Kinder des Widerstandes laden zu einem Treffen in Solingen

29. September 2011

Nachdem kaum noch Zeitzeugen an unserer Gedenk- und Erinnerungsarbeit wie auch an der antifaschistischen Aufklärungsarbeit mitwirken können, haben Kinder und Enkel der Widerstandsgenerationen sich zu Wort gemeldet. Sie wollen helfen, den Anforderungen an die Zeitzeugen heute gerecht zu werden.

Das lebendige Bewahren der großen antifaschistischen Traditionen ist eine zunehmende Herausforderung für unseren Verband. Dies hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Erweiterung unseres Einflusses in der antifaschistischen Bewegung.

Wir laden ein zum Seminar

22.-23. Oktober 2011

Naturfreundehaus

Holzerbachtal

Solingen-Wald

Als Referenten haben wir den Historiker Dr. Dieter Nelles aus Wuppertal gewonnen, der mit einem Autorenkollektiv wertvolle Arbeiten zum Thema .Kinder des Widerstands und Politik nach 1945. veröffentlicht hat.

Die Töchter von antifaschistischen Widerstandskämpfern Alice Czyborra (Gingold), Traute Sander (Burmester), Inge Trambowsky (Kutz) und Klara Tuchscherer (Schabrod) haben sich mit folgendem Text an die Öffentlichkeit gewendet. Die VVN-BdA-Landeskonferenz NRW und der Bundeskongress der VVN-BdA unterstützten ihr Anliegen. Es wird darum gebeten, ebenfalls zuzustimmen, wenn das Anliegen unterstützt wird. Geplant ist ein Offener Brief, mit dem auf die Probleme der 2. und 3. Opfergeneration hingewiesen werden soll:

„Hinterbliebene von NS-Opfern fordern ihr Recht!

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 4. November 2009 erklärt: „Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat“, sind das Grundgesetz und die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland „geradezu als Gegenentwurf“ zum nationalsozialistischen Regime zu verstehen.“ „Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte.“ (Aus den Leitsätzen zum Beschluss des Ersten Senats vom 04.11.2009 – 1 BvR 2150/08).

Die Gegnerschaft zur Naziherrschaft ist demnach Verfassungsgebot und Staatsdoktrin. Dem sieht sich auch die VVN-BdA verpflichtet. Unsere Organisation ist eine Organisation der Opfer und Hinterbliebenen sowie der nachgewachsenen Generationen von Antifaschistinnen und Antifaschisten. Diesen Opfern wurde in der genannten Gerichtsentscheidung das Recht auf besonderen Schutz – ihrer Würde und ihrer Unversehrtheit – zugesprochen:

Eine „Verletzung der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ wird in besonderem Maße verurteilt. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wurde nach 1945 von Überlebenden des Holocaust, von NS-Opfern und Teilnehmern am Antinazi-Widerstandskampf gegründet. Ihre heutigen Mitglieder erklären: Wir, die wir Krieg und Faschismus noch durchlitten haben, aber auch die zweite und dritte Generation und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, fühlen uns dem Auftrag der Gründer der VVN-BdA und des Grundgesetzes verpflichtet.

Seit jüngster Zeit gibt es eine Reihe von Dokumentationen, die belegen, was die VVN seit den 60er Jahren nachgewiesen hat: In der Bundesrepublik konnten Eliten der Nazizeit aus Wirtschaft, Militär und dem Staats- und Terrorapparat des Naziregimes, darunter Justiz, Gesundheitswesen, Polizei und Geheimdienste wieder tätig werden, Einfluss nehmen und dabei weiterhin gegen Antifaschisten vorgehen.

Gerichte verfolgten Teilnehmer des Arbeiterwiderstandes, vornehmlich des kommunistischen Widerstandes, um sie – auch unter Hinweis auf Vorstrafen aus politischen Prozessen von 1933 bis 1945 – wegen ihrer politischen Tätigkeit erneut einzusperren und ihnen die Rechte auf Entschädigung abzusprechen.

Ärzte aus der NS-Zeit wurden als Gutachter eingesetzt, um die Entschädigungsrechte der oft schwer geschädigten politisch, rassisch und religiös Verfolgten in Zweifel zu ziehen. Ehemalige Gestapobeamte fanden in der Polizei der BRD wieder Verwendung, und man setzte sie auch ein, um die demokratischen Rechte der Verfolgten erneut anzutasten. Organisationsverbote führten zur Bestrafung der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, während Naziorganisationen wie die NPD sich ungehindert entfalten konnten. Berufsverbote wurden gegen die Kinder von Antifaschisten ausgesprochen. Das Versammlungsrecht von Antifaschisten wurde eingeschränkt.

Die VVN-BdA setzt sich dafür ein, dass eine Wiedergutmachung für die so Benachteiligten erfolgen muss. Vor allem geht es um die Rehabilitierung der Opfer. Ende der sechziger Jahre gab es zwar ein Strafrechtsänderungsgesetz, das zahlreichen Verfolgungen ein Ende setzte, eine Rehabilitierung der Betroffenen erfolgte jedoch nicht. Auch die Kinder und Enkel der Betroffenen hatten – infolge der Leiden ihrer Verwandten – mitzuleiden: Denn die Familien der Opfer litten oft materielle Not, die Kinder und Enkel, also die aus der 2. und 3. Generation, waren betroffen von psychischen Schäden und Traumatisierungen, sie waren im Bildungswesen, in Schule und Gesellschaft Diskriminierungen bis hin zu Berufsverboten ausgesetzt. Sie galten als Kinder von „Vorbestraften“. Die jetzt bekannt gewordenen personellen Kontinuitäten aus der Zeit vor und nach 1945 müssen zu Konsequenzen führen. Doch die Gelegenheiten, die sich dazu bieten, werden nicht genutzt. Der Umgang des Deutschen Bundestages mit dem Antrag „Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime“ (Drucksache 17/2201), eingebracht von der Fraktion DIE LINKE am 16. 6. 2010, ist ein Skandal, ja ein Schlag ins Gesicht der NS-Opfer. Ohne mündliche Aussprache, nur mit schriftlichen Wortbeiträgen, die seitens der CDU, CSU und FDP, aber auch der SPD den Geist der Restauration und des Kalten Krieges atmeten, wurde der Antrag am 11. November 2010 zu später Stunde beerdigt. Die CDU/CSU-Reaktion ist unfassbar und, ähnlich wie bei den vielen Debatten zum Kriegsverrat, sprachlich und argumentativ stark in der Nähe von rechtsextremen Organisationen.

Auch in der Erinnerungsarbeit der Gedenkstätten für Opfer des NS-Unrechts werden die Vertreter der 2. und 3. Generation oftmals abgewiesen. Man erklärt ihnen ungeschminkt: Euer Anspruch auf Mitsprache in der Gedenkarbeit ist verwirkt. Genugtuung darüber, dass Zeitzeugen sich nicht mehr einmischen können, ist unverkennbar. Doch, wir mischen uns ein.

Die in der VVN-BdA vereinigten Angehörigen der 2. und 3. Generation danken dem Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte dafür, dass er sich ihrer Sorgen und Nöte angenommen hat. Sie danken den Vertretern der LINKEN und der GRÜNEN, die sich in der schriftlichen Debatte des Bundestages vom 11. 11. 10 vorbildlich verhalten haben. Diese Bemühungen sollten fortgesetzt werden.

Es wird darum gebeten, sich dieser Erklärung anzuschließen.“

Ich unterstütze als Betroffene/Betroffener diese Erklärung von Kindern und Enkeln von NS-Verfolgten und Opfern des Kalten Krieges:

Name und Vorname: ___________________

Alter: __________ Beruf: _______________

Verwandt mit oder Hinterbliebene/r von (muß nicht ausgefüllt werden) ______________________

Anschrift: ____________________________

Telefon __________

Mail-Adresse ______________

Bitte senden an:

VVN – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Nordrhein-Westfalen

Gathe 55 • 42107 Wuppertal, nrw[at]vvn-bda[dot]de