Protest gegen das Soldatentreffen am Ort des Todes zigtausender Kriegsgefangener

8. September 2010

Schon am 6.11.2009 hieß es in der WR: „Es dürfte eines der größten Reservistentreffen des Landes werden, wenn am 28. September 2010 auf der Landesgartenschau der ‚Bundeswehrtag’ veranstaltet wird. Panzer können besichtigt werden. Marschmusik erklingt. Bundesweit will Gartenschau-Geschäftsführer Peter Friedrich in Reservisten-Verbänden Werbung für diesen Tag machen.“

„Für Hemer wird es ein besonderer sein. Denn nur durch den Umstand, dass die Blücher-Kaserne eine neue Nutzung benötigte, wurde die Stadt im Märkischen Kreis überhaupt Gartenschau-Ausrichter: ‚Eigentlich erleben wir auf diesem Gelände den Zauber der Verwandlung, wie Schwerter zu Pflugscharen werden’, sagt Friedrich. Mit dem Bundeswehr-Tag stellen wir uns unserer Geschichte.’“

Unsere Anmerkung: Zu dieser Geschichte gehört der Mord an zigtausenden Kriegsgefangenen auf dem Gelände im 2. WK. Auf ihren Gräbern wird herumgetrampelt. Von Schwertern zu Pflugscharen kann ja wohl keine Rede sein, denn die Bundeswehr führt ihre Auslandseinsätze nicht mit Pflugscharen durch, sondern mit Panzern.

Protest ist angesagt. Im Programm ist der Bundeswehrtag noch immer drin!

Jetzt hat die VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten) in Nordrhein-Westfalen eine Erklärung zum größten Soldatentreffen der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben:

Auf dem Gelände der Landesgartenschau in Hemer will die Bundeswehr am 28. September eines ihrer größten Soldatentreffen durchführen, das es je gab. Der Bundeswehrverband und die Reservistenverbände sind mit von der Partie. Panzer sollen den Kindern als Spielgerät angeboten werden. Militärmärsche sollen erklingen. Es wird für Militär und Krieg geworben.

All das findet nicht nur auf dem Landesgartenschaugelände statt, sondern auch auf dem Boden des ehemaligen Stalag VI A (Kriegsgefangenen-Stammlager der Wehrmacht). Hier sind während des Vernichtungskrieges der Naziwehrmacht viele Tausende Kriegsgefangene grausam zu Tode gekommen. Mit drei Millionen Todesopfern unter den sowjetischen Kriegsgefangenen ist diese Opfergruppe eine der größten gewesen. Zigtausende kamen in Hemer ums Leben. Mindestens 25.000 von ihnen sind auf den Friedhöfen am Stadtrand in Massengräbern begraben. Weitere starben im Arbeitseinsatz als Zwangsarbeiter in der Ruhrwirtschaft; allein im Zeitraum von Juli bis November 1943 starben im Ruhrbergbau 28.000 Gefangene.

Und hier soll nun die Bundeswehr aufmarschieren. Wir sind es den Opfern schuldig, uns dagegen zu wehren.

Wir wehren uns dagegen, dass mit den Reservistenverbänden und dem Bundeswehrverband zwei besonders militaristische Großorganisationen hier für sich werben dürfen. Diese Verbände sind durchsetzt mit rechtsextremistischen Kadern. Erst kürzlich wurde es von den Verbandsführungen abgelehnt, den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, Hauptmann der Reserve. auszuschließen. Auch andere Nazikader sind dabei. Das war schon seit Gründung dieser Vereinigungen so, denn sie haben auch die Reservisten aufgenommen, die schon in der Wehrmacht dienten.  Viele waren schon im Krieg an schweren Kriegsverbrechen beteiligt. Der Bildungsverein des Bundeswehrverbandes ist nach Karl Theodor Molinari benannt worden, einen Bundeswehr- und Wehrmachtsgeneral, der in Frankreich wegen seiner Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurde.

Heute rufen die Neonaziverbände ihre „jungen Kameraden“ auf, sich in der Bundeswehr an Waffen ausbilden zu lassen – „für den Kampf für Deutschland“. Diese Leute sind dann dabei, wenn die Zivilmilitärische Zusammenarbeit die Städte und Gemeinden durchdringt. Tausende Reservisten sehen zum Einsatz im Innern bereit – auch zum Einsatz gegen das eigene Volk. Zum Einsatz gegen Streikende.

Die Bundeswehr, die sich in Hemer feiern lassen will, ist im Kriegseinsatz. In Afghanistan führt sie Krieg gegen die dortige Bevölkerung, das ist seit dem 4.9.2009 erwiesen; an diesem Tag hat Bundeswehr-Oberst Georg Klein die Ermordung von 142 Männern, Jugendlichen und Kindern befohlen – ohne dass die Bundeswehr oder die deutsche Justiz ihn belangt hätten. Strafbefreiung für Massenmord.

Wir fordern die Absetzung des Militärspektakels auf dem Gelände des Stalag VI A und der Landesgartenschau. Wir fordern Schritte zum Frieden, statt Manöver für den Krieg.

Dortmund: VVN-BdA-Protest gegen den Naziaufmarsch, den die Polizei genehmigt

geschrieben von Ulrich Sander, Sprecher der VVN-BdA Dortmund

10. August 2010

Der „nationale Antikriegstag“ der Nazis soll wieder in Dortmund stattfinden. Und die Polizei genehmigt ihn, und die Stadt Dortmund lässt per „Koordinierungsstelle“ mitteilen, sie fände die Entscheidung ausreichend klug, weil irgendwie alternativlos.

Doch es handelt sich nicht um Anti-Krieg, sondern um Jubel für den nazideutschen Überfall auf Polen vom 1. 9. 39, für den Beginn des Vernichtungskrieges WK II. Es handelt sich um verfassungsfeindliche Volksverhetzung.

Deshalb wurden der Dortmunder Polizeipräsident und der neue Landesinnenminister von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten aufgefordert: Verweigern Sie die Zustimmung zu dem Plan der Nazis und Neonazis, am 4. September in Dortmund Volksverhetzung und Kriegshetze zu betreiben. Handeln Sie entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November 2009 (Az. 1 BvR 2150/08).

Dieses Gericht hatte nach seiner Fehlentscheidung vom September 2009, das Verbot der Nazidemo vom 4. 9. 09 aufzuheben, neu beraten und entschieden. „Wegen der besonderen Geschichte Deutschlands gilt in der Frage der Meinungsfreiheit für Nazis eine Ausnahme. ‚Angesichts des Unrechts und des Schreckens, den die Naziherrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht habe’, enthalte das Grundgesetz in diesem Punkt eine Ausnahme vom Verbot, ein Sonderrecht gegen bestimmte Propaganda zu schaffen. Denn ‚das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des national-sozialistischen Regimes gedeutet werden’.“ (Zitiert nach dpa vom 17.11.09)

Der neue Paragraph 130 Absatz 4 des Strafgesetzbuches erlaubt mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts ein Versammlungsverbot, wenn Aggression und Angriff auf die Opfer, Lobpreisung der Gewalt- und Willkürherrschaft gegeben sind. Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu am 18.11.09: „Die Freiheits-Grundrechte des Grundgesetzes verkörpern die Erinnerung an das Menschheitsverbrechen. Diese Erinnerung darf nicht verwüstet werden durch die militante Beleidigung der Opfer. Die Grundrechte sollen nicht missbraucht werden, um das Gedenken derer zu verhöhnen, die sie verkörpern.“

Die VVN-BdA führte in einer Antwort an den Polizeipräsidenten und die Stadt Dortmund aus: „Unsere Organisation ist eine Organisation der Opfer. Sie wurde für Dortmund 1947 von 2000 Überlebenden des Holocaust, von NS-Opfern und Teilnehmern am Antinazi-Widerstandskampf gegründet. Die Volksverhetzung der Nazis in Dortmund regelmäßig zum 1. September ist unerträglich und wird von uns niemals hingenommen.

Erinnerung soll ausgelöscht werden

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider, Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora Freundeskreis e.V.

27. Juli 2010

Die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V. verurteilt in aller Schärfe die jüngsten Angriffe auf die Internet-Präsentation der Gedenkstätte Buchenwald.

Anfang der 90er Jahre propagierten Neonazis, dass Deutschland nur auf den Trümmern der KZ-Gedenkstätten wieder groß werden könne. Dieses Ziel haben sie – durch den aktiven Einsatz der Überlebenden und Antifaschisten sowie die breite gesellschaftliche Debatte – nicht erreicht. Jedoch waren immer wieder neofaschistische Provokationen in der KZ Gedenkstätte Buchenwald und an anderen Orte des Gedenkens zu verzeichnen.

Nun versuchen offenkundig Neonazis auf elektronischem Wege durch einen Hacker-Angriff auf die Homepage der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora das politische Gedenken zu behindern. Besonders pervers ist dabei die Umleitung auf Seiten der Holocaust-Leugnung.

Die eigentliche Zielrichtung dieses Angriffes wird darin sichtbar, dass die Täter den Zugang zum Totenbuch des KZ Buchenwald beschädigt haben. Es geht ihnen offenkundig darum, die Erinnerung an die weit über 50.000 Opfer der faschistischen Verbrechen in Buchenwald auszulöschen. Das ist Leugnung des faschistischen Massenmordes und ist nach dem Straftatbestand der Volksverhetzung zu verurteilen.

Die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V. steht gegen solche Angriffe auf der Seite der Gedenkstätte Buchenwald. Gemeinsam mit allen antifaschistischen Kräften in unserem Land wirken wir für die Bewahrung des Vermächtnisses der Überlebenden des Lagers und der Umsetzung des Schwurs von Buchenwald: Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln, Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit!

VVN-BdA fordert Rehabilitierung der Opfer der politischen Justiz in NRW

8. Juli 2010

Für die älteste und sehr traditionsreiche Organisation unter den anwesenden Gruppen der außerparlamentarischen Bewegungen hat VVN-BdA-Landessprecher Ulrich Sander auf einem Treffen mit der Landtagsfraktion der Partei Die Linke am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag den gewählten linken Abgeordneten Glückwünsche aller ausgesprochen.

Der Arbeitsbeginn einer linken Fraktion im Landtag sei ein historischer Augenblick, denn es habe seit 1953 keine Kraft links von der SPD im Landtag mehr gegeben.

Die Fraktionsvorsitzende Bärbel Beuermann sagte zu, sie werde sich für die Rehabilitierung des VVN-BdA-Vorsitzenden und damaligen Landtagsabgeordneten der KPD Jupp Angenfort (1924-2010) einsetzen, der unter Bruch der Immunität seinerzeit verhaftet und für fünf Jahre aus politischen Gründen (Widerstand gegen die Wiederaufrüstung) inhaftiert wurde. Ulrich Sander schlug Landtagsinitiativen zur Rehabilitierung und Wiedergutmachung für politische Häftlinge der Adenauer-Ära vor.

„Wenn die Linke aufgefordert werde, dem Personalabbau im Öffentlichen Dienst zuzustimmen, so sollte sie sich dem verweigern, mit einer Ausnahme: Der Apparat des Verfassungsschutzes sollte aufgelöst werden und das Innenministerium umgekrempelt werden, denn sie seien verantwortlich dafür, dass sich NRW dem NPD-Verbot verweigere und Nazis beinahe freie Hand gelassen werde.

Zum 4. September, wenn die Neonazis wieder ihr Nationales Treffen zum Kriegsbeginn 1939 in Dortmund begegnen wollen, sollten alle demokratischen Kräfte dagegen mit Blockaden und Demonstrationen angehen. Zudem sei zu diesem Antikriegstag 1. September endlich die Zivilmilitärische Zusammenarbeit zu thematisieren, die seit langem mit Billigung der Landesregierung zu Eingriffen der Bundeswehr in Schulen, Argen und Verwaltungen geführt habe, ohne dass die Öffentlichkeit informiert wurde.

Der VVN-BdA-Sprecher begrüßte es, dass die Partei Die Linke als eine ihrer ersten Initiativen im Landtag den Ausweisungsstopp für Sinti und Roma aus NRW verlangt habe. Dem Kampf gegen den Antisemitismus sei gleichberechtigt das Vorgehen gegen den immer stärker um sich greifenden Antiziganismus hinzuzufügen. Dies sei eine Lehre der Geschichte des Holocaust.

Kein öffentliches Interesse an der Bestrafung von Zivilcourage

27. Juni 2010

Verfahren gegen den Vorsitzenden der Berliner VVN-BdA, Hans Coppi, wurde in Königs Wusterhausen eingestellt.

Der Prozess am Montag den 28.06.2010 fand unter ungewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen statt. Selbst Kugelschreiber mussten die Besucher/innen abgeben. Der Prozess und die Besucher/innen wurden von zahlreichen Beamten in Uniform und Zivil beobachtet. Nach einer etwa einstündigen Verhandlung waren sich Richterin, Staatsanwalt und Angeklagter einig. Das Verfahren gegen Hans Coppi, wegen Widerstand gegen Polizeibeamte und Beleidigung wurde gegen eine Spende in Höhe von 500,00 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt.

Dass diese Einrichtung das Bündnis Gegen Rechts Königswusterhausen ist, dürfte die anwesenden 5 Neonazi- Prozessbeobachter in dem Maße geärgert haben, wie es die übrigen, etwa 50 Besucher/innen gefreut hat. „Durch die Auflage, die hier in einer Zahlung besteht, erfolgt keine Bestrafung, sondern im Gegenzug entfällt das öffentliche Interesse an einer weiteren Verfolgung, da eine gemeinnützige Einrichtung profitiert. Dem „gesellschaftlichen Frieden“ wird dadurch der Vorzug gegenüber einer Strafverfolgung gegeben, möglich ist dies bei weniger gravierenden Vorwürfen. Gericht und Staatsanwaltschaft gehen offenbar davon aus, dass zwar eine streitige Situation vorlag, diese aber keine Strafverfolgung erzwingt.“ so Verteidiger Sven Richwin.

Von dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft, Hans Coppi habe bei der Räumung einer Blockade gegen einen Neonaziaufmarsch im Dezember 2009 in Königs Wusterhausen, Polizeibeamte mit einer Fahne attackiert, blieb am Ende wenig übrig. Außer vielleicht der Frage des Staatsanwalts, was Herr Coppi denn mit einer Fahne auf der antifaschistischen Demonstration gewollt habe. Gesicht zeigen und auch demonstrieren, dass die VVN-BdA Blockaden gegen Neonazis für gerechtfertigt hält, war die Antwort Coppis.

Das Gesicht Herrn Coppis hatte es dem anwesenden Polizeizeugen besonders angetan. Der Angeklagte habe frech und herausfordernd gegrinst. Der erwiderte, angesichts des Polizeieinsatzes, der damals den Neonazis den Weg freimachte, wäre den Anwesenden auch und ihm das Lachen vergangen und er könne deshalb die Aussage des Beamten nicht nachvollziehen. Herr Coppi bedauerte, dass es nur zu einem Freispruch “zweiter Klasse“ gekommen sei, er glaube aber, das Geld sei für die Vorbereitung weiterer Proteste gegen Neonazis in Königs Wusterhausen gut angelegt.

„Den Krieg in Afghanistan beenden – zivil helfen“

geschrieben von Susanne Grabenhorst, Kooperation für den Frieden; Peter Strutynski, Bundesausschuss Friedensratschlag

15. Juni 2010

Friedensbewegung startet Unterschriftenkampagne gegen Krieg in Afghanistan. P.E.N. Präsident: „Die Strategie der Bundesregierung in Afghanistan ist gescheitert.“

Gestern haben die großen Friedensorganisationen in Berlin den gemeinsamen Appell „Den Krieg in Afghanistan beenden – zivil helfen“ vorgestellt. Der Appell fordert den sofortige Beginn des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan. Die Friedensbewegung erhofft sich mit diesem Appell, dass die Diskussion in alle gesellschaftlichen Bereiche getragen und der Protest breite Unterstützung finden wird.

Der Appell enthält drei klare Forderungen: Die Bundeswehr müsse „alle Kampfhandlungen“ beenden, „sofort“ mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan beginnen und die dadurch frei werdenden Gelder zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung einsetzen. Nach Auffassung der Friedensbewegung sind das die unverzichtbaren Voraussetzungen für einen „selbstbestimmten Friedensprozess“ in Afghanistan.

Unterstützung erhält die Friedensbewegung vom P.E.N. Zentrum Deutschland. Dessen Präsident Johano Strasser verwies bei der Vorstellung auf eine Resolution, die der Schriftstellerverband auf seiner jüngsten Jahrestagung einstimmig verabschiedet hat und worin das Scheitern des Kriegseinsatzes konstatiert und der Wunsch nach einem „raschen Abzug“ der Bundeswehr geäußert wird. Johano Strasser wörtlich: „Das Ergebnis des Krieges ist verheerend.“ Der P.E.N. Präsident unterschrieb als erster demonstrativ den Appell der Friedensbewegung.

Für die Friedensbewegung ist das Engagement des Schriftstellerverbands Ausdruck des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung über den „verheerenden Krieg“. Christine Hoffmann von der katholischen Friedensbewegung pax christi erinnerte in der Pressekonferenz an die Erklärung des Fuldaer Bischofs und pax-christi-Präsidenten Algermissen: „Mut zur Wahrheit: Der Militäreinsatz ist gescheitert“. Sie fordert ein Ende der Kampfhandlungen, weil nur dann ziviler Aufbau und Versöhnung möglich sind. Für Monty Schädel, Vertreter der „Kooperation für den Frieden“ und Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) war der Afghanistan-Krieg von Anfang an falsch. „Krieg machen kann jeder; jetzt braucht es den Willen zum Frieden.“ Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, wies auf die steigenden Kosten des Krieges hin.

Nach einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung belastet der Einsatz am Hindukusch, wenn man alle Folgekosten hinzu rechnet, den Bundeshaushalt mit dem Dreifachen dessen, was der Verteidigungsetat offiziell angibt: Statt 1,059 Mrd EURO müsse mit drei Milliarden pro Jahr gerechnet werden. Eine Beendigung des Krieges wäre also ein echter und zudem „sozialverträglicher“ Beitrag zum Schuldenabbau des Bundes – selbst wenn eine Mrd. davon für die Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung eingesetzt würde.

Der Unterschriftenappell soll nun über die bundesweiten Organisationen und die vielen lokalen und regionalen Initiativen der Friedensbewegung in der Bevölkerung verbreitet werden. Er wird in die Kirchen und Gewerkschaften, in andere soziale Bewegungen, Parteien und Verbände, in Schulen und Hochschulen, in Betriebe und Verwaltungen hinein getragen. Bei einigen Organisationen (z.B. bei der IPPNW unter www.ippnw.de und unter www.frieden-mitmachen.de) kann der Appell auch online unterzeichnet werden.

20100616_1_afgh-appell2010.pdf (27 KB)

Dringende Fragen an die Volksvertreter

geschrieben von Ulrike Düwel, Ulrich Sander, Jochen Vogler, Landessprecher der VVN-BdA NRW

9. Juni 2010

Aus Anlass der konstituierenden Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen wendet sich die VVN-BdA an die Abgeordneten des Landtages.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Ihnen Glückwünsche aussprechen zu Ihrer Wahl. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Sie auch nach dem vergangenen Wahlkampf noch das Gespräch mit den Wählerinnen und Wählern suchten und Interesse an ihren Vorschlägen und Vorstellungen zeigten. Zu solchen Gesprächen sind wir bereit. Wir möchten dazu die folgenden Überlegungen vor-bringen.

Mit Befremden mussten wir in jüngster Zeit einen verwerflichen Umgang mit der Landesverfassung feststellen: Es führte zu diskriminierenden Vorhaltungen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger auf unsere Landesverfassung beriefen, die in wenigen Tagen ihren 60. Jahrestag hat. Wir möchten daher ganz betont auf einige Verfassungsaussagen verweisen, die wir für besonders aktuell halten. Grundsätzlich bitten wir dringend, die Lehren aus der Zeit von Faschismus und Krieg zu beherzigen, wie sie in unserer Landesverfassung – bezogen auf gesellschaftliche Ursachen des Faschismus – zum Aus-druck kommen:

„Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familien decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn, das gilt auch für Frauen und Jugendliche.“ (Artikel 24 der Landesverfassung NRW) Ergibt sich daraus nicht die Verpflichtung, dem Vorrang Privat vor Staat, Profit vor Mensch endgültig den Abschied zu geben? Zeigt sich nicht, dass die Schaffung eines ausreichenden Mindestlohnes ein unmittelbarer Verfassungsauftrag ist? Sollte das Recht auf Arbeit nicht endlich als Menschenrecht verstanden und verwirklicht werden?

„Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden. Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.” So heißt es in Artikel 27 der „Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950”. Die war per Volksentscheid von der Mehrheit der Abstimmenden angenommen worden. Sie gilt noch immer. Und es ist dar-aus abzuleiten, dass z.B. die Enteignung von Energieriesen zum Wohle der Allgemeinheit zwingend geboten ist. Auch dieser Artikel 27 stellt eine Schlussfolgerung aus den Entwicklungen von 1933 bis 1945 dar. Ferner der Artikel 26, der Mitbestimmungs-Artikel, der lautet: Es „wird das Recht der Arbeitnehmer auf gleichberechtigte Mitbestimmung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung anerkannt und gewährleistet.” Wie viel Politikverdrossenheit, das Gefühl des Ausgeliefertseins, das wir überall beobachten, könnte durch die Verwirklichung dieses Artikels behoben wer-den?

Besonders bemerkenswert ist auch der Artikel 32, der lautet: „Vereinigungen und Personen, die es unternehmen, die staatsbürgerlichen Freiheiten zu unterdrücken oder gegen Volk, Land oder Verfassung Gewalt anzuwenden, dürfen sich an Wahlen und Abstimmungen nicht beteiligen.” Könnte dieser Artikel nicht helfen bei der Abwehr neofaschistischer und rassistischer Kräfte? Und dies auch in Verbindung mit Artikel 7 der Landesverfassung, der die Erziehung „zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung“ verlangt. Die jetzt gewählten Abgeordneten Ute Schäfer (SPD), Anne Conrads (Die Linke) und Sylvia Löhrmann (Die Grünen) haben im Wahlkampf mit Hinweis auf diesen Artikel 7 die Kooperationsvereinbarung der bisherigen Landesregierung mit der Bundeswehr kritisiert, mit der militaristisch in die Schulen hineinregiert wird. Frau Schäfer bekräftigte zudem die Empfehlung der UNESCO vom 19. 11. 1974, in der es heißt: „Die Erziehung soll auf die Unzulässigkeit der Kriegsführung zum Zwecke der Eroberung, des Angriffs oder der Beherrschung sowie der Gewaltanwendung zum Zwecke der Unterdrückung hinweisen und jedermann dazu bringen, seine Verantwor-tung für die Erhaltung des Friedens zu erkennen und auf sich zu nehmen.“ Gleich den Schüler-, Jugend- und Friedensorganisationen im Lande fordern wir die Rücknahme des Kooperationsvertrages Schule-Bundeswehr durch den neuen Landtag. Wir fordern, die Bundeswehr soll nicht länger in Hochschulen und Argen/Jobcentern wirken dürfen, um die Jugend zur Kriegsführung anzuwerben.

Überhaupt sollte der Landtag sich nicht friedenspolitisch abstinent verhalten. Wann werden in NRW die Grünen-Fraktion und die SPD-Fraktion zur antimilitaristischen Vernunft zurückkehren, um die Truppen aus Afghanistan zurückholen zu helfen? Das Streitkräfteunterstützungskommando Köln und der Bundesverteidigungsministerium in Bonn organisieren die Einsätze Deutschlands auf den Kriegsschauplätzen der Welt und die Zivil-Militärische Zusammenarbeit zu Militäreinsätzen im In- und Ausland, auch in NRW. Es wurde eine ZMZ-Reservistentruppe für den Bundeswehreinsatz im Innern geschaffen. Dazu muss sich der neue Landtag verhalten.

Widerstand sollte er gegen die ausländerfeindliche Pro-NRW entwickeln. Die in NRW übliche Abschiebepraxis ist zu beenden. Besonders das Los der ständig von Abschiebung bedrohten Sinti und Roma ist zu verbessern; ihnen ist das Bleiberecht zu gewähren. Dem Wirken gegen den Antisemitismus ist – entsprechend den Lehren der Geschichte – das Vorgehen gegen den Antizyganismus zur Seite zu stellen.

Es vergeht kaum ein Tag und kein Wochenende, an dem nicht auch in unserem Land faschistische Banden auf den Straßen und Plätzen aufmarschieren. Die V-Leute-Praxis des Verfassungsschutzes im NRW-Innenministerium hat zur Stärkung des Neonazismus und zur faktischen Bestandsgarantie für die NPD geführt. Die Polizei sieht dem Treiben der Nazis wie gelähmt zu – und die Nazis entfalten sich weiter. Die Tolerierung faschistischer Umtriebe schreitet fort. Das ist die Bilanz der bisherigen fünfjährigen Politik im Lande NRW.

Vor fünf Jahren haben wir uns an die nun abgewählte Landesregierung gewandt und erklärt: Unsere Organisation konzentriert sich sechs Jahrzehnte nach der Befreiung von Krieg und Faschismus auf folgende nächste Ziele – und wir hoffen, wir können bei Ihnen dafür Unterstützung erlangen:

1. Durchsetzung des Prinzips „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren“. (Beschluss des höchsten Gerichts von Nordrhein-Westfalen, OVG NRW, Az 5 B B 585/01) Damit wird beigetragen zur Wiederherstellung des Verfassungsprinzips des Artikels 139 GG, das die 1945/46 geschaffenen Bestimmungen zur Zerschlagung von NS-Organisationen auch für das Heute verbindlich regelt. Höchste NRW-Richter haben sich mit ihren Urteilen gegen die Neonazis gewandt. Ihre Rechtssprechung sollte endlich in NRW volle Gültigkeit erhalten.

2. Verbot der sog. „freien“ und „nationalen“ Kameradschaften als illegale Nachfolgeorganisationen der in den 90er Jahren von den Innenministern verbotenen Neonaziorganisationen und kriminelle Vereinigungen. Diese Kamerad-schaften üben Gewalt, Mord und Terror gegen Ausländer und Antifaschisten aus, und am Ostermontag 2005 kam es in Dortmund erneut zu einer Mordtat eines Täters aus den Reihen der Kameradschaften. Dennoch unterblieb bisher ein Vorgehen – oder wenigstens ein Demo-Verbot – gegen diese Organisationen seitens der Behörden

3. Schluss mit der Verfolgung von Antifaschisten, denen „Störung“ von Naziaufmärschen vorgeworfen wird, während doch solche Proteste nach den Aufrufen zum „Aufstand der Anständigen“ dringend geboten waren.

4. Rückgabe des digitalisierten Archivs der VVN-BdA und ihres Landessprechers, das beschlagnahmt wurde, nachdem die VVN-BdA gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher Anzeige erstattet hatte. (Sie blieben unbehelligt, doch nicht unsere Organisation!) Diese Rückgabe des Archivs ist nach Einstellung des Verfahrens durch die Justizbehörden und nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Az. 2 BvR 1027/02 (Bundesverfassungsgericht verbietet willkürliche Datenbeschlagnahme) dringend geboten.

5. Durchsetzung wirkungsvoller kommunalpolitischer Positionen des Antifaschismus und der Friedenserziehung in den Städten und Gemeinden. Die VVN-BdA hat dazu ihre Vorschläge vorgelegt. Wir rufen alle Kommunalpolitiker/innen auf, diese Vorschläge in der Praxis anzuwenden. Wir unterstützen die Aktion „Stolpersteine“ zur Erinnerung an die Opfer des Faschismus.

6. Antifaschistische und antimilitaristische Geschichtsarbeit in den Schulen und unter der Jugend, ferner umfassende Unterstützung der Bewegung für „Schulen ohne Rassismus“. In einer Zeit, da wir auf die Zeitzeugengeneration leider fast ganz verzichten müssen, sind wir aufgerufen, als Angehörige und Hinterbliebene wie auch als antifaschistische Mitstreiter der älteren Generation ihren Auftrag zu übernehmen. Bis auf Punkt 4 (die gezogene Kopie unseres Archivs wurde laut NRW-Datenschutzbeauftragte vernichtet; andererseits bemühte sich die Landesregierung immer wieder an vorderster Stelle um den Ausbau des Überwachungsstaates) müssen wir sämtliche Punkte erneut bekräftigen, da die bisherige Landesregierung sie unbeachtet gelassen hat bzw. ihnen zuwider handelte. Insbesondere der Einsatz von V-Leuten zur faktischen Absicherung der NPD wird von uns verurteilt. Wir hoffen, der neue Landtag wird dafür sorgen, dass NRW seinen Beitrag zum Verbot der NPD leistet.

Wir erwarten vom neuen Landtag Initiativen, um die Städte und Gemeinden in die Lage zu versetzen, ihre sozialen und bildungspolitischen Aufgaben zu erfüllen. Denn anders lassen sich Resignation der Bürgerinnen und Bürger und der wachsende Einfluss der Rechten kaum verhindern. Als größte und sehr traditionsreiche Organisation der NS-Verfolgten und Opfer des Faschismus hat die VVN-BdA sich stets für die Entschädigung der Opfer des Faschismus und für die Bestrafung der Täter eingesetzt. Wir werden es weiter tun. Wir hoffen dabei auf die Unterstützung des neuen Landtages. Deshalb waren wir erfreut, von einer nun dem Landtag angehörenden Abgeordneten anlässlich der Beisetzung unseres Ehrenvorsitzenden Josef Angenfort (ehem. Landtagsmitglied) zu hören: „Und wir werden nicht Ruhe geben, bis es auch ganz offiziell aus dem NRW-Landtag heißt: ‚Jung, wir haben dir Unrecht getan.’“

In Anspielung auf eine seiner Aussagen in der WDR-Dokumentation „Als der Staat rot sah – Justizopfer des Kalten Krieges“ sagte dies Frau Bärbel Beuermann (DieLinke NRW) in der Trauerrede für Josef „Jupp“ Angenfort. Er war 1951 der jüngste Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag und wurde 1954 trotz seiner Immunität, die er als Landtagsabgeordneter besaß, verhaftet und wegen seines Friedensengagements angeklagt und zu einer Zuchthausstraße von fünf Jahren und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Dass der Landtag von NRW sich nie für sein Mitglied Josef Angenfort eingesetzt hat, dass er nicht protestierte, als tausende Bürgerinnen und Bürger des Landes in der Zeit des Kalten Krieges zu Haftstrafen verurteilt wurden, als zahlreiche von ihnen mit Berufsverboten belegt wurden – all das gereicht dem Landtag nicht zur Ehren.

Nicht einmal eine Untersuchung leitete er ein, als ein Friedensaktivist, der 21jährige Arbeiter Philipp Müller, am 11. Mai 1952 in Essen bei einer Friedensdemonstration vor der Polizei getötet wurde. Der Landtag sollte sich dafür bei den politischen Opfern des Kalten Krieges und ihren Hinterbliebenen entschuldigen. Er sollte ferner eine Untersuchung zu dem Vorwurf einleiten, er habe in den ersten Legislaturperioden eine größere Anzahl von Nazis in seinen Reihen gehabt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir hoffen sehr, mit unseren Vorschlägen und Anregungen beim Landtag auf Zustimmung zu stoßen und wünschen uns Antworten von Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen Ulrike Düwel, Landessprecherin – Ulrich Sander, Landessprecher – Jochen Vogler, Landessprecher

Für den Landesausschuss der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten von Nordrhein-Westfalen (gegründet – bei Anwesenheit des damaligen Ministerpräsidenten von NRW – im Jahre 1946 durch die Vertreterinnen und Vertreter von 50.000 NS-Opfern und Überlebenden des Widerstandes)

Das Verordnete Schweigen

geschrieben von Berliner VVN-BdA e.V. in Kooperation mit Helle Panke e.V. Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin und der Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte

2. Juni 2010

Die Tagung hat das Ziel, an die Schicksale deutscher Emigranten und ihrer Familien zu erinnern, die von den 1930er bis zu den 1950er Jahren in der Sowjetunion Opfer staatlicher Repressalien geworden sind.

Erst seit den 1990er Jahren werden nach und nach Anzahl und Ausmaß der verfolgten deutschen Antifaschisten bekannt. Seit 1936 sind nach vorsichtigen Schätzungen zwischen 2.000 und 6.000 Deutsche, überwiegend Kommunisten, verhaftet, verbannt und erschossen worden oder verbrachten Jahre im GULAG und verloren dort ihr Leben. Während des Krieges befand sich die Mehrheit der deutschen Emigrantinnen und Emigranten in Straflagern, in der Arbeitsarmee und in Verbannungsorten.

Die Exilführung der KPD unterstützte das Vorgehen des NKWD gegen deutsche Politemigranten und war nur selten bereit oder in der Lage, ihren Genossen zu helfen. Erst Mitte der 1950er Jahre, vereinzelt noch später, kehrten die letzten repressierten Politemigranten nach Deutschland zurück. Die meisten entschieden sich, in der DDR zu leben. Sie wurden als „Verfolgte des Naziregimes“ anerkannt und erhielten die damit verbundenen sozialen Vergünstigungen. Zugleich wurden sie verpflichtet, über die in der Sowjetunion erlittenen Verfolgungen nicht zu sprechen. Die an ihnen verübten Verbrechen blieben unbenannt und ungesühnt. Das verordnete Schweigen konnte sich in den Familien fortsetzen oder machte die mitbetroffenen Kinder und Enkel zu stummen Mitwissern.

Programm: Freitag, der 18. Juni Robert-Havemann-Saal

Fernsehfeature „Wir Kommunistenkinder“ von Inga Wolfram in Anwesenheit der Regisseurin und von Mitwirkenden

In dem Film folgen fünf Kommunistenkinder den Spuren ihrer Eltern, die nach 1933 in die Sowjetunion flohen. „Die Last der Davongekommenen und die Scham einte die Generation unserer Väter in ihrem Schweigen“, sagt Inga Wolfram: „Uns Kommunistenkinder eint die Erfahrung des Schweigens der Eltern, aber auch die Nähe oder Distanz zu dem, was in der DDR politisch lief.“

Anschließend Gespräch mit Inga Wolfram, Ruth Santos geb. Remmele, Claus Bredel, Eugen Ruge,

Moderation: Hans Coppi

Sonnabend, 19. Juni Robert-Havemann-Saal

10:00 Uhr Inge Münz-Koenen „Die verschiedenen Arten des Schweigens“

11.00-12.30 Aus der Sicht der Rückkehrer

Carola Tischler: Die Sprache der Akten: Wie die SED das bezeichnete, was sie nicht benennen wollte Meinhard Stark: Erinnern, Schweigen und Erzählen Nachfragen und Diskussion Moderation: Oswald Schneidratus

12:30 – 13:30 Mittagspause

13:30 – 15:00 Aus der Sicht der Kinder

Gespräch mit: Inge und Alex Giesel, Ulla Plener, Heidi Speer und Andrej Reder Moderation: Anja Schindler

15 bis 15.30 Kaffeepause

15.30 bis 17.00 Uhr „Eigentlich fehlt ein würdiges Gedenken an unsere Angehörigen“ mit Hanna Tomkins, , Ines Koenen, Valeri Ripperger, Thomas Flierl

Moderation: Gerd Kaiser

17:00 Kaffeepause

17:20 – 19:00 „Gefangen in der Hungersteppe“

Film von Achim Engelberg und Achim Heinzel mit Überlebenden der KarLag (2008) unter Mitarbeit von Wladislaw Hedeler und Meinhard Stark (Autoren des Buches Das Grab in der Steppe: Karlag. Das Karagandinsker „Besserungsarbeitslager“ 1930-1959) in Anwesenheit des Filmteams/der Autoren

Fragen, über die wir reden möchten:

– Zu welchem Zeitpunkt, auf welchen Wegen und Umwegen, mit welchen Hindernissen kehrten die Emigranten zurück nach Deutschland?

– Wie fanden die Rückkehrer ihr vom Faschismus befreites Land vor? Wie gestaltete sich das Verhältnis zu den Landsleuten?

– Wie erklärt sich das positive Verhältnis zur Sowjetunion bei nahezu allen Zurückgekehrten?

– Welche Unterschiede gab es zwischen den Rückkehrern und ihren in der Sowjetunion aufgewachsenen Kindern, für die Deutschland ein fremdes, gar feindseliges Land war („Wir wollten keine Deutschen sein“)?

– Wie wurde die Schweigeverpflichtung erlebt, wie in den Familien reflektiert oder verdrängt? Welche Rolle spielten Freunde, Mitemigranten, politische Organisiertheit?

Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal 10405 Berlin, Greifswalder Str. 4 (Tram 4, Haltestelle Am Friedrichshain)

Eintritt: Freitag: 1,50 €, Sonnabend: 5,00 € (mit Versorgung)

Um Anmeldung unter info@helle-panke.de oder unter berlin@vvn-bda.org wird gebeten

Der letzte Überlebende der Jugendwiderstandsgruppe um Helmuth Hübener verstarb in USA

9. Mai 2010

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) trauert um ihren KameradenKarl-Heinz Schnibbe geb. am 5. Januar 1924 in Hamburg – gestorben am 9. Mai 2010 in Salt Lake City / USA

Er gehörte der vierköpfigen jugendlichen Widerstandsgruppe von Lehrlingen um Helmuth Hübener an, die in Hamburg 1941 und 1942 Aufklärungsarbeit gegen Krieg und Faschismus leistete, was den Nazis als „Vorbereitung zum Hochverrat“ galt. Mit der Weitergabe von Meldungen des britischen Rundfunks und mit Flugblattaktionen klärte sie die Bevölkerung in den Arbeitervierteln im Osten Hamburgs auf. Sie geriet in die Fänge der Gestapo, nachdem sie zum Jahresbeginn 1942, in einer Zeit, da der Krieg der Nazis noch „siegreich“ war, in einem Flugblatt erklärt hatte:

„Im Jahr einundvierzig wird alles gebrochen. So hatte der Führer dereinst keck gesprochen. Jetzt trägt der Soldat für den Irrtum die leiden, während Hitler verspricht: „Dies Jahr wird entscheiden!“ Es wird sich entscheiden, wenn alles sich ‚rührt’! Und dann hat auch Hitler sich auskalkuliert.“

In einem Prozess vor dem Volksgerichtshof in Berlin wurde Helmuth Hübener als jüngster Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt. Karl Heinz Schnibbe wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt und kam auch nach der Befreiung am 8. Mai nicht frei, sondern geriet unschuldig in amerikanische und sowjetische Kriegsgefangenschaft, obwohl er nicht mehr am Krieg teilgenommen hat.

Er wanderte nach USA aus, kehrte aber immer wieder nach Hamburg zurück, um in Veranstaltungen als Zeitzeuge gegen Krieg und Faschismus zu wirken. Auch in seiner neuen Heimat arbeitete er aufklärend unter der Jugend. Er wirkte dort an Jugendtheaterstücken, Filmen und Büchern mit. Noch im Januar war er zur Eröffnung der Ausstellung über den Hamburger Widerstand ins Rathaus in Hamburg eingeladen worden, konnte aber nicht mehr reisen. Er schrieb seinen Freundinnen und Freunden u.a.:

„Ich bin trotz allem Schmerz und trotz allen Leiden über die vielen Jahre hinweg immer noch sehr, sehr stolz darauf und unendlich dankbar dafür, dass wir dumme Bengels damals irgendwie den Mut fanden, gegen dies denkbar bösartigste Regime der Weltgeschichte mit unserer Flugblattaktion gewaltlos vorzugehen. Und dass wir überhaupt hinter die ganzen Lügen von damals dank der Hellsicht unseres Freundes Helmuth Hübener haben schauen können!

Auch wenn ich gewusst hätte, was dadurch auf mich zukommen würde, kann ich jetzt bezeugen, dass ich es gern wieder täte, wenn ich die Gelegenheit hätte, denn eine friedvolle und faire Gesellschaft basiert ja auf der Bereitschaft jedes Mitglieds dieser Gesellschaft, für das Gute ein Opfer zu bringen, nicht immer auf seinen eigenen kurzfristigen Vorteil zu achten. Ich rufe also sozusagen über den Ozean und über die Jahrgänge meinen Freunden, besonders meinen jungen, energischen Freunden in Hamburg und sonst wo zu: Seid auf der Hut und seid für die gute Sache tätig, aber immer gewaltlos, immer menschlich und mit viel Liebe, nie den Teufel mit Beelzebub austreiben wollen!“

Noch am Vorabend des Tages, da Karl-Heinz Schnibbe uns verließ, haben wir an ihn gedacht und in zwei Veranstaltungen in Hamburg die Botschaft der jungen Menschen aus Hammerbrook verbreitet, die sich auf keine Gnade der späten Geburt beriefen, sondern mutig ihren Weg gingen.

Wir haben mit Dankbarkeit festgestellt, dass erst vor einigen Monaten die Verwaltungsschule in Hamburg, die einst von Helmuth Hübener besucht wurde, eine ständige Ausstellung geschaffen hat, mit der Helmuth Hübener, Karl Heinz Schnibbe, Rudolf Wobbe und Gerhard Düwer ein Denkmal geschaffen wurde. Karl Heinz und seine Freunde bleiben in unserem Gedächtnis und wir wollen weiter über ihr Vorbild berichten, so mit der VVN-BdA-Edition „Bibliothek des Widerstandes“ (hier erschien „Jugendwiderstand im Krieg/Die Hübener-Gruppe“) und mit dem Besuch an den Stätten des Widerstandes (wie in der Verwaltungsschule Normannenweg 26 in Hamburg).

Wer nicht feiert, hat verloren!

geschrieben von Dr. Hans Coppi, Vorsitzender der Berliner VVN-BdA

7. Mai 2010

Eine Referendarin erhielt vor einigen Jahren bei einer Lehramtsprüfung ein ungenügend, weil sie den 8. Mai zu „einseitig“ als Tag der Befreiung dargestellt und damit den Schülern ihre Meinung „oktroyiert“, also aufgezwungen habe.

Nicht nur an dieser Fehlentscheidung zeigt sich, wie geschichtspolitisch umstritten der 8. Mai in seinen unterschiedlichen Zugängen als Tag der Befreiung, des Kriegsendes, der Kapitulation, der Stunde Null und anderen Zuschreibungen gedeutet wird.

Auch wenn ihn Richard von Weizsäcker vor 25 Jahren für die (West)Deutschen zum Tag der Befreiung geöffnet hat, blieb dieses verbale Bekenntnis ohne nachhaltige Folgen. Bis heute ist der 8. Mai in der Bundesrepublik, mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, kein offizieller Gedenktag. Versäumte Gelegenheiten gab es zur Genüge.

Als gesamtdeutscher Gedenktag hätte er ein erinnerungspolitisch bedeutsames Zeichen im sich vereinenden Deutschland und ein Signal der Versöhnung gegenüber der Sowjetunion und den anderen europäischen Völkern sein können. Stattdessen geriet der 8. Mai mehr und mehr zu einem „Volkstrauertag“ für deutsche Opfer von Krieg, Flucht, Vertreibung und Gewaltherrschaft. Dafür steht auch das von schwarz-gelb vehement vorangetriebene Projekt eines „Zentrums für Vertreibung“, die unselige Verquickung von deutscher Täter- und Opferschaft.

In vielen Ländern Europas ist der 8. bzw. 9. Mai ein Tag der Erinnerung und des Gedenkens an den mit Millionen Opfern errungenen Sieg über den Hitlerfaschismus. Jetzt zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Von der deutschen Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen fordert eine Entschließung des Europaparlaments vom April 2009 dazu auf, den 23. August 1939, der Tag der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes, als Gedenktag für die „Opfer aller totalitären und autoritären Regime“ zu begehen. Damit soll der Tag der Befreiung als Zeichen einer die Europäer verbindenden Identität entsorgt und die Geschichte des 20. Jahrhunderts in gleichsetzender Perspektive „totalitärer“ Bedrohungen von Kommunismus und Faschismus umgedeutet werden.

In großer Sorge protestieren Organisationen ehemaliger Widerstandskämpfer, Partisanen, Angehöriger der Antihitlerkoalition, Verfolgter des Naziregimes und Antifaschisten heutiger Generationen aus über zwanzig Ländern Europas und Israels dagegen, dass der Sowjetunion die gleiche Verantwortung an der Entfesselung des zweiten Weltkrieges wie Hitlerdeutschland zugewiesen wird.

Die Rote Armee und die Völker der Sowjetunion trugen im Bündnis mit den Alliierten den Hauptteil der zivilen und militärischen Anstrengungen zur Überwindung faschistischer Barbarei. Ihre millionenfachen Opfer bleiben unvergessen. Seit 1990 erinnern Mitglieder unseres Verbandes im Mai jeden Jahres gemeinsam mit vielen Menschen in vielfältigen Veranstaltungen an die Befreiung Berlins.

So auch heute Nachmittag am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow. Morgen findet dort ein Fest zum 65. Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus statt. Gemeinsam mit Russen, Weißrussen, Ukrainern, Berlinerinnen und Berlinern vieler Nationen, denn: Wer nicht feiert, hat verloren!

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten