VVN-BdA und Ulrich Sander gegen Kameradenkreis der Gebirgstruppe, worum ging es bei juristischen Auseinandersetzungen – und was war das Ergebnis?

21. Mai 2009

Rechtsanwalt Eberhard Reinecke zum Prozess des Kameradenkreises der Gebirgsjäger gegen Ulrich Sander

Als Rechtsanwalt, der Ulrich Sander in verschiedenen Verfahren vertreten hat, möchte ich Inhalt und Zusammenhang der Verfahren und Entscheidungen darstellen, da darüber teilweise unzutreffende Behauptungen verbreitet werden, teilweise der Kameradenkreis auch unangemessene Siegesfanfaren ertönen lässt.

Bevor ich im Folgenden auf die einzelnen Streitpunkte eingehe, zunächst etwas Grundsätzliches: Im Presserecht macht sich seit einigen Jahren eine neue Art von Prozessführung breit. Es wird oft nicht mehr um den Kern von Artikeln und Aussagen gestritten, sondern es wird um einzelne Formulierungen gestritten. Obwohl die Partei, die die entsprechenden Prozesse anstrengt, damit in der Sache kaum etwas gewinnen kann, kann sie für die Journalisten eine erhebliche Kostenlast produzieren, oft verbunden mit einem Einschüchterungseffekt.

Wenn einem an einem Artikel „die ganze Richtung nicht passt“, dann ist es meist aussichtslos, gegen die Richtung selbst etwas unternehmen zu wollen, weil dies regelmäßig in den Bereich der Meinungsfreiheit fällt. Es werden also meist einzelne Äußerungen gesucht, die manchmal nur etwas flüchtig oder unscharf formuliert sind, um daran einen Prozess aufzuhängen.

Dieses Verfahren hat eine Grundlage darin, dass nach der Rechtsprechung eine Äußerung nicht so auszulegen ist, wie sie der Äußernde, also der Journalist gemeint hat, sondern so auszulegen ist, wie sie ein angeblicher Durchschnittsleser versteht. Das heißt im Ergebnis, dass das Gericht selbst die Äußerungen interpretiert und damit festlegt, wie sie zu verstehen sind. Hinzu kommt seit dem sogenannten „Stolpe-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichtes, dass bei mehrdeutigen Aussagen regelmäßig die für den Äußernden (Journallisten) ungünstigere Auslegung zugrundegelegt wird.

Diese Rechtsprechung erfordert eine gewisse Vorsicht bei den Formulierungen, während es in den allermeisten Fällen möglich ist, den Inhalt, den man äußern will, bei einer geschickten Formulierung auch tatsächlich zu äußern.

Die Auseinandersetzung um den Artikel „Nach Gerichtsurteilen aus Rom muss nun schnellstens gehandelt werden: Bestrafung der Täter und Entschädigung der Opfer“

Im Rahmen einer Presseerklärung zu Gerichtsurteilen in Rom hatte Ulrich Sander unter anderem formuliert:

„Seit 2002 protestiert eine bundesweite Bewegung Jahr für Jahr in Mittenwald/Oberbayern gegen das größte Soldatentreffen, das – indem es vom Kameradenkreis der „NS“-Gebirgstruppe veranstaltet wird – auch das größte Kriegsverbrechertreffen ist.“

Dagegen und nicht gegen weitere Äußerungen aus der entsprechenden Presseerklärung der VVN-BdA wandte sich der Kameradenkreis der Gebirgsgruppe. Die erste Frage war, wie dies Zitat zu verstehen ist.

Ich gehe hier nicht auf die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten ein, sondern nur darauf, wie das höchste mit der Äußerung befasste Gericht, das Oberlandesgericht Nürnberg, die Äußerung verstanden hat. Kern dieser Aussage sei danach, dass es sich beim Kameradenkreis „um eine Organisation handelt, die im Wesentlichen aus Mitgliedern besteht, die den ehemaligen NS-Gebirgstruppen angehörten und deshalb das Treffen in Mittenwald das größte Treffen von Kriegsverbrechern ist.“ Da aber unstreitig sei, dass der weitaus überwiegende Teil der Mitglieder des Kameradenkreises nicht (mehr) ehemalige Mitglieder der NS-Gebirgstruppe seien, da schon am 15.07.2008 nur ca. 1/3 der Mitglieder 80 Jahre alt und älter waren, handele es sich bei dieser Äußerung um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Verbotswürdig ist die Äusserung also deswegen, weil sie in einer Weise verstanden wird, die nie gemeint war.

Bevor es zu dieser Entscheidung des OLG kam, war Folgendes vorangegangen. Zunächst hatte der Kameradenkreis der Gebirgsgruppe gegen die Äußerung eine einstweilige Verfügung erwirkt. Um ein weiteres Verfahren (ein sogenanntes Hauptverfahren) mit weiteren Kosten um dieselbe Äußerung zu vermeiden, hatte auf meinen Rat hin Ulrich Sander eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben (was in derartigen Fällen juristisch erforderlich ist). Wir haben diese Unterlassungsverpflichtungserklärung gleichzeitig mit einer Klarstellung verbunden. Ulrich Sander hat erklärt, er werde es unterlassen, folgende Behauptung aufzustellen:

a) Das bundesweite Treffen des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V. „werde von der (NS)-Gebirgstruppe veranstaltet“, soweit nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass der Begriff der „(NS)-Gebirgstruppe“ sich ausschließlich auf die Gebirgstruppe der Wehrmacht bis zum Jahre 1945 bezieht, aus deren Reihen der Kameradenkreis gegründet wurde,

b) Das genannte Treffen sei das „größte Kriegsverbrechertreffen“.

Klarstellend betont Ulrich Sander, dass er weiter die Meinung vertreten werde, dass an dem genannten Treffen in jedem Jahr Kriegsverbrecher teilgenommen haben.“

Der Kameradenkreis hat diese Unterlassungsverpflichtungserklärung akzeptiert. Ihm war bewusst, dass er gegen die Klarstellungen selber nicht vorgehen könne. Wegen desselben Zitates hat der Kameradenkreis sodann von Ulrich Sander auch einen pauschalen Widerruf verlangt, der dann so hätte klingen können, als nähmen an den Treffen des Kameradenkreises in Mittenwald keine Kriegsverbrecher teil. Ulrich Sander hat keinen Widerruf abgegeben, sondern auf der Seite der VVN-BdA eine Richtigstellung veröffentlicht, die nach dem umstrittenen Zitat folgende Erklärung enthielt:

„Ich stelle hierzu Folgendes richtig: Der Begriff „(NS)-Gebirgstruppe“ könnte so verstanden werden, dass damit auch Einheiten der Bundeswehr gemeint sind, aus deren Reihen das Soldatentreffen (mit) veranstaltet wird. Ich stelle ausdrücklich klar, dass ich mit dem Begriff der „(NS)-Gebirgstruppe“ ausschließlich Einheiten der Nazi-Wehrmacht gemeint habe, also die Gebirgsjägerdivisionen aus der Zeit bis 1945, aus deren Reihen heraus im Jahre 1952 der Kameradenkreis gegründet wurde.

Ich stelle weiter richtig, dass der Begriff „größtes Kriegsverbrechertreffen“ insofern unzutreffend ist, als damit der Eindruck erweckt werden könnte, als handele es sich bei der Mehrheit der Teilnehmer in Mittenwald um Kriegsverbrecher. Richtig bleibt aber weiterhin, dass regelmäßig am Treffen in Mittenwald Kriegsverbrecher teilnehmen. Kriegsverbrecher sind für mich Personen, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren, unabhängig davon, ob sie für diese Taten je verurteilt wurden oder nicht.“

Diese Richtigstellung und die vorangegangene Unterlassungsverpflichtungserklärung hat der Kameradenkreis zum Anlass genommen, um die Hauptsache für erledigt zu erklären. Das heißt, er hat zum Ausdruck gebracht, dass diese Form der Richtigstellung für ihn ausreichend sei, bzw. er hat eingesehen, dass er mit weitergehenden Forderungen bei Gericht nicht durchkommen würde. Bedauerlicherweise hat dann später das Oberlandesgericht Nürnberg Ulrich Sander die Kosten des Verfahrens auferlegt mit der bereits oben zitierten Begründung. Da also angeblich die Äußerung dahingehend zu verstehen war, dass auch heute noch die Mehrheit der Mitglieder aus der „NS-Gebirgstruppe“ stammten und diese Äußerung falsch sei, hätte sie widerrufen werden müssen.

Die in den Schriftsätzen vom Kameradenkreis geäußerte Meinung wurde von den Gerichten teils explizit abgelehnt, teils nicht entschieden. So etwa hatte der Kameradenkreis vorgetragen, es gäbe überhaupt keine „NS-Gebirgstruppe“, weil es nur einerseits Wehrmachtseinheiten und andererseits SS-Einheiten gäbe. Hier hat das Landgericht Nürnberg bereits festgestellt, dass es eine zulässige Wertung sei, die Einheiten der Wehrmacht bis 1945 als „NS-Gebirgstruppe“ zu bezeichnen, auch dem Ansinnen des Kameradenkreises, dass man nur solche Personen als Kriegsverbrecher bezeichnen dürfe, die rechtskräftig von einem deutschen Gericht verurteilt worden seien, haben sich die Gerichte weder damals noch (siehe unten) in der weiteren Verhandlung angeschlossen.

Auseinandersetzung um den offenen Brief der VVN-BdA an die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Bundeswehr, Frau Merten (veröffentlicht am 04.04.2009)

Gegenstand dieser weiteren Auseinandersetzung waren ebenfalls lediglich zwei Sätze aus der Einleitung bzw. dem offenen Brief selbst. Ulrich Sander hatte unter anderem geschrieben:

„Es wird darauf hingewiesen, dass der Kameradenkreis nicht nur die Kriegsverbrechen der „NS-Gebirgstruppe“ verharmlost und die Täter schützt, er ist nun auch dazu übergegangen, die Nichtverfolgung der Untaten als erforderlich für die heutige Kriegsführung der Bundeswehr und der NATO-Alliierten zu bewerten.“

Außerdem hatte Ulrich Sander geschrieben:

„Zudem klärten wir über das Wirken des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V. auf, der aus dem Kreis der „NS-Wehrmachtsangehörigen“ heraus gegründet wurde und zahlreiche Kriegsverbrecher in seinen Reihen hatte, zum Teil bis heute.“

Gegen beide Äußerungen hat der Kameradenkreis versucht, eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Das Gericht hat diese einstweilige Verfügung nicht im schriftlichen Verfahren erlassen, so dass am 20.05.2009 eine mündliche Verhandlung beim Landgericht Nürnberg statt fand. Bezüglich der ersten Äußerung ist zunächst wichtig, was der Kameradenkreis dort für verbotswürdig hielt. Er hielt für verbotswürdig, dass er die Kriegsverbrechen der „NS-Gebirgstruppe“ verharmlost, dass er Täter schützt und dass er die Untaten als erforderlich für die heutige Kriegsführung bewerte.

Bezüglich aller dieser drei Punkte haben die Richter in Nürnberg sehr deutlich zu erkennen gebeben, dass sie dies als Meinungsäußerungen ansähen, die nicht verboten werden könnte, da sie fernab jeder Schmähkritik sei. Eine lediglich formale Distanzierung des Kameradenkreises von dem Artikel von Generalmajor a.D. Reichardt (den Ulrich Sander in seinem offenen Brief an Frau Merten zitiert hatte) ließ das Gericht nicht gelten. Dies führte dazu, dass der Kameradenkreis bezüglich der ersten umfassenden Äußerung seinen Antrag zurückgenommen hat.

Bezüglich der zweiten Äußerung hat das Gericht zunächst deutlich gemacht, dass es nicht die Auffassung des Kameradenkreises teilt, dass Kriegsverbrecher nur solche Personen seien, die rechtskräftig von deutschen Gerichten verurteilt wurden. Allerdings war das Gericht der Auffassung, dass die Äußerung so verstanden werden müsste, dass auch bis heute noch zahlreiche, also zu mindestens deutlich mehr als zwei oder drei Kriegsverbrecher Mitglieder des Kameradenkreises seien; das Gericht hat ausdrücklich erklärt, dass es z. B. nicht ausreichend sei, dass solche Personen bei Feiern teilgenommen hätten. Es hat uns vorgehalten, dass wir ganz konkret hätten darstellen und beweisen müssen, welche heutigen Mitglieder des Kameradenkreises an welchen Kriegsverbrechen beteiligt gewesen seien und dass es dabei um mehr als ein oder zwei gehen müsse.

Nun ergaben sich aus den ausgewerteten Vereinszeitungen durchaus eine Reihe von Hinweisen aus den letzten 10 und 15 Jahren auf Mitglieder des Kameradenkreises, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Ob diese Mitglieder allerdings noch heute leben oder nicht, wussten wir natürlich nicht, wobei ja ohnehin fest steht, dass spätestens in ca. 5 bis10 Jahren keiner der Kriegsverbrecher mehr leben wird und daher auch nicht Mitglied im Kameradenkreis sein kann. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, nicht um diesen Punkt eine weitere juristische Auseinandersetzung zu führen und eine Unterlassungserklärung dahin abgegeben, dass Ulrich Sander nicht mehr behaupten wird:

„Der Kameradenkreis habe zum Teil bis heute zahlreiche Kriegsverbrecher in seinen Reihen.“

Dies sagt weder etwas über die Vergangenheit aus, schon gar nicht aber etwas darüber, wie der Kameradenkreis mit der eigenen Vergangenheit und der vieler seiner früheren Mitglieder und Angehörigen umgeht. Es war etwas makaber, dass der Rechtsanwalt des Kameradenkreises, Herr Thesen, der einer der Verteidiger des Herrn Scheungraber vor dem Landgericht München ist, erklärt, der Kameradenkreis werde natürlich auch Kriegsverbrecher in seinen Reihen nicht dulden. Es würde interessant sein zu beobachten, wie der Kameradenkreis reagiert, falls Herr Scheungraber verurteilt wird oder wie er reagiert, wenn er z.B. deswegen freigesprochen wird, weil es sich nicht um Mord, sondern „nur“ um Totschlag gehandelt hat und deswegen die Tat verjährt sei. Wir gehen davon aus, dass wir dem Kameradenkreis in der nächsten Zeit durchaus einige Hinweise für eine Selbstreinigung oder auch für eine kritische Betrachtung der eigenen Vergangenheit geben können.

Köln, den 22.5.2009