Gedenkt der Pogromnacht vor 72 Jahren, am 9. November 1938!

geschrieben von Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees

10. November 2010

Aufruf anlässlich der Veranstaltung des Auschwitz-Komitees zum Gedenken an die Pogromnacht 1938 am 11. November 2010 in Hamburg

„Wir, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, rufen auf: Gedenkt der Pogromnacht vor 72 Jahren, am 9. November 1938!

Damals wurden in ganz Deutschland durch die SA-Sturmkolonnen die Synagogen demoliert,geplündert und in Brand gesetzt. Unter Berufung der „kochenden Volksseele“ wurden die Wohnungen tausender jüdischer Familien zertrümmert und ausgeraubt, wurden dreißigtausend jüdische Menschen in Konzentrationslager verschleppt.

Dieser Tag war eine Station auf dem Weg zur Vernichtung der europäischen Juden. Der Rauch der brennenden Synagogen ging dem Rauch von verbrannten Menschen aus dem Krematorium von Auschwitz voraus.

Dieser Tag kündete aber auch den kommenden barbarischen Vernichtungskrieg an. Mit ihm sollte getestet werden, inwieweit die Bevölkerung kriegsbereit ist, indem sie mitten im Frieden Gewalt, Raub, Brandschatzung und Mord hinnimmt. Es geschah unter aller Augen. Deshalb lasst uns immer wieder die Frage stellen: Wo blieb der millionenstimmige Aufschrei: das dürfen wir nicht zulassen? Warum läuteten nicht die Kirchenglocken zum Protest? Was hat die Menschen so gleichgültig oder passiv und teilnahmslos gemacht?

Wie tief war doch dieser Antisemitismus in der Bevölkerung verwurzelt. Auschwitz darf sich nie mehr wiederholen – das muss unsere Verpflichtung für die Zukunft sein! An diesem Jahrestag der Pogromnacht haben wir, die Überlebenden des faschistischen Terrors, viele Gründe alarmiert zu sein!

Der Antisemitismus, der nach 1945 das Tageslicht scheute, ist wieder gesellschaftsfähig geworden. Parolen werden zu Taten. Jüdische Grabstätten und Einrichtungen werden fortwährend geschändet. Die Nazis marschieren wieder, und oberste Richter geben dafür die Straße frei. Tagtäglich erleben wir rassistische Gewalt.

Erschreckend ist die gesellschaftliche Zustimmung zur Ausgrenzung, Diskriminierung und Entrechtung von Menschen, die als „Ausländer“ wahrgenommen werden. Damals waren es jüdische Menschen, die ausgegrenzt, diskriminiert, entrechtet und schließlich ermordet wurden.

Aus der Erfahrung unseres Lebens sagen wir: Nie mehr schweigen, wegsehen, wie und wo auch immer. Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hervortreten! Erinnern heißt handeln!“