Grußwort – Internationales Verteidigungskomitee (IVK)

1. April 2011

Das Grußwort wurde vorgetragen.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

bevor ich Grüße aus einem US-Todestrakt überbringe, möchte ich ein Zitat unseres verstorbenen Kameraden Peter Gingold verlesen, das dem Geleitwort entstammt, das er im Jahr 2001 für das Buch »…aus der Todeszelle« von Mumia Abu-Jamal geschrieben hat:

»Wenn wir Menschen zur Solidarität mit Mumia Abu-Jamal mobilisieren, alarmieren wir sie gegen den Rassismus. Eine Pflicht, die die jüngste deutsche Geschichte uns diktiert. Wir müssen an der Spitze des internationalen Protestes stehen, gegen die drohende Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal! Es gibt wohl kaum ein anderes Volk in der Welt, das wie das deutsche erfahren hat, was Rassismus bedeutet und wohin er führt. Niemals darf in Vergessenheit geraten, wie mit der Herrenrassen-Ideologie eine ganze Nation dazu gebracht wurde, pflichtgemäß als nationalen Auftrag Völkermassen als minderwertig, als nicht lebensberechtigt anzusehen und industriemäßig auszurotten, wie Ungeziefer zu vernichten.

Diese Geschichte verpflichtet die Deutschen wie keine anderen auf dieser Erde, politisch und moralisch am lautstärksten aufzuschreien und den Rassismus zu bekämpfen, wann und wo er auch zu Tage tritt; und sich mit jedem zu solidarisieren, der aus rassistischen Gründen verfolgt, beleidigt, verletzt wird und vor allem, dessen Leben bedroht wird. Wir schulden es der Welt, wir schulden es den Opfern des Rassismus und Faschismus, und wir schulden es den antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und -kämpfern.«

(Peter Gingold in: Mumia Abu-Jamal »…aus der Todeszelle – Live from Death Row«, Bremen 2001/2005, S. 18-19)

Soweit Peter Gingold.

Nun zu den Grüßen aus dem Todestrakt. Ich habe Mumia Abu-Jamal schon vor vielen Wochen über diesen Kongress informiert und ihn noch einmal an die historische und aktuelle Bedeutung unserer Organisation und an seine Ehrenmitgliedschaft erinnert.

Erst kurz vor der Konferenz hat Mumia mir auf Umwegen Grüße für diesen Bundeskongress ausrichten lassen. Er bittet um Verständnis, dass er sich im Moment in einer äußerst schwierigen Situation befindet, die es ihm nicht erlaubt, schriftliche Grußbotschaften zu übermitteln. Er ließ mir aber mitteilen, meine erinnernden Worte seien nicht nötig gewesen. Vielmehr erinnerte er mich in diesem Zusammenhang an unser letztes persönliches Gespräch, in dem er betont hatte, es sei für ihn eine große Auszeichnung, Ehrenmitglied dieser kämpferischen antifaschistischen Organisation zu sein. Besonders hob er hervor, dass ihm Peter Gingolds Geleitwort und darin vor allem der Schlusssatz »Damit die Solidarität Mumia vom Tod zum Leben bringt« ihm Kraft gegeben habe.

Diese Kraft wünscht er uns auch für unsere Arbeit und dankt allen hier für das, was sie für ihn und die Abschaffung der Todesstrafe tun!

Ich werde Mumia vom Bundeskongress berichten und von hier einen »Gruß in die Todeszelle« schicken.

Auf zwei Aspekte möchte ich noch kurz eingehen:

Mumia Abu-Jamals juristische Situation wird hier morgen anhand des Antrages des Landesverbandes NRW »Rettet das Leben von Mumia Abu-Jamal« ausführlicher erläutert. Jetzt nur so viel: Nach der gerichtlichen Anhörung vom 9. November 2010 steht immer noch die Entscheidung des 3. Bundesberufungsgerichts in Philadelphia aus, ob das Todesurteil bestätigt oder über seine eventuelle Umwandlung in lebenslange Haft neu verhandelt wird. In jedem Fall braucht unser Ehrenmitglied Mumia Abu-Jamal weiterhin unsere umfassende Solidarität! Das Internationale Verteidigungskomitee (IVK), dem ich angehöre, arbeitet dazu eng mit in- und ausländischen Organisationen der Arbeiter- und Menschenrechtsbewegung zusammen. Todesstrafe, Folter, Isolationshaft und andere Menschenrechtsverletzungen können nur abgeschafft werden, wenn der Kampf dagegen eng mit den grundsätzlichen Fragen einer auf allen Ebenen notwendigen gesellschaftlichen Veränderung verbunden wird.

Mit meiner zweiten abschließenden Anmerkung beziehe ich mich auf die Notwendigkeit der Fortführung der guten Traditionen der VVN/BdA, zu denen die Losung »Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!« gehört, die auf den Schwur der überlebenden Buchenwald-Häftlinge vom 19. April 1945 zurück geht, geleistet wenige Tage nach ihrer Selbstbefreiung: »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.«

Während in Libyen jetzt eine militärische »Koalition der Willigen« des Westens unter Ausnutzung der aufbrechenden gesellschaftlichen Konflikte in Nordafrika dabei ist, in einem neuen Kolonialkrieg neue Verbrechen zu begehen, wird gleichzeitig ein junger US-Soldat wie Bradley Manning des »Hochverrats« bezichtigt und konkret mit lebenslanger Haft oder gar der Todesstrafe bedroht, weil man ihm vorwirft, Beweise für Kriegsverbrechen in Irak und Afghanistan an Wikileaks weitergegeben zu haben. Damit soll er »den Feind unterstützt« haben, den die Ankläger des Pentagon aber nicht näher benennen. Der Erzfeind aller Kriegstreiber war aber eh und je die Wahrheit.

Deshalb gehört auch Bradley Manning unsere uneingeschränkte Solidarität!

In diesem Sinne: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! Abschaffung der Todesstrafe weltweit!

[Informationen über Mumia Abu-Jamal und Bradley Manning: www.freedom-now.de]

Jürgen Heiser
IVK und VVN-BdA Ortenau