Der letzte Überlebende der Jugendwiderstandsgruppe um Helmuth Hübener verstarb in USA

9. Mai 2010

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) trauert um ihren KameradenKarl-Heinz Schnibbe geb. am 5. Januar 1924 in Hamburg – gestorben am 9. Mai 2010 in Salt Lake City / USA

Er gehörte der vierköpfigen jugendlichen Widerstandsgruppe von Lehrlingen um Helmuth Hübener an, die in Hamburg 1941 und 1942 Aufklärungsarbeit gegen Krieg und Faschismus leistete, was den Nazis als „Vorbereitung zum Hochverrat“ galt. Mit der Weitergabe von Meldungen des britischen Rundfunks und mit Flugblattaktionen klärte sie die Bevölkerung in den Arbeitervierteln im Osten Hamburgs auf. Sie geriet in die Fänge der Gestapo, nachdem sie zum Jahresbeginn 1942, in einer Zeit, da der Krieg der Nazis noch „siegreich“ war, in einem Flugblatt erklärt hatte:

„Im Jahr einundvierzig wird alles gebrochen. So hatte der Führer dereinst keck gesprochen. Jetzt trägt der Soldat für den Irrtum die leiden, während Hitler verspricht: „Dies Jahr wird entscheiden!“ Es wird sich entscheiden, wenn alles sich ‚rührt’! Und dann hat auch Hitler sich auskalkuliert.“

In einem Prozess vor dem Volksgerichtshof in Berlin wurde Helmuth Hübener als jüngster Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt. Karl Heinz Schnibbe wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt und kam auch nach der Befreiung am 8. Mai nicht frei, sondern geriet unschuldig in amerikanische und sowjetische Kriegsgefangenschaft, obwohl er nicht mehr am Krieg teilgenommen hat.

Er wanderte nach USA aus, kehrte aber immer wieder nach Hamburg zurück, um in Veranstaltungen als Zeitzeuge gegen Krieg und Faschismus zu wirken. Auch in seiner neuen Heimat arbeitete er aufklärend unter der Jugend. Er wirkte dort an Jugendtheaterstücken, Filmen und Büchern mit. Noch im Januar war er zur Eröffnung der Ausstellung über den Hamburger Widerstand ins Rathaus in Hamburg eingeladen worden, konnte aber nicht mehr reisen. Er schrieb seinen Freundinnen und Freunden u.a.:

„Ich bin trotz allem Schmerz und trotz allen Leiden über die vielen Jahre hinweg immer noch sehr, sehr stolz darauf und unendlich dankbar dafür, dass wir dumme Bengels damals irgendwie den Mut fanden, gegen dies denkbar bösartigste Regime der Weltgeschichte mit unserer Flugblattaktion gewaltlos vorzugehen. Und dass wir überhaupt hinter die ganzen Lügen von damals dank der Hellsicht unseres Freundes Helmuth Hübener haben schauen können!

Auch wenn ich gewusst hätte, was dadurch auf mich zukommen würde, kann ich jetzt bezeugen, dass ich es gern wieder täte, wenn ich die Gelegenheit hätte, denn eine friedvolle und faire Gesellschaft basiert ja auf der Bereitschaft jedes Mitglieds dieser Gesellschaft, für das Gute ein Opfer zu bringen, nicht immer auf seinen eigenen kurzfristigen Vorteil zu achten. Ich rufe also sozusagen über den Ozean und über die Jahrgänge meinen Freunden, besonders meinen jungen, energischen Freunden in Hamburg und sonst wo zu: Seid auf der Hut und seid für die gute Sache tätig, aber immer gewaltlos, immer menschlich und mit viel Liebe, nie den Teufel mit Beelzebub austreiben wollen!“

Noch am Vorabend des Tages, da Karl-Heinz Schnibbe uns verließ, haben wir an ihn gedacht und in zwei Veranstaltungen in Hamburg die Botschaft der jungen Menschen aus Hammerbrook verbreitet, die sich auf keine Gnade der späten Geburt beriefen, sondern mutig ihren Weg gingen.

Wir haben mit Dankbarkeit festgestellt, dass erst vor einigen Monaten die Verwaltungsschule in Hamburg, die einst von Helmuth Hübener besucht wurde, eine ständige Ausstellung geschaffen hat, mit der Helmuth Hübener, Karl Heinz Schnibbe, Rudolf Wobbe und Gerhard Düwer ein Denkmal geschaffen wurde. Karl Heinz und seine Freunde bleiben in unserem Gedächtnis und wir wollen weiter über ihr Vorbild berichten, so mit der VVN-BdA-Edition „Bibliothek des Widerstandes“ (hier erschien „Jugendwiderstand im Krieg/Die Hübener-Gruppe“) und mit dem Besuch an den Stätten des Widerstandes (wie in der Verwaltungsschule Normannenweg 26 in Hamburg).