Zum Auschwitz-Prozess von Lüneburg

geschrieben von Ulrich Sander

21. April 2015

 

Am 21. April beginnt in Lüneburg der Prozess gegen den 93jährigen ehemaligen Waffen-SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Auschwitzhäftlingen. Auch wenn der Prozess spät kommt, so kann er zur Gerechtigkeit, zur Aufklärung, zum Mahnen „Nie wieder“ beitragen.

 

Prozesse wie dieser wurden von jenen Kräften seit 70 Jahren verhindert, die als juristische und politische Fortsetzer ihres Wirkens aus der Zeit vor 1945 handelten. Wir denken gerade in Lüneburg an solche schon im Faschismus als Antikommunisten bewährte Richter, Staatsanwälte und Beamte wie Staatsanwalt Karl-Heinz Ottersbach, Ankläger am Landgericht Lüneburg, und Richter Dr. Lenski von der dortigen 4. Strafkammer, zuständig für politische Prozesse. Beide waren während des Krieges tief in Terrormaßnahmen in den besetzten Gebieten verstrickt. Jener als Staatsanwalt beim Sondergericht in Kattowitz, dieser als Feldrichter. Die von ihnen geübte „Strafjustiz“ endete für viele Betroffene tödlich. Nach 1945 durften sie hier in Lüneburg erneut über Antifaschisten richten und sie aus Gesinnungsgründen einsperren. Es ist klar, dass diese Juristen nichts im Sinne des heutigen Prozesses unternahmen.

 

Wir denken an Karl-Theodor Molinari, nach dem das Bildungswerk zur politischen Bildung von Bundeswehrsoldaten benannt wurde. Er stand mit in der Spitze des Deutschen Bundeswehrverbandes, war Generalmajor der Bundeswehr und CDU-Politiker. Dass Molinari im Juni 1944 als Kommandeur eines Panzerregiments in einem Wald nahe Les Hauts Buttés in den Ardennen 106 französische Resistance-Kämpfer erschießen ließ und deswegen 1951 in Frankreich in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, erwähnt beim DBwV niemand. Noch heute wird Molinari hoch geehrt.

 

Parteien wie CDU/CSU und FDP haben mit dafür gesorgt, dass die Mörder von Auschwitz viele Jahre straffrei blieben. Nur wenige, denen ganz konkrete Taten angelastet werden konnten, wurden bestraft. Und dies auch erst, als nach langer Verzögerung die Verjährung von Mord für immer aufgehoben wurde. Und auch danach blieben all jene straffrei, die „nur Gehilfen“ der Mörder oder Totschläger waren, und als Mörder galten möglichst nur jene in Nürnberg verurteilten. Erst als im Demjanjuk-Prozess endlich auch ein indirekter Teilnehmer an den Morden verurteilt wurde, hat die Justiz eine Handhabe gegen die Teilnehmer an der Mördergruppe gefunden, auch wenn die konkrete Einzeltat nicht nachweisbar war.

 

In Lüneburg versuchen derzeit die Neonazis Stimmung zu machen zugunsten der Täter. Sie planen „Solidaritätsaktionen“ der Holocaustleugner. Antifaschistische Initiativen, auch die VVN-BdA, stellen sich ihnen entgegen.

 

Der Schwur von Buchenwald endet mit den Worten: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“ Und wir fügen heute hinzu: Auch dann, wenn die Täter und Opfer nicht mehr leben, werden wir die moralische Anklage weiter erheben gegen die Strukturen und Eliten, die den Faschismus ermöglichten und ermöglichen.