Unsere Solidarität ist ihre Niederlage!

19. Februar 2024

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Rede der VVN-BdA-Bundessprecherin Denise Torres bei der Hanau-Gedenkdemonstration am 19.02. in Frankfurt

„Es sind nun vier Jahre vergangen – und doch fühlt es sich an, als wäre es erst gestern geschehen. Das Unfassbare, das die Familien, Hinterbliebenen, Freund*innen und Überlebenden ein Leben lang mit sich herumtragen müssen.

Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov.

Die Erinnerung an diesen einen Tag im Februar – den 19.02.2020 – an dem neun Menschen ermordet wurden, ist noch frisch. Sie wurden ermordet, einfach weil sie so aussahen, wie sie aussahen. Weil sie als Menschen mit migrantischer Herkunft gesehen wurden.

Erinnerungen auch an all die Hetze und die Worte: „Organisierte Kriminalität“, „Beziehungstat“ – es sind Verdächtigungen und Spekulationen, die den Hinterbliebenen Wut, Trauer und Entsetzen bereiteten. Zusätzlich zu dem Schmerz, dass ihnen ihre Liebsten durch einen Gewaltakt genommen wurden. Sie wurden nicht als Opfer gesehen, nicht als Menschen, denen Leid zugefügt wurde. Wie unmenschlich und voller Vorurteile muss man sein? Und die Liste geht weiter: Polizei und Justiz – sie machten aus Opfern Verdächtige. Dass die Opfer und Hinterbliebenen mehr zur Aufklärung beitragen mussten, um Gerechtigkeit zu erlangen, ist die Realität in der Bundesrepublik Deutschland, in der wir alle leben.

Gerechtigkeit ist auch nach vier Jahren noch nicht erreicht und somit auch keine Konsequenzen. Wie können wir da gedenken, erinnern? Das Gedenken an diese ermordeten Menschen ist auch eine Anklage und ein Kampf für Gerechtigkeit. Am 17.02. haben viele von uns gemeinsam auf Demonstrationen und Kundgebungen erinnert.

Immer wieder wurde in den Reden der Angehörigen gesagt: Erinnern heißt verändern!

Diesem Aufruf können wir als VVN-BdA folgen. Die VVN-BdA gedenkt ihrer Opfer, ihrer Überlebenden. Die Überlebenden, Antifaschistinnen und ihre Angehörigen haben ihr Leben lang für Veränderung und den Kampf für eine gerechte Aufklärung gekämpft. Sie haben teilweise an Gesetzen mitgeschrieben, sie haben Täter vor Gericht gebracht und wurden selbst von Tätern angezeigt. Sie wurden für ihre Arbeit mit Berufsverboten und Verleumdungen bestraft. Aus ihnen wurden Täter gemacht, Landesverräter*innen und Nestbeschützer*innen.

Erinnern heißt daher auch für uns verändern – und ist bis heute eine Aufgabe, der wir uns als Antifaschist*innen weiter stellen müssen.

Die Hinterbliebenen haben am letzten Samstag genau das getan. Sie haben sich nicht entmutigen lassen durch den Terror, der ihren Familien und Freunden widerfahren ist. Sie haben sich zusammengeschlossen und kämpfen seit dem 19.02. genau für diese Veränderung. Denn sie ist notwendig. Die AfD gewinnt trotz großer Proteste an Mitgliedern und Wählerstimmen. Ihre Äußerungen, ihr Handeln werden immer aggressiver. Für viele war es keine Überraschung, dass sich Faschisten und Rechtsextremisten treffen, um ihre menschenverachtenden Gedanken auszutauschen und Pläne zu schmieden. Pläne zur Remigration wurden schon vor einigen Jahren von anderen Rechten gemacht.

Çetin Gültekin, der Bruder des Ermordeten Gökhan Gültekin, sprach in seiner Rede am Samstag davon, dass sie zwar Betroffene sind, aber keine hilflosen Opfer. Sie haben ihre Stimme erhoben.

 Und genau das müssen auch wir alle immer wieder tun.

Wir müssen den Betroffenen rechter Gewalt zur Seite stehen, ihre Sichtweise hören und ihren Kampf unterstützen.

Wir alle müssen dazu beitragen, dass aus Erinnern auch Veränderung wird.

Lasst uns heute hier gemeinsam aus der Trauer, der Wut und dem Unrecht, das geschehen ist, zusammenfinden und uns für Konsequenzen, für Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen.

Denn unsere Solidarität ist ihre Niederlage!

Vielen Dank“