gingen.

Wir haben mit Dankbarkeit festgestellt, dass erst vor einigen Monaten die Verwaltungsschule in Hamburg, die einst von Helmuth Hübener besucht wurde, eine ständige Ausstellung geschaffen hat, mit der Helmuth Hübener, Karl Heinz Schnibbe, Rudolf Wobbe und Gerhard Düwer ein Denkmal geschaffen wurde. Karl Heinz und seine Freunde bleiben in unserem Gedächtnis und wir wollen weiter über ihr Vorbild berichten, so mit der VVN-BdA-Edition „Bibliothek des Widerstandes“ (hier erschien „Jugendwiderstand im Krieg/Die Hübener-Gruppe“) und mit dem Besuch an den Stätten des Widerstandes (wie in der Verwaltungsschule Normannenweg 26 in Hamburg).

Wer nicht feiert, hat verloren!

geschrieben von Dr. Hans Coppi, Vorsitzender der Berliner VVN-BdA

7. Mai 2010

Eine Referendarin erhielt vor einigen Jahren bei einer Lehramtsprüfung ein ungenügend, weil sie den 8. Mai zu „einseitig“ als Tag der Befreiung dargestellt und damit den Schülern ihre Meinung „oktroyiert“, also aufgezwungen habe.

Nicht nur an dieser Fehlentscheidung zeigt sich, wie geschichtspolitisch umstritten der 8. Mai in seinen unterschiedlichen Zugängen als Tag der Befreiung, des Kriegsendes, der Kapitulation, der Stunde Null und anderen Zuschreibungen gedeutet wird.

Auch wenn ihn Richard von Weizsäcker vor 25 Jahren für die (West)Deutschen zum Tag der Befreiung geöffnet hat, blieb dieses verbale Bekenntnis ohne nachhaltige Folgen. Bis heute ist der 8. Mai in der Bundesrepublik, mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, kein offizieller Gedenktag. Versäumte Gelegenheiten gab es zur Genüge.

Als gesamtdeutscher Gedenktag hätte er ein erinnerungspolitisch bedeutsames Zeichen im sich vereinenden Deutschland und ein Signal der Versöhnung gegenüber der Sowjetunion und den anderen europäischen Völkern sein können. Stattdessen geriet der 8. Mai mehr und mehr zu einem „Volkstrauertag“ für deutsche Opfer von Krieg, Flucht, Vertreibung und Gewaltherrschaft. Dafür steht auch das von schwarz-gelb vehement vorangetriebene Projekt eines „Zentrums für Vertreibung“, die unselige Verquickung von deutscher Täter- und Opferschaft.

In vielen Ländern Europas ist der 8. bzw. 9. Mai ein Tag der Erinnerung und des Gedenkens an den mit Millionen Opfern errungenen Sieg über den Hitlerfaschismus. Jetzt zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Von der deutschen Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen fordert eine Entschließung des Europaparlaments vom April 2009 dazu auf, den 23. August 1939, der Tag der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes, als Gedenktag für die „Opfer aller totalitären und autoritären Regime“ zu begehen. Damit soll der Tag der Befreiung als Zeichen einer die Europäer verbindenden Identität entsorgt und die Geschichte des 20. Jahrhunderts in gleichsetzender Perspektive „totalitärer“ Bedrohungen von Kommunismus und Faschismus umgedeutet werden.

In großer Sorge protestieren Organisationen ehemaliger Widerstandskämpfer, Partisanen, Angehöriger der Antihitlerkoalition, Verfolgter des Naziregimes und Antifaschisten heutiger Generationen aus über zwanzig Ländern Europas und Israels dagegen, dass der Sowjetunion die gleiche Verantwortung an der Entfesselung des zweiten Weltkrieges wie Hitlerdeutschland zugewiesen wird.

Die Rote Armee und die Völker der Sowjetunion trugen im Bündnis mit den Alliierten den Hauptteil der zivilen und militärischen Anstrengungen zur Überwindung faschistischer Barbarei. Ihre millionenfachen Opfer bleiben unvergessen. Seit 1990 erinnern Mitglieder unseres Verbandes im Mai jeden Jahres gemeinsam mit vielen Menschen in vielfältigen Veranstaltungen an die Befreiung Berlins.

So auch heute Nachmittag am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow. Morgen findet dort ein Fest zum 65. Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus statt. Gemeinsam mit Russen, Weißrussen, Ukrainern, Berlinerinnen und Berlinern vieler Nationen, denn: Wer nicht feiert, hat verloren!

Was ist „Mainstream-Antifaschismus“?

geschrieben von Cornelia Kerth und Heinrich Fink (Vorsitzende der VVN-BdA)

6. Mai 2010

Wiederholt wurden wir gefragt, wie sich die VVN-BdA zu den Angriffen Werner Pirkers auf die VVN-BdA und einen ihrer Bundessprecher, Ulrich Sander, verhielt, die Pirker am 17./18. April 2010 unter der Überschrift „Geschichtsrevisionismus“ in der Tageszeitung „Junge Welt“ veröffentlichen durfte.

Hiermit legen wir die Kurzfassung (Leserbrief) und die Langfassung eines Briefes an die Redaktion vor, die von den Vorsitzenden der VVN-BdA, Cornelia Kerth und Prof. Heinrich Fink, an die Redaktion gerichtet wurden.

Leserbrief der VVN-BdA für „Junge Welt“

Entschieden weisen wir den Angriff Werner Pirkers (jw 17./18.4.10 „Schwarzer Kanal“) auf die VVN-BdA und ihren Bundessprecher Ulrich Sander zurück.

Werner Pirker will nicht diskutieren, er will diskreditieren. Dabei diskreditiert er die Junge Welt, die seine unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen, abenteuerlichen Phrasen und haltlosen Beleidigungen abdruckt. Er führt ausgerechnet gegen die VVN-BdA Begriffe wie „Geschichtsrevisionismus“ und „Mainstream-Antifaschismus“ ins Feld. Dieser ausgemachte Blödsinn erklärt sich wohl nur aus Pirkers extrem einseitigen und schematischen Positionen zum Palästina-Konflikt und aus seinem Bestreben, die Lösung der Nahost-Frage durch die Schaffung der zwei Staaten torpedieren zu helfen und die Existenz Israels in Frage zu stellen.

Der ausführliche Brief an die Redaktion JW

Entschieden weisen wir den verleumderischen Angriff Werner Pirkers (jw 17./18.4.10 „Schwarzer Kanal“) auf die VVN-BdA und ihren Bundessprecher Ulrich Sander zurück.

Sander erinnert in „Unsere Zeit“ und www.nrw.vvn-bda.de aus aktuellem Anlass (ökumenischer Gottesdienst beim Treffen des Kameradenkreises Gebirgsjäger e.V. bei Mittenwald) an ein „Katholisches Feldgesangbuch“ von 1939. Das Feldgesangbuch erschien mit Genehmigung des Katholischen Feldbischofs der Wehrmacht vom 24. August 1939, also eine Woche bevor der Katholik Hitler und die katholischen, evangelischen oder konfessionslosen Wehrmachtsgeneräle den Überfall auf Polen befahlen. Sander fordert die offizielle Distanzierung der katholischen Kirche von diesem Feldgesangbuch, in dem der Kriegstod für Adolf Hitler und das Vaterland mit dem „Osterglaube“ himmlisch verklärt wird. („An der Front ist mein Platz, und wenn es mir noch so schwer fällt. Falle ich dort, was macht das! Morgen läuten die Glocken das Auferstehungsfest ein – welch eine Hoffnung! Sterben müssen wir alle einmal, und einen Tod, der ehrenvoller wäre als der auf dem Schlachtfeld in treuer Pflichterfüllung, gibt es nicht.“)

Sander fragt, ob es nennenswerte Bestrebungen unter den Religionsgemeinschaften gibt, der menschenverachtenden These vom paradiesischen Kriegstod abzuschwören. „Das sei doch fürs christliche Abendland selbstverständlich? Ist es nicht.“ Schreibt Sander und zitiert dann das katholische Feldgesangbuch.

Und so ist die Antwort Pirkers: Der aktuelle Anlass für den Text von Sander und seine Forderung kommen bei Pirker nicht vor. Statt dessen: „Doch auch, wenn sein Einwand, dass die Ablehnung „kriegerischer und terroristischer Aktionen“ für das christliche Abendland eigentlich selbstverständlich sein müsste, polemisch gemeint ist …“ Was? Sein Einwand ist kein Einwand, sondern Polemik? Ob polemisch oder unpolemisch – dieser Einwand findet sich bei Sander nicht. Sander kommt überhaupt nicht auf die Idee, das „christliche Abendland“ als eine homogene und moralische Instanz aufzufassen. Im Gegenteil, er fragt tatsächlich polemisch diejenigen, die vom „christlichen Abendland“ als hehrem Hort der Moral reden oder die von den Medien verhetzten Ahnungslosen.

Es kommt bei Pirker noch schlimmer, denn der Satz geht so weiter: „… folgt er (Sander. …) letztlich doch dem westlichen Wertediskurs, der die Überlegenheit der abendländischen Moral voraussetzt.“ Hier hantiert Pirker mit den Wortgruppen „westlicher Wertediskurs“ und „abendländische Moral“ nicht polemisch, sondern er übernimmt sie unkritisch. Er geht einfach davon aus, als gebe es nur einen „westlichen Wertediskurs“ und nur eine „abendländische Moral“, die ihre Überlegenheit voraussetze – und diesem reaktionären Geschwätz folge „letztlich“ Ulrich Sander. Nicht „letztlich“, sondern direkt wüst ist Pirkers Auslassung und Angriff auf die Persönlichkeit Ulrich Sander.

Sander wendet sich auch gegen ähnlichen politischen Missbrauch der Religion in der islamischen Welt. Bei Pirker wird daraus: Sanders wirkliche Absicht liegt … darin,… den „islamischen Terror“ als eine mit dem mörderischen Nihilismus des deutschen Faschismus und seiner katholischen Verklärung vergleichbare Erscheinung darzustellen… Dem VVN-Sprecher Sander erscheint die Bekämpfung des militanten Islam, auch „Islamofaschismus“ genannt, folgerichtig als antifaschistisches Anliegen. Im Grunde handelt es sich hier um einen Fall von Geschichtsrevisionismus.“

Bei Sander kommen „islamischer Terror“ und „Islamofaschismus“ überhaupt nicht vor. Und Sander stellt selbstverständlich nicht hier und nirgends etwas als vergleichbare Erscheinung mit dem deutschen Faschismus hin. Den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus ausgerechnet der Persönlichkeit Ulrich Sander und indirekt auch unserem Verband zu machen, ist eine Unverfrorenheit sondergleichen – uns, die wir dem Vermächtnis der Opfer des Faschismus, den Lehren des antifaschistischen Widerstandskampfes im Denken, Fühlen und Handeln, der Aufklärung besonders über den deutschen Faschismus verbunden sind und also stets gegen geschichtsrevisionistische Auffassungen kämpfen.

Pirker höhnt und schreibt, es sei ein besonderes „antifaschistisches“ Kunststück, von Kriegstreibern zu schreiben und nicht die Betreiber der amerikanischen und israelischen Gewaltpolitik zu meinen. Woher will Herr Pirker wissen, was Ulrich Sander nicht meint? Warum diese infame Unterstellung, er habe keine moralisch und politisch klare Haltung zur Politik der Herrschenden der USA und Israels? In der jw vom 17./18.4. sagt Pirker kein Wort zu seinem Motiv. Aber Werner Pirker faselt davon, dass der Staat Israel im „Klassenkampf“ verschwinden könne und wünscht sich ein Palästina mit zwei Völkern. Er griff bereits 2002 in einer Wiener Publikation Ulrich Sander deshalb an, weil der selbstverständlich nicht auf die abenteuerliche, ja tödliche Idee käme, den Staat Israel abzuschaffen, statt gegen die verhängnisvolle Politik der Herrschenden Israels gegenüber den Palästinensern gemeinsam mit allen progressiven Menschen zu wirken. Und nun Pirker in der jw: „… Ulrich Sander – ganz im Ungeist des Mainstream- Antifaschismus…“ Pirker endet bei der offenen Diffamierung des wirklichen Antifaschismus.

Werner Pirker will nicht diskutieren, er will diskreditieren. Dabei diskreditiert er sich selbst auf peinliche Weise: unbewiesene und unbeweisbare Behauptungen, statt sachliche Analyse; scheinlinke abenteuerliche Phrasen, statt realistischer Antifaschismus.

Cornelia Kerth und Heinrich Fink (Vorsitzende der VVN-BdA)

30.04.10

5000 Statements – 5 Gedanken und ein Dankeschön

geschrieben von Michael Landmann, Kampagnengruppe

13. April 2010

Die VVN-BdA hat ihr Kampagnenziel – 5000 Stellungnahmen für das NPD-Verbot zu sammeln – vorzeitig erreicht.

1. Der polnische Schriftsteller und Historiker Aleksander Swietochowski (1849-1938) schrieb: „Der kleine Mut kämpft gegen die böse Absicht, der große Mut gegen vollzogene Tatsachen, mit denen sich die Mehrheit abgefunden hat.“ 5000 Bürger unseres Landes haben couragiert ihre ablehnende Meinung zu einer wesentlich steuerfinanzierten und Verfassungsschutz-geschützen Partei, deren neofaschistischer Ideologie und deren gewaltbereiten Handlangern geäußert, zu einer Partei, die Nichts aus der Geschichte gelernt hat, zu einer Partei, die Andere schon wieder für normal und demokratisch legitimiert halten. – Diese 5000 Statements sind ein Erfolg, unser Erfolg.

2. Im Jahr 2007 hatten mehr als 175.000 Menschen mit ihrer Unterschrift unter unseren Brief die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aufgefordert, sich für ein Verbot der NPD einzusetzen. Jetzt liegen 5000 persönliche Erklärungen vor, die deutlich machen: Dieses Land hat wirklich vieles nötiger als eine Partei, die es – dem Potsdamer Abkommen folgend – gar nicht geben dürfte – vor allem gesellschaftliche Verhältnisse, die neofaschistischen, rassistischen, antisemitischen und ausländerfeindlichen Gedanken keinen Nährboden bietet. Jede dieser Erklärungen erforderte eigenes Nachdenken und den Mut, sich öffentlich zu seinen Auffassungen zu bekennen. Diese 5000 Statements sind auch deshalb ein Erfolg, unser Erfolg.

3. Die Botschaft der Überlebenden der faschistischen Barbarei „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“ ist noch immer nicht eingelöst. Krieg ist nach Europa zurückgekehrt, Neofaschismus und Rechtsextremismus bedrohen die Demokratie. Deshalb ist das 5000-fache NEIN zur NPD auch ein würdiger Beitrag zum 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Es erinnert an diese Botschaft und mahnt ihre Realisierung an. Dieses 5000-fache NEIN zur NPD ist auch ein 5000-facher EINSPRUCH gegen die Neuinterpretation von Geschichte, und das ist ein Erfolg, unser Erfolg.

4. 5000 Statements – das sind 5000 Denkanstöße für die etablierte Politik. Die sollte ihren immer wieder wohlgesetzten Worten endlich Taten folgen lassen, Verfahrenshindernisse beseitigen und ein Verbot der verfassungsfeindlichen NPD auf den Weg bringen. Legen wir den Innenministern in Bund und Ländern, den Fraktionen in den Parlamenten unsere guten und gewichtigen Argumente auf den Tisch. Zwingen wir sie, sich immer wieder mit dem Thema zu befassen. Auch das wäre ein Erfolg, unser Erfolg.

5. 5000 Meinungen machen auch Hoffnung: „Solange sich Menschen noch erregen können, ist nichts verloren“ (Klaus Frühauf, Autor). Und auch das ist ein Erfolg, unser Erfolg.

Danke. Dank an alle, die das aufklärende Gespräch mit ihren Mitmenschen gesucht haben, den Gedankenaustausch über die Gefahren neofaschistischer Entwicklungen in diesem Land und deren Träger. Dank an den Webmaster und die Moderatoren in den Landesorganisationen. Dank an alle, die der Kampagne mit ihren Ideen und Initiativen zum Erfolg verholfen haben, unserem Erfolg.

Wir trauern um Josef „Jupp“ Angenfort

16. März 2010

Wir haben einen guten, mutigen Menschen verloren. Von der katholischen Jugend zum Nationalkomitee Freies Deutschland, vom Lehrer an der Antifaschule zum FDJler, Gewerkschafter und Kommunisten, vom Landtag in Düsseldorf in den fünf Jahre währenden Adenauer-Knast und dann zum linken Aktivisten und unermüdlichen antifaschistischen Mahner.

So bleibt er uns in Erinnerung.

Wir wollen sein Vermächtnis erfüllen: „Nach der Selbstbefreiung im April 1945 erhoben die befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald auf dem Appellplatz die Hand zum Schwur: Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Aber der Nazismus wurde nicht mit seinen Wurzeln ausgerottet. Hitlers Schatten und die Macht eines neuen Militarismus verdunkeln unsere Gegenwart und Zukunft, wenn wir nicht auch diesen Satz des Schwurs von Buchenwald beherzigen: Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht.

Und wenn die Mörder nicht mehr leben, dann gilt es, die gesellschaftlichen Zustände anzuklagen, die Reaktion und Krieg immer wieder gebären. Das sind wir den Opfern des Faschismus schuldig. Das sind wir aber auch unseren Kindern und Enkelkindern schuldig, denen wir eine friedliche freundliche Welt bereiten wollen.“ (Jupp Angenfort zum 60. Gründungstag der VVN in Nordrhein-Westfalen)

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Cornelia Kerth und Prof. Heinrich Fink
für den Bundesausschuss der VVN-BdA

Jochen Vogler, Traute Sander, Ulrich Sander
für den Landesausschuss der VVN-BdA NRW

Jürgen Schuh
für die Kreisvereinigung Düsseldorf der VVN-BdA

Die Trauerfeier findet statt am Dienstag, dem 30. März 2010, 12.00 Uhr, Kapelle des Stoffeler Friedhofs, Düsseldorf-Oberbilk, Bittweg 60 (Nähe Uni-Kliniken).

Im Sinne des Verstorbenen wird gebeten, auf Blumen- und Kranzspenden zu verzichten und stattdessen, Spenden auf das Konto der VVN-BdA-NRW, Stichwort Jupp, zu überweisen. Konto Nr. 282 12- 435 bei der Postbank Essen BLZ 360 100 43

Einspruch!

8. März 2010

Das vergangene Jahr der „historischen Jahrestage“ hat es gezeigt: Aus dem Kalten Krieg stammende Thesen wie „rot = braun“ und „Sozialismus = Faschismus = Diktatur“ sind wieder salonfähig und bestimmen die staatliche Geschichts- und Gedenkpolitik.

Sie werden bewusst und mit politischem Kalkül propagiert, denn die Deutung der Geschichte zielt auf die Gegenwart.

Als antifaschistische Organisation, die Überlebende des NS-Regimes und AntifaschistInnen nachfolgender Generationen vereint, setzen wir diesem Versuch der Geschichtsrevision unsere Positionen und Erfahrungen entgegen.

Mit namhaften Wissenschaftlern und Antifaschisten wollen wir den „antitotalitäre“ Diskurs in Europa, das Verhältnis von Ursachen und Wirkungen des 2. Weltkrieges, die offenen Fragen der Entschädigung der Opfer der Wehrmacht und die Entwicklung der Gedenkpolitik diskutieren.

Wir wollen mit der Konferenz ein „Ereignis“ schaffen, das öffentliche Aufmerksamkeit über den üblichen Rahmen hinaus findet.

Die Bundeshauptstadt als Ort der politischen Entscheidung und der Termin zwischen den Feierlichkeiten zur Befreiung der Lager und dem 65. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg sollen dazu beitragen.

… am 24. April 2010:

mit Esther, Edna und Joram Bejarano und der Microphone Mafia

Dresden 2010 – Die Staatsanwaltschaft tritt nach

24. Februar 2010

Staatsanwaltschaft, Politologen und die sächsische Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG im DBB) spielen Neonazis in die Hände

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ist empört, dass die Staatsanwaltschaft Dresden weiterhin gegen die Blockierer ermittelt, die am 13. Februar 2010 den Aufmarsch von Tausenden Neonazis in Dresden verhindert haben. Schon im Vorfeld versuchte sie, durch Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme von Plakaten und Blockadeaufrufen engagierte Bürger zu kriminalisieren und davon abzuhalten, sich den Neonazis entgegenzustellen.

Um die Ermittlung der Dresdener Staatsanwaltschaft zu erleichtern sei gesagt, dass auch unsere Vereinigung sich aktiv an der Vorbereitung, Bewerbung und Durchführung der Blockaden beteiligt hat und dies auch erneut tun wird. In der VVN-BdA sind inzwischen hoch betagte Überlebende des Holocaust, von Verfolgung und Widerstand, deutsche Antifaschisten, die in den Armeen der Antihitlerkoalition gekämpft haben und jüngere Antifaschisten organisiert. Unsere Adresse ist im Telefonbuch und unser Blockadeaufruf auf unserer Internet-Seite zu finden.

Es war ein großer Erfolg für die Demokratie, dass durch friedliche Blockaden, also gemeinsamen zivilen Ungehorsam, erstmals verhindert wurde, dass Neonazis aus Deutschland und anderen Ländern durch Dresden marschieren konnten. Dies war sogar von Vertretern der Polizei am 13. Februar in Dresden zu hören.

Auch die ideologisch hoch aufgeladenen Stellungnahmen von „Extremismusexperten“ wie dem Chemnitzer Politologen Eckhard Jesse, der in Dresden „eine Niederlage für den Rechtsstaat“ herbeireden will, gehen an den Realitäten des 13. Februar 2010 in Dresden völlig vorbei. Hier wird gegenüber Jungen und Älteren, Frauen und Männern aus allen Schichten der Gesellschaft, darunter zahlreiche Landtags- und Bundestagsabgeordnete der SPD, der LINKEN und Grünen nachgetreten.

Das Datum der Bombardierung Dresdens ist als „Bombenholocaust“ seit Jahren durch die NPD und der gesamten Neonazi-Szene in geschichtsverdrehender und den Holocaust relativierender Weise instrumentalisiert worden, um ihre verbrecherische Ideologie ungehindert auf die Straße zu tragen. Für die erfreuliche Aufmarschschlappe in Dresden revanchierten sich die Neonazis in Berlin mit anonymen Morddrohungen gegen Bürger und Politiker, die sich gegen den Neonaziaufmarsch engagiert hatten. Dass sich also in Dresden zwei „Extreme“ verabredet hätten, um den Rechtstaat zu unterminieren, wie die oben Genannten in raschen Stellungnahmen zu suggerieren versuchten, ist gefährlicher Unsinn. In Dresden haben viele tausend Bürger und Bürgerinnen bewiesen, dass sie aus der verbrecherischen deutschen Geschichte gelernt haben. Sie wissen, dass es notwendig ist, sich den Feinden der Demokratie gemeinsam in den Weg zu stellen und Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsverfälschung eine entschlossene Absage zu erteilen.

Die kleine sächsische Deutsche Polizeigewerkschaft (DPoIG im Deutschen Beamtenbund) jedoch konstatiert im Gleichschritt mit der Staatsanwaltschaft bei den am 13.Februar an den Blockaden Beteiligten Rechtsbrüche und Ordnungswidrigkeiten und bangt um den Rechtsstaat. Statt einer Demonstranten- und Blockadenschelte sollte sich die DPolG, wie andere Gewerkschaften auch, z.B. die Gewerkschaft der Polizei im DGB, für ein Verbot der NPD, einer verfassungsfeindlichen Partei, einsetzen.

Wir fordern die Dresdener Staatsanwaltschaft auf, sofort alle Ermittlungen gegen Neonazigegner einzustellen. Sie läuft damit auch Gefahr, sich damit in eine Reihe mit den Einschüchterungsversuchen der Neonazis zu stellen.

No Pasaran! Sie werden nicht durchkommen!

geschrieben von Heinrich Fink

19. Januar 2010

„Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Anwesende,ich bin zutiefst empört über die Razzien der Polizei, die heute in Dresden und Berlin durchgeführt wurden. Den Betroffenen gehört meine volle Solidarität!

Es ist unerträglich, dass die deutsche Polizei ausgerechnet gegen diejenigen vorgeht, die zu Protesten gegen den größten Naziaufmarsch der Bundesrepublik am 13. Februar in Dresden aufrufen. Auch ich unterstütze die geplanten Proteste. Genauso wie viele alte Antifaschistinnen und Antifaschisten, die sich in Dresden – übrigens komme was wolle – an den Massenblockaden beteiligen werden.

Die Verantwortlichen für die Razzien samt ihrer Polizei sollten vor Scham im Boden versinken. Sie haben heute ein Bündnis von Nazigegnern kriminalisiert, dass von Autonomen Antifas über Gerwerkschaften bis hin zur SPD reicht. Lasst mich deutlich sagen: Die Nazis werden wissen, was sie an ihrer Polizei haben.

Sie sollten sich jedoch gewiss sein: Aller Repression und allen Kriminalisierungsversuchen seitens Justiz, Polizei und Politik zum Trotz, werden wir überall dort auf der Straße stehen und sitzen, wo Neofaschisten aufmarschieren wollen. Die Blockade von Naziaufmärschen ist nicht nur unser Recht, sondern unsere Pflicht!

Setzen wir unsere so dringend notwendige antifaschistische Arbeit in diesem Sinne fort!

No Pasaran! Sie werden nicht durchkommen!“

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