Eindrucksvolles Jugendtreffen in der Gedenkstätte Auschwitz

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider

14. Mai 2012

Der Beweis der Lebendigkeit der antifaschistischen Idee und die Gemeinsamkeit der Generationen im historischen Erinnern und Handeln gegen Rassismus, Intoleranz und extreme Rechte heute waren die wichtigsten Botschaften des Internationalen Jugendtreffens von der vergangenen Woche in der Gedenkstätte Auschwitz.

Anlässlich des Tages der Befreiung vom Faschismus und Krieg waren gut 1000 europäische Jugendliche und Veteranen des antifaschistischen Kampfes in Polen zusammengekommen, um sich der Geschichte und der Verantwortung für heute zu stellen. Getragen von einer gemeinsamen Initiative des belgischen „Institute des Vétérans“, der Auschwitz-Stiftung und der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten kamen Teilnehmende aus Belgien und Russland, aus Portugal und den Niederlanden, aus Deutschland und Ungarn sowie verschiedenen anderen europäischen Staaten zusammen.

Den Kern bildete ein gemeinsamer „Zug der Erinnerung“ von Brüssel nach Krakow, der hervorragend vom „Institute des Vétérans“ organisiert worden war. Schon während dieser Fahrt kam es zu zahlreichen Begegnungen und Gesprächen, die sich bei dem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz und der Besichtigung Krakows fortsetzten.

In einer gemeinsamen eindrucksvollen Zeremonie legten die Teilnehmenden aus den verschiedenen Ländern am 8. Mai 2012 an dem internationalen Gedenkstein in Auschwitz – Birkenau Blumen nieder. Zuvor hatten der belgische Premierminister Elio di Rupo, der ungarische Präsident der FIR Vilmos Hanti und der Vorsitzende der Auschwitz-Stiftung Baron Paul Halter in kurzen Ansprachen die historische und politische Bedeutung dieses Treffens unterstrichen.

Vilmos Hanti erinnerte an die Befreiung des Lagers durch die sowjetische Armee und mahnte: „Es ist notwendig, wahrheitsgemäß diejenigen Kräfte zu benennen, die den Faschismus an die Macht gebracht haben. Außerdem sollten wir, neben denjenigen, die das Leben von vielen Menschen retteten, auch an den Heldenmut jenen erinnern, die der faschistischen Barbarei widerstanden. Und vergesst nicht, dass der Kampf gegen Faschismus siegreich war, weil Menschen ganz unterschiedlicher Überzeugung gemeinsam handelten.“

Elio di Rupo überbrachte die Grüße des belgischen Königs, der die Schirmherrschaft über dieses Treffen übernommen hatte. Nachdem di Rupo zuvor gemeinsam mit dem Auschwitz-Überlebenden Paul Halter und einigen Teilnehmenden des Jugendtreffens die Gedenkstätte besucht hatte, wiederholte er in seiner Ansprache das berühmte Zitat von Martin Niemöller „Zuerst holten die Nazis die Kommunisten, ich schwieg, weil ich kein Kommunist war …“, und forderte die Jugendlichen auf, sich jederzeit und überall gegen Fanatismus und Unrecht einzusetzen. Es sei unannehmbar, dass Menschen in Angst leben müssten wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Glaubenszugehörigkeit oder ihres Andersseins.

Dieses Treffen hinterließ bei allen Teilnehmenden, den Jugendlichen und ihren Betreuern, die oftmals zum ersten Mal in Auschwitz waren, sowie den Veteranen, einen sehr starken Eindruck. Und man versicherte sich gegenseitig, dieser Verpflichtung auch im Alltag nachzukommen.

Internationales Jugendtreffen in der Gedenkstätte Auschwitz

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider

3. Mai 2012

An diesem Wochenende starten 1000 europäische Jugendliche aus allen Teilen Europas zu einem Internationalen Jugendtreffen in der Gedenkstätte Auschwitz.

Sie kommen von Portugal und Russland, aus den Niederlanden und Ungarn, aus Italien und Deutschland. Den Kern bildet aber eine Gruppe von gut 700 jungen Menschen, die von Brüssel aus mit einem „Zug der Erinnerung“ nach Polen fahren.

Mit ihnen reisen Überlebende des Lagers und anderer faschistischer Haftstätten, sowie Veteranen des antifaschistischen Kampfes, die als Zeitzeugen die Jugendlichen begleiten. Damit bekommen die Jugendlichen die Möglichkeit, diesen Ort der faschistischen Verbrechen zusammen mit Überlebenden und Augenzeugen zu besuchen und etwas über den Völkermord der Nazis zu erfahren. Gleichzeitig soll diese Aktion von Jugendlichen aus vielen Teilen Europas den friedlichen Austausch und die Begegnung mit Gleichaltrigen im Sinne des Gedenkens ermöglichen.

Organisiert wird diese bedeutende Gedenkaktion von der Auschwitz Stiftung, dem „Institut des Veteranen“ und der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten. Das Treffen selber steht unter der Schirmherrschaft des belgischen Königs.

Ein emotionaler Höhepunkt des Jugendtreffens wird sicherlich die gemeinsame Gedenkveranstaltung am 8. Mai 2012, um – in der Gesellschaft der letzten Überlebenden der Lager – der Befreiung vom deutschen Faschismus und des Siegs der Demokratie zu gedenken. Am Internationalen Mahnmal in Auschwitz Birkenau werden der belgische Premierminister Elio Di Rupo und der Präsident der FIR Vilmos Hanti sprechen. Ein Versprechen der heutigen Generationen an die Zeitzeugengeneration wird diese Veranstaltung abschließen.

Bildungsprogramm der VVN-BdA

geschrieben von Thomas Willms

4. April 2012

Die Bundesvereinigung plant für 2012 6 Bildungsveranstaltungen für Mitglieder und Freunde der VVN-BdA. Bereits im April und Mai stehen Seminare für „Einsteigerinnen und Einsteiger“ an. Ziel der Veranstaltungen ist es, den Teilnehmenden Grundzüge der Politik der VVN-BdA zu vermitteln, insbesondere unsere historischen Wurzeln.

Kurze Übersicht über das Gesamtprogramm:

20.-22. April: Einstiegsseminar in Roes (bei Trais-Karden)

18.-20. Mai: Einstiegsseminar in Heilbronn

8.-10. Juni: Seminar „Neofaschismus in Deutschland“ in Buchholz/Nordheide

8.-14. Juli: Gedenkstättenfahrt nach Lublin/Majdanek/Belzec

3.-5. August: Geschichtsseminar „Antifaschistischer Widerstand in Europa“ in Buchholz/Nordheide

7.-9. Dezember: Einstiegsseminar in Buchholz/Nordheide

Weitere Informationen und Anmeldebogen auf anhängendem Flyer.

20120405_1_w_flyer_bildungsprogramm_2012.pdf (1701 KB)

Was wollte und was tat die Gründungsgeneration der VVN?

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider

19. März 2012

Mir ist die Aufgabe zuteil geworden, darüber zu berichten, was die Gründungsgeneration der VVN wollte und tat. Ich könnte es mir einfach machen und die Einladung hochhalten und auf das Plakat verweisen, denn dort ist die Kernaussage verzeichnet, die seit der Rückkehr der Antifaschisten aus den Haftstätten und Konzentrationslagern, aus dem Exil, der Illegalität oder der inneren Emigration ihre gemeinsame Losung, ihre gemeinsame Richtschnur gewesen ist: „Kampf gegen Krieg und Faschismus“.

Aber ich möchte meinen Beitrag mit einem Dank der Nachgeborenen an die Frauen und Männer der Gründungsgeneration beginnen, für das, was diese damals und für uns heute geleistet haben.

So warteten die heimgekehrten Antifaschisten nicht ab, sondern übernahmen unmittelbar Verantwortung für den Wiederaufbau und einen antifaschistisch – demokratischen Neubeginn. Sie reorganisierten im Auftrag der alliierten Besatzungsoffiziere das politische und gesellschaftliche Leben. Sie wurden Bürgermeister, Polizeichefs, Schul- und Sozialdezernenten oder – wie der ehemalige Dachau-Häftling Oskar Müller – Arbeitsminister in der ersten hessischen Landesregierung.

Sie schufen in allen vier Besatzungszonen überparteiliche antifaschistische Komitees, teilweise antifaschistisch-demokratische Allparteien – Koalitionen. Doch selbst solche Organisationen durften nur auf lokaler oder regionaler Ebene entstehen und mussten durch die Alliierten lizenziert werden. Als erste Organisation wurde am 26. Juni 1945 in Stuttgart die „Vereinigung der politischen Gefangenen und Verfolgten des Nazi-Systems“ zugelassen, im September folgte in Hamburg das „Komitee ehemaliger politischer Gefangener“ und in Kassel der „Bund ehemaliger politischer Gefangener“.

Parallel dazu entwickelten die Antifaschisten – trotz aller Schwierigkeiten der Reisemöglichkeiten und der eingeschränkten Kontaktaufnahme – ein (wie man es heute nennt) Netzwerk, das besonders über die „Betreuungsstellen für politisch, rassisch und religiös Verfolgte“ oder die OdF – Ausschüsse verbunden war. An der Spitze dieser Betreuungsstellen standen in der Regel vertrauenswürdige Kameradinnen und Kameraden – und da ich hier in Frankfurt spreche, möchte ich in diesem Rahmen unsere Kameradin Lore Wolf und den Organisator des militärischen Widerstands im KZ Buchenwald Otto Roth besonders erwähnen.

Mit ihrer Arbeit verbanden diese Antifaschisten nicht nur die Sicherung von Entschädigung und Bereitstellung einer Sozialversorgung. Sie verstanden diese Arbeit immer politisch für die Durchsetzung der antifaschistischen Perspektiven, wie sie im Schwur von Buchenwald u.a. formuliert wurden.

Die Notwendigkeit einer selbstständigen politischen Organisation der Widerstandskämpfer und Verfolgten ergab sich jedoch schon recht bald aus zwei unterschiedlichen Gründen:

Zum einen wurden die Betreuungsstellen und Ausschüsse in Behörden umgewandelt, sie hatten damit zwar eine staatliche Funktion, jedoch keine politische Selbstständigkeit mehr. Zweitens veränderte sich das gesamte politische Klima, die Ost-West-Konfrontation wurde immer sichtbarer und das politische Gewicht der Stimme der Antifaschisten schien abzunehmen. So verstärkte man die Bemühungen, eine überregionale Organisation der Antifaschisten zu entwickeln.

Im März 1946 traf sich die erste Landeskonferenz der politisch Verfolgten Württemberg-Badens. Im August 1946 trafen sich in Hanau Vertreter aus Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Stuttgart und Frankfurt. Dort formulierte man als programmatische Grundsätze: „Über alle Schichten, Konfessionen und Rassen und Parteien hinweg schließen sich die Kämpfer gegen den Nazismus und die vom Nazi-Regime Verfolgten zu einer überparteilichen Organisation zur Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) zusammen“. Dieser Name wurde – wie Emil Carlebach vor einigen Jahren in einem Interview berichtet – mit Rücksicht auf die Westalliierten gewählt.

Am 26.10.1946 konstituierte sich die VVN Nordrhein-Westfalen, im Februar 1947 folgten die VVN Pfalz, die VVN Hamburg, die VVN Hessen und am 22./23.02.1947 die Gründungsversammlung der VVN für die gesamte sowjetische Zone.

Wichtig ist für uns heute, dass damals Leitungsgremien gewählt wurden, die die gesamte Bandbreite des politischen Spektrums der antifaschistisch-demokratischen Organisationen und alle relevanten Opfergruppen faschistischer Verfolgung umfasste. In Nordrhein-Westfalen setzte sich beispielsweise der erste gewählte „kleine“ Vorstand im Oktober 1946 aus zwei Vertretern der KPD, zwei Vertretern der SPD und je einem Vertreter für die CDU, das Zentrum, die FDP und die jüdische Gemeinde zusammen. Eine Sozialdemokratin als „Vertreterin der Frauen“ komplettierte das Gremium. Im „erweiterten Vorstand“ waren auch die evangelische und katholische Kirche sowie die Bibelforscher vertreten. Im Zentralvorstand für die SBZ arbeiteten neben dem Vorsitzenden Ottomar Geschke der evangelische Probst Heinrich Grüber und der ehemalige Pfarrer der Haftanstalt Tegel Harald Poelchau. Stellvertretender Vorsitzender der Berliner VVN wurde Heinz Galinski, der spätere Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Hiermit zeigten die Frauen und Männer der Gründungsgeneration, welche politische und gesellschaftliche Breite der Antifaschismus haben sollte. Diese Erfahrung gilt es auch heute zu bewahren.

Das gesellschaftliche Wirken der VVN war stark durch die Haltung der jeweiligen Besatzungsmächte beeinflusst. Während in der SBZ die Besatzungsoffiziere prinzipiell das Anliegen der Nazigegner und ehemaligen Verfolgten unterstützte, entwickelten sich in den Westzonen verschiedene Konflikte. Ich nenne dazu nur drei Bereiche:

• Die Auseinandersetzung um Entnazifizierung, um „Persilscheine“ und die Renazifizierung durch Wiedereingliederung belasteter „Spezialisten“ • Der Kampf um eine angemessene Entschädigung bzw. Wiedergutmachung gegen die Verschleppung der Ansprüche und – schlimmer noch – der Diffamierung als „Privilegien der KZler“ • Und auch die ersten Auseinandersetzungen um das politisches Gedenken, was mit dem 2. Sonntag im September symbolisiert wurde, im Gegensatz zu einer abstrakten Trauer um die Kriegsopfer allgemein, worunter auch die Wehrmacht verstanden werden konnte.

Solche Auseinandersetzungen führten dazu, dass die VVN mehrfach in sehr deutlichen Worten und mit massiven Aktionen die Interessen der Verfolgten und Antifaschisten zu Gehör bringen musste. Und dies führte dazu, dass die VVN in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges einbezogen wurde.

Im Westen erlebte die VVN die Folgen des Unvereinbarkeitsbeschlusses der SPD, wie auch die Trennung von eher CDU orientierten Kräften. Diese gründeten mit der AVS, dem Verband für Freiheit und Menschenrecht und später einem BVN eigene Gruppierungen. Zwar erreichte diese Organisation zu keinem Zeitpunkt tatsächliche politische Bedeutung oder eine größere Mitgliederzahl, für die Politik im Westen jedoch war damit die Stigmatisierung der VVN als kommunistische Tarnorganisation gegeben.

Die Folgen waren: • Politische Ausgrenzung und polizeilich Eingriffe in die Handlungsfähigkeit der Organisation (so exekutierte Hessen alle Vorgaben der Adenauer – Administration gegen den Gesamtdeutschen Rat der VVN, der seinen Sitz hier in Frankfurt hatte). • Gegen einzelne Landesvereinigungen wurden im Jahr 1951 Verbotsanträge gestellt: Gegen die VVN Rheinland-Pfalz am 28. April, gegen die VVN Niedersachsen am 27. Juli und gegen die VVN Hamburg am 1. August. Auch Bayern versuchte die VVN zu verbieten. Das juristische Verfahren gegen die VVN Niedersachsen wurde im April 1954 eingestellt; das Verwaltungsgericht in Regensburg stellte im Mai 1955 fest, dass die VVN Bayern weder verfassungsfeindlich noch verboten sei. • Selbst öffentliches Gedenken wurde durch Staatshandeln behindert (z.B. Verbot von Gedenkkundgebungen in verschiedenen Teilen der BRD, in meinem heutigen Wohnort Kassel untersagte die Politik in den 50er Jahren sogar der VVN die ehrende Teilnahme bei der Einweihung des Mahnmals für die Opfer des Faschismus, was später durch Gerichtsentscheid als rechtswidrig erklärt wurde.

Als Nachgeborene möchte ich auch an dieser Stelle der Gründungsgeneration danken, dass sie sich durch diese politische Verfolgung nicht hat abbringen lassen in der Arbeit für ihre politischen Ziele: – gegen Remilitarisierung und für den Stockholmer Appell – für eine gesamtdeutsche Friedensregelung und „Gegen den Atomtod“ – gegen Renazifizierung und Rehabilitierung von Nazi – Verbrechern und die Verjährung ihrer Verbrechen – für die Schaffung eines Bundesentschädigungsgesetzes, selbst wenn dieses dann mit dem berüchtigten Artikel 6 zu einer juristischen Keule gegen Kommunisten und andere Antifaschisten wurde.

Und die VVN bemühte sich, ihre bündnispolitische Breite zu erhalten. So betonte unser langjähriger Präsident Dr. Marcel Frenkel auf dem Münchener Bundeskongress 1957: „Die VVN ist eine demokratische, überparteiliche Organisation. Sie ist und kann an keine Partei gebunden sein.“ Weiter hob er hervor: „Keinem Mitglied der Organisation kann es versagt sein, seine Meinung zu äußern. Aber ebenso deutlich sei gesagt, dass die VVN sich an eine Weltanschauung oder ein Bekenntnis nicht binden kann und wird.“

Durch diese tatsächliche Bündnisbreite und die große internationale Solidarität gelang es letztlich, auch den schärfsten Angriff auf die Organisation, den Verbotsprozess 1962, zu überstehen, nachdem Innenminister Schröder am 20. Oktober 1959 einen Antrag auf „Feststellung der Verfassungswidrigkeit“ der VVN beim Bundesverwaltungsgericht gestellt hatte. Die Entlarvung des Vorsitzenden Richters Werner als überzeugter Nazi-Jurist durch unseren Kameraden August Baumgarte war nur der äußere Anlass. Die politische Solidarität aus dem In- und Ausland war der eigentliche Grund, dass die Bundesregierung ihr Vorhaben, die Vereinigung der Widerstandskämpfer und Verfolgten zu verbieten, aufgeben musste.

Und das Ansehen unserer Organisation, gegründet von Frauen und Männern aus dem Widerstand, von Überlebenden der faschistischen Verfolgung, wuchs in den folgenden Jahren. Diese Nazigegner wurden anerkannte Gesprächspartner und „politische Lehrer“ für eine junge Generation, die Mitte der 60er Jahre kritische Fragen an die Vergangenheit zu stellen begann, die „unter den Talaren den Muff von 1000 Jahren“ entdeckte, die sich gemeinsam mit VVN – Mitgliedern gegen den Vietnamkrieg und den Vormarsch der neugegründeten NPD engagierte.

Und es waren die Gründungsmütter und -väter die verstanden, dass man in dieser Organisation einen Platz schaffen musste auch für jene, die sich als Nachgeborene aus politischer Überzeugung für die Ziele des Antifaschismus engagieren wollten. Und so entstand 1971 auf dem Oberhausener Bundeskongress aus der VVN die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten. Und in dieser Organisation konnte ich als Student 1975 Mitglied werden. Auch dafür möchte ich als Vertreter der Nachgeborenen in der Organisation den Gründern Dank sagen.

Unsere Aufgaben für die Zukunft

geschrieben von Cornelia Kerth

17. März 2012

„In unserer Organisation hat sich in den letzten Jahren ein Generationswechsel vollzogen, dem wir Rechnung tragen müssen. Mit dem Tod der Zeitzeugen, die den Faschismus noch aus eigenem Erleben kannten, verändert sich der Blick auf die Geschichte und die bestehende Gesellschaft, denn jede Generation stellt ihre eigenen Fragen an die Vergangenheit.“

Das steht in dem Leitantrag, den unser letzter Bundeskongress beschlossen hat. Und das bedeutet, dass mit den neu Hinzugekommenen und mit den – hoffentlich – noch neu Hinzukommenden auch neue Zugänge zum Antifaschismus zu uns stoßen. Neue Fragen, neue Antworten, neue Akzente.

Die VVN-BdA wird breiter werden und sie wird es aushalten und es wird ihr gut tun! Was uns von anderen unterscheidet, bleibt die direkte Erfahrung der WiderstandskämpferInnen und Verfolgten, die die Organisation trägt. Diese Erfahrung in die gesellschaftliche Auseinandersetzung um die Deutung der Geschichte einzubringen, die noch lange nicht abgeschlossen ist und die inzwischen ja eine ausgesprochen dramatische europäische Dimension erhalten hat, ist eine unserer zentralen Aufgaben.

Mit unserem Kongress „Einspruch!“ haben wir Stellung bezogen zu einigen wesentlichen Tendenzen in Deutschland. Wir müssen uns mit der Geschichte und mit den gesellschaftlichen Diskursen zur Geschichtspolitik weiter und intensiver beschäftigen und wir müssen mit unseren Partnerverbänden der FIR darüber ins Gespräch kommen, wie wir in diese Auseinandersetzung eingreifen können. Ich nutze die Gelegenheit, dem Exekutivausschuss der FIR diesen Vorschlag zu unterbreiten.

In Deutschland sind wir mittlerweile in einer Phase der Musealisierung der Erinnerung an Verfolgung und Widerstand angekommen, in der eine gewisse nüchterne Wissenschaftlichkeit der Darstellung zum Leitbild geworden ist. (Ich spreche hier von öffentlichen Gedenkorten, nicht von Fernsehsendungen die wie vom Band produziert werden und über Wissenschaftlichkeit schon lang hinaus und demnächst bei Hitlers Haustieren angekommen sind.)

Unser Beitrag, unsere Forderung an dieser Stelle muss sein, die Sicht der Verfolgten einzubringen und darauf zu bestehen, dass diese in die Darstellung einfließt. Schließlich sind Gedenkstätten üblicherweise Orte ihres Leidens, ihrer Verzweiflung, allzu oft ihres Todes. Wir sind legitime Vertreterin der Interessen und des politischen Erbes der ehemaligen Häftlinge. Diesen Anspruch vertreten wir und mit diesem Anspruch wollen wir mitgestalten, wie an „unsere Leute“ und ihre Geschichte erinnert wird.

Es ist gut, dass aus NRW die Initiative „Kinder des Widerstands“ kommt. Es freut uns, dass die 2. Generation sich organisiert und an die Öffentlichkeit tritt. Viel zu wenig wurde bisher darüber gesprochen, wie es den Überlebenden und ihren Kindern nach der Befreiung, im Kalten Krieg, während des VVN-Verbots, während des KPD-Verbots ging. Viel zu wenig wurde bisher deutlich, dass unsere „Zeitzeugen“ auch Kinder und Enkel haben, die ihr Erbe weiter tragen, auch zu uns.

Für unsere eigene Gedenk- und Erinnerungskultur müssen wir die Konzepte weiter entwickeln. Noch sind unsere Veranstaltungen stark auf uns selbst gerichtet, dienen oft der Selbst-Vergewisserung. Wie können wir sie zu einem Beitrag im gesellschaftlichen Diskurs werden lassen? Welchen Beitrag können wir dazu leisten, dass der 8. Mai nicht schleichend zum „Tag der Befreiung der Lager“ wird, was – obwohl inhaltlicher Unfug – immer häufiger im öffentlichen Sprachgebrauch zu hören ist. Wie machen wir deutlich, dass die Befreiung Europas vom Faschismus – ungeachtet späterer Kräftekonstellationen – Grund für einen Feiertag ist, wie überzeugen wir, dass „Nie wieder Faschismus“ ein kategorischer Imperativ ist und bleiben muss?

Auf diese Fragen gilt es in der Zukunft eine zeitgemäße überzeugende Antwort im Generationen übergreifenden Miteinander zu finden.

Heinrich Fink hat einleitend von der Notwendigkeit gesprochen, sich alten und neuen Nazis überall in der Republik in den Weg zu stellen, ihren Opfern Solidarität zu zeigen. Das haben wir schon gemeinsam getan, bevor wir uns organisatorisch vereint haben und wir wollen auch in Zukunft einen Beitrag dazu leisten, dass Faschismus und Faschisten aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Ich war auch am 18. Februar mit vielen Kameradinnen und Kameraden aus etlichen Bundesländern in Dresden. Dabei waren Menschen unterschiedlichen Alters und mit vielen verschiedenen Zugängen zum Antifaschismus aus der ganzen Republik. Allerdings bestand die mit Abstand größte Gruppe der DemonstrantInnen wie schon in den vergangenen Jahren aus Tausenden junger Leute in schwarzen Klamotten. Sie sind es, die sich immer und überall mit uns gemeinsam den Nazis auf der Straße in den Weg stellen. Und das wollen wir auch in Zukunft immer wieder zusammen mit ihnen tun!

Wir haben gerade die dritte nonpd-Kampagne gestartet und die ersten 5.000 Unterschriften gesammelt. Der lange Atem, den wir brauchen, bis endlich ein Verbotsverfahren auf den Weg gebracht wird, muss noch viel länger sein: schließlich ist die NPD zwar die größte, strukturell wichtigste und politisch gefährlichste Organisation des Neofaschismus, verboten gehören sie am Ende aber alle! Das ist weder Vertrauen in, noch Delegation an den Staat, sondern das Einfordern der praktischen Konsequenz aus dem „Nie wieder“, was sich ja bekanntlich auch in Artikel 139 GG niedergeschlagen hat. Das ersetzt keine politische Auseinandersetzung, das ist der Teil der politischen Auseinandersetzung, in dem Grenzen der gesellschaftlichen Toleranz gesetzt werden und Faschismus als das gekennzeichnet wird, was er ist: keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Zur Solidarität mit den Opfern faschistischer Gewalt gehört noch etwas: Dazu gehört auch, dem gesellschaftlichen Klima von Stigmatisierung und Ausgrenzung, dem staatlichen Rassismus und dem Alltagsrassismus, entgegen zu treten, die Menschen zu potentiellen Opfern machen und Neofaschisten das Gefühl geben, sie seien eine Art von Avantgarde, die den Mut hat radikal zu tun, was andere wollen. Hierzu wollen wir im August bei unserer Aktionskonferenz zum 20. Jahrestag des Pogroms in Rostock mit Bündnispartnern ins Gespräch kommen.

Wir werden auch in Zukunft Teil der Friedensbewegung sein, wir werden uns an der Organisation von Veranstaltungen und Aktionen gegen Krieg und Militarismus beteiligen. Wir werden weiterhin gegen die Militarisierung der Außenpolitik und Demokratieabbau im Innern auftreten. Wir werden auch in Zukunft das Grundgesetz als Gegenentwurf zum besiegten Faschismus verteidigen. Wir bleiben uns und unserer Tradition treu.

Wir werden weiter den Schwur der befreiten Häftlinge von Buchenwald als unser Vermächtnis annehmen.

Aber wir werden uns auch mit neuen Fragen beschäftigen müssen und vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch neue Antworten finden. Und wir hoffen, dass uns das unserem Ziel ein Stückchen näher bringen wird: einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit.

Kriminalisierung der VVN-BdA-Fahne geht weiter

geschrieben von Berliner VVN-BdA e.V.

13. Februar 2012

Gegen den erklärten Willen von über 6000 Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten setzte die Polizei am Montag einen „Trauermarsch“ von etwa 2000 Neonazis am Rande der Dresdener Innenstadt durch.

Ein martialisches Polizeiaufgebot mit Wasserwerfern und Pferdestaffeln, sicherte den Aufmarsch der Neonazis, der mit Gitterabsperrungen zu einer Demokratie freien Zone gemacht wurde.

Die Berliner VVN-BdA erklärt dazu: „ Demokratie scheint in Sachsen nur mit Neonazis denkbar zu sein. Der Aufwand der betrieben wurde um den „Trauermarsch“ des militanten politischen und sozialen Umfelds des sogenannten „NSU“ zur ermöglichen, steht in keinem Verhältnis zu den spärlichen Ermittlungsergebnissen den sächsischen Ermittlungsbehörden zu den Neonazimorden bis jetzt beigetragen haben. Aber tausende engagierte Bürgerinnen haben bewiesen, dass Sachsen nicht nur für Zwickau und damit einen ruhigen Rückzugsort für neonazistische Mörder steht, sondern auch dass Dresden die Neonazis satt hat.

Nach dem Aufmarsch kontrollierten sächsische Polizisten, die Personalien des 77 jährigen Bundesvorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Dr. Heiner Fink. Sie hatten Bilder aus der Kamera eines Wasserwerfers der am Montag auf die antifaschistischen Gegendemonstranten gerichtet war mit Fahndungsbilder von den Protesten im vergangenen Februar2011 in Dresden abgeglichen und glaubten einen „älteren Herren mit VVN-BdA-Fahne“ in ihm wieder erkannt zu haben, nach dem wegen Teilnahme an den Blockaden gefahndet wird.

Die Berliner VVN-BdA erklärt dazu: „ Die Dresdener Polizei und Staatsanwaltschaft ergehen sich in immer abenteuerlicheren und absurden Konstrukten und Anschuldigungen gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten. Noch ein Jahr nach den erfolgreichen Blockaden in Dresden 2011 sucht der Ermittlungsapparat nach deren „Rädelsführern“. Aber nicht Antifaschistinnen und Antifaschisten haben in Dresden den „Landfrieden“ gebrochen, sondern die sächsische Politik und Polizei, die jeglichen Protest und Zivilcourage gegen rechts zu kriminalisieren versucht. Die Sächsische Demokratie hat Nachhilfe bitter nötig.“

Wir fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungsverfahren gegen Dr. Heiner Fink und alle Antifaschistinnen und Antifaschisten die in Dresden kriminalisiert werden. Wir werden mit unseren Fahnen auch am kommenden Wochenende in Dresden präsent sein, zusammen mit tausenden anderen Rädelsführern im Kampf gegen Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus.

„Fortsetzung folgt – 65 Jahre VVN-BdA“

7. Februar 2012

Die VVN wird 65 Jahre ein und lädt ein zu einer politisch-künstlerischen Matinee.

65 Jahre nach der Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes durch Überlebende des faschistischen Terrors ist unsere Organisation, die VVN-BdA, ein lebendiger, generationsübergreifender antifaschistischer Verband. Unser Wirken bleibt dem Schwur von Buchenwald verpflichtet: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Als Bündnisorganisation, deren Mitglieder selbst unterschiedliche politische und weltanschauliche Zugänge zum Antifaschismus einbringen, sehen wir die Schaffung und den Erhalt breiter antifaschistischer Bündnisse als unsere wichtigste Aufgabe an. Auch wenn bald keine Angehörigen der Gründergeneration mehr in unseren Reihen stehen werden, bleibt die Weitergabe ihrer Erfahrungen, das Wachhalten der Erinnerung daran, dass antifaschistischer Widerstand möglich und notwendig war, unser spezifischer Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes. Wir werden die moralische und menschliche Autorität unser Gründerinnen und Gründer nicht ersetzen können. Doch wir können und wollen dazu beitragen, dass nachfolgenden Generationen die Wiederholung ihrer leidvollen Erfahrungen erspart bleibt.

18. März 2012 Frankfurt/Main, Haus Gallus, 10.30 Uhr – 12.30 Uhr

Programm

„Fortsetzung folgt – 65 Jahre VVN-BdA“

1. Eröffnung und Moderation Prof. Heinrich Fink

2. Begrüßung durch die Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA Esther Bejarano und Prof. Hans Lauter

3. Was wollte und was tat die Gründungsgeneration der VVN? Dr. Ulrich Schneider

4. „Zweite Generation“ oder „Soziale Vererbung“? Gesprächsrunde mit Doris Fisch, Lena Carlebach, Florian Gutsche

5. Antifaschismus als Zukunftsprojekt Cornelia Kerth

Kulturbeitrag der Musikgruppe „Politokk“

20120208_1_w_flyer_65jahre_0212.pdf (2070 KB)

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

geschrieben von Ottomar Rothmann

2. Februar 2012

Unser Kamerad der VVN- BdA, der Buchenwaldüberlebende Ottomar Rothmann gedachte 2012 im Thüringer Landtag den Opfern des Nationalsozialismus. „Es geht nicht darum, das Entsetzen zu konservieren, sondern darum, Lehren zu ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind.“- und er fordert ein Verbot der NPD.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Ministerpräsidentin! Sehr geehrte Landtagsabgeordnete! Sehr geehrte Gäste- liebe Kameraden!

Seit 1996 wird in der Bundesrepublik Deutschland der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Anlässlich dieses nationalen Gedenktages, den Bundespräsident Roman Herzog durch Proklamation Anfang 1996 einführte, wird an Millionen von Menschen erinnert, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgt und ermordet wurden. Das Datum an sich erinnert an die Befreiung der Überlebenden des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz- Birkenau am 27. Januar 1945.

Auschwitz steht symbolhaft für millionenfachen Mord vor allem an Juden, aber auch an anderen Gruppen der Bevölkerung. Es steht für Brutalität und Unmenschlichkeit, für Verfolgung und Unterdrückung, für die in Perfektion organisierte „Vernichtung“ von Menschen. Wir gedenken der Millionen Opfer des faschistischen Rassenwahnes und der Millionen anderen Opfer aus dem In- und Ausland.Für sie sind solche Orte wie Auschwitz, Majdanek, Sachsenhausen, Buchenwald, Ravensbrück und andere, wie keine anderen Orte der Geschichte der Menschheit, Orte der Menschenverachtung und Massenmord geworden.

In diesem Zusammenhang erinnere ich an den Judenpogrom 1938 und an die verbrecherischen „medizinischen Versuche“ an den Häftlingen im Auftrag solcher Betriebe, wie die IG Farben Industrie. Es fällt mir schwer auszusprechen, was nicht wenige Frauen in Ravensbrück erleiden mussten. Nach künstlicher Schwangerschaft wurde die Leibesfrucht bei vollem Bewusstsein per Kaiserschnitt entnommen. In anderen Lagern, so in Buchenwald, wurden Fleckfieber und Virus- Experimente durchgeführt, die fast ohne Ausnahmen zum Tode führten. Auch Versuche an Gelbfieber, Pocken, Typhus, Cholera und Diphterie standen auf der Tagesordnung.

Unsere Aufgabe besteht darin, aus der Erinnerung an diese Verbrechen immer wieder lebendige Zukunft werden zu lassen. Es geht nicht darum, das Entsetzen zu konservieren, sondern darum, Lehren zu ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind. Wir wissen, viele haben sich schuldig gemacht, aber die entscheidende Aufgabe ist es heute, eine Wiederholung – wo und in welcher Form auch immer- zu verhindern.

Dazu gehört beides, die Kenntnis der Folgen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und die Kenntnis der Anfänge, die oft im Kleinen, ja sogar im Banalen liegen können. In dieser Weise habe ich es 1938 erlebt. Zerstörte und ausgeplünderte Geschäfte jüdischer Bürger meiner Heimatstadt Magdeburg. Die Synagoge brannte, die jüdischen Bürger waren bereits in der Nacht aus ihren Wohnungen gezerrt und abtransportiert worden. Diese antisemitische Pogrom nannten die Nazis zynisch „Kristallnacht“. Damals habe ich mit meinen 17 Jahren noch nicht ahnen können, dass diese verbrecherische Aktion die Einleitung zum Massenmord an jüdischen Menschen darstellte. Die sogenannte Endlösung der Judenfrage forderte über 6 Millionen Opfer.

In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Vor allem kommt es darauf an, den jungen Menschen den Blick dafür zu schärfen, woran man Rassismus in den Anfängen erkennt. Denn im Kampf gegen dieses Grundübel des 20. Jahrhunderts kommt es vor allem anderen auf rechtzeitige Gegenwehr an. Die Erfahrungen der Nazizeit verlangt von uns und allen künftigen Generationen, nicht erst aktiv zu werden, wenn die Schlinge schon um den eigenen Hals liegt. Nicht abwarten, ob die Katastrophe vielleicht ausbleibt, sondern verhindern, dass sie überhaupt die Chance bekommt überhaupt einzutreten. Erkenntnisse, die ich über Gestapo, Justiz und Buchenwald sammeln konnte, nutze ich im Besonderen zur Erfüllung dieser Aufgabe.

Auschwitz wurde am 27. Januar befreit. Nach dieser Zeit wurden die Verbrechen der Nazis in anderen Lagern, so auch in Buchenwald fortgesetzt. Das Konzentrationslager auf dem Ettersberg bei Weimar, eine Stätte der Barbarei und Menschenvernichtung, mit dem harmlosen Namen „Buchenwald“. Es kamen Junge und Alte, Kinder ab 6 Jahre und Greise bis 80 Jahre nach Buchenwald. Vielen, sehr vielen stand im Gesicht geschrieben, dass sie das Lager nicht mehr lebend verlassen werden. Sie werden nicht mehr die Mutter, den Vater, die Geschwister, die Frau, die Kinder umarmen können. Zu diesen Unglücklichen zählten über 60.000 Kameraden.

Dazu zählten auch die Kameraden, die im Januar 1945 zu tausenden aus Auschwitz, Groß Rosen, Monowitz nach Buchenwald getrieben wurden. Die ankommenden Kameraden befanden sich in einen unbeschreiblichen Zustand. Sie waren mit denkbar schlechtester Fußbekleidung über 100 km marschiert, dann in offene Güterwagen verladen worden, und drei Wochen in Schnee und Eis ohne Verpflegung unterwegs. Hunderte von Kollaps Fällen, Hunderte erfroren, verhungert. Der Abtransport vom Bahnhof Buchenwald ins Lager dauerte die ganze Nacht. Es ist kaum in Worte zu fassen, was die Ankunft dieser Kameraden für das gesamte Lager bedeutete. Fehlende Unterkunft, Mangel an Verpflegung führte zu Hunger. Keine oder fast keine Krankenversorgung, alles in allem eine katastrophale Lage. Die internationale Solidarität hinter Stacheldraht konnte diese furchtbare Situation nur lindern.Viele haben den 11. April, den Tag der Freiheit nicht mehr erlebt.

Im Refrain des Buchenwaldliedes heißt es u.a.:

„Oh Buchenwald ich kann dich nicht vergessen, weil du mein Schicksal bist. Wer dich verließ der kann es erst ermessen, wie wundervoll die Freiheit ist.“

Ja, so ist es wirklich, Buchenwald kann man nicht vergessen, nicht die Qualen, nicht die Demütigungen, nicht die grauenvollen äußeren Umstände und Lebensbedingungen im Lager, nicht Krankheit und auch nicht den massenhaften Tod, nicht vergessen die Augen der Kinder von Buchenwald, die keine Tränen mehr hatten.

Viele unserer gefallenen, gemordeten Kameraden kämpften in der Illegalität gegen die mächtige Terrorherrschaft der Nazis. In Finsternis, ständig vom Tode bedroht, verbreiteten sie das Licht der Wahrheit. Sie ließen sich nicht beugen in Zuchthäusern und Konzentrationslagern. Sie haben für die Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus ihr Leben eingesetzt.

Nichts von dem, was die Helden des antifaschistischen Widerstandes geleistet haben, war umsonst. Ihr Kampf, ihr Leiden, ihre Standhaftigkeit, ihr Opfer, ihre Erfahrung, ihr Mut- das war das wertvollste, was sie uns gegeben, was sie uns hinterlassen haben. Diese Aussage entspricht auch der Ehre und der Würde, die wir unseren gemordeten Kameraden schuldig sind. Auch sie haben ihren Beitrag zu dem weltgeschichtlichen Sieg des Jahres 1945 geleistet.

Wir hätten uns damals 1945 nicht träumen lassen, dass es heute in Deutschland wieder rechte Kräfte gibt, die es sich wagen und es sich wagen dürfen, in unseren Städten zu demonstrieren. Die Politiker, wir alle, müssen mit aller Macht die Demokratie verteidigen und den rechten Kräften keinen Millimeter Raum lassen. Dazu gehört das NPD Verbot! Die im Grundgesetz garantierten demokratischen Rechte dürfen kein Freibrief sein, Aufmärsche rechter Gruppen zu legalisieren und fremdenfeindliche Propaganda zu dulden.

Es gibt aber nicht nur Aufmärsche rechter Gruppen. Es gibt in Deutschland schon wieder politische Gewalttaten. Die Neonazis gehen nicht nur gegen die Flüchtlinge vor, gegen Menschen anderer Hautfarbe, nein, sie schrecken nicht vor verbrecherischem Mord zurück. Wir konnten es vor allem in letzter Zeit erleben.

Diese Tatsache verpflichtet uns insbesondere, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Dazu gehört die gemeinsame Verantwortung, den sich in der Gegenwart mehrenden Ausschreitungen aktiv entgegen zu treten. Für uns alle muss die Devise gelten:

Ob Sozialdemokraten, Linke, Liberale, ob Christen oder Freimaurer, Juden oder Atheisten, im Antifaschismus gehören wir alle zusammen. Dabei darf es keine Berührungsängste geben.

Der Blick in unsere Geschichte verpflichtet uns, alle Kraft gegen Neo- Nazis, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz in jeder Form einzusetzen. Das sind wir unseren demokratischen Freiheiten schuldig.

Leben und handeln wir nach dem herrlichen Wort von Johann Wolfgang von Goethe:

„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen.“

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.

Die Buchenwaldüberlebenden Bertrand Herz und Ottomar Rothmann sind Ehrenbürger der Stadt Weimar. (2009/2011)

Internationales Jugendtreffen Auschwitz

geschrieben von FIR

18. Januar 2012

Der Zug der 1000 Im Mai 2012 organisieren die Auschwitz Stiftung, das Institut der Veteranen und die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) eine Fahrt von 1000 Jugendlichen aus ganz Europa von Brüssel nach Auschwitz.

Der Zug wird in Brüssel starten und wird in Luxemburg, in Frankfurt/M. und Erfurt Haltepunkte haben, an denen weitere Jugendliche zusteigen können. Insgesamt werden etwa tausend Jugendliche aus ganz Europa in Auschwitz zusammenkommen, um – in der Gesellschaft der letzten Überlebenden der Lager – der Befreiung vom deutschen Faschismus und des Siegs der Demokratie zu gedenken.

Die Reise hat neben dem Gedenken auch noch weitere Ziele:

Pädagogisch: 1000 Jugendliche bekommen die Möglichkeit, das Museum von Auschwitz und das Vernichtungslager Birkenau zu besuchen und etwas über den Völkermord der Nazis zu erfahren.

Erinnerung: Die Jugendlichen besuchen die Lager zusammen mit Überlebenden und Augenzeugen.

Begegnung: Die Jugendlichen haben die Möglichkeit mit Gleichaltrigen aus allen europäischen Ländern zusammenzukommen.

Anmeldeformular (104 KB)

Jeder Nazi-Aufmarsch verhöhnt die Opfer

12. Januar 2012

In einem offenen Brief wendet sich die VVN-BdA bezüglich des anstehenden Neonazi-Aufmarsches in Dresden an die politisch Verantwortlichen.

Offener Brief

an Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel Herrn Bundesminister des Inneren Hans-Peter Friedrich Herrn Ministerpräsidenten des Landes Sachsen Stanislaw Tillich Herrn Innenminister des Landes Sachsen Markus Ulbig

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Minister Friedrich, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Minister Ulbig,

wie in den vergangenen Jahren ist auch im Februar 2012 ein Nazi-Aufmarsch in Dresden geplant, mit dem sich die politischen Kräfte, die Europa in Schutt und Asche gelegt haben und die Verantwortung für die 55 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs tragen, als Repräsentanten „unschuldiger Opfer“ eines „alliierten Bombenholocausts“ darstellen wollen.

Als Veranstalter tritt ein „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ auf, um das sich von „Kameradschaften“, „Freien Kräften“, „Autonomen Nationalisten“ bis zum NPD-Kreisverband Dresden der gesamte braune Sumpf gruppiert, dem der „Nationalsozialistischen Untergrund“ entstammt und aus dem er unterstützt wurde. Was sie eint, ist ihre völkische Ideologie: Rassismus, Antisemitismus, Hass auf alles „Fremde“ ebenso wie auf jeden, der grundlegenden humanistischen Prinzipien folgt, die das Menschen- und Gesellschaftsbild unseres Grundgesetzes bestimmen.

Dass zu diesem Umfeld nicht „nur“ die 10-fachen Mörder aus Zwickau, sondern auch Mörder und Totschläger von mindestens 150 weiteren Menschen gehören, macht noch einmal ganz deutlich, warum wir mit vielen anderen zusammen sagen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Sie haben in den vergangenen Jahren keinen Grund gesehen, den europaweit größten Nazi-Aufmarsch durch Dresden zu verbieten. Jahr für Jahr haben sich diesem aber mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger entgegen gestellt.

Jahr für Jahr wurde der antifaschistische Protest schon im Vorfeld als illegitim diffamiert und zunehmend kriminalisiert. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die Durchsuchung von Büros in Dresden und Berlin und an die Massenspeicherung von Handy-Daten. Nun sind eine Reihe von strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gegen Personen eingeleitet worden, denen eine verantwortliche Rolle bei den Protesten gegen diesen Nazi-Aufmarsch unterstellt wird. Schnell ist man hier mit Tatvorwürfen wie „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ oder „Landfriedensbruch“ bei der Hand.

Wie passt das dazu, dass immer wieder – wir meinen: zu Recht – zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts eingefordert wird? Wie passt das vor allem dazu, dass die notwendige gesellschaftliche Auseinandersetzung oft als Alternative einem Verbot der NPD und aller anderen faschistischen Organisationen – das das Grundgesetz in Artikel 139 ja immer noch gebietet – gegenüber gestellt wurde?

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Herren,

Wir wiederholen unsere Forderung: haben Sie in dieser Frage den Mut zu einer Wende!

Sorgen sie durch Abschaffung des V-Leute-Systems für die vom Verfassungsgericht vorgegebene Voraussetzung zu einem erfolgreichen NPD-Verbotsverfahren!

Sorgen Sie dafür, dass Menschen, die sich in einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung Faschisten in den Weg stellen, nicht länger kriminalisiert werden.

Lassen Sie nicht zu, dass im Februar 2012 der Nazi-Szene wieder der Weg durch Dresden frei geprügelt wird!

Verbieten Sie den Nazi-Aufmarsch!

Jeder Nazi-Aufmarsch verhöhnt die Opfer – die von damals und die von heute!

Solange Nazis marschieren dürfen, werden sich ihnen Antifaschisten in den Weg stellen, auch mit Blockaden!

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Heinrich Fink Cornelia Kerth

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