Holocaust-Überlebender prangert „Stürmer“-Praktiken beim Bundeswehrmagazin Y an

geschrieben von Dr. Regina Girod, Chefredakteurin "antifa"

6. September 2009

„Unter der Überschrift ‚Köpfe des Terrors’ werden in der September-Ausgabe des Bundeswehr-Magazins ‚Y’ am Computer produzierte Bilder von Taliban- und Al Qaida-Führern präsentiert, die in der Art der Darstellung und der beabsichtigten Wirkung ihre Vorläufer im ‚Stürmer’ haben.

Als Beweis lege ich Ihnen das Faksimile eines ‚Stürmer’-Titelbildes von 1943 bei.“

Das schreibt Alfred Fleischacker, der aus einer jüdischen Familie stammt und als Kind in England den Naziterror überlebte, in einem offenen Brief an Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung.

Der Brief ist in der „antifa“, der Zeitschrift der VVN-BdA, erschienen:
Offener Brief an Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung.

Der Brief erhält besondere Aktualität vor dem Hintergrund des Blutbades, das die Bundeswehr am Freitag am Kundus-Fluß in Afghanistan anrichtete, und der Erörterung der Frage, welches Menschenbild der Truppe vermittelt wird, die derartige Kriegsverbrechen begeht.

Unsere Forderung nach Stopp der Nazis war erfolgreich

geschrieben von Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA

4. September 2009

„70 Jahre nach dem Überfall Deutschlands auf Polen begehen wir den Antikriegstag. Es ist ein Tag gegen Faschismus und Militarismus.

Militaristen wollten der VVN-BdA in juristischen Verfahren verbieten, die Gräuel der faschistischen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg Kriegsverbrechen zu nennen und die Tradition der Gebirgstruppe als verbrecherisch zu bezeichnen. Dazu und zu den Gerichtsverfahren gegen Täter aus der Wehrmacht stellte Bundeswehrgeneral a.D. Jürgen Reichardt in Publikationen für die Bundeswehr fest, dass die heutigen Bundeswehrsoldaten „in Situationen“ geraten könnten, in denen sie wie einst die Gebirgstruppler „überreagieren“. Sie müssten dann befürchten, noch nach Jahrzehnten vor Gericht gestellt zu werden. Deshalb sollte Schluß sein mit der Verurteilung der Wehrmachtsverbrechen und der Wehrmachtsverbrecher.

Reichardt sprang in seinem in der „Gebirgstruppe“ veröffentlichten Beitrag ausdrücklich dem in München zu lebenslänglicher Haft verurteilten Leutnant a.D. Joseph Scheungraber bei, der wegen des Mordes von 14 italienischen Zivilisten angeklagt war.

Neue Kriegsverbrechen deutscher Soldaten, zu denen sie durch solche Ermutigungen getrieben wurden, werden gemeldet. Über 100 Afghanen brachte gestern ein Oberst Klein mittels Bombardement in der Nähe von Kunduz ums Leben. An der Bombardierung serbischer Städte war die Bundeswehr 1999 beteiligt. Wir hoffen, dass Oberst Klein ebenfalls vor Gericht kommt und wie Scheungraber verurteilt wird.

Doch davor stehen die Urteile und Entscheidungen höchster Gerichte. Sie haben deutsche völkerrechtswidrige Kriegseinsätze zugelassen, sie haben das Verbot des Angriffskrieges nach Artikel 26 des Grundgesetzes faktisch aufgehoben und auch den Artikel 139, der den deutschen Faschismus ächtet. Gestern hat nun das Bundesverfassungsgericht das Verbot des Naziaufmarsches durch Dortmund aufgehoben. Dieses Gericht ist zu seinem Standpunkt zurückgekehrt, dass Naziaufmärsche nur das Vortragen einer „missliebigen“ Meinung darstellen. Nazis marschieren unter der Losung „Nie wieder Krieg – nach unserem Sieg, dem Sieg des NS.“ Trotzdem bescheinigt das Gericht den Nazis in seinem Spruch von gestern Gewaltlosigkeit und Gesetzestreue. Es begünstigt Leute, die am 1. Mai in Dortmund mit dem Überfall auf den DGB-Demonstrationszug eine Probe ihrer Gewaltlosigkeit gegeben haben. Es begünstigt Leute wie den Bombenbauer von Weil bei Lörrach, der nur durch die Aufmerksamkeit von Antifaschisten gehindert wurde, ein Blutbad anzurichten.

Es ist zu hoffen, dass die kritiklose Hinnahme solcher Entscheidungen des BVG aufhört. Das BVG bewegt sich nicht im luftleeren politischen Raum, es wird von etablierten Politikern bestimmt. Doch wir sagen: Das Grundgesetz steht über dem Bundesverfassungsgericht, das diese Verfassung oft negativ uminterpretiert.

Wir haben seit Monaten darauf hingewirkt, die Nazis, wenn sie sich denn heute hier treffen, zu blockieren. Wir haben es erlebt – nie wieder! sagten wir mit unserer Aktion 65plus. Die Blockade, die wir wollten, wird nun stattfinden, wenn auch nicht durch uns. Die Polizei hat bekannt gegeben, dass man den Nazis nur eine Kundgebung auf engem Raum am Hafen, keinen Marsch, erlaube. Ganz Dortmund ist gegen die Nazis auf den Beinen und hat ihnen keinen Raum gelassen. Wir begrüßen die Entscheidung der Polizei. Wir sind ermutigt durch die Haltung tausender Dortmunderinnen und Dortmunder. Unser Kampf gegen Krieg und Nazismus geht weiter und wird durch die erfolgreichen Aktionen in unserer gesamten Stadt Auftrieb erhalten.“

NPD-Jugendfunktionär plante Sprengstoffanschläge

geschrieben von VVN-BdA Baden-Württemberg

29. August 2009

Der am 26. August 2009 in Lörrach festgenommene 22-jährige Thomas Baumann, Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten (JN, NPD-Nachwuchsorganisation) war im Begriff, einen Angriff mit Splitterbomben und Schusswaffen gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten durchzuführen.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Baden-Württem­berg fordert daher ein entschlossenes Vorgehen der Politik gegen den nazistischen Terror. Die Medien werden aufgerufen, endlich über die Gefahr der AntiAntifa-Attacken aufzuklären.

Nach Mitteilung der Polizei hätte die Bombe in nur wenigen Stunden fertig gestellt werden können. Durch die Festnahme ist ein möglicherweise unmittelbar bevor stehendes Blutbad verhindert worden. Hier werde eine neue Dimension von organisierter terroristischer Nazi-Gewalt sichtbar, die sofortiges Handeln auf allen Ebenen erforderlich mache, erklärt die VVN-BdA weiter.

Der unglaubliche politische Skandal bestehe darin, dass erst die Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg dazu geführt hätten, die Behörden auf die Spur des Naziterroristen zu bringen. Verfassungs­schutz und Polizei seien entweder ahnungslos oder schauten untätig zu, wie über Monate hinweg im NPD-Spektrum Bomben gebastelt werden. Dies unter Aufsicht eines Innen­ministers, der behauptet, dass die NPD in diesem Bundesland „sehr passiv auftrete“. Deswegen könne sich Baden-Württem­berg an der Materialsammlung des Bundesinnenministeriums für ein NPD-Verbotsverfah­ren nicht betei­ligen. Der Fall offenbart gleichzeitig, dass die V-Leute des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD keinesfalls ein „Frühwarnsystem“ darstellen, wie Rech noch im März behauptet hatte. Damit hatte er seine Weigerung begründet, die V-Leute abzuschalten, wie dies das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte, um den Weg für ein Verbotsverfahren frei zu machen.

Wie die VVN-BdA feststellt, sei Minister Heribert Rech nicht willens oder nicht in der Lage, seinen Amtspflichten nachzu­kommen. Sie fordert dessen unverzüglichen Rücktritt. Alle Landtags­fraktionen und die Bundespolitik seien jetzt aufgefordert, an diesem Beispiel die Gefahren zu erkennen, die von der NPD und ihrem gewalttätigen neofaschistischen Umfeld ausgehen und alle politischen Mittel der Aufklärung sowie alle rechtlichen Mittel zu deren Verbot und Auflösung gemäß Artikel 139 GG auszuschöpfen.

Die Bundesorganisation VVN-BdA hatte im Dezember 2007 über 175.000 Unterschriften für die Einleitung eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens gesammelt und dem Bundestagspräsidenten übergeben. Seitdem schlummert der Bürgerwille in den Katakomben des Reichstagsgebäudes, weil sich eine Reihe von CDU-geführten Landesregierungen weigern, V-Leute aus der NPD abzuziehen bzw. Material über die NPD-Machenschaften weiter zu geben und damit das Verbotsverfahren sabotieren.

Ministerpräsident Günther Oettinger wird unter Bezug auf den Vorgang von der VVN-BdA aufgefordert, die Initiative für das Wiederauf­leben des ruhenden NPD-Verbotsverfahren zu ergreifen, alle V-Leute abziehen und die einschlägigen Akten an den Bund übermitteln zu lassen.

Um die als Standard-Reaktion geäußerten Einzeltäter-Vermutung zu widerlegen, genüge ein Blick in das Umfeld des Bombenbastlers, teilt die VVN-BdA weiter mit. Der Jung-Nazi war Mitglied im „Kampfbund Deutscher Sozialisten“, Zeitsoldat bei den Krisenreaktionskräften der Bundeswehr und ist jetzt Gruppenführer der Kame­rad­schaft „Freie Kräfte Lörrach“ und Mitglied des JN-Landesvorstands mit engen Kontakten zu Alexander Neidlein, dem Landesgeschäftsführer und stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg. Baumann hat enge Verbin­dungen zur Münchner Neonazi-Szene, in deren Reihen er beim NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2009 in Ulm gesichtet wurde. Attraktiv ist für ihn offenbar die Münchener „Kameradschaft Süd“ mit dem Nazi-Kader Martin Wiese, weil diese über Erfahrungen in bewaffneten Anti-Antifa-Aktivitäten verfügt. 2003 wurden dort ebenfalls Waffen und Sprengstoff besorgt mit der vermut­lichen Absicht, diese zu Attentaten gegen jüdische und andere antifaschistische Mitbürgerinnen und Mitbürger einzu­setzen. Martin Wiese wird im August 2010 aus der Justizvollzugsanstalt Bayreuth entlassen und hat in jüngster Zeit ein Comeback angekündigt.

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg? Ohne uns!

geschrieben von BundessprecherInnenkreis der VVN-BdA

25. August 2009

70 Jahre nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen, mit dem das faschistische Deutschland den 2. Weltkrieg begann, haben deutsche Soldaten wieder einen Schießbefehl, „Taschenkarte“ genannt, im Gepäck.

60 Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes, nach dem die Bundesrepublik Deutschland zunächst gar keine Armee haben sollte, und nach dem deutsche Soldaten bis heute nur zur Verteidigung eingesetzt werden dürfen, werden wieder „Tapferkeitsmedaillen“ verliehen. Gerade erst wurden mit den „Kriegsverrätern“ die letzten Opfer der Wehrmachtsjustiz rehabilitiert, und mit Scheungraber einer von 25 in Italien verurteilten deutschen Kriegsverbrechern endlich auch in der Bundesrepublik verurteilt, da stehen deutsche Soldaten schon wieder im Krieg.

Auch wenn es gelegentlich behauptet wird: Bei den neuen Kriegen geht es nicht um „eine neue Welt der Friedens und der Freiheit“, wie sie die Überlebenden, die Widerstandskämpfer, die Deportierten und Internierten 1945 wollten. Es geht allein um Rohstoffreserven und die Durchsetzung von Machtinteressen. Das Selbstbestimmungsrecht von Völkern wird dabei missachtet.

Auch an diesem 1. September werden Gewerkschaften und Friedensgruppen zum Antikriegstag gegen die heutigen Kriegseinsätze der Bundeswehr protestieren und entschiedenes Engagement auch der deutschen Politik für politische Konfliktlösung und zivile Konfliktbearbeitung einfordern.

Am 5. September wollen Neofaschisten aus ganz Europa durch Dortmund marschieren und versuchen, den Antikriegstag für sich zu vereinnahmen. Dagegen wehrt sich ein breites antifaschistisches Bündnis, denn: Sie rufen „Nie wieder Krieg“ und fügen hinzu „nach unserem Sieg“. Sie stellen noch immer die Grenze nach Polen in Frage. Sie verbreiten ihre braune Hetze bei der Bundeswehr, sie unterwandern die Reservistenverbände.

Die VVN-BdA unterstützt mit ihren Mitgliedern und Untergliederungen die Demonstrationen der Friedensbewegung zum Antikriegstag am 1. September und sie unterstützt die Dortmunder Antifaschisten, die sich dem Gespensterzug am 5. September dort entgegenstellen.

Es gilt, die eindeutige Lehre aus dem verbrecherischen Krieg Nazi-Deutschlands in unserer Gesellschaft wach zu halten:

Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!

Dortmund stellt sich quer!

17. August 2009

Zum 5. Mal in Folge wollen Faschisten anlässlich des Antikriegstages durch Dortmund marschieren. Für den 5. September mobilisieren sie europaweit zu einem »nationalen Antikriegstag« in die Ruhrgebietsmetropole. Mittlerweile hat sich der Aufmarsch zu einem der wichtigsten Events der so genannten „Autonomen Nationalisten“ bundesweit entwickelt.

In den letzten Jahren haben sich die Übergriffe auf Migranten und linke Jugendliche, auf linke Buchläden und Zentren, auf die Wohnungen von Antifaschist/innen gehäuft. Die Brutalität des geplanten Übergriffs von 400 Neonazis auf die 1.Mai-Demonstration des DGB, unter der vor allem kurdische und türkische Gewerkschafter zu leiden hatten, zeigt, in welchem Umfang und mit welcher Zielrichtung die Neonaziszene sich in Dortmund entwickelt hat. Die Ziele des 1. Mai wie die des Antikriegstages, der Kampf um Arbeiterrechte, um internationale Solidarität und Frieden sind ihnen zutiefst verhasst.

Die Nazis sagen, Dortmund sei ihre Stadt. Wir sagen: Niemals!

Polizei und Politik haben ihren Anteil am Erstarken der Rechten, indem sie das Problem seit Jahren verharmlosen. Das, obwohl seit dem Jahr 2000 vier Morde auf das Konto der Neonazis gehen: 3 Polizisten wurden von dem Neonazi Michael Berger erschossen, der Punker Thomas Schulz von einem jugendlichen Neofaschisten erstochen. Die Polizei blieb ihrer Linie treu: Die Demonstrationen der Nazis ermöglichen, die antifaschistische Gegenwehr behindern.

Die Aufmärsche der Nazis zum Antikriegstag sind eine Provokation wie ihre Aufzüge am 1. Mai. Der Antikriegstag erinnert an den faschistischen Überfall der Nazis am 1. September 1939 auf Polen, der Beginn eines Raub- und Vernichtungskrieges, der die Welt in Brand steckte und über 50 Millionen Tote hinterließ. Bereits in den letzten Jahren zogen Neonazis mit der Losung “Nie wieder Krieg!” durch Dortmunds Straßen. Sie fügten hinzu: “Nach unserem Sieg!” – also dem Sieg des “Nationalen Sozialismus”, des Nationalsozialismus.

Die deutschen Neonazis stehen eindeutig in der Tradition der NSDAP. Sie bejubeln den beispiellosen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion mit 17 Millionen toten Zivilisten ebenso wie die barbarische Massenvernichtung der Juden. Sie leugnen die Verbrechen der Wehrmacht und der SS. “Unser Großvater war ein Held!” stand auf einem ihrer Transparente.

Mit sozialer und antikapitalistischer Demagogie versuchen diese als “Friedensengel” zu punkten und zielen in Zeiten von Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Existenzangst auf Menschen im Angesicht sozialen Abstiegs. Dagegen hilft Aufklärung über den Zusammenhang von Kapitalismus, Faschismus und Krieg. Kein Fußbreit den Geschichtsfälschern!

Uns Antifaschisten mit unterschiedlicher politischer Herkunft, mit unterschiedlichen Ideen und Ansichten, jung und alt eint der Schwur von Buchenwald: “Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.” Ihm fühlen wir uns politisch verpflichtet. Wir verurteilen und bekämpfen die aggressive Kriegspolitik Deutschlands, der USA und der NATO ebenso wie die rassistischen, islamfeindlichen und antisemitischen Aktionen der Neonazis und den staatlichen Rassismus. Wir rufen alle Kriegsgegner und Antifaschisten auf, sich am 5. September an der Demonstration des Bündnisses »Dortmund stellt sich quer!« zu beteiligen.

Der Antikriegstag gehört uns!

Wenn Nazis marschieren, ist Widerstand Pflicht!

Lasst uns einen Aufmarsch der Rechten am 5. September gemeinsam verhindern!

Antifaschistische Demonstration des Bündnisses „Dortmund stellt sich quer!“

Treffpunkt: 10 Uhr, Dortmund Hauptbahnhof.

Erstunterzeichner/innen: Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete, „Partei Die Linke“, Prof. Dr. Heinrich Fink, Bundesvorsitzender der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist/innen“ (VVN-BdA), Hendrijk Guzzoni, Stadtrat in Freiburg, „Linke Liste – solidarische Stadt“, Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete, „Partei Die Linke“, Felix Oekentorp, Sprecher „Ostermarsch Rhein Ruhr“ und Sprecher „DFG-VK Landesverband NRW“, Prof. Wolfgang Richter, Ratsmitglied in Dortmund, „Linkes Bündnis Dortmund – Parteilose Linke, DKP und SDAJ“.

Informationen: http://dortmundquergestellt.wordpress.com

Streiter gegen Ignoranz und Vergessen

27. Juli 2009

Einer der wenigen noch lebenden ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Osthofen bei Worms, Philipp Wahl, starb am 23. Juli 2009 im Alter von 96 Jahren.

Seine Generation von Widerstandskämpfer/inne/n hat Beeindruckendes und Vorbildliches geleistet: nicht nur im Kampf gegen die Hitlerfaschisten und alte wie neue Nazi, sondern auch für die Aufarbeitung der Verbrechen des Naziregimes in Zeiten ihrer systematischen Verharmlosung oder Verdrängung.

Aus leidvoller Erfahrung und aus redlicher Überzeugung stritt er allerdings nicht nur gegen Ignoranz und Vergessen, sondern auch für ein breites Bündnis und gemeinsame Aktionen aller Antifaschist/inn/en.

Philipp Wahl wuchs in einer sozialistisch geprägten Familie auf und wechselte 1931 in Duisburg von der sozialdemokratischen zur kommunistischen Jugendorganisation. Er erlebte damals im eigenen Verwandten- und Freundeskreis die ideologische wie politische Spaltung der Arbeiterbewegung, die auf beiden Seiten, Kommunisten wie Sozialdemokraten, zu überzogenen und teils niederträchtigen gegenseitigen Angriffen führte.

Mit der Machtübertragung an die Nazis übernahm der 20-jährige Matrose der Rheinschifffahrt illegale Kurierdienste für die KPD zwischen Rotterdam und Basel.

Im März 1933 wurde Philipp Wahl in Worms verhaftet und später ins Konzentrationslager Osthofen verschleppt. Vorher hatte ihn die Gestapo mit einer Brutalität verhört, die ihm eine Schädelfraktur und mehrere Wochen Krankenhausaufenthalt eingebracht hatte.

In Osthofen hielten ihn die Nazis ohne Prozess etwa neun Monate fest. Die für Philipp Wahl positive Erfahrung unter den ansonsten barbarischen Verhältnissen: Im Konzentrationslager näherten sich Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten langsam (wieder) an, überwanden manche Gegensätze, entwickelten und zeigten Solidarität untereinander.

Nach der Zerschlagung des Faschismus trat Philipp Wahl in Worms in der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden (heute BAU), in der KPD und später der DKP für ein Zusammenwirken der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung ein. In der Lagergemeinschaft Osthofen und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist/inn/en (VVN-BdA), deren rheinland-pfälzischer Vorsitzender er in den 90er Jahren war, engagierte er sich mit großem Einsatz und notwendiger Hartnäckigkeit für den Erhalt und den Ausbau des ehemaligen KZ Osthofen zur Gedenkstätte.

Vielen jungen Menschen hat er dort und im Schulunterricht seine Erlebnisse während der KZ-Haft und im Widerstand gegen den Faschismus nahe gebracht und verständlich gemacht. Seine unaufdringliche, nicht belehrende Art der Kommunikation kam bei ihnen an und überzeugte.

Ehren wir Philipp Wahl und gedenken seiner durch mutiges und konsequentes Handeln im beruflichen und gesellschaftlichen Alltag, gegen Nazis und für demokratische wie soziale Rechte.

VVN-BdA vorm Landgericht Nürnberg erfolgreich gegen den Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V.

23. Juli 2009

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) darf weiterhin unverändert ihre Dokumentation „Über den Schutz für Kriegsverbrecher und über die Verharmlosung ihrer Taten durch den Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V.“ verbreiten.

Im Gebäude, in dem auch der Nürnberger alliierte Kriegsverbrecherprozess von 1945/46 stattfand, entschied sich der Präsident des Kameradenkreises, der Bundeswehroberst a.D. Manfred Benkel, dafür, der Fassung der VVN-BdA-Dokumentation nicht länger zu widersprechen, wie sie unter www.nrw.vvn-bda.de zu finden ist. Benkel war darin mit Aussagen zur nicht erfolgten Strafverfolgung für Angehörige der 1. Gebirgsdivision und anderer Edelweißabteilungen der Wehrmacht zitiert worden, die viele Medien veröffentlicht hatten, die er aber der VVN-BdA verbieten wollte.

Das Nürnberger Landgericht, vor dem der Kameradenkreis eine einstweilige Verfügung gegen Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, erwirken wollte, machte Benkel und seinem aus dem derzeit laufenden Münchner Scheungraber-Prozess bekannten Anwalt Rainer Thesen klar, dass sie mit ihrem Antrag gegen die VVN-BdA keine Chancen hätten. Darauf hin nahm Benkel seinen Antrag zurück und verpflichtete sich zur Zahlung sämtlicher Kosten des Rechtsstreis einschließlich der Kosten, die der VVN-BdA entstanden.

Das Verfahren war bereits das dritte in Serie innerhalb eines Jahres. Seit Juli 2008 versucht der Kameradenkreis, der VVN-BdA und ihrem Bundessprecher Ulrich Sander einen Maulkorb zu verpassen, um Kritik am Kameradenkreis und seiner reaktionären Traditionsarbeit abzuwehren, die von der Bundeswehrführung gefördert wird.

Jährlich treffen sich die Mitglieder des Kameradenkreises am Hohen Brendten bei Mittenwald zur Ehrung der Gebirgstruppenangehörigen, unter denen Kriegsverbrecher waren. Darunter solche, die seit 1952 den Kameradenkreis aufbauten und in der Bundeswehr Dienst taten.

Der TV-Sender 3sat hat über diese Treffen kürzlich eine Sendung ausgestrahlt, in der er das „Ehrenmal“ am Hohen Brendten als Schandmal bezeichnete und Teile der VVN-Dokumentation übernahm. Die Unterstützung der Gebirgstruppentradition durch die Bundeswehrführung wurde immer wieder von Antifaschisten in Aktionen am Hohen Brendten verurteilt.

Veteranen des antifaschistischen Kampfes wehren sich gegen Geschichtsfälschung

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider, Generalsekretär der FIR

12. Juli 2009

Die VVN-BdA begrüßt und unterstützt die Erklärung der FIR gegen die Diffamierung der Anti-Hitler-Koalition durch die OSZE

Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten, die Dachvereinigung von Organisationen ehemaliger Widerstandskämpfer, Partisanen, Angehörigen der Anti-Hitler-Koalition, Verfolgten des Naziregimes und Antifaschisten heutiger Generationen aus über zwanzig Ländern Europas und Israels hat mit Verwunderung und Empörung die Resolution der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 3. Juli 2009 über die Wiedervereinigung des geteilten Europas zur Kenntnis genommen.

Hierin werden die faschistischen Massenverbrechen und die Ungesetzlichkeiten in der stalinistischen Periode undifferenziert auf die gleiche Stufe gestellt. Gleichzeitig wird darin der Sowjetunion die gleiche Verantwortung an der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges zugewiesen wie Hitler-Deutschland. Solche Aussagen haben mit der historischen Wirklichkeit nichts gemeinsam. Sie verfälschen die Geschichte und diffamieren den gemeinsamen Kampf der Anti-Hitler-Koalition, in der die Sowjetunion als alliierte Macht einen entscheidenden Anteil hatte, gegen die größte Bedrohung der Menschheit im 20. Jahrhundert.

Wir wissen, dass die Resolution der OSZE gegen die Stimmen von etwa einem Drittel der Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung durchgesetzt wurde. Damit ist deutlich, dass es den Initiatoren nicht um einen möglichst breiten politischen Konsens, sondern um die Etablierung eines reaktionären Geschichtsbildes – geprägt von Totalitarismusdoktrin und Geschichtsverfälschung – in Europa geht.

Gerade in Erinnerung an den 70. Jahrestag des Überfalls Hitler-Deutschlands auf Polen und des 20. Jahrestages des Endes der Ost-West-Konfrontation in Europa kommt es jedoch darauf an, das Vermächtnis der politischen Gemeinsamkeiten der Anti-Hitler-Koalition für ein demokratisches und friedliches Europa zu bewahren. Und wenn in der Erklärung der OSZE das Ziel benannt wird „Förderung der Menschenrechte und der zivilen Freiheiten“, dann erinnern wir an den Schwur der überlebenden Häftlinge des KZ Buchenwald, die die Gemeinsamkeit der Anti-Hitler-Koalition mit folgenden Worten zusammenfassten: „Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln, Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit!“

Das ist und bleibt unser Ziel für ein wiedervereinigtes Europa.

Brüssel, 13.07.2009

Antifaschismus ist ein unverbrauchter Gedanke!

30. Juni 2009

Dass die großen Traditionen antifaschistischen Widerstandes der Arbeiterbewegung lebendiger denn je sind, dass antifaschistische Arbeit gerade heute generationsübergreifend in den Mittelpunkt gehört, bestätigte sich auf dem 16. Volksfest der DKP, dem UZ-Pressefest, auf anschauliche Weise.

Der zentral gelegene und nicht zu übersehende Informationsstand der VVN-BdA war drei Tage lang von Interessierten belagert. Die Fortsetzung der Kampagne nonpd stieß auf breite Zustimmung. Etwa 250 gaben bis Sonntagnachmittag ihre Stellungnahmen für ein Verbot der NPD ab. Zahllose Gäste hatten bereits ihre Stellungnahmen abgegeben und sind in der Kampagne bereits selbst aktiv. Andere bemerkten aber auch: ich hab doch schon unterschrieben, und bedurften der Aufklärung, dass der Unterschrift nun die Stellungnahme folgen möge.

Die Plakate, Aufkleber, Postkarten zur Kampagne fanden reißenden Absatz. Auf große Zustimmung stieß die neue Postkartenserie gegen die vom Staat finanzierten Nazis („V-Leute“). Die Aktion “Keine Nazis und andere Rassisten in die Parlamente!“ war der Beitrag der VVN-BdA NRW mit dem Blick auf die anstehenden Wahlen. Dazu wurden Traktate und Plakate ausgegeben.

In den zahlreichen Diskussionsrunden waren die Vertreterinnen und Vertreter der VVN-BdA gefragte Partner. Viele Teilnehmer des Festes verließen Dortmund mit einem dicken Materialpaket der VVN-BdA und vielen neuen Argumenten für den Kampf gegen die Neonazis.

Die Höhepunkte des Kulturprogramms mit der traditionsreichen chilenischen Gruppe Inti Illimani und dem Auftritt von Konstantin Wecker, der mit Esther Bejarano das „Moorsoldatenlied“ präsentierte, waren geprägt von antifaschistischem Engagement. Dass kulturell eine Brücke zu einer neuen Generation geschlagen ist, stellte Esther Bejarano mit der Mikrophone Mafia unter Beweis. Viele weitere Beiträge waren von Mitgliedern und Freunden der VVN-BdA mitgetragen.

Der Gedanke antifaschistischer Arbeit ist in den Köpfen vieler einer neuen Generation angekommen. Die VVN-BdA ist kein „Veteranenverein“! Das stimmte die mehr als 30 Helferinnen und Helfer am Stand der VVN-BdA optimistisch. Für alle Beteiligten war es nicht nur die Bestätigung, etwas sinnvolles gemacht zu haben. Es war auch ein großes Erlebnis. Die nicht da waren, haben etwas verpasst. Herzlichen Dank an allen, die mitmachten.

Vorkämpfer der Menschenrechte

geschrieben von Manfred Demmer

27. Juni 2009

In diesen Tagen jährt sich zum hundertsten Mal der Geburtstages eines Mannes, der Zeit seines Lebens ein aktiver Kämpfer für eine humanistische Gesellschaft, für den Sozialismus war. Als Journalist und Politiker hat er Spuren hinterlassen. Kurt Bachmann, der 1968 einer der Initiatoren der Gründung der DKP und seit deren erstem Parteitag bis 1973 ihr Vorsitzender war.

Kurt Bachmann wird am 22. Juni 1909 in Düren geboren. Sein Vater ist Handgerber, Gewerkschafter und Kriegsgegner. Sohn Kurt orientiert sich sowohl beruflich wie gesellschaftlich an der Haltung seines Vaters. Er geht 1924 nach Köln, wo er eine Lehre als Ledersortierer beginnt, ab 1928 in einer Gerberei in Luxemburg arbeitet. Als aktiver Gewerkschafter, der sich der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) angeschlossen hat, wird er fristlos entlassen. 1932 wird er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und leitet dort die Straßenzelle „Opernhaus“ in Köln. Hier wirkt er an der Herstellung und Verteilung von Flugblättern mit, in denen gegen den immer stärker werdenden Faschismus Position bezogen wird.

Nach der Machtübertragung an die Faschisten 1933 arbeitet er im Widerstand, übernimmt im Rheinhafen in Neuss von holländischen Rheinschiffern Druckschriften der Amsterdamer Exilleitung der KPD, verteilt Flugblätter, malt Parolen, organisiert marxistische Schulungskurse. 1936 heiratet er seine jüdische Frau Alice, mit der er 1938 nach Südfrankreich emigriert. 1939 wird Kurt Bachmann von der französischen Polizei zusammen mit Spanienkämpfern in einem Lager inhaftiert, aus dem er 1940 fliehen kann. Danach wird er für die illegale Leitung der KPD in Toulouse tätig und 1942 erneut verhaftet. Kurt und Alice Bachmann werden der Gestapo überstellt und Richtung Osten deportiert. Alice Bachmann wird im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Für Kurt beginnt eine Odyssee durch die KZs Johannsdorf, Ratibor, Blechhammer und schließlich Buchenwald. Überall arbeitet er für die jeweiligen illegalen Häftlingsorganisationen der KPD.

Nach der Befreiung 1945 kehrt Kurt Bachmann nach Köln zurück, baut die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) mit auf, ist zeitweise als Sekretär der KPD-Bezirksleitung Mittelrhein tätig und arbeitet von 1950 bis zum widerrechtlichen Verbot seiner Partei durch die Adenauerregierung im KPD-Parteivorstand. Später wirkt er als Journalist und Bonner Korrespondent der antifaschistischen Wochenzeitung Die Tat. 1968 ist Kurt Bachmann einer der Initiatoren der Gründung der DKP und wird auf deren ersten Parteitag zum Vorsitzenden gewählt (bis 1973). Danach ist er Mitglied des Präsidiums des DKP-Parteivorstandes und wird Anfang der 90er Jahre zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Er gehört dem Präsidium der VVN/Bund der Antifaschisten und dem Generalrat der Fédération Internationale des Résistants (FIR) (Internationale Föderation der Widerstandskämpfer) an.

Kurt Bachmann hat unzählige Publikationen, Broschüren und Artikel verfasst. Bekannt sind seine Bücher wie „Die Wahrheit über Hitler“ (1978), „Das Jahr 1933“ (1983) und „Tatort Buchenwald“ (1987). Als ehemaliger Widerstandskämpfer und Überlebender des NS-Terrors war er bemüht, seine Erfahrungen vor allem an junge Menschen zu vermitteln. In der Friedensbewegung, in Initiativen gegen Rassismus und Neonazismus wurde er als Partner und Ratgeber geachtet.

Obwohl bundesweit tätig, blieb er dennoch seiner Stadt Köln und den örtlichen demokratischen Bewegungen aktiv verbunden. Manche Aktion in Köln, wo er mit seiner zweiten Frau Marianne bis zu seinem Tod lebte, ist mit seinem Namen und seinen Aktivitäten verbunden – so u.a. die Errichtung einer Gedenktafel für die Deportierten am Köln-Deutzer Bahnhof 1981 oder die Errichtung einer Erinnerungstafel anlässlich des 6. Weltkongresses der IPPNW (Internationale Ärzte gegen Atomkrieg) im Mai/Juni 1986.

Über seine Motive für den Kampf für Frieden, gegen Krieg und Faschismus befragt, erklärte Kurt Bachmann später: „Die Art und Weise, wie sich Faschismus gab, zwang mich nachzulesen: woher kommt diese Ideologie. … Ich habe also versucht, an die Quellen zu gehen. Und da habe ich gemerkt, dass der Faschismus – Italien war für mich das grausame Vorbild – und seine Methoden einen Rückfall hinter die große Französische Revolution bedeuteten. Und das war mich ein roter Faden durch die Gespräche, die ich in dieser Zeit mit Menschen führte, die sich wegen des Faschismus noch keine Sorgen machten. Ich habe davor gewarnt: wenn uns Rechte wie in Italien genommen werden, dann sind das Bürgerrechte, wie sie vom französischen Volk erkämpft worden sind. Dagegen müssen sich nicht nur Kommunisten wehren, dagegen müssen sich alle Menschen wehren, die davon betroffen sind. Solche Vorstellungen hatte ich. Und als Ernst Thälmann im April 1932 in Köln-Ehrenfeld in der Rheinlandhalle sprach, habe ich Flugblätter verteilt. Die zentrale Aussage darin war: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, und wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“

Kurt Bachmann, der ja dann auch seine persönlichen, konkreten Erfahrungen mit dem Faschismus machen musste, wirkte nach der Befreiung weiter auf der Grundlage dieser Erkenntnisse. Das konnte man auch im März 1985 im WDR-Fernsehen in einer Geschichtsstunde der besonderen Art feststellen. Im Film „Volksgenossen“ vermittelte der ehemalige Buchenwald-Häftling vor der Kulisse des ehemaligen Konzentrationslagers historische Erkenntnisse, die auch zu aktuellen Schlussfolgerungen anregten. Zumal auf der anderen Seite ein „Volksgenosse“ dargestellt wurde, der vor einer Hitler-Büste von Arno Breker sitzend , stolz bekannte, als Unternehmer beim Hitler-Vortrag im Industrieclub am 27.Januar 1932 in Düsseldorf dabei gewesen zu sein, der das „Führerprinzip“ für richtig erachtete und den Nazis außerordentlich zu getan war. In der Sendung wird deutlich: anders als der Unternehmer Paul Kleinewefers aus Krefeld, tritt der ehemalige Buchenwald-Häftling und Kommunist aus Köln für eine humane Gesellschaft ein. Diese Orientierung schloß für Kurt Bachmann auch selbstkritische Betrachtungen ein.

In der Weiterführung des oben erwähnten Gespräches stellte er über die Aussagen von Ernst Thälmann 1932 in Köln fest: „Und dann schilderte Thälmann, man muß eine rote antifaschistische Aktion machen. Rot? Das habe ich später im Verlauf des Faschisierungsprozesses erkannt: das war falsch. Antifaschistische Aktion? Ja, aber demokratisch, ganz breit, nicht rot. Wenn bürgerliche Freiheiten gefährdet sind, … dann muß man sich dagegen wehren.“

Im Nachruf der VVN/Bund der Antifaschisten und der FIR für den am 23. Februar 1997 Verstorbenen heißt es: „Der jungen Generation vermittelte er wie kaum ein zweiter die Hintergründe faschistischer Herrschaft und die Lehren des Damals für das Heute im Kampf gegen Reaktion und Militarismus, für die demokratische Republik und für den Internationalismus.“

Auch zu weiteren Fehlern in der Politik der KPD, nahm Kurt Bachmann selbstkritisch Stellung. „Wenn wir“, heißt es 1974 in einem Manuskript von ihm, „die großen Verdienste und Leistungen der Partei Ernst Thälmanns um die Aktionseinheit würdigen, so verschweigen wir nicht ihre Fehler und Schwächen! Falsch war z.B. die Theorie des ‚Sozialfaschismus‘, die Auffassung, die rechte Sozialdemokratie sei die Hauptstütze der Macht des Finanzkapitals. Nicht richtig war die für eine gewisse Periode geltende Orientierung auf eine Aktionseinheit ‚von unten‘. Falsch war auch die später korrigierte Entscheidung, dass sich die KPD 1931 am Volksentscheid der Rechtsparteien für die Auflösung des Preußischen Landtages beteiligte. Eine der Hauptursachen für die sektiererischen Auffassungen lag jedoch in dem reaktionären Verhalten der rechten SPD-Führung selbst, die die arbeiterfeindlichen Notstandspraktiken des Kabinetts Brüning, Papen und Schleicher als ‚kleineres Übel‘ tolerierte…“

In einem Artikel in der Zeitung der DKP „Unsere Zeit“ vom 26.August 1988 kommt er auf die Frage des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes zu sprechen, der, „so habe ich es 1939 gesagt und davon bin auch heute zutiefst überzeugt, weder unter den damaligen Bedingungen noch aus heutiger Sicht ein Fehler, sondern kluge Einsicht in das damalige Notwendige (war). Offen ist – und das bereitet mir Sorge – die Politik Stalins vier Wochen nach dem Nichtangriffspakt bis zum Überfall Hitlers am 22. Juni 1941 auf die Sowjetunion.“

Bezogen auf die Frage eines Diskussionsteilnehmers am 18. April 1989 in Köln, ob die KPD nicht vom „Stalinismus geprägt und dogmatisch“ gewesen sei, stellte er fest: „Das kann man so pauschal keineswegs für alle Abschnitte in der Geschichte unserer Partei sagen. … Allerdings haben auch wir westdeutschen Kommunisten Ende 1949 unter dem Druck des Kalten Krieges und der Gefahr eines neuen ‚heißen‘ Krieges die Stalinsche Variante eines aus heutiger Sicht falschen ‚Einheits‘-Verständnisses akzeptiert. … Stalin-Kult, Dogmatismus, Mißtrauen gegen ganze Gruppen von Genossinnen und Genossen, Mißachtung der innerparteilichen Demokratie haben uns schwer geschadet. Aber schon im Dezember 1954 begann mit dem Hamburger Parteitag die Korrektur. Nach dem XX. Parteitag der KPdSU begann mit der 23.Tagung der KPD im März 1956 die offene Aufdeckung dieser Fehler und eine breite Diskussion, massiv unterbrochen durch das Parteiverbot.“

Sich mit dieser von Bachmann dargestellten Position auseinander zu setzen, ist angesichts der verlogenen Kampagne zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik als Hort des Glücks und bester Staat aller Zeiten bei gleichzeitiger Darstellung der DDR als Unrechtsstaat von Anfang an hilfreich. Hilfreich sind dabei seine vielfältigen Aufsätze und Reden, so auch im Kampf gegen die penetrante und aufgeblähte Totalitarismustheorie, die ja nicht neu ist.

Bereits am 19. Oktober 1979 setzte sich Kurt Bachmann in der DKP-Zeitung „Unsere Zeit“ damit auseinander. Unter dem Titel. „Der Faschismus – eine ‚Variante des Sozialismus?‘“ stellt er zu entsprechenden Aussagen der CSU-Politiker F. J. Strauss und Edmund Stoiber fest: „Die Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus ist eine üble Geschichtsfälschung und im Grunde eine Neubelebung von Hitlers Demagogie. Denn demagogisch war bereits die Bezeichnung NSDAP. Diese Partei war weder national noch eine Arbeiterpartei. Sie hat das Rot aus der Fahne der Arbeiterbewegung gestohlen und ihre Lieder mit faschistischen Texten belegt, um sich zu tarnen. … Aber der Faschismus redete mit zwei Zungen. Was man dem Volk sagte, war eine Sache. Mit den Industriellen sprach man eine ganz andere Sprache. Bereits im Oktober 1922 erläuterte Hitler in einer Denkschrift für Industrielle, daß der Marxismus ausgerottet werden müsse. 1926 sagte er vor dem Hamburger ‚Nationalclub‘: ‚Die Frage der deutschen Wiedererhebung ist eine Frage der Vernichtung der marxistischen Weltanschauung in Deutschland‘. Am 27. Januar 1932 erklärte Hitler vor dem Industrieclub in Düsseldorf: ‚Wir haben den unerbittlichen Entschluß gefaßt, den Marxismus bis zur letzten Wurzel in Deutschland auszurotten.‘ Und dann soll der Nationalsozialismus eine Variante des Sozialismus sein?“

In dem Artikel werden weitere Beispiel aufgezeigt und auch die Äußerungen des DGB-Vorsitzenden Heinz Oskar Vetter zitiert, der am 12. Oktober 1979 in München dazu erklärt hatte: „Wer den Sozialismus in die Nähe des Nationalsozialismus rückt, ist für mich auf dem Weg zu einem demagogischen Geschichtsfälscher und ein gefährlicher Politiker“.

Hier trafen sich am 4. Januar 1933 Hitler, von Papen, Himmler, Keppler und Bankier Schröder. Schröder begründete seine Einladung so: „Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen. … Als die NSDAP am 6. November 1932 ihren ersten Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend … wobei ein wesentlicher Punkt darin lag, daß die Wirtschaft sich selbst lenken sollte.“

Kurt Bachmann warnte auch nach dem rechtsradikalen Attentat auf dem Oktoberfest in München, wo am 26. September 1980 bei der Explosion einer Bombe am Haupteingang 13 Menschen getötet und 211 zum Teil schwer verletzt wurden, vor der weiteren Untätigkeit der Politik und Behörden gegen den Naziterrorismus. „Neonazistische Provokateure“, so stellte er in einer Rede am 2. Oktober 1980 fest „werden bei uns geschützt. Die Verharmlosung der Nazivergangenheit kann in aller Offenheit betrieben werden. Zwar wurde im Januar 1980 die ‚Wehrsportgruppe Hoffmann‘ verboten, aber alle übrigen im jüngsten sogenannten Verfassungsschutzbericht genannten 88 neofaschistischen Organisationen wirken weiter! Artikel 139 des Grundgesetzes, der jede neonazistische Tätigkeit untersagt, wird nicht praktiziert. Der Bundeswahlausschuss läßt zur Wahl die neonazistische NPD … zu. … Im sogenannten Verfassungsschutzbericht hieß es noch 1979 wörtlich: ‚Der Rechtsextremismus stellt keine Gefahr für die freie demokratische Grundordnung dar‘. Wie in der Weimarer Republik ist die Justiz auf dem rechten Auge blind. Wie oft haben die Antifaschisten die Erfahrung machen müssen, daß ihre Anzeigen gegen faschistische Schläger im Sand verliefen. Wie oft mußten sie erleben, daß Polizei und Justizorgane keine Neigung zeigten, gegen überführte neonazistische Gewalttäter vorzugehen.“

Und wie auf die heutige Situation gemünzt, erscheint die Passage: „Das Zusammenwirken von Sozialdemokraten, Christen und Kommunisten, das Bündnis aller demokratischen Kräfte darf den alten und neuen Nazis keinen Raum lassen. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen. Durch Verharmlosung, Schweigen und Wegsehen wird nichts besser! Dem Terror von rechts müssen alle, die Demokratie und Freiheit lieben, offensiv entgegentreten. Der Reaktion muß die Grundlage für ihre soziale und nationalistische Demagogie entzogen werden.“

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