Unsere Aufgaben für die Zukunft

geschrieben von Cornelia Kerth

17. März 2012

„In unserer Organisation hat sich in den letzten Jahren ein Generationswechsel vollzogen, dem wir Rechnung tragen müssen. Mit dem Tod der Zeitzeugen, die den Faschismus noch aus eigenem Erleben kannten, verändert sich der Blick auf die Geschichte und die bestehende Gesellschaft, denn jede Generation stellt ihre eigenen Fragen an die Vergangenheit.“

Das steht in dem Leitantrag, den unser letzter Bundeskongress beschlossen hat. Und das bedeutet, dass mit den neu Hinzugekommenen und mit den – hoffentlich – noch neu Hinzukommenden auch neue Zugänge zum Antifaschismus zu uns stoßen. Neue Fragen, neue Antworten, neue Akzente.

Die VVN-BdA wird breiter werden und sie wird es aushalten und es wird ihr gut tun! Was uns von anderen unterscheidet, bleibt die direkte Erfahrung der WiderstandskämpferInnen und Verfolgten, die die Organisation trägt. Diese Erfahrung in die gesellschaftliche Auseinandersetzung um die Deutung der Geschichte einzubringen, die noch lange nicht abgeschlossen ist und die inzwischen ja eine ausgesprochen dramatische europäische Dimension erhalten hat, ist eine unserer zentralen Aufgaben.

Mit unserem Kongress „Einspruch!“ haben wir Stellung bezogen zu einigen wesentlichen Tendenzen in Deutschland. Wir müssen uns mit der Geschichte und mit den gesellschaftlichen Diskursen zur Geschichtspolitik weiter und intensiver beschäftigen und wir müssen mit unseren Partnerverbänden der FIR darüber ins Gespräch kommen, wie wir in diese Auseinandersetzung eingreifen können. Ich nutze die Gelegenheit, dem Exekutivausschuss der FIR diesen Vorschlag zu unterbreiten.

In Deutschland sind wir mittlerweile in einer Phase der Musealisierung der Erinnerung an Verfolgung und Widerstand angekommen, in der eine gewisse nüchterne Wissenschaftlichkeit der Darstellung zum Leitbild geworden ist. (Ich spreche hier von öffentlichen Gedenkorten, nicht von Fernsehsendungen die wie vom Band produziert werden und über Wissenschaftlichkeit schon lang hinaus und demnächst bei Hitlers Haustieren angekommen sind.)

Unser Beitrag, unsere Forderung an dieser Stelle muss sein, die Sicht der Verfolgten einzubringen und darauf zu bestehen, dass diese in die Darstellung einfließt. Schließlich sind Gedenkstätten üblicherweise Orte ihres Leidens, ihrer Verzweiflung, allzu oft ihres Todes. Wir sind legitime Vertreterin der Interessen und des politischen Erbes der ehemaligen Häftlinge. Diesen Anspruch vertreten wir und mit diesem Anspruch wollen wir mitgestalten, wie an „unsere Leute“ und ihre Geschichte erinnert wird.

Es ist gut, dass aus NRW die Initiative „Kinder des Widerstands“ kommt. Es freut uns, dass die 2. Generation sich organisiert und an die Öffentlichkeit tritt. Viel zu wenig wurde bisher darüber gesprochen, wie es den Überlebenden und ihren Kindern nach der Befreiung, im Kalten Krieg, während des VVN-Verbots, während des KPD-Verbots ging. Viel zu wenig wurde bisher deutlich, dass unsere „Zeitzeugen“ auch Kinder und Enkel haben, die ihr Erbe weiter tragen, auch zu uns.

Für unsere eigene Gedenk- und Erinnerungskultur müssen wir die Konzepte weiter entwickeln. Noch sind unsere Veranstaltungen stark auf uns selbst gerichtet, dienen oft der Selbst-Vergewisserung. Wie können wir sie zu einem Beitrag im gesellschaftlichen Diskurs werden lassen? Welchen Beitrag können wir dazu leisten, dass der 8. Mai nicht schleichend zum „Tag der Befreiung der Lager“ wird, was – obwohl inhaltlicher Unfug – immer häufiger im öffentlichen Sprachgebrauch zu hören ist. Wie machen wir deutlich, dass die Befreiung Europas vom Faschismus – ungeachtet späterer Kräftekonstellationen – Grund für einen Feiertag ist, wie überzeugen wir, dass „Nie wieder Faschismus“ ein kategorischer Imperativ ist und bleiben muss?

Auf diese Fragen gilt es in der Zukunft eine zeitgemäße überzeugende Antwort im Generationen übergreifenden Miteinander zu finden.

Heinrich Fink hat einleitend von der Notwendigkeit gesprochen, sich alten und neuen Nazis überall in der Republik in den Weg zu stellen, ihren Opfern Solidarität zu zeigen. Das haben wir schon gemeinsam getan, bevor wir uns organisatorisch vereint haben und wir wollen auch in Zukunft einen Beitrag dazu leisten, dass Faschismus und Faschisten aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Ich war auch am 18. Februar mit vielen Kameradinnen und Kameraden aus etlichen Bundesländern in Dresden. Dabei waren Menschen unterschiedlichen Alters und mit vielen verschiedenen Zugängen zum Antifaschismus aus der ganzen Republik. Allerdings bestand die mit Abstand größte Gruppe der DemonstrantInnen wie schon in den vergangenen Jahren aus Tausenden junger Leute in schwarzen Klamotten. Sie sind es, die sich immer und überall mit uns gemeinsam den Nazis auf der Straße in den Weg stellen. Und das wollen wir auch in Zukunft immer wieder zusammen mit ihnen tun!

Wir haben gerade die dritte nonpd-Kampagne gestartet und die ersten 5.000 Unterschriften gesammelt. Der lange Atem, den wir brauchen, bis endlich ein Verbotsverfahren auf den Weg gebracht wird, muss noch viel länger sein: schließlich ist die NPD zwar die größte, strukturell wichtigste und politisch gefährlichste Organisation des Neofaschismus, verboten gehören sie am Ende aber alle! Das ist weder Vertrauen in, noch Delegation an den Staat, sondern das Einfordern der praktischen Konsequenz aus dem „Nie wieder“, was sich ja bekanntlich auch in Artikel 139 GG niedergeschlagen hat. Das ersetzt keine politische Auseinandersetzung, das ist der Teil der politischen Auseinandersetzung, in dem Grenzen der gesellschaftlichen Toleranz gesetzt werden und Faschismus als das gekennzeichnet wird, was er ist: keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Zur Solidarität mit den Opfern faschistischer Gewalt gehört noch etwas: Dazu gehört auch, dem gesellschaftlichen Klima von Stigmatisierung und Ausgrenzung, dem staatlichen Rassismus und dem Alltagsrassismus, entgegen zu treten, die Menschen zu potentiellen Opfern machen und Neofaschisten das Gefühl geben, sie seien eine Art von Avantgarde, die den Mut hat radikal zu tun, was andere wollen. Hierzu wollen wir im August bei unserer Aktionskonferenz zum 20. Jahrestag des Pogroms in Rostock mit Bündnispartnern ins Gespräch kommen.

Wir werden auch in Zukunft Teil der Friedensbewegung sein, wir werden uns an der Organisation von Veranstaltungen und Aktionen gegen Krieg und Militarismus beteiligen. Wir werden weiterhin gegen die Militarisierung der Außenpolitik und Demokratieabbau im Innern auftreten. Wir werden auch in Zukunft das Grundgesetz als Gegenentwurf zum besiegten Faschismus verteidigen. Wir bleiben uns und unserer Tradition treu.

Wir werden weiter den Schwur der befreiten Häftlinge von Buchenwald als unser Vermächtnis annehmen.

Aber wir werden uns auch mit neuen Fragen beschäftigen müssen und vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch neue Antworten finden. Und wir hoffen, dass uns das unserem Ziel ein Stückchen näher bringen wird: einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit.

Kriminalisierung der VVN-BdA-Fahne geht weiter

geschrieben von Berliner VVN-BdA e.V.

13. Februar 2012

Gegen den erklärten Willen von über 6000 Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten setzte die Polizei am Montag einen „Trauermarsch“ von etwa 2000 Neonazis am Rande der Dresdener Innenstadt durch.

Ein martialisches Polizeiaufgebot mit Wasserwerfern und Pferdestaffeln, sicherte den Aufmarsch der Neonazis, der mit Gitterabsperrungen zu einer Demokratie freien Zone gemacht wurde.

Die Berliner VVN-BdA erklärt dazu: „ Demokratie scheint in Sachsen nur mit Neonazis denkbar zu sein. Der Aufwand der betrieben wurde um den „Trauermarsch“ des militanten politischen und sozialen Umfelds des sogenannten „NSU“ zur ermöglichen, steht in keinem Verhältnis zu den spärlichen Ermittlungsergebnissen den sächsischen Ermittlungsbehörden zu den Neonazimorden bis jetzt beigetragen haben. Aber tausende engagierte Bürgerinnen haben bewiesen, dass Sachsen nicht nur für Zwickau und damit einen ruhigen Rückzugsort für neonazistische Mörder steht, sondern auch dass Dresden die Neonazis satt hat.

Nach dem Aufmarsch kontrollierten sächsische Polizisten, die Personalien des 77 jährigen Bundesvorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Dr. Heiner Fink. Sie hatten Bilder aus der Kamera eines Wasserwerfers der am Montag auf die antifaschistischen Gegendemonstranten gerichtet war mit Fahndungsbilder von den Protesten im vergangenen Februar2011 in Dresden abgeglichen und glaubten einen „älteren Herren mit VVN-BdA-Fahne“ in ihm wieder erkannt zu haben, nach dem wegen Teilnahme an den Blockaden gefahndet wird.

Die Berliner VVN-BdA erklärt dazu: „ Die Dresdener Polizei und Staatsanwaltschaft ergehen sich in immer abenteuerlicheren und absurden Konstrukten und Anschuldigungen gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten. Noch ein Jahr nach den erfolgreichen Blockaden in Dresden 2011 sucht der Ermittlungsapparat nach deren „Rädelsführern“. Aber nicht Antifaschistinnen und Antifaschisten haben in Dresden den „Landfrieden“ gebrochen, sondern die sächsische Politik und Polizei, die jeglichen Protest und Zivilcourage gegen rechts zu kriminalisieren versucht. Die Sächsische Demokratie hat Nachhilfe bitter nötig.“

Wir fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungsverfahren gegen Dr. Heiner Fink und alle Antifaschistinnen und Antifaschisten die in Dresden kriminalisiert werden. Wir werden mit unseren Fahnen auch am kommenden Wochenende in Dresden präsent sein, zusammen mit tausenden anderen Rädelsführern im Kampf gegen Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus.

„Fortsetzung folgt – 65 Jahre VVN-BdA“

7. Februar 2012

Die VVN wird 65 Jahre ein und lädt ein zu einer politisch-künstlerischen Matinee.

65 Jahre nach der Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes durch Überlebende des faschistischen Terrors ist unsere Organisation, die VVN-BdA, ein lebendiger, generationsübergreifender antifaschistischer Verband. Unser Wirken bleibt dem Schwur von Buchenwald verpflichtet: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Als Bündnisorganisation, deren Mitglieder selbst unterschiedliche politische und weltanschauliche Zugänge zum Antifaschismus einbringen, sehen wir die Schaffung und den Erhalt breiter antifaschistischer Bündnisse als unsere wichtigste Aufgabe an. Auch wenn bald keine Angehörigen der Gründergeneration mehr in unseren Reihen stehen werden, bleibt die Weitergabe ihrer Erfahrungen, das Wachhalten der Erinnerung daran, dass antifaschistischer Widerstand möglich und notwendig war, unser spezifischer Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes. Wir werden die moralische und menschliche Autorität unser Gründerinnen und Gründer nicht ersetzen können. Doch wir können und wollen dazu beitragen, dass nachfolgenden Generationen die Wiederholung ihrer leidvollen Erfahrungen erspart bleibt.

18. März 2012 Frankfurt/Main, Haus Gallus, 10.30 Uhr – 12.30 Uhr

Programm

„Fortsetzung folgt – 65 Jahre VVN-BdA“

1. Eröffnung und Moderation Prof. Heinrich Fink

2. Begrüßung durch die Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA Esther Bejarano und Prof. Hans Lauter

3. Was wollte und was tat die Gründungsgeneration der VVN? Dr. Ulrich Schneider

4. „Zweite Generation“ oder „Soziale Vererbung“? Gesprächsrunde mit Doris Fisch, Lena Carlebach, Florian Gutsche

5. Antifaschismus als Zukunftsprojekt Cornelia Kerth

Kulturbeitrag der Musikgruppe „Politokk“

20120208_1_w_flyer_65jahre_0212.pdf (2070 KB)

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

geschrieben von Ottomar Rothmann

2. Februar 2012

Unser Kamerad der VVN- BdA, der Buchenwaldüberlebende Ottomar Rothmann gedachte 2012 im Thüringer Landtag den Opfern des Nationalsozialismus. „Es geht nicht darum, das Entsetzen zu konservieren, sondern darum, Lehren zu ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind.“- und er fordert ein Verbot der NPD.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Ministerpräsidentin! Sehr geehrte Landtagsabgeordnete! Sehr geehrte Gäste- liebe Kameraden!

Seit 1996 wird in der Bundesrepublik Deutschland der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Anlässlich dieses nationalen Gedenktages, den Bundespräsident Roman Herzog durch Proklamation Anfang 1996 einführte, wird an Millionen von Menschen erinnert, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgt und ermordet wurden. Das Datum an sich erinnert an die Befreiung der Überlebenden des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz- Birkenau am 27. Januar 1945.

Auschwitz steht symbolhaft für millionenfachen Mord vor allem an Juden, aber auch an anderen Gruppen der Bevölkerung. Es steht für Brutalität und Unmenschlichkeit, für Verfolgung und Unterdrückung, für die in Perfektion organisierte „Vernichtung“ von Menschen. Wir gedenken der Millionen Opfer des faschistischen Rassenwahnes und der Millionen anderen Opfer aus dem In- und Ausland.Für sie sind solche Orte wie Auschwitz, Majdanek, Sachsenhausen, Buchenwald, Ravensbrück und andere, wie keine anderen Orte der Geschichte der Menschheit, Orte der Menschenverachtung und Massenmord geworden.

In diesem Zusammenhang erinnere ich an den Judenpogrom 1938 und an die verbrecherischen „medizinischen Versuche“ an den Häftlingen im Auftrag solcher Betriebe, wie die IG Farben Industrie. Es fällt mir schwer auszusprechen, was nicht wenige Frauen in Ravensbrück erleiden mussten. Nach künstlicher Schwangerschaft wurde die Leibesfrucht bei vollem Bewusstsein per Kaiserschnitt entnommen. In anderen Lagern, so in Buchenwald, wurden Fleckfieber und Virus- Experimente durchgeführt, die fast ohne Ausnahmen zum Tode führten. Auch Versuche an Gelbfieber, Pocken, Typhus, Cholera und Diphterie standen auf der Tagesordnung.

Unsere Aufgabe besteht darin, aus der Erinnerung an diese Verbrechen immer wieder lebendige Zukunft werden zu lassen. Es geht nicht darum, das Entsetzen zu konservieren, sondern darum, Lehren zu ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind. Wir wissen, viele haben sich schuldig gemacht, aber die entscheidende Aufgabe ist es heute, eine Wiederholung – wo und in welcher Form auch immer- zu verhindern.

Dazu gehört beides, die Kenntnis der Folgen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und die Kenntnis der Anfänge, die oft im Kleinen, ja sogar im Banalen liegen können. In dieser Weise habe ich es 1938 erlebt. Zerstörte und ausgeplünderte Geschäfte jüdischer Bürger meiner Heimatstadt Magdeburg. Die Synagoge brannte, die jüdischen Bürger waren bereits in der Nacht aus ihren Wohnungen gezerrt und abtransportiert worden. Diese antisemitische Pogrom nannten die Nazis zynisch „Kristallnacht“. Damals habe ich mit meinen 17 Jahren noch nicht ahnen können, dass diese verbrecherische Aktion die Einleitung zum Massenmord an jüdischen Menschen darstellte. Die sogenannte Endlösung der Judenfrage forderte über 6 Millionen Opfer.

In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Vor allem kommt es darauf an, den jungen Menschen den Blick dafür zu schärfen, woran man Rassismus in den Anfängen erkennt. Denn im Kampf gegen dieses Grundübel des 20. Jahrhunderts kommt es vor allem anderen auf rechtzeitige Gegenwehr an. Die Erfahrungen der Nazizeit verlangt von uns und allen künftigen Generationen, nicht erst aktiv zu werden, wenn die Schlinge schon um den eigenen Hals liegt. Nicht abwarten, ob die Katastrophe vielleicht ausbleibt, sondern verhindern, dass sie überhaupt die Chance bekommt überhaupt einzutreten. Erkenntnisse, die ich über Gestapo, Justiz und Buchenwald sammeln konnte, nutze ich im Besonderen zur Erfüllung dieser Aufgabe.

Auschwitz wurde am 27. Januar befreit. Nach dieser Zeit wurden die Verbrechen der Nazis in anderen Lagern, so auch in Buchenwald fortgesetzt. Das Konzentrationslager auf dem Ettersberg bei Weimar, eine Stätte der Barbarei und Menschenvernichtung, mit dem harmlosen Namen „Buchenwald“. Es kamen Junge und Alte, Kinder ab 6 Jahre und Greise bis 80 Jahre nach Buchenwald. Vielen, sehr vielen stand im Gesicht geschrieben, dass sie das Lager nicht mehr lebend verlassen werden. Sie werden nicht mehr die Mutter, den Vater, die Geschwister, die Frau, die Kinder umarmen können. Zu diesen Unglücklichen zählten über 60.000 Kameraden.

Dazu zählten auch die Kameraden, die im Januar 1945 zu tausenden aus Auschwitz, Groß Rosen, Monowitz nach Buchenwald getrieben wurden. Die ankommenden Kameraden befanden sich in einen unbeschreiblichen Zustand. Sie waren mit denkbar schlechtester Fußbekleidung über 100 km marschiert, dann in offene Güterwagen verladen worden, und drei Wochen in Schnee und Eis ohne Verpflegung unterwegs. Hunderte von Kollaps Fällen, Hunderte erfroren, verhungert. Der Abtransport vom Bahnhof Buchenwald ins Lager dauerte die ganze Nacht. Es ist kaum in Worte zu fassen, was die Ankunft dieser Kameraden für das gesamte Lager bedeutete. Fehlende Unterkunft, Mangel an Verpflegung führte zu Hunger. Keine oder fast keine Krankenversorgung, alles in allem eine katastrophale Lage. Die internationale Solidarität hinter Stacheldraht konnte diese furchtbare Situation nur lindern.Viele haben den 11. April, den Tag der Freiheit nicht mehr erlebt.

Im Refrain des Buchenwaldliedes heißt es u.a.:

„Oh Buchenwald ich kann dich nicht vergessen, weil du mein Schicksal bist. Wer dich verließ der kann es erst ermessen, wie wundervoll die Freiheit ist.“

Ja, so ist es wirklich, Buchenwald kann man nicht vergessen, nicht die Qualen, nicht die Demütigungen, nicht die grauenvollen äußeren Umstände und Lebensbedingungen im Lager, nicht Krankheit und auch nicht den massenhaften Tod, nicht vergessen die Augen der Kinder von Buchenwald, die keine Tränen mehr hatten.

Viele unserer gefallenen, gemordeten Kameraden kämpften in der Illegalität gegen die mächtige Terrorherrschaft der Nazis. In Finsternis, ständig vom Tode bedroht, verbreiteten sie das Licht der Wahrheit. Sie ließen sich nicht beugen in Zuchthäusern und Konzentrationslagern. Sie haben für die Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus ihr Leben eingesetzt.

Nichts von dem, was die Helden des antifaschistischen Widerstandes geleistet haben, war umsonst. Ihr Kampf, ihr Leiden, ihre Standhaftigkeit, ihr Opfer, ihre Erfahrung, ihr Mut- das war das wertvollste, was sie uns gegeben, was sie uns hinterlassen haben. Diese Aussage entspricht auch der Ehre und der Würde, die wir unseren gemordeten Kameraden schuldig sind. Auch sie haben ihren Beitrag zu dem weltgeschichtlichen Sieg des Jahres 1945 geleistet.

Wir hätten uns damals 1945 nicht träumen lassen, dass es heute in Deutschland wieder rechte Kräfte gibt, die es sich wagen und es sich wagen dürfen, in unseren Städten zu demonstrieren. Die Politiker, wir alle, müssen mit aller Macht die Demokratie verteidigen und den rechten Kräften keinen Millimeter Raum lassen. Dazu gehört das NPD Verbot! Die im Grundgesetz garantierten demokratischen Rechte dürfen kein Freibrief sein, Aufmärsche rechter Gruppen zu legalisieren und fremdenfeindliche Propaganda zu dulden.

Es gibt aber nicht nur Aufmärsche rechter Gruppen. Es gibt in Deutschland schon wieder politische Gewalttaten. Die Neonazis gehen nicht nur gegen die Flüchtlinge vor, gegen Menschen anderer Hautfarbe, nein, sie schrecken nicht vor verbrecherischem Mord zurück. Wir konnten es vor allem in letzter Zeit erleben.

Diese Tatsache verpflichtet uns insbesondere, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Dazu gehört die gemeinsame Verantwortung, den sich in der Gegenwart mehrenden Ausschreitungen aktiv entgegen zu treten. Für uns alle muss die Devise gelten:

Ob Sozialdemokraten, Linke, Liberale, ob Christen oder Freimaurer, Juden oder Atheisten, im Antifaschismus gehören wir alle zusammen. Dabei darf es keine Berührungsängste geben.

Der Blick in unsere Geschichte verpflichtet uns, alle Kraft gegen Neo- Nazis, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz in jeder Form einzusetzen. Das sind wir unseren demokratischen Freiheiten schuldig.

Leben und handeln wir nach dem herrlichen Wort von Johann Wolfgang von Goethe:

„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen.“

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.

Die Buchenwaldüberlebenden Bertrand Herz und Ottomar Rothmann sind Ehrenbürger der Stadt Weimar. (2009/2011)

Internationales Jugendtreffen Auschwitz

geschrieben von FIR

18. Januar 2012

Der Zug der 1000 Im Mai 2012 organisieren die Auschwitz Stiftung, das Institut der Veteranen und die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) eine Fahrt von 1000 Jugendlichen aus ganz Europa von Brüssel nach Auschwitz.

Der Zug wird in Brüssel starten und wird in Luxemburg, in Frankfurt/M. und Erfurt Haltepunkte haben, an denen weitere Jugendliche zusteigen können. Insgesamt werden etwa tausend Jugendliche aus ganz Europa in Auschwitz zusammenkommen, um – in der Gesellschaft der letzten Überlebenden der Lager – der Befreiung vom deutschen Faschismus und des Siegs der Demokratie zu gedenken.

Die Reise hat neben dem Gedenken auch noch weitere Ziele:

Pädagogisch: 1000 Jugendliche bekommen die Möglichkeit, das Museum von Auschwitz und das Vernichtungslager Birkenau zu besuchen und etwas über den Völkermord der Nazis zu erfahren.

Erinnerung: Die Jugendlichen besuchen die Lager zusammen mit Überlebenden und Augenzeugen.

Begegnung: Die Jugendlichen haben die Möglichkeit mit Gleichaltrigen aus allen europäischen Ländern zusammenzukommen.

Anmeldeformular (104 KB)

Jeder Nazi-Aufmarsch verhöhnt die Opfer

12. Januar 2012

In einem offenen Brief wendet sich die VVN-BdA bezüglich des anstehenden Neonazi-Aufmarsches in Dresden an die politisch Verantwortlichen.

Offener Brief

an Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel Herrn Bundesminister des Inneren Hans-Peter Friedrich Herrn Ministerpräsidenten des Landes Sachsen Stanislaw Tillich Herrn Innenminister des Landes Sachsen Markus Ulbig

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Minister Friedrich, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Minister Ulbig,

wie in den vergangenen Jahren ist auch im Februar 2012 ein Nazi-Aufmarsch in Dresden geplant, mit dem sich die politischen Kräfte, die Europa in Schutt und Asche gelegt haben und die Verantwortung für die 55 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs tragen, als Repräsentanten „unschuldiger Opfer“ eines „alliierten Bombenholocausts“ darstellen wollen.

Als Veranstalter tritt ein „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ auf, um das sich von „Kameradschaften“, „Freien Kräften“, „Autonomen Nationalisten“ bis zum NPD-Kreisverband Dresden der gesamte braune Sumpf gruppiert, dem der „Nationalsozialistischen Untergrund“ entstammt und aus dem er unterstützt wurde. Was sie eint, ist ihre völkische Ideologie: Rassismus, Antisemitismus, Hass auf alles „Fremde“ ebenso wie auf jeden, der grundlegenden humanistischen Prinzipien folgt, die das Menschen- und Gesellschaftsbild unseres Grundgesetzes bestimmen.

Dass zu diesem Umfeld nicht „nur“ die 10-fachen Mörder aus Zwickau, sondern auch Mörder und Totschläger von mindestens 150 weiteren Menschen gehören, macht noch einmal ganz deutlich, warum wir mit vielen anderen zusammen sagen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Sie haben in den vergangenen Jahren keinen Grund gesehen, den europaweit größten Nazi-Aufmarsch durch Dresden zu verbieten. Jahr für Jahr haben sich diesem aber mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger entgegen gestellt.

Jahr für Jahr wurde der antifaschistische Protest schon im Vorfeld als illegitim diffamiert und zunehmend kriminalisiert. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die Durchsuchung von Büros in Dresden und Berlin und an die Massenspeicherung von Handy-Daten. Nun sind eine Reihe von strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gegen Personen eingeleitet worden, denen eine verantwortliche Rolle bei den Protesten gegen diesen Nazi-Aufmarsch unterstellt wird. Schnell ist man hier mit Tatvorwürfen wie „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ oder „Landfriedensbruch“ bei der Hand.

Wie passt das dazu, dass immer wieder – wir meinen: zu Recht – zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts eingefordert wird? Wie passt das vor allem dazu, dass die notwendige gesellschaftliche Auseinandersetzung oft als Alternative einem Verbot der NPD und aller anderen faschistischen Organisationen – das das Grundgesetz in Artikel 139 ja immer noch gebietet – gegenüber gestellt wurde?

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Herren,

Wir wiederholen unsere Forderung: haben Sie in dieser Frage den Mut zu einer Wende!

Sorgen sie durch Abschaffung des V-Leute-Systems für die vom Verfassungsgericht vorgegebene Voraussetzung zu einem erfolgreichen NPD-Verbotsverfahren!

Sorgen Sie dafür, dass Menschen, die sich in einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung Faschisten in den Weg stellen, nicht länger kriminalisiert werden.

Lassen Sie nicht zu, dass im Februar 2012 der Nazi-Szene wieder der Weg durch Dresden frei geprügelt wird!

Verbieten Sie den Nazi-Aufmarsch!

Jeder Nazi-Aufmarsch verhöhnt die Opfer – die von damals und die von heute!

Solange Nazis marschieren dürfen, werden sich ihnen Antifaschisten in den Weg stellen, auch mit Blockaden!

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Heinrich Fink Cornelia Kerth

Auftakt zur neuen VVN-Unterschriftenaktion für ein NPD-Verbot

7. Dezember 2011

Mit einer Mahnwache vor der Tagungsstätte der Innenministerkonferenz in Wiesbaden hat die VVN-BdA am Donnerstag ihre Forderung nach Verbot der NPD und Abschaltung der als V-Leute tätigen Neonazis bekräftigt.

VVN-Landessprecher P.C.Walther begründete die Notwendigkeit der Einleitung des Verbotsverfahrens und der sofortigen Abschaltung der V-Leute, deren Rolle äußerst negativ sei. Walther setzte sich mit den Ausflüchten gegenüber einem Verbotsverfahren auseinander. Er kritisierte das bisherige Verhalten verantwortlicher Politiker und Behörden; insbesondere des Verfassungsschutzes. Hier sei eine umfassende Aufklärung und die Beendigung der bisherigen Praktiken erforderlich.

Mit der Mahnwache eröffnete die VVN-BdA ihre neue Unterschriftensammelaktion für ein NPD-Verbot. In Wiesbaden unterzeichneten die ersten fünfzig Bürgerinnen und Bürger den Verbotsaufruf der VVN.

Als Beauftragter des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, dem hessischen Innenminister Boris Rhein (CDU) , nahm IMK-Sicherheitschef Thomas Rath von VVN-Sprecher Peter Christian Walther die VVN-Dokumentation der Stellungnahmen und Erklärungen von 5.405 Bürgerinnen und Bürger für ein NPD-Verbot entgegen.

Todesstrafe gegen Mumia Abu-Jamal endgültig verhindert

7. Dezember 2011

Im Kampf um das Leben und die Freiheit des Ehrenmitgliedes der VVN-BdA Mumia Abu-Jamal haben Mumia und die weltweite Solidaritätsbewegung einen großen Sieg errungen: die Staatsanwaltschaft in Philadalphia teilte mit, dass sie nicht länger die Todesstrafe fordern wird.

Mumia Abu-Jamal, Foto: freemumia.org

Mumia Abu-Jamal, Foto: freemumia.org

Am Mittwoch, den 7.12.2011, hat Philadelphias Bezirksstaatsanwalt Seth Williams bestätigt, was eigentlich schon lange bekannt ist: die Todesstrafe gegen den afroamerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal ist verfassungswidrig. Nun verzichtet der Ankläger endgültig darauf, weiter auf eine Hinrichtung des seit 30 Jahren inhaftierten Menschenrechtsaktivisten zu drängen.

Bereits vier Mal hatten US-Bundesgerichte festgestellt, dass das Todesurteil auf Rechtsbrüchen im ursprünglichen Verfahren von 1982 basiert. Zuletzt hat das der Oberste Gerichtshof der USA im Oktober 2011 klargestellt.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat jedoch bereits im Jahr 2000 festgestellt, dass das gesamte Verfahren „einen Bruch internationaler Mindeststandards für die Sicherung fairer Verfahren“ darstelle und deshalb ein neues Verfahren gefordert.

Das Todesurteil ist nun endgültig vom Tisch – ein großer Sieg für Abu-Jamal. Dennoch wird die Internationale Solidaritätsbewegung, unterstützt von zahlreichen Personen des öffentlichen Lebens und verschiedenen Länder- und Kommunalparlamenten, nun erst recht die Freilassung des seit 3 Jahrzehnten inhaftierten Journalisten fordern.

In Philadelphias Constitution Center werden am kommenden Freitag aus Anlass des 30. Haftjahrestages von Abu-Jamal Sprecher und Sprecherinnen aus den gesamten USA die Stimme gegen die anhaltende Inhaftierung erheben. Lebenslänglich ohne Entlassung im Gefängnis ist keine Alternative.

Begleitet wird der Jahrestag von Protesten und Veranstaltungen in Mexiko, Kanada, Frankreich, Großbritanien, der Schweiz, Österreich und der Bundesrepublik: z.B. am Samstag um 16 Uhr vor der Nürnberger Lorenzkirche.

Die Verteidigung von Mumia Abu-Jamal ist im Frühjahr 2011 vom Legal Defense Fund der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP-LDF) übernommen worden, die in dem Fall eines der wichtigsten Bürgerrechtsverfahren in den USA erachten.

NPD-Verbot: Jetzt aber richtig!

5. Dezember 2011

Die VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) veranstaltet vor dem Tagungsgebäude der Innenministerkonferenz eine Mahnwache:Donnerstag, 8.12.2001, ab 10:00 UhrWiesbaden, Wiesbadener Kurhaus, Am Kurhausplatz, Wilhelmstr./Ecke Christian-Zais-StraßeMit dieser Mahnwache fordert die NS-Verfolgtenorganisation ein Verbotsverfahren gegen die NPD und verbindet dies mit dem Ruf nach Abschaltung der als V-Leute tätigen Neonazis.

Mit dieser Mahnwache beginnt die VVN-BdA eine neue bundesweite Unterschriftensammlung für das NPD-Verbot.

Die von NS-Opfern und Widerstandskämpfern gegründete Organisation, die sich als die stärkste Organisation von Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, fordert das Verbot der NPD schon seit mehreren Jahren.

Sie hat dafür unter dem Logo „nonpd“ bundesweit bereits zwei Kampagnen durchgeführt. Bei der ersten Kampagne in 2007 wurde die Verbotsforderung von 175.000 Bürgerinnen und Bürgern mit ihrer Unterschrift unterstützt. Weitere 5.000 Bürgerinnen und Bürger gaben bei einer weiteren Sammelaktion der VVN-BdA persönliche Stellungnahmen und Begründungen für die Verbotsforderung ab.

In Anbetracht der jüngsten Entwicklung sieht die VVN-BdA mehr denn je Veranlassung, nunmehr endlich ein Verbotsverfahren durchzuführen. Ebenso nachdrücklich setzt sich die VVN-BdA für eine Abschaltung der als V-Leute tätigen und vom Verfassungsschutz bezahlten Neonazis ein.

Die V-Leute hätten weder Umtriebe noch Verbrechen verhindert, sie noch nicht einmal aufgedeckt. Stattdessen würden Gewalttaten auch von V-Leuten gefördert. Die Honorargelder des Verfassungsschutzes flössen in Neonaziaktivitäten. Schließlich habe die Existenz der V-Leute das erste Verbotsverfahren blockiert und so zur Bestandssicherung der NPD geführt.

Das alles gebiete die sofortige Beendigung des V-Leute-Unwesens. Es bedürfe keiner Informationen der V-Leute, die ohnehin nicht gerichtsverwertbar seien, um ein NPD-Verbot zu begründen. Dazu genügten die offenen Aktivitäten der NPD, deren Äußerungen und vor allem deren Förderung und Unterstützung von Gewalttaten.

“V-Leute-System abschaffen“ / Vorwurf der Untätigkeit und Verhinderung der Strafverfolgung

geschrieben von Bundesausschuss der VVN-BdA

19. November 2011

Das friedliche Zusammenleben in unserem Land, Demokratie, Solidarität, unser Leben und unsere Zukunft werden von Neonazis und Neofaschismus bedroht.

Die Mordserie der neofaschistischen Terrorgruppe, die sich “Nationalsozialistischer Untergrund“ nennt, belegt auf dramatische Weise: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Trotz der ungeheuerlichen Dimension und Brutalität dieser Morde sind sie kein Einzelfall. Wir erinnern an das Oktoberfest-Attentat in München und die Brandanschläge, Pogrome und Mordtaten in den 90er Jahren u.a. in Solingen, Mölln, Lichtenhagen und Hoyerswerda. Eine Liste von Todesopfern rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 nennt die erschreckende Zahl von 182 Toten.

Das Ausmaß der neonazistischen Gewalt zeigt, dass die totale Missachtung menschlichen Lebens – Gewalt bis zum Mord – immanenter Bestandteil des Denkens und Handelns im Neonazismus ist. Es ist die faschistische Ideologie, die diese Gewalt hervorbringt und fördert. Diese Erfahrung haben wir bereits in der NS-Zeit machen müssen.

Dennoch orientieren Blick und Weltbild der herrschenden Politik, in Staat und den tonangebenden Medien vorrangig auf angebliche “Gefahren von links“ und Gefahren durch “Fremdes“ und “Ausländisches“: Internationaler Terrorismus, Islamismus und “Linksextremismus“ (neuerdings noch gesteigert zum “Linksterrorismus“) beherrschen das Denken und Handeln der staatlichen Kräfte. Für einen konsequenten Kampf gegen rechts bleibt da kein Platz.

Rechte Gewalt und rechter Terror werden bagatellisiert, entpolitisiert, wenn nicht sogar geleugnet. Geburtshelfer mit NS-Vergangenheit bei der Inbetriebnahme der bundesdeutschen Geheimdienste haben da möglicherweise ihre Nachwirkung.

Politik und Staat sind auf dem rechten Auge blind. Als feststand, dass die Mordserie sich ausschließlich gegen Menschen ausländischer Herkunft richtete, wurde dennoch an alles Mögliche gedacht, nur nicht an Neonazis und deren Ausländerhass. Vielmehr wurden sogar die Opfer posthum krimineller Verbindungen verdächtigt.

Das gegen links gerichtete Weltbild verhindert konsequentes Vorgehen gegen Neonazis und Neofaschismus. Mehr noch: Politik, Justiz und Polizei sind folgerichtig primär gegen Nazigegner aktiv. Das zeigt das Beispiel Dresden, ist aber nicht auf Dresden beschränkt.

Die bislang praktizierte Zurückhaltung und Untätigkeit gegen Neonazis – überdeutlich geworden am Beispiel der jahrelang unbehindert morden könnenden Neonazigruppe – leistet dem Neofaschismus Vorschub.

Die vorzeitig eingestellten bzw. unterlassenen Ermittlungen und die Versäumnisse im Vorgehen gegen die bereits erkannten Neonazis der späteren Mörderbande verhinderten in der Konsequenz eine Strafverfolgung.

Deutlich wird die daraus resultierende Hilfestellung für Neonazis auch am System der V-Leute. Das sind vom Verfassungsschutz besoldete Neonazis. Der VS finanziert damit neofaschistische Gruppierungen, Organisationen und auch die NPD.

Wie die nunmehr bekannt gewordenen Vorgänge rund um die Verbrechen der Mördergruppe zeigen, haben als V-Leute bezahlte Neonazis – auch im Umkreis dieser Mörderbande – kein Verbrechen verhindert, nicht einmal aufgedeckt, sondern eher noch die Verbrecher geschützt und unterstützt.

Der Einsatz der V-Leute hat bereits das erste Verbotsverfahren gegen die NPD torpediert und damit die NPD vor dem Verbot gerettet. Das alles verlangt, das V-Leute-Unwesen endgültig zu beenden. V-Leute nützen den Neonazis.

Als größte antifaschistische Organisation Deutschlands, die von Naziopfern, ehemals Verfolgten und Widerstandskämpfer/innen gegründet wurde, fordern wir:

Die Gefahr des Neofaschismus muss endlich ernst genommen und entsprechend bekämpft werden.

Antifaschismus darf nicht länger diskriminiert werden. Dieses Land braucht ein klares Bekenntnis zum Antifaschismus.

Erforderlich sind:

Durchsetzung des im Grundgesetz und in den Strafgesetzen verankerten Faschismusverbots;

konsequentes Vorgehen gegen Neonazis und Neofaschismus. Unterbindung und Verbot neofaschistischer Umtriebe, Organisationen und Gruppierungen;

das Verbot der NPD, die Knotenpunkt, organisatorische Plattform, Ideologiegeber und Reservoir für neonazistische Gewalttäter ist – und zu der auch die Mörderbande Verbindung gehalten hat;

umfassende Aufklärung über das dubiose Verhalten von Justiz, Polizei und Verfassungsschutz bei neonazistischen Gewalttaten und gegenüber den Tätern;

Abschaffung des V-Leute-Unwesens – auch um damit den Weg zum Verbotsverfahren gegen die NPD freizmachen.

Die den Neonazismus fördernde Gleichsetzung von “Links- und Rechtsextremismus“ ist zu beenden.

Projekte gegen rechts dürfen nicht länger eingeschränkt oder behindert werden, sie müssen ohne Einschränkung gefördert werden. Die “Extremismusklausel“ ist zu streichen.

Antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Protest und Widerstand gegen Umtriebe und Aufmärsche von Neonazis dürfen nicht länger behindert und kriminalisiert werden. Sie sind ein aktiver Beitrag zur Verteidigung der Demokratie.

Wir wenden uns gegen alle Versuche, die Mordtaten der Neonazis, die wegen staatlicher Untätigkeit jahrelang fortgesetzt werden konnten, nunmehr zum Vorwand zu nehmen, erneut eine Einschränkung demokratischer Grundrechte und Freiheiten durchzusetzen und den allgemeinen Überwachungsapparat, alle Bürgerinnen und Bürger betreffend, auszubauen.

Die VVN-BdA wird ihre Aktivitäten im Rahmen der „nonpd“-Kampagne verstärken.

Bundesausschuss der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA), Mageburg, 20.11.2011

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