Das braune Amt
11. November 2010
Viele Medien und Experten sagten, das sei nicht neu, was in „Das Amt und die Vergangenheit“ zur Geschichte des Auswärtigen Amtes als Teil des Naziregimes präsentiert wurde.
Es habe doch die „Braunbücher“ der DDR gegeben und andere Veröffentlichungen von dort, die die Fakten, die jetzt hier überraschen, ausbreiteten. Die „Braunbücher“ erschien allerdings erstmals 1965.
Übersehen wird, dass die VVN – damals noch ohne den Zusatz BdA – bereits 1960 das „Weissbuch – In Sachen Demokratie“ und 1962 die Dokumentation „Die unbewältigte Gegenwart“ in Westdeutschland veröffentlichte. Darin war das meiste des jetzt vorliegenden Materials – wenn auch gekürzt – bereits vorhanden.
Die Medien haben dazu geschwiegen, die Bundesregierung hat reagiert: Mit dem Versuch die VVN zum Schweigen zu bringen, ihre Zeitung „Die Tat“ und die Organisation selbst zu verbieten. Das Verbot scheiterte, weil die VVN-BdA nachweisen konnte, dass zumindest einer der Richter im Verbotsprozess Nazi war.
In manchen Fällen, die jetzt eingeräumt werden, hätte doch nicht nur die bundesdeutsche Geschichtsschreibung früher handeln müssen, sondern auch die Justiz, so meinen manche gerecht denkende Leute. Aber die hat ja durchaus gehandelt – gegen die Enthüller. Thomas Harlan zum Beispiel, der Sohn von Veit Harlan, des Nazifilmers von „Jud Süß“, hat 2000 Kriegsverbrecher entlarvt. Er musste das Land verlassen. Er starb kürzlich, ohne rehabilitiert zu werden.
Nazidiplomaten waren Schreibtischtäter, doch gegen sie ging die Justiz nicht vor. Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, dass sich die Regierung für ihre Vorgängerregierungen bei der VVN entschuldigt. Doch die Länder Bayern und Baden-Württemberg halten an der Bewertung der VVN als „verfassungsfeindlich“ fest, eine Bewertung, die noch aus der Zeit des Minister Dr. Gerhard Schröder, SA-Mann und Innen- wie auch Außenminister, stammt.
Die VVN-BdA hat sich nicht einschüchtern lassen – damals nicht und nicht heute. Sie ist am Thema drangeblieben, z.B. an den Kriegsverbrechern aus der Wehrmacht, besonders an den mutmaßlichen Tätern aus der Gebirgstruppe. 196 von ihnen hat sie zusammen mit der Gruppe Angreifbare Traditionspflege angezeigt, einer wurde verurteilt. Sie ist auch an den Enthüllungen drangeblieben. Das „Weissbuch“ wurde 2004 neu herausgebracht.
Einzelnen Branchen und wissenschaftlichen Disziplinen haben in den letzten zwanzig Jahren das aufgearbeitet, was andere, zum Beispiel die 68er schon früher sagten. Es sei erinnert an die Geschichtskonferenzen der Ärzte, der Psychiater, der Justiz, an die Wehrmachtsausstellung, an die Historikerkonfenzen. Nur die Diplomaten hielten sich zurück – und damit ist nun Schluss -, und auch die Manager, die Männer der ökonomischen Eliten. Die aber sind bis heute verschont worden. Dagegen setzt die VVN-BdA ihre Aktion in NRW „Verbrechen der Wirtschaft 1933 – 1945“.
Zahlreiche Täter wurden schon beim Namen genannt. Es wurde gefordert, dass sie in der örtlichen Geschichtsschreibung benannt werden und dass die Stätten ihres Wirkens gekennzeichnet werden. So wie die Villa des Barons von Schröder am Stadtwaldgürtel in Köln, wo Hitler und die Wirtschaft im Januar 1933 die Regierungsbildung perfekt machten. Dort befindet sich eine Erinnerungstafel. So sollte es überall sein. Zum Beispiel auch bei Bayer/IG Farben. Dort haben der unvergessene, leider so früh verstorbene Manni Demmer und die VVN-BdA eine Tafel angebracht, sie musste allerdings dort wieder weg, sie steht nun auf Privatgelände: Am Tor der Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen. Auf der Web Site der VVN-BdA können weitere Aktionen zur Kenntnis genommen werden.
Auf der Web Site der VVN-BdA NRW wurde auch von den Bemühungen der VVN-BdA um Bekanntmachung des Falls Achenbach berichtet. Kurz darauf wurde das Buch „Das Amt“ u.a. zu diesem Fall vorgelegt. Aber damit hat sich die die Aktion nicht erledigt. Die Antifaschisten verlangen, dass Ernst Achenbach (1909 – 1991) aus Essen, der Mann der – so wird in dem Buch berichtet – das Geld der Wirtschaft sowohl für die Nazis wie für die FDP sammelte und an der Judenvernichtung als Diplomat in Paris mitwirkte, endlich in der Öffentlichkeit als Verbrecher wahrgenommen wird.
Jahrzehnte lang war er Politiker und er hat mitgeholfen, dass die Strafverfolgung der Nazis unterblieb. Als die Verjährung für Mord endlich aufgehoben wurde, hat Achenbach zusammen mit seinen Reichssicherheitshauptamtkumpanen Prof. Six und Dr. Werner Best dafür gesorgt, dass Totschlag und Hilfestellung bei Mord durch NS-Täter unbestraft blieben. Die FDP hat nicht nur durch ihre Außenminister die Verbrecher gedeckt, sie hat auch in ihren eigenen Parteireihen nie aufgeräumt.
Das alte Auswärtige Amt wurde jetzt von den Forschern als „verbrecherische Organisation“ gekennzeichnet und Josef Fischer hat diese Formulierung übernommen. Dies geschah aber nur, hinsichtlich der Judenvernichtung, nicht hinsichtlich des Krieges. Das Buch „Das Amt“ macht deutlich, dass das NS-Auswärtige-Amt am Holocaust beteiligt war und dass Mordgehilfen nach 1945 auf Botschafterposten zurückkehrten. Es macht aber auch deutlich, dass die Verbrechen dieser Diplomaten auch in der Vorbereitung, Propagierung und Führung des Angriffskrieges bestanden, denn schließlich hat der oberste Diplomat Hitlers, Jochim von Ribbentrop, wegen dieses Krieges in Nürnberg am Galgen gehangen.
In der öffentlichen Wahrnehmung des Buches – einer Wahrnehmung, die von Josef Fischer und Guido Westerwelle stark mitgeprägt wird – bleibt das Hauptverbrechen Krieg ausgeblendet. Das liegt daran, dass Fischer ab 1999 Kriegsverursacher war und die Parteien SPD, Grüne und FDP, CDU/CSU an der Kriegspolitik festgehalten haben.
Zur politischen Kultur muss endlich wieder gehören, dass nicht nur der deutsche Faschismus, sondern auch die deutschen Kriege geächtet und künftige unterbunden werden.