Mit großer Sorge
20. März 2014
Botschaft des Bundessprechers Ulrich Sander an die Friedenskundgebung in Detmold
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
im Namen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten, gegründet 1946 von den Überlebenden von Widerstand und Verfolgung, begrüße ich Eure wichtige Aktion und wünsche ihr einen guten Verlauf. Mögen Eure Aussagen für den Frieden weithin Gehör finden.
Ich darf Euch die Erklärung der VVN-BdA zur entstandenen Situation überbringen:
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten ist besorgt über die Ankündigung der Bundeskanzlerin, in den nächsten Tagen das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit der illegalen ultrarechten Regierung in Kiew unterzeichnen zu wollen. Es ist zu beachten, dass der Konflikt um die Ukraine und die Krim nicht erst mit dem Eingreifen Russlands auf der Krim begann, sondern auf die jahrelangen Versuche des Westens zurückgeht, die Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands herauszulösen und den Marktbedingungen der Europäischen Union wie dem Militärkonzept der Nato unterzuordnen. Inzwischen hat in Kiew eine Clique die Macht ergriffen, in der der auch Faschisten bestimmend mitwirken, ohne dass „der Westen“ irgendwelche Einwände erhob.
Mit großer Sorge wird von uns die innenpolitische Entwicklung in der Ukraine gesehen, die es – mit massiver Unterstützung aus dem Westen – rechtsextremen und faschistischen Gruppierungen wie „Svoboda“ oder den „Rechten Sektor“ ermöglicht hat, zu Wortführern auf dem Maidan zu werden und Schlüsselpositionen in der „Übergangsregierung“ zu besetzen.
Wir stimmen dem Friedensratschlag zu, der daran erinnerte: „Als in Österreich 2000 die rechtspopulistische Haider-Partei FPÖ sich an der Regierung beteiligte, erließen 14 EU-Staaten Sanktionen gegen Wien. Heute wüten faschistische Banden in Kiew und anderen Teilen der Ukraine, ohne dass aus der EU auch nur ein Sterbenswörtchen der Distanzierung zu hören ist. Im Gegenteil: Der rechten Übergangsregierung wird finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe versprochen. Bei so viel politisch-moralischer Verkommenheit muss man zum Schluss kommen, dass sich die EU-Außenpolitik längst nicht mehr von ihren eigenen hehren Prinzipien der Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, sondern von purer Macht- und Interessenpolitik leiten lässt.“
Die Friedensbewegung lehnt die Abtrennung der Krim von der Ukraine als völkerrechtswidrig, der UNO-Charta widersprechend ab. Allerdings wird darin erkennbar, wie verheerend die westlichen Vorbilder für ein derartiges Vorgehen Russlands wirken. Vor 15 Jahren haben die NATO und damit Deutschland Serbien völkerrechtswidrig mit Krieg überzogen und somit die völkerrechtswidrige Abtrennung des Kosovos eingeleitet. Während über 3000 unschuldige Menschen in Serbien dem Bombardement zum Opfer fielen, hat Russland bisher kein Blutvergießen verübt. Wir appellieren an Russland und alle am Konflikt Beteiligten: Keine Gewalt! Reden ist besser als schießen.
Und wir betonen: Es gibt kein Recht auf eine „humanitäre Intervention“, und die Friedensbewegung hat oft genug gegen so oder ähnlich begründete Militäraktionen Position bezogen (z.B. NATO-Krieg gegen Jugoslawien, Afghanistan-Krieg, Irakkrieg, Luftkrieg gegen Libyen, Frankreichs Krieg in Mali).
Wir stimmen dem ehemaligen Bundesminister und Mitstreiter der Friedensbewegung Erhard Eppler (SPD) zu, der am 11.3.2014 die Dämonisierung Wladimir Putins und die antirussische Kampagne in Deutschland verurteilte und feststellte: „Kein russischer Präsident würde geduldig dabei zusehen, wie eine eindeutig antirussische Regierung in Kiew versucht, die Ukraine in Richtung Nato zu führen. Der Westen sollte Wladimir Putin nicht verteufeln, sondern sein Verhalten in der Ukraine-Krise zu verstehen versuchen. Kein russischer Präsident würde geduldig dabei zusehen, wie eine eindeutig antirussische Regierung in Kiew versucht, die Ukraine in Richtung Nato zu führen.“
Erhard Eppler stellte weiter fest: „In der ukrainischen Regierung sitzen nun Rechtsradikale. Bei uns redet aber niemand darüber. Da erklärte einer der ganz Rechten, sie seien der harte Kern der Aufstandsbewegung gewesen, und nun gingen sie nicht nach Hause, ehe ihre Leute in der Regierung seien. So ist es auch gekommen. Dass in dieser Regierung auch Leute sind, die einen Mann als Helden verehren, der mit Wehrmacht und SS gegen die Sowjetarmee gekämpft hat, kommt natürlich in Moskau anders an als in Kiew. Sicher ist, dass es ausgeprägte Antisemiten in dieser Regierung gibt. Da sind wir Deutschen doch aus guten Gründen sensibel. In diesem Fall kommt noch etwas dazu: Könnte es sich da um die Enkel jener Ukrainer handeln, die seinerzeit freiwillig der SS bei der Judenhatz geholfen haben?“
Es muss eine Verhandlungslösung gefunden werden. Bei solchen Verhandlungen könnten die folgenden Vereinbarungen erzielt werden, wie sie vom Friedensratschlag in Kassel am 9. März 2014 formuliert wurden:
• Eine Beteiligung rechtsextremer und faschistischer Kräfte an der ukrainischen Übergangsregierung ist auszuschließen. Die faschistischen Kräfte in der Ukraine sind zu entwaffnen. Die Morde durch Scharfschützen auf dem Maidan werden von unabhängiger Seite untersucht.
Jede einseitige Maßnahme zur Sezession der Krim oder anderer Landesteile der Ukraine ist zu stoppen. Sezessionen könnten nur einvernehmlich erzielte Ergebnisse eines gesamt-ukrainischen Prozesses sein, der auch die Rechte und Interessen von Minderheiten (z.B. der Tataren auf der Krim) wahrt.
Die Beziehungen Russlands und der Ukraine sind besonderer Art. Die NATO nimmt die Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation genauso ernst wie die der Ukraine. Die Bündnisfreiheit der Ukraine ist von allen Konfliktparteien zu akzeptieren.
Die ukrainische Übergangsregierung stoppt die Mobilmachung der Streitkräfte, die russische Regierung hält das Abkommen über die Krim ein und USA und EU stellen die Sanktionen gegen Russland ein. Russland nimmt die Interventionsdrohung gegen die Ukraine zurück.
Sämtliche Rüstungsexporte aus dem EU-Raum nach Russland und in die Ukraine werden gestoppt.
• Von der Bundesregierung erwarten wir darüber hinaus: Die Beendigung der antirussischen Kampagne, sowie den Stopp des Aufbaus des sog. Rake-tenschirms auf deutschem Boden, der von Russland nur als Bedrohung betrachtet werden kann.