Bundesverdienstkreuz für Esther Bejarano

5. Oktober 2008

Heute, am 6. Oktober 2008, wird Esther Bejarano, Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der BRD von Bundespräsident Horst Köhler im Berliner Schloss Bellevue mit dem Bundesverdienstorden der Bundesrepublik Deutschland geehrt.

Zur Begründung heißt es:

Esther Bejarano, Hamburg:

Viele ihrer Familienangehörigen wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Sie überlebte, weil sie im KZ Auschwitz Aufnahme in das Mädchenorchester fand und später im Frauen-KZ Ravensbrück Zwangsarbeit leistete.

Nach ihrer Befreiung wanderte sie im August 1945 nach „Erez Israel“ (Palästina) aus und kehrte 15 Jahre später in ihre Heimat zurück, wo sie sich seit langem in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes e.V. und in dem von ihr gegründeten „Auschwitz-Komitee in der BRD e.V.“ als Vorsitzende engagiert.

Es ist ihr ein wichtiges Anliegen, besonders junge Menschen über den Nazi-Terror und den Rechtsextremismus aufzuklären. Wertvolle Aufklärungsarbeit leistet sie als Zeitzeugin auch mit ihren Biographien „Man nannte mich Krümel“ und „Wir leben trotzdem“.

Wir begrüßen diese Würdigung einer streitbaren Antifaschistin und freuen uns, dass zusammen mit ihr auch Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, den Bundesverdienstorden erhält.

Ich rufe euch zu: Bleibt standhaft!

21. September 2008

Am Samstag, 20. September 2008, demonstrierten in Köln weit über 40.000 Menschen, unter ihnen Mitglieder der Verbände der FIR, gegen ein geplantes europaweites Treffen von rassistischen und neofaschistischen Parteien und Gruppen. Angekündigt von „pro Köln“ wollten dort Vertreter des Vlaams Belang, der Freiheitlichen Partei Österreichs, des Front National, der Lega Nord und der British National Party ihre rassistische Hetze öffentlich verkünden.

Im Auftrag von Michel Vanderborght, Präsident der Fédération Internationale des Résistants (FIR) – Association Antifasciste, der aus gesundheitlichen Gründen verhindert war, verlas Generalsekretär Ulrich Schneider unter großem Beifall die Ansprache der FIR:

„Liebe Freunde,

die Fédération Internationale des Résistants (FIR) – Association Antifasciste, die über 50 Mitgliedsverbände in mehr als 20 europäischen Ländern und in Israel hat, grüßt alle Teilnehmer der heutigen Kundgebung gegen das europäische Rassistentreffen in Köln. In den Reihen unserer Verbände befinden sich Widerstandskämpfer und Partisanen, ich selber gehörte den Partisanenverbänden in Belgien an, die gegen die deutsche Okkupation kämpften. Zu uns gehören ehemalige KZ-Häftlinge, Deportierte und Opfer der rassistischen Verfolgung und Vernichtungspolitik und ihre Angehörigen, Mitstreiter der Anti-Hitler-Koalition und Vertreter der jüngeren Generationen, die sich dem Vermächtnis des Widerstandes verbunden fühlen.

Wir haben uns in unserer politischen Agenda geschworen, alles dafür zu tun, dass nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg unser Land und Europa bedrohen. Und deshalb setzen wir uns mit aller Kraft ein gegen das Wiedererstarken von rassistischen Gruppen und Parteien in den verschiedenen Ländern Europas.

Ich komme aus Belgien und muss euch daher sicherlich nicht begründen, warum ich persönlich und unsere Organisationen sich aktiv einsetzen gegen solche rechten Aufmärsche. Seit vielen Jahren erleben wir die politische Propaganda des Vlaams Blok, der sich jetzt unter Filip Dewinter Vlaams Belang nennen muss. Diese Partei verkündet nicht nur rassistische Thesen, sondern ist auch massiv separatistisch. Vlaams Belang arbeitet damit an der Zerstörung Belgiens als gemeinsamer Staat der Flamen, Wallonen und der deutschsprachigen Gemeinschaft, in dem natürlich auch Menschen aus anderen Ländern und Kulturen, mit unterschiedlichen Religionen und Anschauungen ihren Platz haben sollen. Die Propaganda dieser Gruppe führte vor einigen Monaten dazu, dass ein junger Mann – ein Anhänger des Vlaams Belang – in Antwerpen auf offener Straße eine junge Frau, eine Türkin, und das Kind, das sie bei sich hatte, tötete und eine weitere Frau schwer verletzte. Seine Begründung: Er wolle etwas tun gegen die „Fremden“.

Wenn heute hier in dieser Stadt auf Einladung der Partei „pro Köln“ die belgischen Repräsentanten der rassistischen Propaganda ebenfalls auftreten sollen, dann können wir als Organisation von Veteranen und jungen Antifaschisten nur davor warnen, dass es zumeist nicht bei Worten bleibt, sondern dass oftmals blutige Taten folgen – angeblich von „Einzelgängern“.

Ich will diese Beispiele nicht fortsetzen, aber doch deutlich machen, dass neofaschistische und rassistische Feindbilder viele Gesichter haben können: In osteuropäischen Ländern und aktuell in Italien sind es Sinti und Roma, in Russland sind es Menschen aus der Kaukasus-Region, in Frankreich Einwanderer aus dem Magreb, in den Niederlanden richtet sich der Rassismus gegen Einwanderer, in Deutschland gegen Türken.

Wer heute nicht „Stopp dem Rassismus“ sagt, der wird erleben, dass Übergriffe gegen Menschen anderer Hauptfarbe, anderer Religionen und Kulturen, anderer Nationalitäten deutlich zunehmen. Und war es nicht erst vor einem Jahr, dass auf einem „Volksfest“ in Ostdeutschland eine Gruppe Inder von einem 40 bis 50-köpfigen Mob durch die Straßen gehetzt wurde?

Liebe Freunde,

weil uns diese Beispiele zeigen, dass Neofaschismus, Rassismus und religiöse Intoleranz keine lokalen oder nationalen Probleme sind, haben wir uns als Internationale Föderation der Widerstandskämpfer schon früh in die Reihen der Protestierer gegen diese Provokation von Köln eingeordnet. Und wir haben Persönlichkeiten des öffentlichen und politischen Lebens in verschiedenen Ländern angefragt, unseren Protest zu unterstützen.

Wir sind stolz darauf, dass der Bürgermeister von Brüssel Freddy Thielemans ganz selbstverständlich unseren Protest unterstützte. Die Vertreter der wichtigsten belgischen Gewerkschaftsorganisationen stehen an unserer Seite. Aus den Niederlanden möchte ich aus der Zahl der Unterstützer nur die Auschwitzüberlebende Celine de Hoek nennen. Aus Luxemburg und Frankreich haben ebenfalls Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen und des öffentlichen Lebens ihre Stimme gegen dieses Treffen erhoben.

Und ich begrüße junge Antifaschisten aus Belgien, Niederlande, Luxemburg und Frankreich, die heute an den verschiedenen Protestaktionen beteiligt sind. Sie unterstreichen mit ihrer Teilnahme, dass der rassistischen und neofaschistischen Zusammenarbeit eine Internationale des Antifaschismus in Europa entgegentritt. Unsere Organisation, die FIR, versteht sich als Teil dieser Bewegung.

Wir konnten erst jüngst mit einem beeindruckenden internationalen Jugendtreffen in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, an dem 1000 junge Leute aus ganz Europa teilnahmen, zeigen, dass Antifaschismus ein einigendes und mobilisierendes Band zwischen Völkern und Generationen darstellt.

In diesem Sinne danke ich allen, die heute ihre antifaschistische und demokratische Überzeugung auf dieser Kundgebung und auf der Straße zeigen, ich danke den Veranstaltern für diese großartige Mobilisierung und Organisation und die Gelegenheit hier als Präsident der FIR sprechen zu dürfen.

Ich rufe euch zu: Bleibt standhaft! No pasaran – sie werden nicht durchkommen!

Euer Handeln ist richtig und notwendig für unsere gemeinsame Zukunft in einem offenen und demokratischen Europa:

Denn es bleibt dabei: Faschismus und Rassismus sind keine Meinung, sondern einfach nur Verbrechen!“

Erinnern – Gedenken – Handeln

geschrieben von Hans Coppi, Hannes Püschel

3. Juli 2008

Die Gedenkstätten leisten mit Ausstellungen, Führungen, Tagungen und der Betreuung von jährlich Millionen von Besuchern eine verdienstvolle und unverzichtbare Arbeit bei der Aufklärung über die Verbrechen des deutschen Faschismus. Ihre erfolgreiche Tätigkeit kommt in dem großen öffentlichen Interesse und der steigenden Zahl nicht nur deutscher Besucher zum Ausdruck.

Wir treten dafür ein, dass die internationale Bedeutung der Gedenkstätten stärker betont wird, sie künftig ihrer Arbeit politisch unabhängig nachgehen und damit auch gesellschaftskritische Positionen wahrnehmen können. Die KZ-Gedenkstätten sollten in ihrer personellen Ausstattung und in ihren Investitionen zur Sicherung der baulichen Substanz den Haushalten von zeithistorischen Museen angeglichen werden.

Dem Gedenken und Erinnern an die NS-Zeit und der kritischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Ursachen für den Terror im Innern sowie für Holocaust, Völkermord und Vernichtungskrieg müssen eine klare Priorität eingeräumt werden. Die Dimension und Einmaligkeit nationalsozialistischer Verbrechen, insbesondere die Vernichtung der europäischen Juden und der Sinti und Roma sowie der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und andere Länder Osteuropas erfordern für die Zeit vor und nach 1945 getrennte Gedenkstättenkonzepte. Sie sollten das jeweilige historische Geschehen in seiner konkreten Entstehungsgeschichte, seinem zeithistorischen Kontext und seinen Ausformungen aufzuarbeiten vermögen.

Gedenken für die NS-Zeit darf nicht nur die Opfer im Blick haben, sondern muss die Verantwortung des Naziregimes und einer übergroßen Mehrheit der Deutschen für Verfolgung und Millionenfachen Mord benennen. Diese Verbrechen bleiben in der Menschheitsgeschichte singulär und sind von gesellschaftlichen Entwicklungen nach der Befreiung vom Faschismus eindeutig zu unterscheiden. Formulierungen von „Gedenkstätten mit doppelter Vergangenheit“ und „doppelter Diktaturgeschichte“ ebnen in unzulässiger Weise historische Unterschiede ein und setzen und konträre gesellschaftliche Entwicklungen vor und nach 1945 gleich.

Die KZ-Gedenkstätten sind Orte, in den Hunderttausende Menschen aus nahezu allen Ländern Europas inhaftiert waren, gequält und ermordet wurden. Die in internationalen Lagerarbeitsgemeinschaften organisierten Häftlinge haben in den Nachkriegsjahren, oftmals gegen den Widerstand von Politik und Öffentlichkeit, den Aufbau von Gedenkstätten initiiert und durchgesetzt, und ihren Ausbau (kritisch) begleitet. Diese Gremien, in denen (noch) Zeitzeugen, aber auch Angehörige von ehemals in den Lagern Inhaftierten, Historiker und andere der Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit verpflichteter Menschen aus vielen Ländern engagiert mitarbeiten, sollten auch künftig in den Beratungsgremien der Gedenkstätten Sitz und Stimme haben und ihre Erfahrungen einbringen. Wir unterstützen die Kritik des Internationalen Sachsenhausen-Komitees und des Buchenwaldkomitees an dem Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung aus dem Jahre 2007. Zugleich erwarten wir, dass die internationalen Häftlingskomitees, Lagerarbeitsgemeinschaften und Freundeskreise sowie Opferverbände wie z.B. der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten, der Zentralrat der Juden wie auch der Sinti und Roma und der VVN-BdA bei den konzeptionellen Planungen und auch in den kommenden Generationswechsel mit einbezogen werden.

Gemessen an der hohen und weiter steigenden Besucherzahl und an dem Umstand, dass die Gedenkstätten ihre Arbeit künftig ohne Zeitzeugen leisten müssen, ist die personelle und materielle Ausstattung der Gedenkstätten unzureichend. Führungen und darüber hinausgehende pädagogische Angebote rücken mit dem weiteren Abstand zu den historischen Ereignissen und dem Fehlen von Zeitzeugen verstärkt in den Mittelpunkt der Bildungsarbeit. Diese und andere neue gesellschaftliche Entwicklungen (Migrationsgesellschaften etc.) müssen in stets neu zu erarbeitende Konzepte von Gedenkstättenpädagogik und politischer Bildung einfließen. Hierzu bedarf es eines qualifizierten Fachpersonals mit langfristig sicheren Arbeitsplätzen und muss daher Bestandteil der institutionellen Förderung sein. Gedenkstätten werden mit ihren internationalen Jugendbegegnungsstätten zu Orten des Lernens und der Begegnung – dem gilt es ebenso wie den allgemein wachsenden Besucherzahlen Rechnung zu tragen.

Die Lagerarbeitsgemeinschaften und die VVN verfügen über zahlreiche Quellen (Zeitzeugenberichte in Form von Text,- Film und Tondokumente), die auf neue Weise in die Bildungsarbeit mit einbezogen werden können. Darüber hinaus können Angehörige von Verfolgten des Naziregimes und Zeugen der Zeugen über ihre Begegnungen mit Zeitzeugen berichten.

Für eine lebendige und zu kritischem Denken befähigende Erinnerungskultur bleibt die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Initiativen für große und regionale Gedenkstätten unabdingbar. Gedenkstätten müssen sich in der regionalen Bildungslandschaft verankern und Kontakte sowohl zu schulischen und universitären wie auch außerschulischen Bildungsträgern aufbauen, pflegen und ausbauen. Sie müssen personell und konzeptionell in die Lager versetzt werden, ehrenamtliches Engagement in ihre Arbeit zu integrieren und zu unterstützen, sodass sie aktiver Teil zivilgesellschaftlicher, demokratischer Strukturen in einer Kommune, einem Land, der Gesellschaft werden.

Obwohl scheinbar ausreichend Literatur zur NS-Zeit sowie zur Geschichte der Konzentrationslager vorhanden ist, gibt es noch immer eklatante Forschungslücken, etwa bei der Beantwortung der Frage, wie „ganz normale Menschen“ unter bestimmten gesellschaftlichen Umständen zu schweigend Zustimmenden, Mitlaufenden oder gar aktiv Handelnden werden und am Ende Taten mit Millionen von Toten zu verantworten haben. Auch hier – im Bereich der Forschung – leisten Gedenkstätten Unverzichtbares. Ein forschungspolitischer Schlussstrich ist daher nicht hinzunehmen.

Wir fordern, dass alle Kernaufgaben der Gedenkstätten – ERINNERN, AUFKLÄREN, VERMITTELN, FORSCHEN sowie klassisch museale Aufgaben: SAMMELN, BEWAHREN, DARSTELLEN – durch institutionelle Förderung abgesichert werden, damit kontinuierlich eine qualifizierte Arbeit auf allen Ebenen gewährleistet ist. Nur mit einer uneingeschränkten öffentlichen Unterstützung und Absicherung können Gedenkstätten ihre erinnerungspolitischen Aufgaben wahrnehmen und ihren Aufklärungs- und Bildungsauftrag überzeugend umsetzen. Nur so können sie ein kritisches Geschichtsbewusstseins wie auch ein Verantwortungsbewusstsein für das Heute vermitteln und erfolgreich Mut machen, gegen Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus und für eine Welt ohne Krieg und Faschismus einzutreten.

Allen Versuchen, das Gedenken zu verstaatlichen und es für eine nationale Identitätsbildung zu nutzen, treten wir entgegen.

Das war unser Kongress

25. Juni 2008

In Berlin tagte der 3. Bundeskongress der VVN-BdA

»Gemeinsam gegen Grundrechteabbau, Faschismus und Krieg« lautete das Motto des VVN-BdA-Bundeskongresses am 24./25. Mai 2008 in Berlin. Gewählt wurden durch die Mitglieder des neuen Bundessprecherkreises aus ihrer Mitte als gleichberechtigte Bundesvorsitzende der Vereinigung Cornelia Kerth aus Hamburg und Prof. Heinrich Fink aus Berlin. Unter lang anhaltendem Beifall ernannte der Kongress die KZ-Überlebenden Esther Bejarano und Prof. Hans Lauter zu Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA.

KZ-Überlebende, Vertreter von Veteranenorganisationen der Antihitlerkoalition, Vertreter von Gewerkschaften und Parteien sowie der Stadt Berlin übermittelten mündliche, bzw. schriftliche Grußbotschaften. In allen wurden das antifaschistische Wirken und die Verdienste unserer Vereinigung gewürdigt. Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, hob hervor, dass sich die VVN-BdA seit ihrer Gründung für alle Opfer und Verfolgten eingesetzt hat. Lange bevor die bundesdeutsche Öffentlichkeit sich diesen Fragen stellte, klagte die VVN-BdA die faschistischen Verbrechen an und gedachte der Opfer. Rose bezeichnete Auschwitz als das größte Ziviliationsverbrechen, das sich allen Vergleichen entzieht und forderte Geschichtsaufklärung ein, die vom Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung leider nicht erbracht werde. »Wer Geschichte verzerrt oder historische Tatsachen unterschlägt, leistet seinem Vaterland keinen guten Dienst«, so seine Worte.

Der Kongress gedachte der seit dem letzten Kongress verstorbenen Kameradinnen und Kameraden des Bundesausschusses der VVN-BdA: Jupp Gerats, Werner Pfennig, Kurt Julius Goldstein, Klaus Harbart, Reinhard Hildebrandt und Peter Gingold.

Prof. Dr. Heinrich Fink stellte in seiner Rede unter anderem die Positionen der VVN-BdA zur Entwicklung neofaschistischer Tendenzen dar und berichtete über Erfahrungen in der Bündnisarbeit. Erfolge der Arbeit und die Fortsetzung unseres historischen Auftrages formulierte er in eindrucksvollen Worten, die mit lang anhaltendem Beifall der Kongressteilnehmer bestätigt wurden. Die Liste der anschließenden Diskussionsredner war lang, die Debatte fokussierte sich auf die Wirkung und die Fortsetzung der Anti-NPD Kampagne unserer Vereinigung.

Insgesamt war es ein sehr arbeitsreicher Kongress. Rechenschaftsberichte des Bundessprecherrates und der Bundeskassierer, Entlastung des Vorstandes und Neuwahlen gehörten zum Programm. Eine Dia-Show erinnerte noch einmal eindrucksvoll an die Etappen unserer nonpd-Kampagne. In fünf Arbeitsgruppen zu den Themen: Organisationspolitik, Neofaschismus und Rechtsentwicklung, Militär- und Demokratieabbau, Demokratie und Sozialabbau sowie Geschichte und Gedenkstätten verständigten und erarbeiteten die Delegierten Positionen zur Weiterführung der Arbeit den Vereinigungen der VVN-BdA.

Neu gewählt wurden der Kreis der Bundessprecher, die Bundeskassierer, die Revisionskommission und die Beschwerdekommission. Der Kongress bestätigte die Ländervertreter zum Bundesausschuss, die in den Landes- und Kreisvereinigungen der VVN-BdA gewählt wurden.

Für eine angenehme Konferenz-Atmosphäre war gesorgt dank der Räumlichkeiten der Bundesverwaltung der Gewerkschaft ver.di am Paula-Thiede-Ufer in Berlin. In unmittelbarer Nähe des Ostbahnhofs – Berliner Kameradinnen und Kameraden hatten sich dort mit Fahne platziert und wiesen anreisenden Delegierten den Weg – ließ es sich prima tagen.

Empfangen wurden Delegierte und Gäste zu Konferenzbeginn im schönen Foyer des Hauses mit antifaschistischen Saxophonklängen und reichhaltigen Büchertischen. Und am Vorabend des anstrengenden Wahl- und Antrags-Sonntags konnte man nach dem gemeinsamen Abendbuffet im ver.di-Haus noch gesellig beisammensitzen.

Der Leitantrag »Was heißt Antifaschismus heute« und zahlreiche politische und organisationspolitische Anträge wurden beschlossen. Einige Anträge und zahlreiche Aufgaben übergab der Kongress dem Bundesausschuss zur weiteren Bearbeitung. Beschlossen wurde auch eine einheitliche Beitragsordnung für alle Gliederungen der VVN-BdA. Mit dem Schlusswort der neu gewählten Bundesvorsitzenden Cornelia Kerth und dem Lied der Moorsoldaten ging der Kongress zu Ende.

Als Bundessprecherinnen und Bundessprecher wurden gewählt:

Paul Bauer-Leible
Prof. Dr. Heinrich Fink
Prof. Dr. Gerhard Fischer
Jürgen Gechter
Dr. Regina Girod
Richard Häsler
Dr. Axel Holz
Cornelia Kerth
Ulrich Sander
Dr. Ulrich Schneider
Dr. Susanne Willems

Die Bundeskassierer Regina Elsner und Heinz Siefritz wurden wieder gewählt.

Richard Häsler

Eindrücke vom Kongress

25. Juni 2008

Ein kurzes Gespräch mit Hans Lauter

Hans Lauter und Esther Bejarano wurden zu neuen Ehrenpräsidenten der VVN-BdA gewählt. In einem kurzen Interview sprach der 93Jährige über seine Eindrücke und Bewertungen.

antifa: Du wurdest gemeinsam mit Esther Bejarano zum neuen Ehrenpräsidenten der VVN-BdA gewählt. Wie bewertest du den Verlauf und die Ergebnisse des Kongresses?

Hans Lauter: Ich fand unseren Kongress gelungen, sowohl was die Orientierung angeht, die mit dem Referat und den Beschlüssen gegeben wurden, als auch die praktischen Beispiele, die in der Diskussion zur Sprache kamen. Der Verband ist jünger geworden, das hat auch die Zusammensetzung der Delegierten gezeigt. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Erfahrungen noch weitergeben können. Ich habe mich gefreut über die Wahl zum Ehrenpräsidenten. Was ich für den Verband tun kann, will ich auch weiterhin tun.

antifa: Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Aufgaben der VVN-BdA in der nächsten Zeit?

Hans Lauter: Am allerwichtigsten ist die Gedenkstättenarbeit. Wir müssen uns mit dem neuen Gedenkstättengesetz auseinandersetzen und dabei weiter Verbündete suchen. Und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Ländern. In Sachsen beschäftigt uns das ja schon mehrere Jahre. Ich habe mich gefreut, dass auf dem Kongress hochrangige Gewerkschafter gesprochen haben, denn die Gewerkschaften sind unsere natürlichen Bündnispartner. Wir müssen einfach noch mehr in die Breite kommen.

antifa: Was hast du dir persönlich als nächste Aufgabe vorgenommen?

Hans Lauter: Ich habe vor, einen Brief an Kulturstaatsminister Neumann zu schreiben, in dem ich prinzipiell Stellung gegen die Gleichstellung von DDR und Naziregime nehmen werde. Ich war vor 1945 und nach 1945 inhaftiert und kann aus persönlicher Erfahrung die Unterschiede bezeugen. Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass ich damit etwas an seinen politischen Auffassungen ändern werde, halte ich es für wichtig, dass man ihm widerspricht. Und zwar öffentlich. Außerdem bin ich, wie jedes Jahr, in Papenburg, weil ich ja Häftling in den Moorlagern war. Dort entsteht jetzt eine neue Dauerausstellung mit internationaler Bedeutung. Die Ausstellungsmacher suchen noch nach Originaldokumenten und Originalgegenständen. Ich würde mich freuen, wenn Familien von ehemaligen Moorsoldaten dieses Anliegen unterstützen würden. Ich selbst habe alle meine noch vorhandenen Briefe dorthin gegeben.

Die Fragen stellte Regina Girod

Grußworte zum Kongress

25. Juni 2008

Viele Grußworte und Grußschreiben wurden dem Kongress übermittelt. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Grußwort Romani Roses, des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, sowie aus dem Grußschreiben Frank Bsirskes, des Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.di.

Romani Rose
Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma

… Ich habe dreizehn meiner Angehörigen in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern verloren, darunter meinen Großvater und meine Großmutter.

Viele Sinti aus der Generation meiner Großeltern waren deutsche Patrioten, sie trugen voller Stolz ihre Auszeichnungen aus dem ersten Weltkrieg. Ebenso wenig wie die deutschen Juden bewahrte sie dies davor, von selbst ernannten »Herrenmenschen« entrechtet, gettoisiert und schließlich in eigens errichtete Todesfabriken deportiert zu werden. …

An diese beispiellosen Verbrechen zu erinnern, hat nichts mit dem Beharren auf einer spezifisch deutschen Schuld zu tun. Vielmehr geht es um unsere gemeinsame Verpflichtung, diesen Abgrund von Unmenschlichkeit niemals wieder zuzulassen. Es ist gerade diese historisch begründete Verantwortung, die einen elementaren Bestandteil unserer nationalen Identität ausmacht. …

Wir müssen jungen Menschen vermitteln und vorleben, dass Demokratie und Menschlichkeit nicht selbstverständlich sind, sondern dass es Menschen bedarf, die engagiert für diese Werte einreten. In einer Zeit, in der ökonomische Gesichtspunkte und Zwänge immer mehr Lebensbereiche durchdringen, ist es umso wichtiger, grundlegende Werte der Solidarität und Mitmenschlichkeit glaubhaft zu vermitteln, damit Menschenverachtung und Rassismus in unserer Gesellschaft künftig keine Chance mehr haben.

Frank Bsirske
Vorsitzender von ver.di

… Mit Euch verbindet uns die engagierte Verteidigung der politischen und sozialen Grundrechte, die Ablehnung des Krieges sowie die Forderung nach dem Verbot der NPD.

Offen rühmt sich diese Partei einer NS-Tradition, die vor 75 Jahren nach der Übertragung der Macht an die NSDAP in einzigartig verbrecherischer Weise für millionenfachen Mord für Terror und Krieg in der Weltgeschichte steht. Nie werden wir vergessen, wie braune Banden und faschistische Bürokraten die Gewerkschaften zerschlugen, ihre Mitglieder und politisch anders denkende Menschen brutal verfolgten, folterten, mordeten. Nie vergessen wir den Holocaust und den Krieg der deutschen Wehrmacht, der ebenso Millionen Menschen in den Tod trieb und den Überlebenden großes Leid zufügte. …

Es ist unerträglich, dass diese Partei, die NPD, mit ihren demokratiefeindlichen, menschenverachtenden Zielen auch noch aus Steuermitteln finanziert wird und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit missbrauchen darf. Es darf nicht sein, dass in diesem Land Bürgermeister gerichtlich angewiesen werden, der NPD öffentliche Versammlungsräume für ihre Agitation bereit zu stellen, weil sie eine legale Partei ist. Es kann nicht sein, dass die NPD mit ihren Hetzparolen unter Polizeischutz auf den Straßen und Plätzen aufmarschieren darf. Deswegen fordern wir das Verbot. …

In unserer Gewerkschaft sind zahlreiche Arbeitskreise gegen Rechts aktiv. Die Vernetzung dieser Arbeitskreise reicht weit über die Grenzen unserer Organisation hinaus, in lokalen Bündnissen arbeiten die Mitglieder von VVN und ver.di gut zusammen. Diese Arbeit gilt es auszuweiten und zu stärken. Auch in diesem Sinne wünschen wir Euch eine fruchtbare Beratung und gute Kongressergebnisse.

Folgende weitere Organisationen, Parteien und Verbände übermittelten Grußworte und Grußschreiben:

  • Luftmarschall Alexander Jefimow, Präsident des Klubs der Veteranen des Zweiten Weltkrieges (Russland),
  • Margret Hamm, Geschäftsführerin des Bundes der »Euthanasie«-Geschädigter und Zwangssterilisierten e. V.,
  • Robert Créange, Generalsekretär der FNDIRP (Frankreich),
  • Claudia Roth, Bündnis 90/Grüne,
  • Harald Wolf, Bürgermeister von Berlin,
  • Stephan J. Kramer, Zentralrat der Juden in Deutschland

Weitere mündliche Grußworte überbrachten:

  • Sabine Hüter, Bundesvorstand der IG Metall,
  • Michel Vanderborgh, Präsident der FIR,
  • Nina Hager, stellvertretende Parteivorsitzende der DKP,
  • Florian Höllen, Bundessprecher von solid,
  • Ringo Bischoff, Bundesjugendsekretär von ver.di

Anträge und Beschlüsse

25. Juni 2008

Ein arbeitsreicher Konkress: Leitantrag und Konkretisierungen, Finanz- und Beitragsordnung, Initiativanträge sowie Beschlüsse des Bundesausschusses. Und dennoch bleibt vieles auf der Tagesordnung.

Dem Bundeskongress lagen insgesamt 35 Anträge vor. Davon waren neun Initiativanträge, die erst auf dem Kongress eingereicht wurden. Hinzu kamen zahlreiche Änderungsanträge zu den vorliegenden Anträgen.

Nachdem der Bundeskongress am zweiten Kongresstag neben den Wahlen zu den Bundesgremien 14 Anträge, davon fünf Initiativanträge, behandelt hatte, war die zur Verfügung stehende Zeit aufgebraucht. Deshalb mussten 21 Anträge dem Bundesausschuss, dem höchsten Organ der VVN zwischen den Bundeskongressen, zur Beratung und Beschlussfassung übergeben werden.

Der Leitantrag

An der Spitze der vom Bundeskongress behandelten politischen Anträge stand der Leitantrag mit der Überschrift »Was bedeutet Antifaschismus heute?«. Auf diese Frage versucht der Antrag in acht Abschnitten, die jeweils einen Themenkomplex beinhalten, Antwort zu geben.

Die Themenkomplexe umfassen die notwendige Aufklärung über den Faschismus und den Kampf gegen Neofaschismus, die Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit, den Kampf gegen Militarisierung und Krieg, die Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten, den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus, die Verteidigung sozialer Rechte sowie die Notwendigkeit einer breiten Bündnispolitik und der Stärkung der VVN als antifaschistischer Organisation. Das sind zugleich die wichtigsten Arbeitsfelder der VVN-BdA. Der Wortlaut des Leitantrags wurde bereits in der vorigen Ausgabe der »antifa« (Mai/Juni 2008) veröffentlicht. Der beschlossene Text ist mit der Vorlage nahezu identisch; lediglich an sechs Stellen gibt es kurze Ergänzungen oder Wortkorrekturen.

Konkretisierungen

Fünf weitere Anträge befassen sich jeweils eingehender mit bereits im Leitantrag angesprochenen Themen. Sie sind damit gewissermaßen Ausführungen und Konkretisierungen zum Leitantrag. Das geht auch aus den Überschriften hervor:

»Was ist notwendig im Kampf gegen Neofaschismus? Eine neue Kampagne gegen Neofaschismus« (Antrag 1-2); »Für die Wiederherstellung und den Erhalt der demokratischen Rechte« (1-3); »Für eine antifaschistische Erinnerungskultur Gegen Geschichtsklitterung« (1-4); »Für die Wiederherstellung des antifaschistischen und antimilitaristischen Konsenses« (1-5); »Internationale Arbeit verstärken FIR unterstützen« (1-6). Als Ergänzung zum Antrag 1-4 wurde der Antrag 1-10 als Arbeitsauftrag an den Bundesausschuss überwiesen. Dasselbe geschah mit einem umfangreichen Änderungs- und Ergänzungsantrag aus Niedersachsen.

Finanz- und Beitragsordnung

Unbedingt vom Bundeskongress zu behandeln und zu beschließen, weil so in der Satzung vorgeschrieben, waren die Finanz- und die Beitragsordnung. Beide wurden in erstaunlich kurzer Zeit ohne große Diskussion und nahezu einmütig mit wenigen Korrekturen an den Vorlagen beschlossen.

Initiativanträge

Darüber hinaus verabschiedete der Bundeskongress fünf Initiativanträge, von denen einer ebenfalls ein wichtiges Arbeitsfeld der VVN benennt: »Die Entschädigung der Opfer des Faschismus bleibt vorrangige Aufgabe« (IA 1). Die vier anderen Initiativanträge befassten sich mit aktuellen Ereignissen: »Gegen Geschichtsfälschung und Rechts-Links-Gleichsetzung.«(IA 2); »Entsetzen über Pogrome gegen Roma in Italien« (IA -01); »Südafrikas Regierung in der Pflicht« (IA-02) und »Solidarität mit Flüchtlingen in Katzhütte« (IA-03).

Die Beschlüsse des Bundesausschusses

Mit den Anträgen, die vom Bundeskongress nicht mehr behandelt werden konnten, befasste sich der Bundesausschuss in seiner ersten Sitzung nach dem Kongress am 21./22.Juni in Magdeburg.

Beschlossen wurden vom Bundesausschuss 12 Anträge. Die meisten von ihnen greifen ebenfalls Themen und Forderungen des Leitantrages mit Konkretisierungen auf. Es sind dies die Anträge 1-7 (Gegen das Ausspähen von PCs), 1-9 (BKA muss Schaden wiedergutmachen), 1-12 (Unterbindung aller Naziaktivitäten), 1-13 (Gegen den alltäglichen und strukturellen Rassismus), 1-14 (Flucht und Vertreibung in den historischen Kontext stellen) und 1-15 (Für eine antirassistische Erziehung). Teilweise wurden die Vorlagen nach entsprechender Diskussion in veränderter Fassung beschlossen.

Antrag 1-11 fordert erneut einen fairen Prozess für Mumia Abu-Jamal und wendet sich gegen die Todesstrafe. Initiativantrag 3, dem der Bundesausschuss mit Veränderungen ebenfalls zustimmte, wendet sich gegen die Kameradschaftstreffen der Gebirgsjäger und deren Traditionspflege.

Die Zustimmung des Bundesausschusses fanden vier organisationspolitische Anträge, die eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit (einschließlich Auftritte im Internet) sowie mehr Werbung um neue Mitglieder und für die Zeitschrift »antifa« fordern.

P. C. Walther

Wegen bereits beschlossener Anträge zum selben Thema wurden drei Anträge für erledigt erklärt. Weil eine bis in Einzelne gehende Beschlussfassung entweder (noch) nicht möglich war oder das betreffende Thema ohnehin noch Arbeits- und Beratungsgegenstand im Bundesausschuss ist, wurden sechs Anträge als Arbeitsauftrag bzw. Arbeitsmaterial vom Bundesausschuss übernommen. Damit bleiben sie auf der Tagesordnung des Bundesausschusses.

Der Wortlaut sämtlicher Beschlüsse ist in Papierform und elektronisch allen Landesverbänden zugegangen.

„Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“ (Heinrich Heine)

7. Mai 2008

Die Errichtung der faschistischen Herrschaft vor 75 Jahren war nicht allein mit Straßenterror, Verhaftungen und der Beseitigung demokratischer Rechte verbunden. Es ging den Nazis gleichermaßen um eine ideologische Gleichschaltung.

Viele demokratische Schriftsteller und Künstler flohen vor dem faschistischen Terror ins Exil. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ schufen die Nazis Anfang April 1933 eine formaljuristische Legitimation, um antifaschistische und jüdische Wissenschaftler und Lehrkräfte aus Universitäten und Schulen zu vertreiben.

Auch deren Gedanken und die von ihnen vertretenen Ideen sollten aus der gesellschaftlichen Öffentlichkeit eliminiert werden. Dazu inszenierten faschistische Studenten des NSDStB am 10. Mai 1933 in den Universitätsstädten des Deutschen Reiches Bücherverbrennungen. In aller Öffentlichkeit, unter Beteiligung der Professoren und der Studentenschaft wurden Werke marxistischer und jüdischer Wissenschaftler, demokratischer und pazifistischer Schriftsteller und Künstler als „undeutsche Literatur“ vernichtet. In den folgenden Wochen fanden ähnliche Veranstaltungen in anderen Orten des Reichs statt.

Vernichtet wurden die Werke von Ernst Barlach, Walter Benjamin, Bertolt Brecht, Franz Kafka, Erich Kästner, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque, Anna Seghers, Stefan Zweig und Carl Zuckmayer, um nur einige wenige zu nennen. Auf den Listen der „undeutschen Literatur“ standen die Werke der besten deutschen Dichter und Wissenschaftler.

Der „Kampf um die Köpfe“ wurde von dem faschistischen Terrorregime mit aller Vehemenz fortgesetzt. Es folgten Berufsverbote, Vertreibungen, Ausbürgerungen und andere Terrormaßnahmen. Grausam bestätigte sich, was Heinrich Heine knapp 100 Jahre zuvor in einem Gedicht formulierte:

„Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“.

Wir gedenken dieses Datums, da es – wie kein zweites – faschistischen Ungeist und die Zerstörung der demokratischen Kultur belegt.

Wer sich an dieses Datum erinnert, sollte sich den humanistischen Gehalt der Werke der „verbrannten Dichter“ und Wissenschaftler aneignen. Viele von ihnen haben in deutlichen Worten die sozialen Probleme der damaligen Zeit angeprangert und zugleich vor der faschistischen Bedrohung gewarnt. Bewahren wir dieses demokratische und humanistische kulturelle Erbe für heute und morgen.

Aber dieses Datum ist nicht nur historisch zu verstehen. Die Strategie der NPD heute zielt ebenfalls auf den „Kampf um die Köpfe“. In der Konsequenz werden linke Künstler angegriffen, ihre Auftritte behindert, wie in Halberstadt oder in Wernigerode.

Auch dagegen richtet sich unser politisches Gedenken zur Bücherverbrennung.

Der 27. Januar und die VVN-BdA

24. Januar 2005

Als Bundespräsident Roman Herzog 1999 den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die sowjetische Armee zum nationalen Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus erklärte, war die Skepsis in antifaschistischen Kreisen nicht zu übersehen.

Sollte auf diese Weise das Gedenken allein auf die jüdischen Opfer der Vernichtungspolitik fokussiert werden? Sollte hiermit der 8. Mai als Gedenktag für die Befreiung von Faschismus und Krieg verdrängt werden? Sollte mit einem solchen „staatlich verordneten“ Gedenktag nicht vielmehr dem Ausland eine Bereitschaft zum angemessenen Umgang mit der geschichtlichen Erinnerung dargestellt werden?

In einer umfangreichen Stellungnahme formulierten wir als VVN-BdA Anforderungen, damit dieser Gedenktag zu einer historisch angemessenen Erinnerung beitragen könnte: Der 27. Januar 1945 müsse im Kontext mit dem 30. Januar 1933 verstanden werden, die Taten, die Täter und die Nutznießer der Verbrechen dürfen nicht vergessen werden, die Breite von Widerstand und Verfolgung müsse deutlich werden, der Befreiungsanteil der Alliierten, unter ihnen die Sowjetunion, müsse Teil des öffentlichen Erinnerns werden, der 8. Mai 1945 dürfe nicht in seiner Bedeutung als Jahrestag der Befreiung entwertet werden.

Nach fünf Jahren der politischen Praxis können wir festhalten, dass sich der 27. Januar im gesellschaftlichen Raum als Gedenktag etabliert hat, an dem nicht allein der jüdischen Verfolgten gedacht wird. Neben den offiziellen Kreisen haben verschiedene antifaschistische Initiativen, Geschichtswerkstätten, gesellschaftliche Kräfte, unter ihnen die VVN-BdA-Basis- und Kreisvereinigungen gezeigt, wie dieser Tag genutzt werden kann, um mit Aktionen in der Öffentlichkeit oder mit Veranstaltungen aller Verfolgten des Naziregimes zu gedenken, die Etablierung und Realität faschistischer Herrschaft zu dokumentieren und an diejenigen, die sich dem Faschismus entgegengestellt haben, zu erinnern. Dies ist eine würdige Form des Umgangs mit diesem „staatlich verordneten“ Gedenktag.

(erschienen in „antifa“ – magazin für antifaschistische Politik und Kultur Dezember 2004 / Januar 2004)

Kontakt und Information: Zeitschrift „antifa“

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